Cover

 

FELIX DAHN

 

KAMPF UM ROM

 

Historischer Roman in vier Bänden

 

 

 

BAND II:

 

DER UNTERGANG

DER AMELUNGEN

 

 

 

 

 

 

 

Dieses Buch ist Teil der BRUNNAKR EDITION: Fantasy, Historische Romane, Legenden & Mythen.

 

BRUNNAKR ist ein Imprint des apebook Verlags.

 

Nähere Informationen am Ende des Buches oder auf:

www.apebook.de

 

1. Auflage 2019

V 1.0

 

 

eBook: ISBN 978-3-96130-186-7

Print: ISBN 978-3-96130-187-4

 

Buchgestaltung/Coverdesign: SKRIPTART

  www.skriptart.de

 

Alle Rechte vorbehalten.

© BRUNNAKR/apebook 2019

 

 

 

 

 

 

 

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INVASION DER GOTEN IN DAS RÖMISCHE IMPERIUM (Gemälde von O. Fritsche)

 

Inhaltsverzeichnis

KAMPF UM ROM. Bd. 2: Der Untergang der Amelungen

Impressum

Frontispiz

Karte: Europa Anno 526

TEIL 1

ERSTES KAPITEL

ZWEITES KAPITEL

DRITTES KAPITEL

VIERTES KAPITEL

FÜNFTES KAPITEL

SECHSTES KAPITEL

SIEBENTES KAPITEL

ACHTES KAPITEL

NEUNTES KAPITEL

ZEHNTES KAPITEL

ELFTES KAPITEL

ZWÖLFTES KAPITEL

DREIZEHNTES KAPITEL

VIERZEHNTES KAPITEL

FÜNFZEHNTES KAPITEL

SECHZEHNTES KAPITEL

SIEBZEHNTES KAPITEL

ACHTZEHNTES KAPITEL

NEUNZEHNTES KAPITEL

ZWANZIGSTES KAPITEL

EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL

ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL

DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL

VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL

FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL

TEIL 2

ERSTES KAPITEL

ZWEITES KAPITEL

DRITTES KAPITEL

VIERTES KAPITEL

FÜNFTES KAPITEL

SECHSTES KAPITEL

SIEBENTES KAPITEL

ACHTES KAPITEL

NEUNTES KAPITEL

ZEHNTES KAPITEL

ELFTES KAPITEL

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VIERZEHNTES KAPITEL

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Zu guter Letzt

 

 

 

 

EUROPA ANNO 526

 

 

 

 

 

 

 

 

 

TEIL 1

 

 

 

 

»Amalaswintha verzagte nicht nach Frauenart,

sondern kräftig wahrte sie ihr Königtum.«

 

Prokop, Gotenkrieg, I, 3

 

ERSTES KAPITEL

 

Wie ein Donnerschlag aus heitrem Himmel traf Athalarichs plötzliches Ende die gotische Partei, die an diesem nämlichen Tage ihre Hoffnungen so hoch gespannt hatte. Alle Maßregeln, die der König in ihrem Sinne angeordnet, waren gelähmt, die Goten plötzlich wieder ohne Vertretung in dem Staat, an dessen Spitze jetzt die Regentin ganz allein gestellt war.

Am frühen Morgen des nächsten Tages stellte sich Cassiodor bei dem Präfekten ein. Er fand diesen in ruhigem, festem Schlaf.

»Und du kannst ruhig schlafen, ruhig wie ein Kind, nach einem solchen Schlag!« – »Ich schlief«, sagte Cethegus, sich auf den linken Arm aufrichtend, »im Gefühle neuer Sicherheit.« – »Sicherheit! ja, für dich, aber das Reich!«

»Das Reich war mehr gefährdet durch diesen Knaben als ich. Wo ist die Königin?« – »Am offenen Sarge ihres Sohnes sitzt sie, sprachlos! Die ganze Nacht.«

Cethegus sprang auf: »Das darf nicht sein«, rief er. »Das tut nicht gut. Sie gehört dem Staat, nicht dieser Leiche. Um so weniger, als ich von Gift flüstern hörte. Der junge Tyrann hatte viele Feinde. Wie steht es damit?«

»Sehr ungewiß. Der griechische Arzt Elpidios, der die Leiche untersuchte, sprach zwar von einigen auffallenden Erscheinungen. Aber, wenn Gift gebraucht worden, meinte er, müßte es ein sehr geheimes, ihm völlig fremdes sein. In dem Becher, daraus der Arme den letzten Trunk getan, fand sich nicht die leiseste Spur verdächtigen Inhalts. So glaubt man allgemein, die Aufregung habe das alte Herzleiden zurückgerufen und dieses ihn getötet. Aber doch ist es gut, daß man dich von dem Augenblick, da du die Versammlung verließest, immer vor Zeugen gesehen: der Schmerz macht argwöhnisch.«

»Wie steht es um Kamilla?« forschte der Präfekt weiter. – »Sie soll von ihrer Betäubung noch gar nicht erwacht sein; die Ärzte fürchten das Schlimmste. – Aber ich kam, dich zu fragen: Was soll nun weiter geschehen? Die Regentin sprach davon, die Untersuchung gegen dich niederzuschlagen.« – »Das darf nicht sein!« rief Cethegus. »Ich fordre die Durchführung. Eilen wir zu ihr.« – »Willst du sie am Sarge ihres Sohnes stören?« – »Ja, das will ich! Deine zarte Rücksicht bebt davor zurück? Gut, komme du nach, wenn ich das Eis gebrochen.«

Er verabschiedete den Besuch und rief seine Sklaven, ihn anzukleiden. Bald darauf schritt er, in dunkelgraues Trauergewand gehüllt, hinab zu dem Gewölbe, wo die Leiche ausgestellt lag. Gebieterisch wies er die Wachen und die Frauen Amalaswinthens hinweg, die den Eingang hüteten, und trat geräuschlos ein.

Es war die niedrig gewölbte Halle, in der ehedem die Leichen der Kaiser mit Salben und Brennstoffen für den Scheiterhaufen bereitet worden. Das schweigende Gelaß, mit dunkelgrünem Serpentin getäfelt, von kurzen dorischen Säulen aus schwarzem Marmor getragen, war nie von der Tageshelle beleuchtet: auch jetzt fiel auf die düstern byzantinischen Mosaiken auf dem Goldgrund der Wandplatten kein andres Licht als von den vier Pechfackeln, die an dem Steinsarkophag des jungen Königs mit unstetem Schimmer flackerten.

Dort lag er, auf einem tiefroten Purpurmantel, Helm, Schwert und Schild zu seinen Häupten.

Der alte Hildebrand hatte ihm einen Eichenkranz um die dunkeln Locken gewunden. Die edeln Züge ruhten in ernster, bleicher Schöne.

Zu seinen Füßen saß in langem Trauerschleier die hohe Gestalt der Regentin, das Haupt auf den linken Arm gestützt, der auf dem Sarkophage ruhte, der rechte hing schlaff herab. Sie konnte nicht mehr weinen.

