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Der Autor

Mathias Kopetzki hat im Laufe seiner über 20-jährigen Schauspielkarriere so ziemlich alle Bereiche seines Berufes tangiert – weil ihn seit jeher die Vielseitigkeit daran interessiert. Geboren 1973 in Osnabrück, absolvierte er seine Schauspielausbildung an der Universität für Musik und darstellende Kunst «Mozarteum» in Salzburg und war anschließend knapp zehn Jahre in Festverträgen engagiert (am Schauspiel Köln, Berliner Ensemble, Schauspielhaus Graz, etc.), bevor er sich 2006 entschloss, seiner eigentlichen Berufung nachzugehen und freischaffend tätig zu sein. Seitdem arbeitet er schauspielerisch weiterhin in den unterschiedlichsten Genres am Theater (an kommunalen Bühnen, wie auch bei Freilichtspielen, an der Oper, im Tanztheater, in Musicals, in der Off-Szene, im Boulevard oder auf Tournee), dreht aber auch für Film und Fernsehen, synchronisiert unzählige Filme und Serien, spricht Dokumentationen, Videospiele, Hörspiele und -bücher, macht Werbung, entwickelt eigene Produktionen, Liederabende und Performances, doziert an Schauspielschulen, tourte als Sänger in einer Rockband und arbeitet nicht zuletzt seit vielen Jahren erfolgreich als Schriftsteller. 2011 erschien sein autobiografisches Romandebüt Teheran im Bauch bei Random House. Es folgten Im Sarg nach Prag (Piper, 2012), Bombenstimmung (Lübbe, 2017) und 2018 die Politsatire Deutschland, ein Sommertrip – Wie die 68er mir mein Leben versifften. Mit allen Büchern ist er für zahllose Lesungen und Vorträge quer durch den deutschsprachigen Raum unterwegs. Kopetzki lebt in Berlin und hat einen Sohn.

Überleben im
Darsteller-Dschungel

Wegweiser für freischaffende
SchauspielerInnen

von Mathias Kopetzki

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Schüren Verlag GmbH

Universitätsstr. 55 • 35037 Marburg

www.schueren-verlag.de

© Schüren 2020

Alle Rechte vorbehalten

Gestaltung: Erik Schüßler

Umschlaggestaltung: Wolfgang Diemer, Köln, unter Verwendung eines Fotos von Simon Hegenberg, das anlässlich der 2. bundesweiten Ensembleversammlung des «Ensemble-Netzwerkes e. V» am Schauspielhaus Bochum aufgenommen wurde. Es zeigt die Schauspielerin Friederike Drews.

ISBN 978-3-7410-0353-0

eISBN 978-3-7410-0104-8

Inhalt

Prolog – Matz Reinhardt auf dem Weg nach oben

Über dieses Buch

Matz Reinhardts erste Anlaufstelle

image ZAV Künstlervermittlung

Der ZAV-Verantwortliche: JÖRG BRÜCKNER

«Es gibt viele interessante Arbeitsfelder außerhalb der klassischen»

Was will ich überhaupt von diesem Beruf?

Die Künstlerberaterin: ALINA GAUSE

«Man sollte immer wieder Bilanz ziehen»

Film und Fernsehen: Wie bringe ich mich dafür ins Spiel?

Der Marketing-Mann: JERRY KWARTENG

«Wenn du nicht bereit bist, in dich zu investieren: Warum sollte es jemand anderes tun?»

Was macht ein gutes Schauspieler-Porträt aus?

Der Schauspieler-Fotograf: GREGORY B. WALDIS

«Das Shooting als Bühne nehmen!»

Wie komme ich an gutes Video-Material, wenn ich noch nicht gedreht habe?

image Das Demovideo

Der Demovideo-Entwickler: JOHANNES MUHR

«Das finden, was einen von anderen unterscheidet»

Material vorhanden – und nun?

image Filmmakers

Der Filmmakers-Gründer: CLEMENS ERBACH

«Be entertaining from the very close moment»

Brauche ich eine Agentur?

image Schauspielagenturen

Der Schauspielagent: ULRICH MEINHARD

«Ein Agent darf schwierig sein, ein Schauspieler nicht»

Wie mache ich mehr aus meinem Typ?

image Farb- und Stilberatung

Die Identity-Stylistin: ANJA GRÄFENSTEIN

«Jeder Schauspieler sollte seinen Stil kennen»

Wer sind sie eigentlich, diese «Entscheidungsträger» im Film- und Fernsehbereich? Und wie kann ich dafür sorgen, dass sie etwas für mich tun?

image Das Casting

Die Casting-Direktorin: KRISTIN DIEHLE

«Jeder Drehtag, jedes Casting bringt einen weiter!»

image Die Fernseh-Redaktion

Der Redakteur: ALEXANDER S. TUNG

«Ich besetze gerne gegen den Strich»

image Die Produktion

image Regie bei Film und Fernsehen

Der dramatische Filmemacher: KILIAN RIEDHOF

«Schauspieler sind interessant, wenn sie nicht needy wirken»

Der komödiantische Filmemacher: ANDRÉ ERKAU

«Ich bin dankbar, wenn jemand bei sich und im Moment ist»

Der radikale Filmemacher: JAN HENRIK STAHLBERG

«Traumhaft sicher auf dem Ton der Geschichte segeln»

Wer hilft mir bei der Erarbeitung einer Film- oder Fernsehrolle?

Der Schauspiel-Coach: TIM GARDE

«Spielentscheidungen treffen heißt nicht, nur das Drehbuch zu erfüllen»

Wer hilft mir, meine Rechte als Schauspieler wahrzunehmen? Und meine soziale Stellung zu verbessern?

image Der Bundesverband Schauspiel e. V.

