Ein Sommer ohne Kanzler

Ein Sommer ohne Kanzler

Kurz-Geschichten über Politisches, Gesellschaftliches und Alltägliches

Christian Schwab

Seifert Verlag

Inhalt

Vorwort

1. Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser! - Die ­Folgen des Ibiza-Videos

2. Die verkehrten Experten?

3. Taschenkontrolle

4. Shameissimo – Das Spiel von Eis und Luft

5. Kanzler für jedermann oder Schwab – neu verföhnt

6. Carpe Thiem

7. Acht- oder neunstellig oder real life im Freibad

8. Von Ampeln, die selber ­denken, und ­Plastiksackerln, die verschwinden

9. Ein kurzes Gebet für den heiligen Sebastian

10. Unser tägliches Yoga-Brot gib uns heute!

11. Die Gelse als Billionär

12. Was eine norwegische Insel mit der EU gemeinsam hat, oder ­Hoffen wir auf bessere Zeiten!

13. Independence Day

14. Torschusspanik – ­Verlieren verboten!

15. Badeschluss – Es lebe kein Sport

16. Wann ist genug wirklich genug?

17. Man sieht das Stadion vor lauter Bäumen nicht

18. Shitstorm aus Fernost – Man könnte ja panisch werden

19. Von Bregenz bis ­Brüssel – Zwischen Hochkultur und Leyen-Theater

20. 50 Jahre Mondlandung – Das Leben ist ein Schritt

21. Darth Schredder – Die ­dunkle Seite der Macht

22. Jesolo darf nicht Ibiza werden!

23. Influencing Stars

24. Sommerschlagzeilen-Bingo

25. Fortnite: Vierzehn Tage, die das Leben verändern können

26. Die Raststation im Urlaub oder: Gedanken tanken

27. Sommer ohne Kanzler – Es wird intensiver

28. Jedermann geht immer

29. Eine Umfrage der Ehre

30. Der Kultursommer für ­jederfrau und jedermann

31. Das Prinzip ­Minimundus – Die große Welt erklärt sich in der Kleinen

Epilog

Danksagung

Vorwort

»Ich weiß, was wir diesen Sommer getan haben.« –

Eine kleine Gebrauchsanweisung für dieses Buch

Besondere Ereignisse erfordern besondere Reaktionen.

Sie halten ein Buch in Händen, welches quasi im Live-Ticker-Format geschrieben wurde.

Bei unseren Comedy-Hirten-Auftritten nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos und dessen Folgen habe ich nachstehende Bemerkung am alleröftesten gehört: »Ihr Kabarettisten habt’s es jetzt aber auch nicht leicht. Die Politik stiehlt euch die Show. Ihr braucht’s ja nur noch mitschreiben.« Und genau das habe ich in den letzten Monaten auch gemacht.

Statt einer Morgenmeditation habe ich mich jeden Tag in der Früh hingesetzt und die aktuellen Nachrichten und Meldungen durchgesehen, diese versucht, satirisch zu überhöhen und zu kommentieren.

Unmittelbar, nachdem ein Text fertig war, ging dieser bereits an Maria Seifert, die Verlagschefin des Seifert Verlags, damit der Text sofort korrigiert und lektoriert werden konnte. Mit der letzten Zeile, die ich abgeschickt habe, wurden auch schon die Druckmaschinen angeworfen, damit Sie dieses Buch über den Sommer auch noch im Sommer lesen können.

Es musste also alles zack! zack! zack! gehen.

Darüber hinaus ist dieses Buch aber auch als satirisches Zeitdokument gedacht, welches hoffentlich auch gerne im Herbst, Winter oder Frühling, egal welchen Jahres, zur Hand genommen wird.

Als Autor habe ich einen Wunsch: Mögen Sie zu diesem Buch so etwas Ähnliches sagen wie HC Strache zur vermeintlichen Oligarchennichte: »Ja, bist du deppat, ist des schoarf!«


Christian Schwab

August 2019

1

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser! - Die ­Folgen des Ibiza-Videos

Montag früh, ich bringe meine dreijährige Tochter in den Kindergarten. In den letzten Wochen ist mir bewusst geworden, dass ich sie nach den Methoden von Strache, Kurz und Van der Bellen erziehe. Immer wenn der Weg etwas länger dauert, höre ich mich Folgendes sagen:

Zack, zack, zack!

Genug ist genug! Und:

Wir kriegen das schon hin!

Diese drei kurzen Sätze haben unsere Republik in den letzten Wochen massiv verändert. Glaube, jede Österreicherin und jeder Österreicher weiß, wo sie/er war, als das Ibiza-Video veröffentlicht wurde. Ich selbst war in Kötschach-Mauthen, wir hatten einen Comedy-Hirten-Tour-Auftritt, unsere Show begann mit einer »Zeit im Bild«, in der Rolf Lehmann als Tarek Leitner mich als Sebastian Kurz und Peter Moizi als HC Strache als Studiogäste interviewt. Fast prophetisch – an jenem Freitagabend wurde Peter krank und konnte in Kötschach-Mauthen nicht dabei sein. Straches Kopie ist also schon einen Tag davor zurückgetreten. Peter wurde es ganz ohne russischer Oligarchennichte heiß. Nur, das einzig Scharfe bei ihm war der Ingwertee.