Das Knistern der Pechflammen war das einzige Geräusch in dieser Grabesstille. –

Lautlos trat Cethegus ein, nicht unbewegt von der Poesie des Anblicks. Aber mit einem Zusammenziehen der Brauen war dies Gefühl wie ein Anflug von Mitleid erstickt. »Klarheit gilt es«, sprach er zu sich selbst, »und Ruhe.« Leise trat er näher und ergriff die herabgesunkene Hand Amalaswinthens. »Erhebe dich, hohe Frau, du gehörst den Lebendigen, nicht den Toten.«

Erschrocken sah sie auf: »Du hier, Cethegus? Was suchst du hier?«

»Eine Königin.«

»Oh, du findest nur eine weinende Mutter!« rief sie schluchzend. – »Das kann ich nicht glauben. Das Reich ist in Gefahr, und Amalaswintha wird zeigen, daß auch ein Weib dem Vaterland den eignen Schmerz opfern kann.«

»Das kann sie«, sagte sie, sich aufrichtend: »Aber sieh auf ihn hin. – Wie jung, wie schön –! Wie konnte der Himmel so grausam sein.« – »Jetzt oder nie«, dachte Cethegus. »Der Himmel ist gerecht, streng, nicht grausam.«

»Wie redest du? Was hat mein edler Sohn verschuldet? Wagst du ihn anzuklagen?« – »Nicht ich! Doch eine Stelle der Heiligen Schrift hat sich erfüllt an ihm: 'Ehre Vater und Mutter, auf daß du lang lebest auf Erden.' Die Verheißung ist auch eine Drohung. Gestern hat er gefrevelt gegen seine Mutter und sie verunehrt in trotziger Empörung: – heute liegt er hier. Ich sehe darin den Finger Gottes.«

Amalaswintha verhüllte ihr Antlitz. Sie hatte dem Sohn an seinem Sarge seine Auflehnung herzlich vergeben. Aber diese Auffassung, diese Worte ergriffen sie doch mächtig und zogen sie ab von ihrem Schmerz zur liebgewordenen Gewohnheit des Herrschens. »Du hast, o Königin, die Untersuchung gegen mich niederschlagen wollen und Witichis zurückberufen. Letzteres mag sein. Aber ich fordere die Durchführung des Prozesses und feierliche Freisprechung als mein Recht.«

»Ich habe nie an deiner Treue gezweifelt. Weh mir, wenn ich es jemals müßte. Sage mir: ich weiß von keiner Verschwörung! und alles ist abgetan.« – Sie schien seine Beteuerung zu erwarten. Cethegus schwieg eine Weile. Dann sagte er ruhig: »Königin, ich weiß von einer Verschwörung.«

»Was ist das?« rief die Regentin und sah ihn drohend an. – »Ich habe diese Stunde, diesen Ort gewählt«, fuhr Cethegus mit einem Blick auf die Leiche fort, »dir meine Treue entscheidend zu besiegeln, daß sie dir unauslöschlich möge ins Herz geschrieben sein. Höre und richte mich.« – »Was werd' ich hören?« sprach die Königin wachsam und fest entschlossen, sich weder täuschen noch erweichen zu lassen. »Ich wär' ein schlechter Römer, Königin, und du müßtest mich verachten, liebte ich nicht vor allem mein Volk. Dies stolze Volk, das selbst du, die Fremde, liebst. Ich wußte wie du es weißt –, daß der Haß gegen euch als Ketzer, als Barbaren in den Herzen fortglimmt. Die letzten strengen Taten deines Vaters hatten ihn geschürt. Ich ahnte eine Verschwörung. Ich suchte, ich entdeckte sie.« – »Und verschwiegst sie!« sprach die Regentin, zürnend sich erhebend. – »Und verschwieg sie. Bis heute. Die Verblendeten wollten die Griechen herbeirufen und nach Vernichtung der Goten sich dem Kaiser unterwerfen.« – »Die Schändlichen!« rief Amalaswintha heftig. – »Die Toren! Sie waren schon so weit gegangen, daß nur ein Mittel blieb, sie zurückzuhalten: ich trat an ihre Spitze, ich ward ihr Haupt.« – »Cethegus!« – »Dadurch gewann ich Zeit und konnte edle, wenn auch verblendete Männer von dem Verderben zurückhalten. Allgemach konnte ich ihnen die Augen darüber öffnen, daß ihr Plan, wenn er gelänge, nur eine milde mit einer despotischen Herrschaft vertauschen würde. Sie sahen es ein, sie folgten mir, und kein Byzantiner wird diesen Boden betreten, bis ich ihn rufe, ich – oder du.«

»Ich! rasest du?« – »Nichts ist den Menschen zu verschwören!' sagt Sophokles, dein Liebling. Laß dich warnen, Königin, die du die dringendste Gefahr nicht siehst. Eine andre Verschwörung, viel gefährlicher als jene römische Schwärmerei, bedroht dich, deine Freiheit, das Herrschaftsrecht der Amaler, in nächster Nähe – eine Verschwörung der Goten.« –

Amalaswintha erbleichte.

»Du hast gestern zu deinem Schrecken ersehn, daß nicht deine Hand mehr das Ruder dieses Reiches führt. Ebensowenig dieser edle Tote, der nur ein Werkzeug deiner Feinde war. Du weißt es, Königin, viele in deinem Volk sind blutdürstende Barbaren, raubgierig, roh: sie möchten dies Land brandschatzen, wo Vergil und Tullius gewandelt. Du weißt, dein trotziger Adel haßt die Übermacht des Königshauses und will sich ihm wieder gleichstellen. Du weißt, die rauhen Goten denken nicht würdig von dem Beruf des Weibes zur Herrschaft.« – »Ich weiß es«, sprach sie stolz und zornig.– »Aber nicht weißt du, daß alle diese Parteien sich geeinigt haben. Geeinigt gegen dich und dein römerfreundlich Regiment. Dich wollen sie stürzen oder zu ihrem Willen zwingen. Cassiodor und ich, wir sollen von deiner Seite fort. Unser Senat, unsre Rechte sollen fallen, das Königtum ein Schatten werden. Krieg mit dem Kaiser soll entbrennen. Gewalt, Erpressung, Raub über uns Römer hereinbrechen.« – »Du malst eitle Schreckbilder!« – »War ein eitles Schreckbild, was gestern geschah? Wenn nicht der Arm des Himmels eingriff, warst nicht du selbst wie ich der Macht beraubt? Warst du denn noch Herrin in deinem Reich, in deinem Hause? Sind sie nicht schon so mächtig, daß der heidnische Hildebrand, der bauerische Witichis, der finstre Teja in deines betörten Sohnes Namen offen deinem Willen trotzen? Haben sie nicht jene rebellischen drei Herzöge zurückberufen? Und deine widerspenstige Tochter und –« – »Wahr, zu wahr!« seufzte die Königin.