Der Justiziar: BERHARD F. STÖRKMANN

«Wir sollten alles dafür tun, dass unser System für Schauspieler Besseres zu bieten hat»

Welches Theater-Genre passt zu mir?

image Kommunale Bühnen (Staats-, Stadt- und Landestheater)

Der Stadttheater-Intendant: MATTHIAS BRENNER

«Zuschauer möchten sich mit dem Schauspieler verbunden fühlen»

image Privattheater

Der Unterhaltungs-Allrounder: FLORIAN BATTERMANN

«Man muss sich gefragt machen und zeigen, dass man gefragt ist»

image Freies Theater

image Freies Theater Deutschland

image Ein Beispiel: «Der Theaterdiscounter», Berlin

Der deutsche Off-Theater-Leiter: GEORG SCHAREGG

«Arbeit auf verschiedensten Levels, nicht nur dem des Spiels»

image Freies Theater Schweiz

image Ein Beispiel: «Theater Szene», Bern

Die Schweizer Kindertheater-Leiterin: MÄGIE KASPAR

«Kreativ als Schauspieler, nicht nur als Auszuführender»

image Freies Theater Österreich

image Ein Beispiel: «Werk X», Wien

Der österreichische Theater-Leiter: ALI M. ABDULLAH

«Theater am Arsch der Welt»

image Freilichttheater

Der Freilicht-Spieler: ANDREAS KRÄMER

«Querstöße sollte man bei Festspielen nicht suchen»

image Tourneetheater

image Ein Beispiel: Das Euro-Studio Landgraf

Der Tournee-Unternehmer: JOACHIM LANDGRAF

«Bei uns ist jeden Abend Premiere»

Wie vermeide ich Blindbewerbungen?

image Theapolis

Der Theapolis-Gründer: SÖREN FENNER

«Wenn ich nicht weiß, was ich will, wissen andere Leute, was sie mit mir wollen …!»

Wird die Schauspielszene weitgehend nur von Männern bestimmt?

image Pro Quote

Die Vorsitzende von «Pro Quote Bühne e.V»: ANGELIKA ZACEK

«Die Zukunft des Theaters ist vielfältig»

Wie gründe ich ein eigenes Theater?

Der Theater-Gründer: SASCHA GLUTH

«Wir sind wie handgemachtes Bier»

Die Kinder- und Jugendtheater-Gründer: NADJA UND MARTIN BRACHVOGEL

«Skepsis für die eigene Arbeit bewahren, um nicht stehenzubleiben»

Wer berät mich beim Beantragen von Fördergeldern? Und wer steht mir bei einem freien Projekt administrativ zur Seite?

image ehrliche arbeit – freies Kulturbüro

Die Mitinhaberin des freien Kulturbüros: ANNA MAREIKE HOLTZ

«Wer mit Organisation nichts zu tun haben will, sollte sich fragen, ob eine freie Produktion das richtige ist»

Gibt es abseits des «herkömmlichen» Theaters noch andere Schauspielmöglichkeiten für mich?

image Zum Beispiel: Krankenhaus-Clown

Die Krankenhaus-Clownin: MARIA GUNDOLF

«Der Flop wird dein Freund»

image Zum Beispiel: Improvisations-Theater

Der Impro-Schauspieler und -Coach: DAN RICHTER

«Den Schauspieler von seinem Ego befreien»

image Zum Beispiel: Krimidinner

Die Krimidinner-Theaterleiterin: BEATRIX NIKOLIC

«Wichtig ist, dass die Kompetenzen klar verteilt sind»

image Zum Beispiel: EntertainerIn auf Kreuzfahrtschiffen

Der Kreuzfahrt-Gastschauspieler: HARALD EFFENBERG

«Die wollen nur Spaß!»

Der Kreuzfahrt-Entertainer: FRANK BUCHWALD

«Ich habe mein Rentendasein vorgezogen»

image Zum Beispiel: Unternehmenstheater

Der Unternehmenstheater-Experte: FABIAN LEMPA

«Die eigene Person in den Hintergrund treten lassen»

Was ist mit Synchron?

Der Synchron-Agent: THOMAS FRENZ

«Persönliches Auftreten ist auch beim Synchron sehr wichtig»

Der Ensemble-Sprecher: UWE JELLINEK

«Grundbedingung: Zur Verfügung stehen»

Die Star-Sprecherin: ALEXANDRA MARISA WILCKE

«Die Klaviatur der eigenen Emotionen beherrschen»

Werbung mit der Stimme: Kann meine verlocken?

image Studiofunk

Der Sprecher-Besetzer: OLIVER KLAASS

«Wer seine Texte erst trainieren muss, hat es bei uns schwer»

Wie wärs mit Unterrichten? Und was ist wichtig an der Schauspielausbildung von heute?

Die Schauspiel-Professorin: FRIEDERIKE BELLSTEDT-WILL

«Durchs Lehren eine bessere Schauspielerin geworden»

Sieht «Firmen-Coaching» so aus wie sein Klischee?

image Coaching

Die Coachin für jedermann: SUSANNE PLASSMANN

«Das Talent, Leuten dabei helfen zu können, besser gesehen zu werden»

Der Führungskräfte-Trainer: SEVERIN VON HOENSBROECH

«Der Vorteil, dass wir Schauspieler aus einer völlig anderen Welt kommen»

Wer hilft mir bei der Buchhaltung? Und steigt jemand bei meiner Steuerproblematik durch?

Der Schauspieler-Steuerberater: CHRISTIAN KNAPPE

«Schauspieler sind sich ihrer steuerlichen Möglichkeiten oft gar nicht bewusst»

Die Schreibtischkünstlerin: JULIANE KINDLER

«Als Schauspieler fällt man im Grunde durch jedes System»

Kann mir bitte jemand mal diese GVL erklären?

image Die GVL

Der GVL-Delegierte: THOMAS SCHMUCKERT

«Man kann nicht von jedem Künstler verlangen, dass er tickt wie ein Buchhalter»

Wie sorge ich fürs Alter vor? Und bin ich ausreichend versichert?

image Eine Möglichkeit: Die Künstlersozialversicherung

image Eine andere Möglichkeit: Die Versorgungsanstalt deutscher Bühnenangehöriger

image Eine dritte Möglichkeit: Die Pensionskasse Rundfunk

image Ein Tipp zum Thema Krankenversicherung: Der nachgehende Leistungsanspruch

Wer kümmert sich um SchauspielerInnen, wenn sie alt und arm sind?

