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(Foto: Rolf Franck)

Rolf C. Franck
und Madeleine Franck

MOTIVATION PUR

SO BEGEISTERST DU DEINEN HUND

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Haftungsausschluss:

Autoren und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

IMPRESSUM

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Copyright © 2019 Cadmos Verlag GmbH, München

Titelgestaltung: Gerlinde Gröll

Druck: Graspo CZ, a.s., Zlín, www.graspo.com

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

Printed in EU

ISBN: 978-3-8404-2056-6

INHALT

Was macht gutes Training aus?

Motivation

Fokus

Klarheit, Verständnis, Signalkontrolle

Deine Einstellung

Was ist Motivation?

Triebtheorie im Hundetraining?

Das Seeking-System

Extrinsische und intrinsische Motivation

Emotionen im Trainingsprozess steuern

Der Hurra-Effekt

Das richtige Maß an emotionaler Erregung

Verschiedene Hundetypen

Motivation und Stress

Motivationsbremsen

Gesundheitliche Probleme

Unangenehme Übungen und negative Erlebnisse

Ängste und Hemmungen

Umgang mit Fehlern

Fehlinterpretationen

Schlechtes Training

Motivierendes Training

Trainingswissen

Trainingspraxis

Troubleshooting

„Erfolge wollen organisiert werden“

Anhang

Stichwortregister

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(Foto: Madeleine Franck)

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(Foto: Madeleine Franck)

WAS MACHT GUTES TRAINING AUS?

Noch vor 25 Jahren lief das Training in Hundesportvereinen und Hundeschulen deutlich anders ab als heutzutage. Mit dem Aufkommen der modernen Hundesportarten wurden auch die Trainingsmethoden moderner und vor allem positiver. Inzwischen ist es „normal“, dass mit positiver statt mit negativer Verstärkung und ohne Einsatz von Strafe gearbeitet wird. Früher war es beispielsweise üblich, dem Hund durch Umdrehen eines Ohrs Schmerz zuzufügen – und zwar so lange, bis man ihm das Apportel ins Maul steckte. Über das Nachlassen des Schmerzes wurde das Halten des Apportels negativ verstärkt.

Heute wird der Hund belohnt für das, was er tun soll. Auch von Clickertraining hat jeder zumindest schon mal gehört und viele Hundesportler benutzen selbstverständlich Clicker oder Markerwort, um Verhalten aufzubauen und zu festigen. Das Aufnehmen des Apportels wird nun in kleinen Schritten geshaped und der Mensch hat das gute Gefühl, mit seinem Hund einen freundlichen Umgang zu pflegen.

Klar, es gibt Ausnahmen. In so manchem Verein beeinflussen nach wie vor die Traditionalisten jeden Neuling mit überholten Ansichten zu Hundeverhalten und Ausbildungsmethoden. Und ja, es gibt in einigen Sparten höchst erfolgreiche Sportler, die immer noch mit Schmerzreizen, verbotenen Elektroschockhalsbändern und anderen perfiden Techniken arbeiten.

Wir gehen davon aus, dass sich keiner unserer Leser absichtlich der dunklen Seite der Macht bedient. Worauf wir jedoch durchaus (im Kapitel Motivationsbremsen) einen Blick werfen müssen, sind die negativen Aspekte im Training, die unabsichtlich und unbewusst ablaufen.

Im Rally Obedience, Agility, Dogdance, Flyball, Obedience, Hoopers Agility, Turnierhundsport, Dogfrisbee – die Liste ließe sich noch deutlich verlängern – sind Menschen aktiv, die ihren Hund freizeitmäßig beschäftigen und auslasten wollen. Der Sport mit dem Hund soll Spaß machen, und zwar beiden. So richtig Spaß machen sowohl Training als auch Turniere und Prüfungen jedoch nur, wenn der Hund mit voller Begeisterung dabei ist, oder?

Motivation

Wenn tatsächlich überall so nett mit dem Hund trainiert wird, woran liegt es dann, dass es trotzdem so viele Hunde mit Motivationsproblemen gibt? Warum ist der Hund im Training abgelenkt, schnüffelt herum, frisst lieber Kaninchenköttel oder geht pinkeln, anstatt freudig mitzumachen? Warum macht er den Slalom nur im Zeitlupentempo oder läuft gleich ganz am Eingang vorbei, als würde er das Gerät überhaupt nicht sehen? Warum sind die anderen Hunde auf dem Platz so viel spannender als Fußlaufen? Und warum muss man manchmal ein Hörzeichen gefühlte 23-mal sagen, bis der Hund reagiert?