»Wenn diese Männer herrschen dann lebt wohl, Wissenschaft und Kunst und edle Bildung! Leb' wohl, Italia, Mutter der Menschlichkeit! Dann lodert in Flammen auf, ihr weißen Pergamente, brecht in Trümmer, schöne Statuen. Gewalt und Blut wird diese Fluren erfüllen, und späte Enkel werden bezeugen: solches geschah unter Amalaswintha, der Tochter Theoderichs.«

»Nie, niemals soll das geschehen! Aber –«

»Du willst Beweise? Ich fürchte, nur zu bald wirst du sie haben. Du siehst jedoch schon jetzt: auf die Goten kannst du dich nicht stützen, wenn du jene Greuel verhindern willst. Gegen sie schützen nur wir dich, wir denen du ohnehin angehöret nach Geist und Bildung, wir Römer. Dann, wenn jene Barbaren lärmend deinen Thron umdrängen, dann laß mich jene Männer um dich scharen, die sich einst gegen dich verschworen, die Patrioten Roms: sie schützen dich und sich selbst zugleich.«

»Cethegus«, sprach die bedrängte Frau, »du beherrschest die Menschen leicht! Wer, sage mir, wer bürgt mir für die Patrioten, für deine Treue«

»Dies Blatt, Königin, und dieses! Jenes enthält eine genaue Liste der römischen Verschworenen – du siehst, es sind viele hundert Namen: dies die Glieder des gotischen Bundes, die ich freilich nur erraten konnte. Aber ich rate gut. Mit diesen beiden Blättern geb' ich die beiden Parteien, geb' ich mich selbst ganz in deine Hand. Du kannst mich jeden Augenblick bei den Meinen selbst als Verräter entlarven, der vor allem deine Gunst gesucht, kannst mich preisgeben dem Haß der Goten – ich habe jetzt keinen Anhang mehr, sobald du willst: ich stehe allein, allein auf dem Boden deiner Gunst.«

Die Königin hatte die Rolle mit leuchtenden Augen durchflogen. »Cethegus«, rief sie jetzt, »ich will deiner Treue gedenken in dieser Stunde!« Und sie reichte ihm gerührt die Hand.

Cethegus neigte leise das Haupt. »Noch eins, o Königin. Die Patrioten, fortan deine Freunde wie die meinen, wissen das Schwert des Verderbens, des Hasses der Barbaren über ihren Häuptern hangen. Die Erschrocknen bedürfen der Aufrichtung. Laß sie mich deines hohen Schutzes versichern: stelle deinen Namen an die Spitze dieses Blattes und laß mich ihnen dadurch ein sichtbares Zeichen deiner Gnade geben.«

Sie nahm den goldnen Stift und die Wachstafel, die er ihr reichte. Einen Augenblick noch zögerte sie nachdenklich: dann aber schrieb sie rasch ihren Namen und gab ihm Griffel und Tafel zurück: »Hier, sie sollen mir treu bleiben, treu wie du.«

Da trat Cassiodorus ein: »O Königin, die gotischen Großen harren dein. Sie begehren dich zu sprechen.«

»Ich komme! Sie sollen meinen Willen vernehmen«, sprach sie heftig: »du aber, Cassiodor, sei der erste Zeuge des Beschlusses, den diese ernste Stunde in mir gereift, den bald mein ganzes Reich vernehmen soll: hier der Präfekt von Rom ist hinfort der erste meiner Diener, wie er der treuste ist: sein ist der Ehrenplatz in meinem Vertrauen und an meinem Thron.«

Staunend führte Cassiodor die Regentin die dunkeln Stufen hinan. Langsam folgte Cethegus. Er hob die Wachstafel in die Höhe und sprach zu sich selbst: »Jetzt bist du mein, Tochter Theoderichs. Dein Name auf dieser Liste trennt dich auf immer von deinem Volk.«

 

ZWEITES KAPITEL

 

Als Cethegus aus dem unterirdischen Gewölbe wieder zu dem Erdgeschoß des Palastes aufgetaucht war und sich anschickte, der Regentin zu folgen, ward sein Ohr berührt und sein Schritt gefesselt durch feierliche, klagende Flötentöne. Er erriet, was sie bedeuteten.

Sein erster Antrieb war, auszuweichen. Aber alsbald entschloß er sich zu bleiben. »Einmal muß es doch geschehen, also am besten gleich«, dachte er. »Man muß prüfen, wie weit sie unterrichtet ist.«

Immer näher kamen die Flöten, wechselnd mit eintönigen Klagegesängen. Cethegus trat in eine breite Nische des dunklen Ganges, in welchen schon die Spitze des kleinen Zuges einbog. Voran schritten paarweise sechs edle römische Jungfrauen in grauen Klageschleiern, gesenkte Fackeln in den Händen. Darauf folgte ein Priester, dem eine hohe Kreuzesfahne mit langen Wimpeln vorangetragen wurde. Hierauf eine Schar von Freigelassenen der Familie, angeführt von Corbulo, und die Flötenbläser. Dann erschiene von vier römischen Mädchen getragen, ein offener, blumenüberschütteter Sarg: da lag auf weißem Linnentuch die tote Kamilla, in bräutlichem Schmuck, einen Kranz von weißen Rosen um das schwarze Haar, ein Zug lächelnden Friedens spielte um den leicht geöffneten Mund. Hinter dem Sarg aber wankte, mit gelöstem Haar, stier vor sich hinblickend, die unselige Mutter, von Matronen umgeben, welche die Sinkende stützten. Eine Reihe von Sklavinnen schloß den Zug, der sich langsam in das Totengewölbe verlor.

Cethegus erkannte die schluchzende Daphnidion und hielt sie an. »Wann starb sie?« fragte er ruhig. – »Ach, Herr, vor wenigen Stunden! Oh, die gute, schöne, freundliche Domina!« – »Ist sie noch einmal erwacht zu vollem Bewußtsein?«

»Nein, Herr, nicht mehr. Nur ganz zuletzt schlug sie die großen Augen nochmal auf und schien rings umher zu suchen. 'Wo ist er hin?' fragte sie die Mutter. 'Ach, ich sehe ihn', rief sie dann und hob sich aus den Kissen. 'Kind, mein Kind, wo willst du hin?' weinte die Herrin. 'Nun, dorthin', sagte sie mit verklärtem Lächeln: 'nach den Inseln der Seligen!' und sie schloß die Augen und sank zurück auf das Lager, und jenes holde Lächeln blieb stehen auf ihrem Mund – und sie war dahin, dahin auf ewig!« – »Wer hat sie hier herabbringen lassen?« – »Die Königin. Sie erfuhr alles und befahl, die Tote als die Braut ihres Sohnes neben ihm auszustellen und zu bestatten.«

»Aber was sagt der Arzt? Wie konnte sie so plötzlich sterben?« – »Ach, der Arzt sah sie nur flüchtig; er hatte alle Gedanken bei der Königsleiche und die Herrin litt ja gar nicht, daß der fremde Mann ihre Tochter berühre. Das Herz ist ihr eben gebrochen: daran mag man wohl sterben! Aber still, sie kommen.« Der Zug ging in derselben Ordnung ohne den Sarg zurück. Daphnidion schloß sich an. Nur Rusticiana fehlte. Ruhig schritt Cethegus den einsamen Gang auf und nieder, sie zu erwarten.