Der Stiftungs-Gründer: ULRICH HÄUSLER

«Eine große Künstlerfamilie bilden, die sich hilfreich zur Seite steht»

Epilog: Matz Reinhardt – Still crazy after all these months!

«… Baby, look at me

And tell me what you see

You ain’t seen the best of me yet

Give me time

I’ll make you forget the rest …»

– «Fame», Irene Cara

Ein Wort zur geschlechtsneutralen Schreibweise

Im folgenden Buch benutze ich in erläuternden Texten das große Binnen-I. Innerhalb der Interviews und auch der prosaischen Texte habe ich aus Gründen der besseren Lesbarkeit allerdings nahezu einheitlich darauf verzichtet, und ausschließlich die männliche Form verwendet, die somit (in der Regel) beide Geschlechter einschließt.

Prolog: Matz Reinhardt auf dem Weg nach oben

Wow. Was für ein Moment. Es ist vorbei. Ich blicke in den dunkelblauen Morgenhimmel, schwanke noch ein wenig. Ein paar Minuten ist es her, da hab ich sie alle nochmal in den Arm genommen. Lena, die bei allen Prüfungen vor Aufregung Pickel bekam, und schließlich doch mit Auszeichnung abschloss. Hannes, unser Akrobatik-Ass, den ich in dieser Nacht zum ersten Mal betrunken sah, und zwar gleich so, dass er sich mit der Hand am Türrahmen festhalten musste als hätte das Lokal Schlagseite. Die hübsche Anne, in die ich heimlich seit der Aufnahmeprüfung verliebt bin, doch der ich das auch an unserem letzten Abend nicht gebeichtet habe. Weil sie mit Leon, meinem besten Freund, zusammen ist, der ständig neue Runden Tequila bestellte (wer hat die eigentlich alle bezahlt?), während die alte Jukebox in Heinos wunderbar verrauchter Eckkneipe zum x-ten Male «Que sera sera» vor sich hin leierte, das wir seit Stunden in Endlosschleife laufen ließen.

Und nun ist es halb sechs. Die Vögel zwitschern, ein sanftes Lüftchen weht durch die Bäume am Bürgersteig, die Straßenbahn bimmelt von Weitem und ich atme tief und bewusst die frische Morgenluft in mich ein, wie ich sie die letzten vier Schauspielschuljahre lang unbewusst ständig in mich eingeatmet habe. Mal gestresst, genervt, hoffnungsvoll, mit Energie und Tatendrang, voll unbändiger Freude, adrenalingeschwängert, dann aber wieder mit gehörigen Portionen Wut und Enttäuschung. Aber letztendlich: voll Wehmut und Dankbarkeit. Denn nun ist es geschafft. Endlich. Mein Traum, den ich vor so vielen Jahren zu träumen begonnen habe, ist nach etlichen Stationen und Hindernissen Wirklichkeit geworden: Ich bin Schauspieler. Kein Schauspielschüler oder «Eleve» mehr. Nein, Schauspieler. Ich artikuliere dieses Wörtchen wie eine Sprechübung vor mich hin, quasi als Beitrag zum morgendlichen Vogelkonzert. Und fühle mich unendlich frei. Und glücklich. Denn nun geht es los, das Leben, das ich mir immer gewünscht habe. Einzig und allein der Kunst verpflichtet und dem, was ich aus all den Fertigkeiten, die ich in den letzen Jahren mit auf den Weg bekommen habe, aus dieser zu machen gedenke. Mein Plan: In der Großstadt bleiben. Und dann? Mal schauen. Sich darauf besinnen, was man will. Mit diesem Beruf. Denn wenn ich ehrlich bin: So ganz ist mir das noch nicht klar. Auf der Schule haben wir uns zwar aufs Spielen konzentriert, auf Klassiker, auf die Moderne und manchmal auf Filme, deren bekannteste Szenen wir nachgeahmt haben. Wir haben unseren Körper in den Fokus gestellt, unsere Gefühle, sind als Eidechsen über den Boden gerobbt, haben Lach-Impros gemacht, Fantasiereisen und Impuls-Übungen. Wir haben das Gretchen und Don Carlos ebenso eingeprobt, wie im Sprechunterricht Kurt Schwitters und in der Abschlussaufführung Medea. Wir haben Prüfungen bestanden und manchmal auch nicht. Wir waren unseren Dozenten mal eine Freude, mal eine Last. Umgekehrt genauso.

Und doch haben wir in all den Jahren etwas Wichtiges ausgespart – vermutlich, weil keine Zeit dafür war. Nämlich zu schauen: Was will ich eigentlich wirklich? Was genau will ich spielen, wo will ich spielen und wie am liebsten? Wie werde, wie will ich in den nächsten Jahrzehnten meinen Alltag bestreiten? Wer genau wird mir Geld für meine Fähigkeiten geben und für welche ganz konkret?

Je länger ich in diesen vielversprechenden Frühsommermorgen hinein wandere, der der erste meiner hoffentlich mindestens bis zur Rente währenden Berufsexistenz sein wird, desto mulmiger wird es mir.

Wie fange ich ihn an, diesen wunderbaren, seltsamen Beruf?, überlege ich, während mein Blick sich langsam auf das Pflaster senkt. Das hat mir noch niemand so genau erklärt. Ich weiß, dass es das Stadttheater gibt, an dem man sich bewerben muss, und natürlich Film und Fernsehen. Aber darüber hinaus? Was gibt es für Möglichkeiten? Wo wird was genau von mir verlangt, erwartet, gefordert? Und was verlange, erwarte, fordere, eigentlich ich? Wohin soll die Reise gehen? Was hält sie für mich offen?