Mit dem Thema Motivation beschäftigen sich viele Hundebesitzer erst dann, wenn ihr Hund offensichtlich ein Problem damit hat. Wenn er langsam und leicht abgelenkt im Training wirkt oder wenn es im Turnier einfach nicht läuft. Unserer Erfahrung nach ist es in 90 Prozent der Fälle das „Zuwenig“ an Motivation, was vom Besitzer beklagt wird. Die restlichen 10 Prozent haben Probleme mit „Übermotivation“ und meinen damit, dass ihr Hund sich zu sehr erregt, beim Agility beispielsweise wahllos Hindernisse nimmt, kläfft, Stangen reißt, nicht warten kann und Ähnliches.

Manchmal scheinen sich Motivationsprobleme auch nur auf Prüfungssituationen zu beziehen. Im Training läuft (vermeintlich) alles gut, aber wenn man beim Rally-Obi-Turnier in den Parcours gehen möchte, kommt der Hund plötzlich nicht mehr mit. Oder die Übungsschilder lassen sich zwar ganz gut abarbeiten, nur wie Fußgehen aussehen sollte, hat der Hund wohl vergessen. Im Agility gibt’s ein ähnliches Phänomen zu beobachten, wenn der Hund am Start einfach sitzen bleibt, nur bei bestimmten Hindernissen Tempo macht und zwischendurch eher die Umgebung beachtet als den Hundeführer.

Im Obedience verläuft die „Prüfungskarriere“ eines Hundes nicht selten so, dass er gleich in der ersten Beginnerprüfung ein schönes V erreicht und sich für die nächste Klasse qualifiziert. Auch in Klasse 1 läuft es noch ganz gut, aber man startet trotzdem mehrfach, „um Prüfungserfahrung zu sammeln“. In Klasse 2 wird’s dann schwierig, zum einen, weil die Anforderungen deutlich höher und die Übungen komplexer werden. Außerdem scheint der Hund in der Prüfung lustloser, die Fußarbeit wirkt zäh, bei der Distanzkontrolle bleibt er einfach liegen und bei der Geruchsunterscheidung knautscht er und lässt das Hölzchen lieber fallen, als es bis in die Grundstellung zu liefern. Den Aufstieg in die Klasse 3 schafft man erst gar nicht, denn jeder Fehler wird gnadenlos mit Punktabzug bestraft. Das Frustrationspotenzial ist hoch im Obedience – für Mensch und Hund. Warum nicht lieber wieder Spaß haben und stattdessen Rally Obedience probieren?

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Für Schnüffeln sollte der Hund beim Hundesport keine Zeit haben - auch nicht, wenn die leckeren Kaninchenkötel locken. (Foto: Madeleine Franck)

Manchmal ist es tatsächlich gar keine schlechte Idee, die Sportart zu wechseln, wenn der Hund un- oder übermotiviert ist. Worum es in diesem Buch aber gehen wird, ist, das Training so zu gestalten, dass es erst gar nicht zu Motivationsproblemen kommt. Für uns ist gutes Training dadurch gekennzeichnet, dass der Hund immer begeistert davon ist mitzumachen. Dass die eingesetzten Belohnungen und Trainingstechniken dazu führen, dass sich der Hund gut fühlt und gut lernt. Dass das zu erlernende Verhalten mit der Zeit immer selbstbelohnender wird und damit zunehmend unabhängiger von äußeren Belohnungen. Dass es ablenkungsresistent wird und letztlich im Turnier mit der gleichen Begeisterung gezeigt wird wie zuvor im Training.

Fokus

Wenn die Teilnehmer unserer Motivationsseminare in der Vorstellungsrunde von ihren Problemen berichten, dann wird Motivation oft in Zusammenhang mit mangelnder Aufmerksamkeit und Konzentration genannt. Als Ziel wird formuliert, dass sich der Hund mehr auf seinen Menschen und auf die Übungen fokussieren und lernen soll, andere Reize auszublenden.

Bestimmt kennst du ein paar gute Teams im Hundesport, bei denen das Zuschauen eine echte Freude ist. Mensch und Hund scheinen in konstanter Verbindung zu stehen, den idealen Draht zueinander zu haben. Der Hund „hört zu“ und ist dabei gleichzeitig auf seine Aufgabe konzentriert. Unser Ziel ist es, dass der Hund im Training zuerst lernt, sich voll auf seinen Menschen zu fokussieren. Stimmt diese Basis, kann man den Fokus dann je nach Bedarf verschieben und ausweiten. Welchen Fokus später die einzelnen Sportarten verlangen, ist unterschiedlich. Im Agility muss der Hund beispielsweise in einer Balance aus Hundeführerfokus und Hindernisfokus sein, damit man ihn perfekt durch den Parcours führen kann. Im Obedience muss er sehr viel mehr selbstständig agieren, während im Rally Obedience fast konstant der Fokus auf dem Menschen liegen sollte.