Endlich stieg die gebrochne Gestalt die Stufen herauf. Sie wankte und drohte zu fallen. Da ergriff er rasch ihren Arm. »Rusticiana, fasse dich!«

»Du hier? O Gott, du hast sie auch geliebt! Und wir, wir beide haben sie ermordet!« Und sie brach auf seiner Schulter zusammen. »Schweig, Unselige!« flüsterte er, sich umsehend.

»Ach, ich, die eigne Mutter, habe sie getötet. Ich habe den Trank gemischt, der ihm den Tod gebracht.«

Gut, dachte er, sie ahnt also nicht, daß sie getrunken, geschweige, daß ich sie trinken sah. »Es ist ein grausamer Streich des Geschicks«, sagte er laut; »aber bedenke, was sollte werden, wenn sie lebte? Sie liebte ihn!« – »Was werden sollte?« rief Rusticiana, von ihm zurücktretend.

»Oh, wenn sie nur lebte! Wer kann wider die Liebe? Wäre sie sein geworden, sein Weib – seine Geliebte, wenn sie nur lebte!« – »Aber du vergißt, daß er sterben mußte.« – »Mußte? Warum mußte er sterben? Auf daß du deine stolzen Pläne hinausführst! O Selbstsucht ohnegleichen!« – »Es sind deine Pläne, die ich ausführe, nicht die meinen; wie oft muß ich dir's wiederholen? Du hast den Gott der Rache heraufbeschworen, nicht ich: was klagst du mich an, wenn er Opfer von dir fordert? Besinne dich besser. Lebe wohl.«

Aber Rusticiana faßte heftig seinen Arm: »Und das ist alles? Und weiter hast du nichts, kein Wort, keine Träne für mein Kind? Und du willst mich glauben machen, um sie, um mich zu rächen habest du gehandelt? Du hast nie ein Herz gehabt. Du hast sie auch nicht geliebt – kalten Blutes siehst du sie sterben – ha, Fluch – Fluch über dich.« – »Schweig, Unsinnige.« – »Schweigen? Nein, reden will ich und dir fluchen. Oh, wüßt' ich etwas, das dir wäre, was mir Kamilla war! Oh, müßtest du, wie ich, deines ganzen Lebens letzte, einzige Freude fallen sehen, fallen sehen und verzweifeln. Wenn ein Gott im Himmel ist, wirst du das erleben.«

Cethegus lächelte.

»Du glaubst an keine Macht im Himmel, die vergelte? Wohlan, glaub' an die Rache einer jammervollen Mutter! Du sollst erzittern! Ich eile zur Regentin und entdecke ihr alles! Du sollst sterben!« – »Und du stirbst mit mir.«

»Mit lachenden Augen, wenn ich dich verderben sehe.« Und sie wollte hinweg. Aber Cethegus ergriff sie mit starkem Arm. »Halt, Weib. Glaubst du, man sieht sich nicht vor mit deinesgleichen? Deine Söhne, Anicitis und Severinus, die Verbannten, sind heimlich in Italien, in Rom, in meinem Hause. Du weißt, auf ihre Rückkehr steht der Tod. Ein Wort – und sie sterben mit uns: dann magst du deinem Gatten auch die Söhne, wie die Tochter, als durch dich gefallen zuführen. Ihr Blut über dein Haupt.« Und rasch war er um die Ecke des Ganges biegend verschwunden.

»Meine Söhne!« rief Rusticiana und brach auf dem Marmorestrich zusammen.

Wenige Tage darauf verließ die Witwe des Boëthius mit Corbulo und Daphnidion den Königshof für immer. Vergebens suchte die Regentin sie zu halten.

Der treue Freigelassene führte sie zurück auf die verborgene Villa bei Tifernum, die je verlassen zu haben sie jetzt tief bedauerte. Sie baute daselbst, an der Stelle des kleinen Venustempels, eine Basilika, in deren Krypta eine Urne mit den Herzen der beiden Liebenden beigesetzt wurde.

Ihre leidenschaftliche Seele verband mit dem Gebet für das Heil ihres Kindes unzertrennlich die Bitte der Rache an Cethegus, dessen wahre Beteiligung an Kamillens Tod sie nicht einmal ahnte: nur das durchschaute sie, daß er Mutter und Tochter als Werkzeuge seiner Pläne gebraucht und in herzloser Kälte des Mädchens Glück und Leben aufs Spiel gesetzt hatte.

Und kaum minder unablässig als das Licht der daselbst gestifteten ewigen Lampe stieg das Gebet und der Fluch der vereinsamten Mutter zum Himmel empor.

Die Stunde sollte nicht ausbleiben, die ihr die Schuld des Präfekten ganz enthüllte, und auch die Rache nicht, die sie dafür vom Himmel niederrief.

 

DRITTES KAPITEL

 

Am Hofe von Ravenna aber wurde ein zäher und grimmiger Kampf geführt.

Die gotischen Patrioten, obwohl durch den plötzlichen Untergang ihres jugendlichen Königs schwer betrübt und für den Augenblick überwunden, wurden doch von ihren unermüdlichen Führern bald wieder aufgerafft. Das hohe Ansehen des alten Hildebrand, die ruhige Kraft des zurückberufenen Witichis und Tejas wachsamer Eifer wirkten unablässig. Wir haben gesehen, wie es diesen Männern gelungen war, Athalarich zur Abschüttelung der Oberleitung seiner Mutter zu verhelfen. Jetzt gelang es ihnen leicht, unter den Goten immer mehr Anhang zu finden gegen eine Regentschaft, in welcher der ihnen als Hochverräter verhaßte Cethegus mehr als je in den Vordergrund trat. Die Stimmung im Heer, in der germanischen Bevölkerung von Ravenna war genügend zu einem entscheidenden Schlage vorbereitet. Mit Mühe hielt der alte Waffenmeister die Unzufriedenen zurück, bis sie, durch wichtige Bundesgenossen verstärkt, desto sicherer siegen könnten.

Diese Bundesgenossen waren die drei Herzöge Thulun, Ibba und Pitza, die Amalaswintha vom Hofe verscheucht und ihr Sohn soeben zurückberufen hatte. Thulun und Ibba waren Brüder, Pitza ihr Vetter.

Ein andrer Bruder der ersteren, Herzog Alarich, war vor Jahren wegen angeblicher Verschwörung zum Tode verurteilt und seit seiner Flucht verschollen.

Sie stammten aus dem berühmten Geschlecht der Balten, das bei den Westgoten die Königskrone getragen hatte und den Amalungen kaum nachstand an Alter und Ansehn. Ihr Stammbaum führte, wie der des Königshauses, bis zu den Göttern hinauf. Ihr Reichtum an Grundbesitz und abhängigen Colonen und der Ruhm ihrer Kriegstaten erhöhten Macht und Glanz ihres Hauses. Man sagte im Volk, Theoderich habe eine Zeitlang daran gedacht, mit Übergehung seiner Tochter und ihres unmündigen Knaben, zum Heile des Reiches den kräftigen Herzog Thulun zu seinem Nachfolger zu bestellen.

Und die Patrioten waren jetzt, nach dem Tode Athalarichs, entschlossen, für den äußersten Fall, das heißt, wenn die Regentin von ihrem System nicht abzubringen sei, jene Gedanken wieder aufzunehmen.