Plötzlich recke ich den Kopf wieder gen Himmel und ein Lächeln huscht über mein Gesicht. «Ich werde mir Zeit geben», flüstere ich ins stetig heller werdende Blau, als würde ich zum ersten Mal einen frisch einstudierten Text räsonieren. «Ich werde die Fühler ausstrecken. Und zu fragen beginnen. Mich durchfragen, durch diesen Dschungel, in den ich mich freiwillig begebe. Den Dschungel der Schauspieler. Auf der Suche nach dem verborgenen Schatz. Und vielleicht …» Ich muss lachen, als ich mich dabei ertappe, wie ich beide Hände zu Fäusten balle. «Vielleicht finde ich ja sogar mehrere!»

Über dieses Buch

Jahr für Jahr strömen sie aus den Schauspielschulen, die angehenden Stars und KünstlerInnen, und in der Regel wissen sie nicht genau, wo es hingehen soll. Theater? Film? Fernsehen? Synchron? Alles zusammen oder gar nichts davon? Soll ich irgendwo in die Provinz «fest» hingehen? Soll ich «frei» arbeiten? Und wenn ja: Wie konkret soll sie dann überhaupt aussehen, diese «Freiheit»?

Dass sich dieser Beruf darum dreht, darum drehen sollte, möglichst im Rampenlicht zu stehen, Aufmerksamkeit zu bekommen und davon auch noch einigermaßen leben zu können – darauf können sich wohl alle der geschätzten 26 000 im deutschsprachigen Raum ansässigen SchauspielerInnen (hohe Dunkelziffer, da die Berufszeichnung nicht geschützt ist) einigen.

Doch wie genau soll das, wie genau kann das überhaupt stattfinden? Was gibt es für Möglichkeiten für SchauspielerInnen, die die immer noch vorherrschend an Schauspielschulen gelehrte Stadttheaterkarriere aus unterschiedlichen Gründen nicht einschlagen oder abbrechen und die (noch) nicht zu der Handvoll Film- oder Fernsehstars zählen, die es – scheinbar – «geschafft» haben?

Gibt es abseits von Drehen und Theater noch andere lukrative Arbeitsfelder für mich? Habe ich steuerliche Vorteile? Gibt es in Gastverträgen an freien Theatern so etwas wie Gehaltstarife? Was steht mir als Gage bei einem Fernsehdreh zu? Wie gehe ich meine Filmkarriere an? Wie sieht ein gutes Demoband, ein gutes Schauspieler-Porträt aus? Wie bewerbe ich mich um Fördergelder für mein eigenes Projekt, und gibt es Tricks, wie ich sie am besten erhalte? Wie kann ich mich als eigenes Theater, als eigene Gruppe selbstständig machen?

Fragen über Fragen, die SchauspielerInnen beschäftigen, und die, je nachdem, wie gut oder schlecht sie mit Kollegen vernetzt sind, oft unbeantwortet bleiben.

Dieses Buch soll durch Gespräche mit «ExpertInnen» eine Art «Wegweiser» für alle SchauspielerInnen bieten, die sich auf «den freien Markt» werfen – wobei jedeR GesprächspartnerIn dabei einen eigenen «Wegweiser» bildet, deren/dessen Informationen, Ansichten, Erfahrungen man für sich wertvoll erachten kann oder eben auch nicht. Es soll verhindern, dass sich immer mehr KollegInnen im Dschungel dieses Marktes verirren, und dass geheimes Wissen über diesen Beruf und seine Möglichkeiten nur zufällig oder flüsternd von Mund zu Mund verbreitet wird.

Es soll die Palette vieler diverser Arbeitsfelder für die SchauspielerIn von heute darbieten und beleuchten – Arbeitsfelder, die mit dem, was auf den Schauspielschulen gelehrt wird, in engem Zusammenhang stehen.

Es soll zeigen, wohin dieser wunderschöne, aber brutale Beruf in den kommenden Jahren geht und gehen kann, und ein Angebot sein für Menschen, denen Spielen das Leben bedeutet, sich mit diesen Möglichkeiten auseinanderzusetzen.

Dieses Buch erhebt keinen Anspruch darauf, objektiv zu sein. Im Gegenteil: Durch Interviews mit verschiedensten RepräsentantInnen und Fachleuten ihrer jeweiligen Sparte entsteht ein extrem heterogenes Bild dieses Berufes und offenbart damit seine vielfältigen Seiten und auch Tücken – ein kleines Schaupiel-Potpourri, selbstverständlich ohne Vollständigkeitsanspruch. Denn der Dschungel des Spielens ist voll ungeahnter Wege und Möglichkeiten, die sogenannte «Wegweiser» nur äußerst unzureichend abbilden können.

Aber alle diese «Wegweiser» eint die Liebe zu einem Beruf, der sich im Wandel befindet, und dabei ständig und immer mehr, von seinen AkteurInnen verlangt, sich zu positionieren.

Dieses Buch soll auf unterhaltsame und informative Weise einen kleinen Beitrag dazu leisten.

Matz Reinhardts erste Anlaufstelle

Arbeitsamt. Empfangsschalter. Die dickliche, kleine Dame grinst, als sie meine Personaldaten in ihren PC einspeist. «Oh, ein Schauspieler! Und Sie wollen sich arbeitslos melden? Na, das ist ja mal eine Seltenheit!»

Ich lächle gequält, während sie mir meinen Personalausweis über den Tresen zurückreicht und mich bittet, in der Wartehalle Platz zu nehmen, bis mein Name aufgerufen wird. Ich folge ihrer Anweisung, setze mich zwischen eine junge Mutter mit Kinderwagen und einem Mittfünfziger mit blauem Anzug und Sonnenbrille in eine knarzende Plastikschale. Es dauert nicht lange und eine hochgeschossene Frau mit Pagenschnitt tritt in die Halle. «Herr Reinhardt?», ruft sie. Ich springe auf. «Folgen Sie mir bitte!»