Doch schon wenige Tage später war klar, dass auch meine Rolle als Sebastian Kurz, zumindest in der Funktion als Bundeskanzler, vorerst keine Rolle mehr spielen würde. In der Zeit zwischen Neuwahlankündigung und Misstrauensantrag hatten wir Comedy Hirten eine auftrittsintensive Woche. Gleich zu Beginn unserer Show bedankte ich mich beim Veranstalter, dass er uns noch gebucht hatte und nicht einfach nur auf einer Leinwand die »Zeit im Bild« mit all ihren Sondersendungen übertrug. Denn bei Schlagzeilen wie: »FPÖ-Minister durch Experten ersetzt« hat die Realität wieder einmal die Satire überholt. Dennoch, in diesen turbulenten innenpolitischen Tagen war klar, dass es bei uns Kabarettisten nun so zugehen würde wie in der berühmten Villa auf Ibiza. Der Stoff wird wohl nicht so schnell ausgehen.

Fassen wir also die wichtigsten Erkenntnisse aus dem ­Ibiza-Video und seinen Folgen zusammen.

Kurz hat schon wieder einen Rekord aufgestellt. Er ist der jüngste Altkanzler aller Zeiten.

Der Bundespräsident wurde von SPÖ, FPÖ und Liste JETZT falsch verstanden. Mit: »Wir kriegen das schon HIN« hat er nicht »kaputt« gemeint.

Peter Pilz hätte bei einer »bsoffenen Gschicht in Ibizia« ganz anders reagiert. Niemals hätte er die Krone oder gar unser Wasser verkaufen wollen. Nein, er hätte sich volley auf die »Oligarchennichte« gestürzt.

Die vielen Vorzugsstimmen für HC Strache bei der EU-Wahl müssen positiver gesehen werden. Diese umsichtigen Staatsbürger haben das als einzige Möglichkeit gesehen, wie HC Strache so schnell wie möglich unser Land verlässt.

Und die für mich persönlich wichtigste Erkenntnis: Bis zum Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung dachte ich eigentlich, im Kinderzimmer meiner Tochter herrscht das größte Chaos.

Doch in all der Unordnung hat einer immer den Überblick behalten. Bundespräsident Van der Bellen zeigte sich mit der Verfassung in bester Verfassung. Über den Sommer muss jetzt wohl nicht nur unser Körper eingeschmiert werden, sondern auch die rote Tapetentür in der Hofburg. So oft wurde sie in den letzten Tagen bei Ab- und Angelobungen auf- und zugemacht.

Nach dem einen oder anderen Machtrausch wird Frau Bierlein wieder eine nüchterne Politik machen. Damit wurden jetzt wohl alle Wortspiele mit dem Nachnamen der ersten Bundeskanzlerin gemacht, die Übergangsregierung ist dazu da, unser Land Österreich zu verwalten. Das muss nichts Negatives sein. Der FC Liverpool hat nach dem schnellen Führungstor im Champions-League-Finale gegen Tottenham auch nur mehr den Spielstand verwaltet. Mit Erfolg, die Mannschaft von Jürgen Klopp hat sich den Titel geholt.

Bis zu den Neuwahlen bzw. während des Wahlkampfs davor haben wir nun eine Verschnaufpause, quasi politisches Intervallfasten. Zeit, die ich nützen möchte, um über unser Leben, unser Land und unsere Leute nachzudenken. Und ganz im Sinne unserer Bundeskanzlerin werde ich mich um Ihr Vertrauen, liebe Leserin und lieber Leser, bemühen.

Im Idealfall stehen wir in diesem Sommer nicht mit beiden Beinen im Leben, sondern unsere Füße hängen irgendwo in einem See oder Swimming Pool, bilden, so oft es geht, mit unserem Liegestuhl eine Koalition und lachen manchmal wie Pamela Rendi-Wagner in einem Armin-Wolf-Interview grundlos vor uns hin.

In diesem Sinne genießen wir den Sommer, denn er vergeht meistens viel zu schnell. Das geht zack, zack, zack!

2

Die verkehrten Experten?

Unsere aktuelle Regierung besteht also aus lauter Expertinnen und Experten. Noch dazu jeweils zur Hälfte aus Frauen und Männern. Höchste Zeit, sagen die meisten. Und vor allem, was ist, wenn diese Experten das besser machen als die sogenannten Berufspolitiker? Für mich ist es nur in der Politik neu, dass Experten unser Leben steuern, denn überall sonst im Leben wimmelt es ja nur so davon. Nicht umsonst gibt es Hunderttausende Ratgeberbücher und sogenannte Life Coaches, die genau den Weg versprechen, der uns zu gesünderen und glücklicheren Menschen macht.