Cethegus sah das Gewitter heranziehen: er sah, wie das gotische Volksbewußtsein, von Hildebrand und seinen Freunden wachgerufen, sich immer heftiger gegen die romanisierende Regentschaft sträubte.

Mit Unmut gestand er sich, daß es ihm an wirklicher Macht fehle, diese Unzufriedenheit niederzuhalten. Ravenna war nicht sein Rom, wo er die Werke beherrschte, wo er die Bürger wieder an die Waffen gewöhnt und an seine Person gefesselt hatte; hier waren alle Truppen Goten, und er mußte fürchten, daß sie einen Haftbefehl gegen Hildebrand oder Witichis mit offenem Aufruhr beantworten würden. So faßte er den kühnen Gedanken, mit einem Zug sich aus den Netzen, die ihn zu Ravenna umstrickten, herauszureißen: er beschloß, die Regentin, nötigenfalls mit Gewalt, nach Rom zu bringen, nach seinem Rom, dort hatte er Waffen, Anhang, Macht. Dort war Amalaswintha ausschließlich in seiner Gewalt, und die Goten hatten das Nachsehen.

Zu seiner Freude ging die Regentin lebhaft auf seinen Plan ein. Sie sehnte sich hinweg aus diesen Mauern, wo sie mehr eine Gefangene als eine Herrscherin erschien. Sie verlangte nach Rom, nach Freiheit und Macht. Rasch wie immer traf Cethegus seine Maßregeln. Auf den kürzren Weg zu Lande mußte er verzichten, da die große Via flaminia sowohl als die andern Straßen von Ravenna nach Rom durch gotische Scharen, die Witichis befehligte, bedeckt waren und daher zu fürchten stand, daß ihre Flucht auf diesem Wege zu früh entdeckt und vielleicht verhindert würde. So mußte er sich entschließen, einen Teil des Weges zur See zurückzulegen: aber auf die gotischen Schiffe im Hafen von Ravenna konnte man zu einem solchen Zweck nicht zählen.

Zum Glück erinnerte sich der Präfekt, daß der Nauarch Pomponius, einer der Verschworenen, mit drei Trieren zuverlässiger, d. h. römischer Bemannung an der Ostküste des Adriatischen Meeres, zwischen Ancona und Teate, auf afrikanische Seeräuber Jagd machend, kreuzte. Diesem sandte er Befehl, in der Nacht des Epiphaniafestes in der Bucht von Ravenna zu erscheinen. Er hoffte, vom Garten des Palastes aus, unter dem Schutz der Dunkelheit und während kirchliche und weltliche Festfeier die Stadt beschäftigte, leicht und sicher mit Amalaswintha die Schiffe zu erreichen, die sie zur See über die großen Stellungen hinaus bis nach Teate bringen sollten: von da aus war der Weg nach Rom kurz und ungefährdet.

Diesen Plan im Bewußtsein – sein Bote kam glücklich hin und zurück mit dem Versprechen des Pomponius, pünktlich einzutreffen –, lächelte der Präfekt zu dem täglich wachsenden, trotzigen Haß der Goten, die seine Günstlingsstellung bei Amalaswintha mit Ingrimm betrachteten. Er ermahnte diese, geduldig auszuharren und nicht durch einen Ausbruch ihres königlichen Zornes über die »Rebellen« vor dem Tag der Befreiung einen Zusammenstoß herbeizuführen, der leicht alle Pläne der Rettung vereiteln konnte.

Das Epiphaniafest war gekommen: das Volk wogte in dichten Massen in den Basiliken, auf den Plätzen der Stadt. Die Kleinodien des Schatzes lagen geordnet und gepackt bereit, ebenso die wichtigsten Urkunden des Archivs. Es war Mittag. Amalaswintha und der Präfekt hatten soeben ihren Freund Cassiodor von dem Plan unterrichtet, dessen Kühnheit ihn anfangs erschreckte, dessen Klugheit ihn alsbald gewann. Sie wollten gerade aus dem Gemach der Beratung aufbrechen, als plötzlich der Lärm des Volkes, das vor dem Palast auf und nieder flutete, lauter und heftiger anschwoll. Drohungen, Jubelrufe, Waffenklirren wild durcheinander.

Cethegus schlug den Vorhang des großen Rundbogenfensters zurück: doch er sah nur noch die letzten Reihen der Menge nachdrängen in die offenen Tore des Palastes. Die Ursache der Aufregung war nicht zu entdecken.

Aber schon stieg im Palatium das Getöse die Treppen hinan, Zank mit der Dienerschaft wurde hörbar, einzelne Waffenschläge, bald nahe, schwere Tritte. Amalaswintha bebte nicht: fest hielt sie den Drachenknauf des Thronstuhles, auf den Cassiodor sie zurückgeführt.

Cethegus warf sich indessen den Andringenden entgegen. »Halt«, rief er, unter der Tür des Gemaches hinaus, »die Königin ist für niemand sichtbar.«

Einen Augenblick lautlose Stille.

Dann rief eine kräftige Stimme: »Wenn für dich, Römer, auch für uns, für ihre gotischen Brüder. Vorwärts!«

Und wieder erhob sich das Brausen der Stimmen, und im Augenblick war Cethegus, ohne Anwendung bestimmter Gewalt, von dem Andrang der Masse wie von unwiderstehlicher Meeresflut bis weit in den Hintergrund des Saales zurückgeschoben, und die Vordersten im Zuge standen dicht vor dem Thron.

Es waren Hildebrand, Witichis, Teja, ein baumlanger Gote, den Cethegus nicht kannte, und neben ihm – es litt keinen Zweifel – die drei Herzoge Thulun, Ibba und Pitza, in voller Rüstung, drei prachtvolle Kriegergestalten. Die Eingedrungenen neigten sich vor dem Thron. Dann rief Herzog Thulun nach rückwärts gewendet mit der Handbewegung eines geborenen Herrschers: »Ihr, gotische Männer, harret noch draußen eine kurze Weile; wir wollen's in eurem Namen mit der Regentin zu schlichten suchen. Gelingt es nicht so rufen wir euch auf zur Tat – ihr wißt, zu welcher.«

Willig und mit Jubelrufen zogen sich die Scharen hinter ihm zurück und verloren sich bald in den Gängen und Hallen des Schlosses.