Motivation und Fokus hängen eng zusammen, das ist offensichtlich. Ungünstige Bedingungen im Training wirken sich auf beides gleichermaßen negativ aus. Umgekehrt führt gutes Training dazu, dass nicht nur die Motivation, sondern auch die Fähigkeit des Hundes, sich auf die jetzt gerade wichtigen Aspekte zu konzentrieren, immer größer wird. Auch die mögliche Konzentrationsspanne nimmt mit dem passenden Training immer weiter zu.

Klarheit, Verständnis, Signalkontrolle

Wir bleiben bei den guten Teams, denen wir so gerne zuschauen: Egal ob im Agility- oder Rally-Obedience-Parcours, im Dogdanceoder Obedience-Ring, ein Hund, der mit seiner Leistung beeindruckt, wirkt vollkommen sicher in dem, was er tut. Er kann jedes Signal richtig, sofort und schnell umsetzen und tut das auch.

Klappt es dagegen nicht mit der richtigen und schnellen Umsetzung, könnte das schlicht daran liegen, dass der Hund sich eben nicht sicher ist, was eigentlich von ihm erwartet wird. Wie oft erleben wir im Training, dass Missverständnisse entstehen, weil der Mensch keine klare Zielvorstellung hat und nicht weiß, was sein aktuelles Belohnungskriterium ist. Weil er sich keine ausreichenden Gedanken über die Signale gemacht hat und diese dem Hund auch noch schlecht vermittelt. Vielleicht gibt er sogar widersprüchliche Signale.

„Aber ich hab doch Slalom gesagt!“ Und trotzdem läuft der Hund in den Tunnel, auf den man sich währenddessen zubewegt hat. Durch gutes Training kann der Hund selbstverständlich lernen, immer das Hörzeichen zu befolgen, egal in welche Richtung man sich schon dreht oder wegläuft. Es ist jedoch unfair, das von ihm zu erwarten, ohne vorher ein sicheres Verständnis für Hör- und Sichtzeichen aufgebaut und schrittweise abgesichert zu haben.

Gutes Training sorgt für Klarheit und Verständnis, denn aus Missverständnissen resultieren nur zu leicht Motivationsprobleme. Wenn wir von Signalkontrolle sprechen, so meinen wir damit Mensch und Hund. Der Mensch muss sich zuallererst seiner Signale bewusst sein. Oft sind es Körperbewegungen und Handzeichen, die die Hörzeichen überschatten, welche man eigentlich etablieren möchte. Nur wenn man technisch „sauber“ trainiert, kann der Hund das lernen, was wir ihm tatsächlich vermitteln wollen.

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Maro zeigt, dass er die Übungen Pylon-Umrunden und Voraussenden-ins-Viereck am Hörzeichen unterscheiden kann. Das klappt sogar, wenn beide Übungen direkt nebeneinander aufgebaut sind. (Foto: Madeleine Franck)

Hat der Mensch seine Signale für sich selbst klar und unter Kontrolle, gibt er sie in verschiedenen Situationen immer auf die gleiche Art und ohne Störsignale, hat auch der Hund beste Chancen, Signalkontrolle zu entwickeln. Das bedeutet, er weiß wirklich, welches Verhalten von ihm erwartet wird, er hat das Signal generalisiert und es wurde unter Ablenkung gefestigt und abgesichert. Etwas immer nur auf die gleiche Art zu üben und dann zu erwarten, dass der Hund es auch unter anderen Bedingungen kann, sorgt für unnötige Unstimmigkeiten.

Deine Einstellung

Wir hören von Teilnehmern unserer Seminare oft die Aussage „Ich mache Agility ja nur zum Spaß“. Wir wünschen uns, dass alle unsere Leser ihren Hundesport zum Spaß machen und vor allem, dass sie das in keiner Trainings- oder Turniersituation vergessen. Wenn dein Hund für dich ein guter, vielleicht sogar dein bester Freund ist, solltest du ihn auch in allen Situationen so behandeln.