Ich trotte hinter ihr her und gemeinsam nehmen wir in einem schmucklosen Raum Platz, sie hinter dem Ikea-Schreibtisch, ich davor.

«Nun gut», sagt sie, nachdem sie eine Weile wortlos an der Tastatur herumgewerkelt hat. «Ihre Arbeitssuche habe ich registriert. Leistungen von unserer Seite stehen Ihnen nicht zu, da müssten Sie mindestens 360 sozialversicherungspflichtige Arbeitstage innerhalb der letzten 2 1/2 Jahre vorzuweisen haben, um dem Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 zu genügen. Oder alternativ 180 Tage im selben Zeitraum, wenn davon mindestens 91 in kurzfristigen Beschäftigungen bis zu jeweils 14 Wochen lagen. Und auch für Fortbildungsanträge ist es noch zu früh – Sie haben ja gerade erst eine Ausbildung absolviert.»

Sie blickt auf ihren Monitor, lässt die Maus an ihm entlang scrollen. «Ich nehme an, Sie wollen jetzt ganz einfach in Arbeit.»

Ich nicke eifrig.

«Aber …» Sie beugt sich vor und blickt mir tief in die Augen. «Was für eine Arbeit suchen Sie denn?»

Ich schlucke, lehne mich zurück. Ich überlege, ob ich ihr «Fensterputzer» als Antwort geben soll, aber ich bin mir nicht sicher, ob mein Witz so gut ankäme.

«Naja, ich habe ja nun gerade meine Schauspielausbildung beendet. Spielen wäre also ganz schön», sage ich stattdessen.

«Spielen», wiederholt sie gedankenverloren, tippt erneut auf ihrem PC herum. Dann wendet sie sich mir wieder zu. «Konkreter geht es nicht?»

Ich überlege. Und zucke mit den Schultern.

«Theater, Film, Fernsehen», zähle ich auf, und weise auf ihren PC. «Alles, was Sie da drin haben.»

Sie lacht auf. «Da drin?» Sie tippt auf ihren Monitor. «Da drin hab ich leider gar nichts. Nicht für Sie. Für Leute wie Sie, da gibt es doch die ZAV!»

Das stimmt, überlege ich. Schließlich ist die ZAV mein erster Kontakt mit der Arbeitsrealität gewesen, als ich vor gut einem halben Jahr zusammen mit meinen Kommilitonen und drei Monologen bewaffnet vor ihr vorgesprochen habe. Ich kann mich an ermutigende Sätze ihrer Vertreter erinnern und die stolze Verkündung, dass wir nun alle bei ihr aufgenommen seien. Was aber genau das bedeuten sollte, wusste ich nicht. Oder es ging im Trubel der Vorsprechzeit unter.

Aber, nun gut: Wenn diese ZAV also für mich verantwortlich sein soll, lohnt es sich vermutlich, sich ein wenig näher mit ihr zu befassen.

image ZAV Künstlervermittlung

ist eine von der Bundesagentur für Arbeit betriebene, aber international agierende Vermittlungsstelle, die den NutzerInnen kostenfrei zur Verfügung steht. Neben den Bühnenberufen, wie SchauspielerInnen, OpernsängerInnen, Musical-DarstellerInnen oder TänzerInnen, sind auch andere Bereiche erfasst, jedoch liegt ihr klarer Schwerpunkt auf dem Bereich der darstellenden Künste. Insgesamt stellt sie eine wichtige Schnittstelle zwischen KünstlerInnen und denen dar, die sie engagieren möchten. Die ZAV hat ihren Sitz in verschiedenen Städten (Hamburg, Berlin, München, Stuttgart, Leipzig und als Zentrale in Bonn), wo sie für die jeweilige Region verantwortlich ist.

Der ZAV-Verantwortliche

JÖRG BRÜCKNER

«Es gibt viele interessante Arbeitsfelder außerhalb der klassischen»

Die ZAV wird durch kunsterfahrene MitarbeiterInnen betreut. Einer von ihnen ist Jörg Brückner. Eigentlich ist Brückner Kunsthistoriker und Kulturmanager, hat in dieser Funktion für unterschiedliche Institutionen gearbeitet (zum Beispiel für die Babelsberger Studios oder einem Varieté-Zirkus, für den er als Tour-Manager in den 1990er-Jahren quer durch die ganze Welt reiste. Doch irgendwann wurde die Sehnsucht nach Sicherheit und Beständigkeit größer, sodass er sich bei der ZAV bewarb.

2007 wurde die Künstlervermittlung der Bundesagentur für Arbeit neu aufgestellt. Die ehemalige ZBF (Film- und Fernsehvermittlung) und der sogenannte KD (Künstlerdienst) wurden als vormals zwei eigenständige Bereiche zusammengelegt. Es wurden neue Leitungsfunktionen frei, von denen Brückner seitdem eine bekleidet. Er fungiert als Teamleiter im Bereich Musiktheater/Schauspiel/Bühne/Film/Fernsehen.

JÖRG BRÜCKNER über Karriere-Begleitung, proaktive Mitarbeit und warum es für Schauspieler leichter geworden ist, aufzufallen

Herr Brückner, was kann ich als Schauspieler von der ZAV erwarten?