»Tochter Theoderichs«, hob der Herzog Thulun an, das Haupt zurückwerfend, »wir sind gekommen, weil uns dein Sohn, der König, zurückberufen. Leider finden wir ihn nicht mehr am Leben. Wir wissen, daß du uns nicht gerne hier siehst.«

»Wenn ihr das wißt«, sprach Amalaswintha mit Hoheit, »wie könnt ihr wagen, dennoch vor unser Angesicht zu treten? Wer gestattet euch, wider unsern Willen zu uns zu dringen?« – »Die Not gebeut es, hohe Frau, die Not, die schon stärkere Riegel gebrochen als eines Weibes Laune. Wir haben dir die Forderungen deines Volkes vorzutragen, die du erfüllen wirst.« – »Welche Sprache! Weißt du, wer vor dir steht, Herzog Thulun?« – »Die Tochter der Amalungen, deren Kind ich ehre, auch wo es irrt und frevelt.« – »Rebell!« rief Amalaswintha und erhob sich majestätisch vom Throne, »dein König steht vor dir.« Aber Thulun lächelte: »Du würdest klüger tun, Amalaswintha, von diesem Punkt zu schweigen. König Theoderich hat dir die Mundschaft über deinen Sohn übertragen, dem Weibe: das war wider Recht, aber wir Goten haben ihm nicht eingeredet in seine Sippe. Er hat diesen Sohn zum Nachfolger gewünscht, den Knaben: das war nicht klug. Aber Adel und Volk der Goten haben das Blut der Amalungen geehrt und den Wunsch eines Königs, der sonst weise war. Niemals jedoch hat er gewünscht, und niemals hätten wir gebilligt, daß nach jenem Knaben ein Weib über uns herrschen solle, die Spindel über die Speere.«

»So wollt ihr mich nicht mehr anerkennen als eure Königin?« rief sie empört. »Und auch du, Hildebrand, alter Freund Theoderichs, auch du verleugnest seine Tochter?«

»Frau Königin«, sprach der Alte, »wollest du selbst verhüten, daß ich dich verleugnen muß.«

Thulun fuhr fort: »Wir verleugnen dich nicht – noch nicht. Jenen Bescheid gab ich nur, weil du auf dein Recht pochst, und weil du wissen mußt, daß du ein Recht nicht hast.

Aber weil wir gern den Adel des Blutes ehren – wir ehren damit uns selbst –, und weil es in diesem Augenblick zu bösem Zwiespalt im Reich führen könnte, wollten wir dir die Krone absprechen, so will ich dir die Bedingungen sagen, unter denen du sie fürder tragen magst.«

Amalaswintha litt unsäglich: wie gern hätte sie das stolze Haupt, das solche Worte sprach, dem Henker geweiht. Und machtlos mußte sie das dulden! Tränen wollten in ihr Auge dringen: sie preßte sie zurück, aber erschöpft sank sie auf ihren Thron, von Cassiodor gestützt.

Cethegus war indessen an ihre andre Seite getreten: »Bewillige alles!« raunte er ihr zu, »'s ist alles erzwungen und nichtig. Und heute nacht noch kommt Pomponius.«

»Redet«, sprach Cassiodor, »aber schont des Weibes, ihr Barbaren.«

»Ei«, lachte Herzog Pitza, »sie will ja nicht als Weib behandelt sein: sie ist ja unser König.«

»Ruhig, Vetter«, verwies ihn Herzog Thulun, »sie ist von edlem Blut wie wir.«

»Fürs erste«, fuhr er fort, »entläßt du aus deiner Nähe den Präfekten von Rom. Er gilt für einen Feind der Goten. Er darf nicht die Gotenkönigin beraten. An seine Stelle bei deinem Thron tritt Graf Witichis.«

»Bewilligt!« sagte Cethegus selbst, statt Amalaswinthas.

Fürs zweite erklärst du in einem Manifest, daß fortan kein Befehl von dir vollziehbar, der nicht von Hildebrand oder Witichis unterzeichnet, daß kein Gesetz ohne Genehmigung der Volksversammlung gültig ist.«

Die Regentin fuhr zornig auf, aber Cethegus hielt ihren Arm nieder. »Heute nacht kommt Pomponius!« flüsterte er ihr zu. Dann rief er laut: »Auch das wird zugestanden.«

»Das dritte«, hob Thulun wieder an, »wirst du so gern gewähren, als wir es empfanden. Wir drei Balten haben nicht gelernt, in der Hofburg die Häupter zu bücken: Das Dach ist uns zu niedrig hier. Amaler und Balten leben am besten weit voneinander – wie Adler und Falk. Und das Reich bedarf unsres Arms an seinen Marken. Die Nachbarn wähnen, das Land sei verwaiset, seit dein großer Vater ins Grab stieg. Awaren, Gepiden, Sklavenen springen ungescheut über unsre Grenzen. Diese drei Völker zu züchtigen, rüstest du drei Heere, je zu dreißig Tausendschaften, und wir drei Balten führen sie als deine Feldherrn nach Osten und nach Norden.«

Die ganze Waffenmacht obendrein in ihre Hände: nicht übel! dachte Cethegus. »Bewilligt«, rief er lächelnd.

»Und was bleibt mir«, fragte Amalaswintha, »wenn ich all das euch dahingegeben?«

»Die goldene Krone auf der weißen Stirn«, sagte Herzog Ibba.

»Du kannst ja schreiben wie ein Grieche«, begann Thulun aufs neue. »Wohlan, man lernt solche Künste nicht umsonst. Hier dies Pergament soll enthalten – mein Sklave hat es aufgezeichnet – was wir fordern.«

Er reichte es Witichis zur Prüfung: »Ist es so? Gut. Das wirst du unterschreiben, Fürstin. – So, wir sind fertig. Jetzt sprich du, Hildebad, mit jenem Römer.«

Doch vor ihn trat Teja, die Rechte am Schwert, zitternd vor Haß: »Präfekt von Rom«, sagte er, »Blut ist geflossen, edles, teures, gotisches Blut. Es weiht ihn ein, den grimmen Kampf, der bald entbrennen wird. Blut, das du büßen« – der Zorn erstickte seine Stimme.

»Pah«, rief, ihn zurückschiebend, Hildebad – denn er war der baumlange Gote , »macht nicht so viel Aufhebens davon! Mein goldner Bruder kann leicht etwas missen von überflüssigem Blut. Und der andre hat mehr verloren, als er missen kann. Da, du schwarzer Teufel«, rief er Cethegus zu und hielt ihm ein breites Schwert dicht vor die Augen, »kennst du das?«

»Des Pomponius Schwert!« rief dieser erbleichend und einen Schritt zurückweichend. Amalaswintha und Cassiodor fragten erschrocken: »Pomponius?«

»Aha«, lachte Hildebad, »nicht wahr, das ist schlimm? Ja, aus der Wasserfahrt kann nichts werden.«

»Wo ist Pomponius, mein Nauarch?« rief Amalaswintha heftig.