Vor allem im Bereich der Ernährung gibt es mittlerweile mehr Konzepte als Lebensmittel, sodass ich mir schon die Frage stelle, wie die Menschheit bisher überhaupt so alt werden konnte. Vegetarisch, Vegan, Paleo, Pescetarier, Low-Carb, Zero-Sugar, die Möglichkeiten zur kulinarischen Selbst­optimierung werden stündlich mehr. Doch damit nicht genug. Es geht nicht mehr nur darum, was wir essen sollen, sondern auch wann. Intervallfasten liegt hier voll im Trend. Acht Stunden am Tag essen, danach 16 Stunden lang fasten. Ein umgekehrter Ramadan: mit Wassertrinken und ohne Gebetsteppich also. In einigen österreichischen Gasthäusern ist die Wartezeit zwischen Suppe und Hauptspeise oft so lang, dass ich mich hier durchaus frage, ob ich diesen Zeitraum auch schon als Intervallfasten verbuchen kann?

Es gibt mittlerweile vor allem so viele Studien, dass man sich nicht mehr auskennt. Beim Kaffee hat jetzt eine Studie ergeben, dass fünf Tassen pro Tag ok sind. Und eine weitere Studie hat ergeben, dass man bei zu viel Kaffee, also bei mehr als diesen fünf Tassen, nicht schlafen kann. Ich warte nur noch auf die Studie, die herausfindet, dass man, während man schläft, keinen Kaffee trinken kann.

Doch nicht nur das richtige Essen und Trinken ist wichtig. Auch die richtige Bewegung will wieder gelernt werden. Sitzen ist das neue Rauchen. Es wird nicht mehr lange dauern, da wird auch der Ratgeber kommen: Rauchen ist das neue Sitzen. Doch man braucht nicht unbedingt einen Personal Coach, um seinen Allerwertesten vom Sofa wegzubewegen, es tut auch eine Uhr oder eine App. Die tägliche Schrittanzahl wird getrackt, damit die Tagesaktivität von 100 % erreicht wird, um wenigstens einmal am Tag den Satz zu lesen oder zu hören: Du hast dein Ziel erreicht. Diese modernen Hilfsmittel motivieren und verblöden zugleich. Ich habe ja auch so eine Uhr, die das kann, und ich habe mich schon des Öfteren dabei ertappt, dass ich knapp vor Mitternacht bei 98 % Tagesaktivität noch ein paar Schritte in der Wohnung herumgegangen bin. Weil wenn ich die 100 % nicht erreiche, dann habe ich eventuell so ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht schlafen kann, und wenn ich nicht schlafen kann, komme ich vielleicht auf die blöde Idee, einen Kaffee zu trinken, und dann kann ich erst wieder nicht schlafen, weil es jetzt die 6. Tasse des Tages war. Sie merken, ein Teufelskreis!

Allerdings, wenn man nicht schläft, hätte man auch Zeit, um aufzuräumen. Doch auch das schaffen wir mittlerweile nicht mehr ohne Expertin. Nein, nicht die Mama, weil wenn die sagt: »Räum dein Zimmer auf!«, wird sie im besten Fall überhört. Wenn dagegen die Japanerin Marie Kendo dasselbe sagt, verdient sie Millionen damit, weil ihre Fans ihr folgen, wie es kleine Kinder nie machen. »Magic Cleaning« heißt ihre Methode, und eine ihrer Haupttheorien ist, dass man zum Beispiel das ganze Gewand auf einen Haufen schmeißen soll, um jedes einzelne Teil hochzuheben und zu fragen: Macht mich das wirklich glücklich? Nur die Sachen im Haushalt sollten aufbewahrt werden, die einen wirklich glücklich machen. Diese Methode hat angeblich schon zu sehr vielen Scheidungen geführt. Da wurde mit den alten Jeans gleich der Göttergatte, der sie anhatte, mitentsorgt.

Natürlich sagt uns der Hausverstand, dass es sich in einer aufgeräumten Bude besser lebt, ein leichter Salat mit einem Soda-Zitrone ein angenehmeres Mittagsmenü ist als ein Schweinsbraten mit Sauerkraut, Knödeln und zwei Bier dazu, und dass Bewegung noch nie jemandem geschadet hat. Aber nachdem wir ja diesen Hausverstand einem Supermarkt gegeben haben, müssen halt jetzt die vielen Ratgeber uns das Leben scheinbar wieder beibringen.

Dabei muss man ja nicht alles gleich auf einmal schaffen, denn wie hat schon Konfuzius oder sonst wer gesagt: »Selbst der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt am Schrittzähler.« Täglich besser scheitern ist also ein gutes, fast zen-buddhistisches Motto. Passend höre ich soeben im Ö3-Frühjournal, dass selbst die Expertinnen und Experten unserer Bundesregierung Zeit brauchen, um sich einzuarbeiten. Aber irgendwo in den Ministerien liegen sicher Ratgeberbücher dafür rum.