Wir machen Karriere-Coaching, Karriere-Begleitung. Wir haben Kontakte zu allen wichtigen Arbeitgebern im Bereich Schauspiel. Das sind über Film- und Fernsehproduktionen hinaus, die Theater und die freien Gruppen. Ständig kommen aber mehr potenzielle Arbeitgeber dazu, selbst welche, an die möglicherweise vor einigen Jahren noch gar nicht gedacht wurde. Deswegen sagen wir unseren Kunden: «Wenn es nicht sofort in einer tollen Serie klappt, dann schaut doch mal, was es eventuell an Schulungsfilmen oder Werbevideos gibt, die wir auch vermitteln!» Die Künstler können heute viel selbstbestimmter arbeiten, als noch vor 10 Jahren, wo es die Möglichkeiten, die beispielsweise Social Media bietet, noch nicht gab. Wie man sich bestmöglich im Netz präsentiert, erfahren die Schauspieler in unserer «Social-Media-Beratung». Die Fragen, die wir da gemeinsam stellen, und möglichst beantworten, lauten: Wie stelle ich mich auf? Welche Kanäle nutze ich? Wie streue ich mich, dass ich möglicherweise den richtigen Arbeitgebern damit auffalle? Wir haben zum Beispiel das Format Selfmade Short Stories, kurz SMS, etabliert: Das sind kleine, zwei- bis dreiminütige Szenen, mit dem Handy aufgenommen, die ins Netz gestellt werden können. SMS sind nichts anderes als Bewerbungsfilmchen. Wenn das «Shorty» gut gemacht ist, erreicht man unter Umständen viel mehr Auftraggeber als über eine Hochglanz-Fotostrecke. Es ist für Schauspieler einfacher geworden, aufzufallen!

Was relativ neu ist, weil es das erst seit zwei Jahren gibt: Wenn eine Künstlerbiografie sich dem Ende zuneigt, aus verschiedenen Gründen (sei es das Alter, seien es andere Gründe, die mich zwingen, über Plan B nachzudenken), gibt es jetzt ein «Transition Team». Dieses kann den oft sehr schmerzhaften Prozess des Loslassens begleiten, bis zur Überführung in die Bundesagentur für Arbeit, die dann entsprechende Angebote vorbereitet. Diese Angebote enthalten Arbeitgeberkontakte, die sich auf die Gruppe der Künstler fokussiert haben, da diese Skills mitbringen, mit denen viele Arbeitgeber zunehmend gerne arbeiten.

Das sind die Punkte, für die die ZAV Künstlervermittlung steht, und dies eben für alle darstellenden Genres. Wir sind nicht wirtschaftlich orientiert, sondern können neutral unterwegs sein. Uns geht es ausschließlich um die Vermittlung in Engagements und Projekte. Wir sind eine sogenannte «besondere Dienststelle» der Bundesagentur, das heißt, wir unterscheiden uns insoweit von anderen Bundesagenturen für Arbeit, dass wir mit Transferleistungen sehr wenig, bis gar nichts zu tun haben. Wir unterstützen ausschließlich fachlich.

Die ZAV ist also nicht verantwortlich für Geldleistungen?

Nur insoweit, dass wir ein kleines Vermittlungsbudget besitzen. Wir können, und das ist immer eine Einzelfallentscheidung, Fotokosten fördern und Reisekosten ebenfalls. Wer diese in Anspruch nehmen möchte, fordert einen entsprechenden Antrag, aber bitte vor einer Vorsprechreise oder Fotosession bei uns an – das gilt für die Agentur für Arbeit genauso. Diese Leistungen stehen immer im Zusammenhang mit der konkreten Anbahnung eines Engagements. Ansonsten haben wir mit Leistungsbezug nichts zu tun. Das hängt auch damit zusammen, dass die Kollegen, die hier arbeiten, nicht verwaltungssozialisiert sind. Sie kommen nicht aus der Bundesagentur, sondern aus dem Bereich, in dem sie jetzt auch vermitteln. Das sind ehemalige Dramaturgen, Schauspieldirektoren oder Manager aus allen Bereichen der darstellenden Künste. Die wissen, worum es geht, haben den sogenannten «Stallgeruch». Das ist auch entscheidend, da wir – auch das ist besonders an der ZAV – der einzige Bereich in der Bundesagentur für Arbeit sind, die beide Kundengruppen betreuen: die Arbeitnehmer und eben auch die Arbeitgeber. In der Agenturwelt ist das ansonsten getrennt. Davon kann man halten, was man will: In unserem speziellen Fokus ist unsere Variante, beide Gruppen zu betreuen, die beste Wahl.

Wer darf alles in die ZAV?

Für unseren Kontext brauchen wir konsistente Aufnahmekriterien im Zielberuf Schauspiel, und das ist zum Beispiel und vor allen Dingen die abgeschlossene Schauspielschulausbildung, egal ob privat oder Hochschule. Wir gehen in die privaten Schulen, genauso wie in die staatlichen, und die Studierenden, dann Absolvierenden, werden von uns, zunächst einmal für zwei Jahre, aufgenommen. Alle Absolventen haben einen Rechtsanspruch, in die Vermittlungsleistung der ZAV einbezogen zu werden. Der kann allerdings auf ein paar Jahre befristet sein, wenn wir merken, dass jemand nicht vermittelbar ist. Oder die Zusammenarbeit kann aus anderen Gründen beendet werden.

Nehmen Sie auch Leute auf, die nicht auf der Schauspielschule waren?

Natürlich gibt es immer Ausnahmetalente, aber die finden ihren Weg auch ohne uns. Wir haben im Einzelfall auch schon Schauspieler aufgenommen, die ohne Schauspielausbildung jahrelang in Serien oder am Theater tätig gewesen sind und dort sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Letzter Punkt ist uns wichtig, weil wir aus Beitragskosten finanziert werden und vornehmlich in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen vermitteln.

Vornehmlich? Also nicht ausschließlich?

Wir vermitteln in alle Beschäftigungen, die den Künstlern ein Einkommen sichern, mit denen sie ihren Lebensunterhalt finanzieren können. Im Großen und Ganzen werden wir natürlich durch unsere Finanzierung an den sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten gemessen, die wir vermitteln, weil wir eben aus Arbeitslosenversicherungsbeiträgen finanziert werden.

Gibt es Angebote, die Sie nicht vermitteln?