»Bei den Haifischen, Frau Königin, in tiefer See.«

»Ha, Tod und Vernichtung!« rief Cethegus, jetzt fortgerissen vor Zorn, »wie geht das zu?«

»Lustig genug. Sieh, mein Bruder Totila – du kennst ihn ja, nicht wahr? – lag im Hafen von Ancona mit zwei kleinen Schiffen. Dein Freund Pomponius, der machte ihm seit einigen Tagen ein so übermütiges Gesicht und ließ so dicke Worte fallen, daß es selbst meinem arglosen Blonden auffiel. Plötzlich ist er eines Morgens mit seinen drei Trieren aus dem Hafen entwischt. Totila schöpfte Verdacht, setzt alle Leinwand auf, fliegt ihm nach, holt ihn ein auf der Höhe von Pisaurum, stellt ihn, geht zu ihm an Bord mit mir und ein paar andern und fragt ihn wohinaus?«

»Er hatte kein Recht dazu, Pomponius wird ihm keine Antwort gegeben haben.«

»Doch, Vortrefflicher, er gab ihm eine. Wie der sah, daß wir zu sieben allein auf seinem Schiff, da lachte er und rief: 'Wohin ich segle? Nach Ravenna, du Milchbart, und rette die Regentin aus euren Klauen nach Rom.' Und dabei winkte er seinen Leuten. Da warfen aber auch wir die Schilde vor, und hui, flogen die Schwerter aus den Scheiden. Das war ein harter Stand, sieben gegen dreißig. Aber es währte zum Glück nicht lang, da hörten unsre Bursch im nächsten Schiff das Eisen klirren, und flugs waren sie mit ihren Booten heran und erkletterten wie die Katzen die Wandung. Jetzt waren wir die mehreren: aber der Nauarch – gib dem Teufel sein Recht! – ergab sich nicht, focht wie ein Rasender und stieß meinem Bruder das Schwert durch den Schild in den linken Arm, daß es hoch aufspritzte. Da aber ward mein Bruder auch zornig und rannte ihm den Speer in den Leib, daß er fiel wie ein Schlachtstier. 'Grüßt mir den Präfekten', sprach er sterbend, gebt ihm das Schwert, sein Geschenk, zurück und sagt ihm, es kann keiner wider den Tod: sonst hätte ich Wort gehalten.' Ich hab's ihm gelobt, es zu bestätigen. Er war ein tapferer Mann. Hier ist das Schwert.«

Schweigend nahm es Cethegus.

»Die Schiffe ergaben sich, und mein Bruder führte sie zurück nach Ancona. Ich aber segelte mit dem schnellen hierher und traf am Hafen mit den drei Balten zusammen, gerade zur rechten Zeit.«

Eine Pause trat ein, in welcher die Überwundnen ihre böse Lage schmerzlich überdachten. Cethegus hatte ohne Widerstand alles bewilligt in der sicheren Hoffnung auf die Flucht, die nun vereitelt war.

Sein schönster Plan war durchkreuzt, durchkreuzt von Totila: tief grub der Haß diesen Namen in des Präfekten Seele. Sein grimmiges Rachesinnen ward erst durch den Ausruf Thuluns gestört: »Nun, Amalaswintha, willst du unterzeichnen? Oder sollen wir die Goten zur Wahl eines Königs berufen?«

Rasch fand bei diesen Worten Cethegus die Fassung wieder: er nahm die Wachstafel aus der Hand des Grafen und reichte sie ihr hin: »Du mußt, o Königin«, sagte er leise, »es bleibt dir keine Wahl.« Cassiodor gab ihr den Griffel, sie schrieb ihren Namen, und Thulun nahm die Tafel zurück.

»Wohl«, sagte er, »wir gehn, den Goten zu verkünden, daß ihr Reich gerettet ist. Du, Cassiodor, begleitest uns, zu bezeugen, daß alles ohne Gewalt geschehen ist.«

Auf einen Wink Amalaswinthens gehorchte der Senator und folgte den gotischen Männern hinaus auf das Forum vor dem Schlosse. Als sie sich mit Cethegus allein sah, sprang die Fürstin heftig auf: nicht länger gebot sie ihren Tränen. Leidenschaftlich schlug sie die Hand vor die Stirn. Ihr Stolz war aufs tiefste gebeugt. Schwerer als des Gatten, des Vaters, ja selbst Athalarichs Verlust traf diese Stunde ihr Herz. »Das«, rief sie laut weinend, »das also ist die Überlegenheit der Männer. Rohe, plumpe Gewalt! O Cethegus, alles ist verloren.«

»Nicht alles, Königin, nur ein Plan. Ich bitte um ein gnädiges Andenken«, setzte er kalt hinzu, »ich gehe nach Rom.«

»Wie? Du verläßt mich in diesem Augenblick? Du, du hast mir all diese Versprechungen abgewonnen, die mich entthronen, und nun scheidest du? O besser, ich hätte widerstanden, dann wär' ich Königin geblieben, hätten sie auch jenem Rebellenherzog die Krone aufgesetzt.«

Jawohl, dachte Cethegus, besser für dich, schlimmer für mich. Nein, kein Held soll mehr diese Krone tragen. – Rasch hatte er erkannt, daß Amalaswintha ihm nichts mehr nützen könne – und rasch gab er sie auf. Schon sah er sich nach einem neuen Werkzeug für seine Pläne um. Doch beschloß er, ihr einen Teil seiner Gedanken zu enthüllen, damit sie nicht auf eigne Faust handelnd jetzt noch ihre Versprechungen widerrief und dadurch Thulun die Krone zuwende. »Ich gehe, o Herrin«, sprach er, »doch ich verlasse dich darum nicht. Hier kann ich dir nichts mehr nützen. Man hat mich aus deiner Nähe verbannt, und man wird dich hüten, eifersüchtig wie eine Geliebte.«

»Aber was soll ich tun mit diesen Versprechungen, mit diesen drei Herzogen?«

»Abwarten, zunächst dich fügen. Und die drei Herzoge«, setzte er zögernd bei – »die ziehn ja in den Krieg – vielleicht kehren sie nicht zurück.«

»Vielleicht!« seufzte die Regentin. »Was nützt ein Vielleicht!« Cethegus trat fest auf sie zu: »Sie kehren nicht zurück sobald du's willst.« Erschrocken bebte die Frau: »Mord? Entsetzlicher, was sinnst du?« – »Das Notwendige. Mord ist das falsche Wort dafür. Es ist Notwehr. Oder Strafe. Hättest du in dieser Stunde die Macht, du hättest das volle Recht, sie zu töten. Sie sind Rebellen. Sie zwingen deinen königlichen Willen. Sie erschlagen deinen Nauarchen, den Tod haben sie verdient.«

»Und sie soll'n ihn finden«, flüsterte Amalaswintha, die Faust ballend, vor sich hin, »sie soll'n nicht leben, die rohen Männer, die eine Königin gezwungen. Du hast recht – sie sollen sterben.« – »Sie müssen sterben – sie, und«, fügte er ingrimmig bei, »und – der junge Seeheld!«

»Warum auch Totila? Er ist der schönste Jüngling meines Volkes.«

»Er stirbt«, knirschte Cethegus, »oh, könnt er zehnmal sterben.«

Und aus seinem Auge sprühte eine Glut des Hasses, die, plötzlich aus der eisigkalten Natur brechend, Amalaswintha in Schrecken überraschte. »Ich schicke dir«, fuhr er rasch und leise fort, »aus Rom drei vertraute Männer, isaurische Söldner. Die sendest du den drei Balten nach, sobald sie in ihren Heerlagern eingetroffen. Hörst du, du sendest sie, die Königin: denn sie sind Henker, keine Mörder. Die drei müssen an einem Tage fallen. – Für den schönen Totila sorge ich selbst! – Der Schlag wird alles erschrecken. In der ersten Bestürzung der Goten eile ich von Rom herbei. Mit Waffen, dir zur Rettung. Leb' wohl.«

Er verließ rasch die Hilflose, an deren Ohr in diesem Augenblick von dem Forum vor dem Palatium jubelndes Freudengeschrei der Goten schlug, die den Erfolg ihrer Führer, die Besiegung Amalaswinthas feierten.