Beispiel Signalkontrolle

Die meisten Hundeführer lassen den Hund am Start im Agility warten und rufen ihn mit einem Hörzeichen wie „Okay“ ab, wenn sie möchten, dass er losläuft. Schaut man sich ein Agilityturnier an, so kann man beobachten, dass dieses Hörzeichen bei vielen Teams verwässert ist. Entweder sagt der Mensch es in Bewegung, oder er macht gleichzeitig ein unbewusstes Handzeichen, oder er sagt es erst, wenn der Hund schon gestartet ist. Während der Mensch sicher ist, dass sein Auflösesignal eindeutig „Okay“ lautet, hat der Hund ein völlig anderes Verständnis entwickelt. Er denkt vielleicht: „Wenn sie den Arm bewegt, darf ich los“, und reagiert, sobald er diese Bewegung beobachtet. Hat der Hund auf diese Art im Training ein paarmal einen Frühstart gemacht hat, wird Frauchen irgendwann ungehalten reagieren oder sogar schimpfen. Je nach Hundetyp werden die Unsicherheit bezüglich der Signale und der aufkommende Stress zu weiteren Fehlern am Start führen. Ein eher gehemmter Hund wird vielleicht nicht mehr loslaufen wollen. Ein Hund, der Stress mit Action verarbeitet, wird vielleicht trotzdem (zu früh?) starten, aber an der ersten Hürde vorbeilaufen, um die vermeintliche Fehlerquelle zu vermeiden.

Die Absicht hinter dieser Aussage ist meistens, sich von übertriebenem Ehrgeiz abzugrenzen, manchmal möchte diejenige damit auch ausdrücken, dass sie nicht auf Turnieren startet. Ehrgeiz wird dabei oft negativ bewertet. Durch das Streben nach Turniererfolgen könnte zu viel Druck entstehen, unter dem der Hund dann unnötig leiden muss.

Wir sehen durchaus viele Entwicklungen im Hundesport kritisch, vor allem, wenn mit immer jüngeren Hunden immer mehr „fachspezifisch“ trainiert wird. Trotzdem finden wir Ehrgeiz nichts Schlimmes, im Gegenteil. Wer sich Ziele setzt und Motivation und Engagement dafür aufbringt, hat gute Voraussetzungen, um auch seinen Hund gut zu trainieren. Auf der anderen Seite darf „nur zum Spaß“ einen Hundesport zu betreiben nicht bedeuten, dass man schlechteres Training macht oder Kompromisse eingeht. Es sollte bedeuteten, dass man mit dem Hund gemeinsam tolle Erlebnisse haben möchte. Und das funktioniert in der Regel besser, wenn man auch klare Ziele und klare Kriterien im Training hat.

Was wir ebenfalls häufig hören ist, dass von hundesportlicher Betätigung als „Arbeit“ des Hundes gesprochen wird. Wir finden jedoch, Hundesport sollte immer ein großes Spiel für den Hund sein, das er gemeinsam mit seinem Menschen spielen darf. Wenn es um Arbeit geht, schwingt automatisch das Wort „Pflicht“ im Hinterkopf mit und beeinflusst die Einstellung zum Verhalten des Hundes. Wer von seinem Hund sagt: „Heute hat er nicht gut gearbeitet!“, unterstellt ihm eine gewisse Pflichtverletzung, die das Gefühl rechtfertigt, vom Hund enttäuscht zu sein. Wenn dir das wie Wortklauberei vorkommt, denk daran, dass dein Unterbewusstsein den größten Teil deiner Entscheidungen lenkt. Die Macht von Wörtern und ihr Einfluss auf das Gehirn sind riesig. Gedanken und Worte bestimmen Einstellung und Handlungen und damit auch die Qualität deines Trainings.

Übung: Setze dich für eine Stunde in den Zielbereich eines Agilityturniers und beobachte, wie die Starter dort mit ihren Hunden umgehen. Viele werden ihren Hund ausgiebig loben, belohnen und sich bei ihm bedanken. Andere wiederum würdigen den Hund kaum eines Blickes und sind sofort ins Gespräch mit Freunden oder dem Trainer vertieft, während sich der Hund an der Leine zergelnd selbst belohnt. Manche Starter maulen mit dem Hund und lassen ihre Enttäuschung über Fehler an ihm aus, sobald sie den Parcours verlassen haben. Als Leistungsrichter möchte man sie gerne noch nach dem Zieleinlauf wegen unsportlichem Verhalten disqualifizieren – wenn sie nicht oft schon disqualifiziert wären.

Wie ein Hundeführer mit seinem Hund im Falle von Misserfolgen und Fehlern umgeht, sagt viel über seine Einstellung aus. Überlege dir genau, wer deine Vorbilder im Hundesport sind und ob sie deine Einstellung und dein Training positiv beeinflussen.

Auch du selbst kannst zum Vorbild für andere werden und solltest immer Werbung für positives Hundetraining und einen guten Umgang mit dem Hund machen.

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Ein klares Startritual hilft dem Hund dabei, genau zu wissen, wann er warten und wann starten soll. (Foto: Madeleine Franck)

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(Foto: Madeleine Franck)

WAS IST MOTIVATION?