Wir vermitteln natürlich nicht alles, was uns zur Vermittlung angeboten wird: Wir achten darauf, dass es nicht sittenwidrig ist und schauen in anderen Fällen danach, ob es eine tarifliche Bindung gibt. Wir versuchen, auf widrige Arbeitsverhältnisse ein Auge zu haben und diese gegebenenfalls auch in den unterschiedlichen Arbeitgeberverbänden anzusprechen, in denen wir aktiv sind – zum Beispiel in der Produzentenallianz oder im Deutschen Kulturrat.

Wie kann sich ein junger Schauspieler bestenfalls für diesen schwierigen Beruf wappnen?

Gerade am Anfang sind die Absolventen noch so gefragt, dass sie sich eventuell sogar aussuchen können, ob sie eine Bühnenkarriere anstreben oder eine bei Film und Fernsehen. Trotzdem sollte man auch schon früh immer im Auge behalten: Wie sieht der Fächer meines Berufes aus? Was kann ich eventuell sonst noch machen? Es gibt in der Karriere immer mal wieder Phasen, in denen man nicht so gut gebucht ist oder dass sich Familie und Beruf nicht miteinander vereinbaren lassen. Und da sollte man sich überlegen, was man denn sonst an beruflichen Möglichkeiten hat.

Natürlich schaut man als Schauspieler vor allen Dingen in Richtung der klassischen Arbeitsmöglichkeiten, Bühne und Film, derentwegen ist man schließlich Schauspieler geworden. Man sollte aber auch immer reflektieren und sich fragen: «Was sind meine Skills, die eventuell auch in anderen Bereichen tragen können?» Und, ohne diese Brücken überqueren zu müssen, hilft es, diese Brücken überhaupt erst einmal zu kennen!

Also bereits am Anfang der Laufbahn über Plan B nachdenken?

Das hören die Absolventen natürlich nicht so gerne. Aber es ist trotzdem Teil der Lebenswirklichkeit. Wir wissen einfach um die Zahl derjenigen Schauspieler, die nicht gut von diesem Beruf leben können. Nur ein einstelliger Prozentsatz kann ordentlich davon existieren. Die Masse aber knappst herum, hat immer wieder richtige Durchhänger und muss dementsprechend oft etwas anderes machen. Da gibt es aber viele interessante Arbeitsfelder im darstellerischen Bereich außerhalb der klassischen und es kommen immer mehr dazu. Da sollte man wachsam sein, und es auch bleiben. Wir können häufig dazu einen Anstoß geben.

Was zum Beispiel gibt es da?

In letzter Zeit etwa viel im Bereich «Gaming», beispielsweise «Motion Capturing», die Transformation von Bewegungen in ein Computerspiel, in Digitalisierung. Dazu braucht man Tänzer oder ausgebildete Schauspieler, die so etwas machen, da die Spiele immer komplexer werden und zunehmend von bekannteren Regisseuren inszeniert werden. Da ist ein großer Tummelplatz entstanden, in denen es sich durchaus lohnt, mal hineinzublicken. Dazu braucht man natürlich Initiative, aber die kann man lernen und die begleiten wir natürlich auch.

Wenn Kunst auf Behörde trifft: Ist das eine Mischung, die sich gut verträgt?

Da ich selber Quereinsteiger bin, kann ich sagen, dass sich für einen künstlerisch denkenden Menschen als Teil einer großen Bundesbehörde vieles nicht so leicht umsetzen lässt. Wir haben zum Beispiel hohe Auflagen, was den Datenschutz betrifft. Dann gibt es das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz: Wir können aber auf eine männliche Spielrolle keine Frau vorschlagen. Also vieles, was in der normalen Arbeitswelt bei einer ausgeschriebenen Stelle funktioniert, ist bei uns halt sehr anders. Dazu gehört, dass die Arbeitsagentur in der Regel jemanden, der arbeitslos ist, schnell wieder in Arbeit bekommen möchte. Und wenn das gelungen ist, hat er dann meistens eine Stelle, die sehr lange Bestand hat. Unsere Kunden dagegen sind dauerhaft arbeitssuchend, weil es in diesem Bereich ja keine Lebensstelle gibt – außer vielleicht im Fall eines Orchestermusikers. Das heißt, wir vermitteln halt immer nur zwei oder drei Drehtage und Zweijahresverträge am Theater. Aber anschließend kommen die Leute wieder! Das ist eine Drehtür! Und auf so etwas ist die Bundesagentur überhaupt nicht ausgerichtet. Auch die Datenbank, mit der wir arbeiten, ist abmeldeorientiert. Dauerhafte Abmeldung passt aber nicht zu unserer Tätigkeit. Und so haben wir unter schwierigen, internen Rahmenbedingungen zu arbeiten. Das klappt aber gut!

Ist die ZAV selbst auch in den sozialen Netzwerken vertreten?

Seit 2017 haben wir einen Social-Media-Auftritt, den ich zusammen mit einem Kollegen betreue. Daneben sind wir auch auf Instagram und Twitter. Zusätzlich haben wir auch noch eine Homepage. Das alles trägt dazu bei, dass sich unser Image ändert. Damit meine ich unser behördliches, etwas angestaubte «Arbeitsamt-Image».

Wie hat sich das ausgewirkt?

Das sehen wir daran, dass viele junge Schauspieler von uns einfach nicht vertreten werden wollen! Insbesondere im Schauspielbereich haben wir ein großes Defizit an jungen Schauspielern, die wandern in der Regel sofort zu freien Agenturen. Wir sind ja nicht die Einzigen, die zu den Ausbildungsstätten gehen. Wir haben im Bereich Film und Fernsehen insbesondere bei jungen Leuten Optimierungsbedarf. Daran arbeiten wir zurzeit.

Was sind die Nachteile der «ZAV Film und Fernsehen» gegenüber einer privaten Agentur?