Sie fühlte sich ganz verlassen.

Daß die letzte Verheißung des Präfekten kaum mehr als ein leeres Trostwort zur Beschönigung seines Abgangs war, ahnte sie mit banger Seele. Gramvoll stützte sie die Wange auf die schöne Hand und verlor sich eine Weile finster in ihren ratlosen Gedanken. Da rauschten die Vorhänge des Gemaches: ein Palastbeamter stand vor ihr: »Gesandte von Byzanz bitten um Gehör. Justinus ist gestorben: Kaiser ist sein Neffe Justinian. Er bietet dir seinen brüderlichen Gruß und seine Freundschaft.«

»Justinianus!« rief die ganze Seele der bedrängten Frau. Sie sah sich ihres Sohnes beraubt, von ihrem Volk bedroht, von Cethegus verlassen: ringsumher hatte sie in trüben Sinnen vergeblich Hilfe und Halt gesucht, und aufatmend aus tiefer Brust wiederholte sie jetzt: »Byzanz – Justinianus!«

 

VIERTES KAPITEL

 

In den Waldbergen von Fiesole findet heutzutage der Wanderer, der von Florenz heranzieht, rechts von der Straße die Ruinen eines ausgedehnten, villenartigen Gebäudes.

Efeu, Steinbrech und Wildrosen haben um die Wette die Trümmer überkleidet: die Bauern des nahen Dorfes haben seit Jahrhunderten Steine davongetragen, die Erde ihrer Weingärten an den Hügelrändern aufzudämmen. Aber noch immer bezeichnen die Reste deutlich, wo die Säulenhalle vor dem Hause, wo das Mittelgebäude, wo die Hofmauer stand. Üppig wuchert das Unkraut auf dem Wiesgrund, wo dereinst der schöne Garten in Zier und Ordnung prangte: nichts davon hat sich erhalten als das breite Marmorbecken eines längst vertrockneten Brunnens, in dessen kiesigem Rinnsal sich jetzt die Eidechse sonnt.

Aber in den Tagen, von denen wir erzählen, sah es hier viel anders aus. »Die Villa des Mäzen bei Fäsulä«, wie man das Gelände damals, wohl mit wenig Fug, benannte, war von glücklichen Menschen bewohnt, das Haus von vorsorglicher Frauenhand bestellt, der Garten von hellem Kindeslachen belebt. Zierlich war die rankende Klematis hinaufgebunden an den schlanken Schäften der korinthischen Säulen vor dem Haus, und der Wein zog freundlich schmückend über das flache Dach. Mit weißem Sande waren die schlängelnden Wege des Gartens bestreut, und in den Nebengebäuden, die der Wirtschaft dienten, glänzte eine Reinlichkeit, wartete stille Ordnung, die nicht auf römische Sklavenhände raten ließ.

Es war um Sonnenuntergang.

Die Knechte und Mägde kehrten von den Feldern zurück: die hoch mit Heu beladenen Wagen, mit Rossen nichtitalischer Zucht bespannt, schwankten heran: von den Hügeln herunter trieben die Hirten Ziegen und Schafe herzu, von großen zottigen Hunden umbellt.

Dicht vor dem Hoftor gab es die lebendigste Szene des bunten Schauspiels: ein paar römische Sklaven trieben mit tobenden Gebärden und gellendem Geschrei die keuchenden Pferde eines grausam überladnen Wagens an: nicht mit Peitschenhieben, sondern mit Stöcken, deren Eisenspitzen sie den Tieren immer in dieselbe wunde Stelle stießen. Nur ruckweise ging es trotzdem vorwärts. Jetzt lag ein großer Stein vor dem linken Vorderrad, jeden Fortschritt unmöglich machend. Aber der wütige Italier sah es nicht.

»Vorwärts, Bestie, und Kind einer Bestie«, schrie er dem zitternden Rosse zu, »vorwärts, du gotisches Faultier!« Und ein neuer Streich mit dem Stachel und ein neuer verzweifelter Ruck: aber das Rad ging nicht über den Stein, das gequälte Tier stürzte in die Knie und drohte den Wagen mit umzureißen. Darüber wurde der Treiber erst recht grimmig. »Warte, du Racker!« schrie er und schlug nach dem Auge des zuckenden Rosses. Aber nur einmal schlug er, im nächsten Augenblick stürzte er selbst wie blitzgetroffen unter einem mächtigen Streiche nieder.

»Davus, du boshafter Hund!« brüllte eine Bärenstimme, und über dem Gefallenen stand schier nochmal so lang und gewiß nochmal so breit wie der erschrockene Tierquäler ein ungeheurer Gote, einen derben Knüttel wiederholt auf den Rücken des Schreienden schwingend.

»Du elender Neidling«, schloß er mit einem Fußtritt, »ich will dich lehren, umgehn mit einem Geschöpf, das sechsmal besser ist als du. Ich glaube, du Schandbub quälst den Hengst, weil er von jenseits der Berge ist. Noch einmal laß mich das sehn, und ich zerbreche dir alle Knochen im Leibe. Jetzt auf und abgeladen: du trägst alle Schwaden, die zuviel sind, auf deinem eignen Rücken in die Scheuer. Vorwärts.«

Mit einem giftigen Blick stand der Gezüchtigte auf und schickte sich hinkend an, zu gehorchen.

Der Gote hatte das zuckende Roß sogleich aufgerichtet und wusch ihm jetzt sorglich die geschürften Knie mit seinem eignen Abendtrunk von Wein und Wasser.

Kaum war er damit zu Ende, als ihn vom nahen Stall her dringend eine helle Knabenstimme rief: »Wachis, hierher, Wachis!« – »Komme schon, Athalwin, mein Bursch, was gibt's?« – und schon stand er in der offnen Türe des Pferdestalles, neben einem schönen Knaben von sieben bis acht Jahren, der sich heftig die langen, gelben Haare aus dem erglühenden Antlitz strich und mit Mühe in den himmelblauen Augen zwei Tränen des Zornes zerdrückte. Er hatte ein zierlich geschnitztes Holzschwert in der Rechten und hob es drohend gegen einen schwarzbraunen Sklaven, der mit gebognem Nacken und mit geballten Fäusten trotzig ihm gegenüberstand.

»Was gibt's da?« wiederholte Wachis über die Schwelle tretend.

»Der Rotschimmel hat wieder nichts zu saufen, und sieh nur, zwei Bremsen haben sich eingezogen oben an seinem Bug, wo er mit der Mähne nicht hinreichen kann und ich nicht mit der Hand, und der böse Cacus da, wie ich's ihm sage, will mir nicht folgen, und gewiß hat er mich geschimpft auf römisch, was ich nicht verstehe.« Wachis trat drohend näher.

»Ich habe nur gesagt«, sprach Cacus langsam zurückweichend: »erst ess' ich meine Hirse, das Tier mag warten; bei uns zu Lande kommt der Mensch vor dem Vieh.« – »So, du Tropf?« sagte Wachis, die Bremsen erschlagend, »bei uns kommt das Roß vor dem Reiter zum Futter; mach vorwärts.«