Was wir natürlich als Bundesagentur im Gegensatz zu einer privaten Agentur oder einem privaten Management nicht leisten können, ist eine individuelle, zeitlich aufwändige Betreuung, die sich zum Beispiel in so etwas wie Vertragsverhandlungen äußert. Dafür haben wir einfach zu viele Schauspieler in der Vermittlung.

Und die Vorteile?

Wir sind provisionsfrei. Wir kennen die Arbeitgeber und arbeiten sehr viel mit Direktkunden, Auftraggebern, den großen Sendeanstalten, aber auch Netflix zusammen, überwiegend auch mit Casting-Direktoren. Diesen Support kann man bei uns erhalten, wenn man will. Wir schlagen auch Leute vor, die werden ausgesucht oder eben nicht.

Sie schlagen Leute vor?

Ja, etwa 50 % schlagen wir vor, bei den anderen 50 kommen Casting-Direktoren mit namentlichen Künstler-Anfragen auf uns zu.

Wie viele Schauspieler vertreten Sie?

In der ZAV Berlin für Film und Fernsehen sind es 1 200 Schauspieler; in der Bühnensparte ungefähr 2 200.

Unterstützen Sie auch Fortbildungen?

Wir befürworten Fortbildungen, zum Beispiel Kamera-Workshops, wenn wir Potenzial sehen. Bildungsgutscheine geben wir allerdings nicht aus. Wenn man diese erhalten will, muss man sich bei seiner zuständigen Agentur für Arbeit melden. Die Kollegen fragen dann gegebenenfalls bei uns nochmal nach, ob die Fortbildung oder Qualifizierung Sinn macht, also die Vermittlungschancen signifikant verbessert. Dazu muss ich aber bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet sein.

Ich muss also nicht arbeitssuchend gemeldet sein, um überhaupt von der ZAV vertreten zu werden?

Nein. Aber es schließt sich nicht gegenseitig aus. Wir können als Fachvermittlung für Kunden der Arbeitsagentur und der Jobcenter tätig werden, aber man muss nicht zwingend dort arbeitsuchend gemeldet sein oder Leistungen beziehen. Wir vermitteln und beraten auch exklusiv.

Wenn ich mich bei der Agentur für Arbeit als «arbeitssuchend» verzeichnen lasse, muss ich mich dann regelmäßig bei ihr melden?

Wenn man nur «arbeitssuchend» gemeldet ist, hat man in der Regel mit der Agentur diesbezüglich nicht so viel zu tun und kaum Verpflichtungen – da werden lediglich regelmäßige Meldungen über die Arbeitssuche angefordert. Anders ist es, wenn man im Leistungsbezug steht, dann muss man sich eventuell bei Drehtagen oder ähnlichem immer mal wieder abmelden, was in der Regel sehr gut über E-Mail funktioniert. Und sich gegebenenfalls nach einem über sechswöchigen Engagement erneut wieder arbeitslos melden.

Wie sollte die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und einem Schauspieler bestenfalls aussehen?

Man muss regelmäßig Kontakt halten und uns darüber informieren, was sich im Hinblick auf Engagements getan hat. Wenn sich Fotos, Demoband oder anderes geändert haben, sollten wir das ebenfalls erfahren. Wenn all dies gewährleistet ist, steht einer guten Zusammenarbeit nichts im Wege. Bei so vielen Schauspielern in der Vermittlung, können wir uns nicht aktiv für jeden Einzelnen engagieren. Da muss schon viel vom Schauspieler selber kommen, denn wir erwarten ein hohes Maß an Eigeninitiative. Bei denen, die regelmäßig in die Beratung kommen, funktioniert das sehr gut. Natürlich auch, weil wir die frisch im Bewusstsein haben. Und es ist hilfreich, uns auch mal einzuladen, wenn er oder sie irgendwo auftritt. Wir sind ja ständig im Außendienst und besuchen Vorstellungen.

Was will ich überhaupt von diesem Beruf?

Gut. Selbst mitarbeiten. Sich nicht auf andere verlassen. Proaktiv. Aber wie genau soll das aussehen, frage ich mich, als ich das Gebäude der ZAV in der Friedrichstraße verlasse. Wo fange ich damit an?

Ich überlege: Eigentlich sollte es ja kein Problem sein, im Internet nach allen Theatern, allen Castern, allen Filmproduktionen zu forschen und sich bei allen zu bewerben. Bei irgendjemandem von denen wird’s ja wohl schon klappen.

Doch dann schüttle ich den Kopf: Es gibt da eine einfachere Variante, die zeit- und auch frustrationssparend sein kann, wenn man erst mal zu ihrem Kern vorgedrungen ist: Nämlich, herauszufinden, was ich eigentlich von diesem Beruf will und mich gezielt auf Stellen in diesem Zusammenhang zu bewerben! Wenn ich das weiß, wird mir die Jobsuche um einiges leichter fallen!

Ich schlage mir vor den Kopf. Eigentlich eine Binsenweisheit. Und idiotisch, dass mir das erst jetzt, nach der Ausbildung einfällt, wo mir doch davor so eindeutig klar gewesen war, dass ich Schauspieler und nichts anderes werden wollte.

Doch war mir nicht bewusst, dass es so viele Möglichkeiten gibt, diesen Beruf auszuüben. Nur: Wie und wo finde ich nun meinen Weg? Wie bekomme ich ihn heraus? Und kann mich dabei bitte jemand beraten?

Die Künstlerberaterin

ALINA GAUSE

«Man sollte immer wieder Bilanz ziehen»

Schon als Kind stand die gebürtige Berlinerin auf der dortigen Waldbühne und drehte fürs Fernsehen. Sie tanzte ebenso gerne, wie sie sang und spielte. So war es für sie folgerichtig, ab Ende der 1980er-Jahre in ihrer Heimatstadt eine Musicalschule zu besuchen. Privat – da an deutschen Hochschulen ein solcher Studiengang noch nicht existierte. Die folgenden zehn Jahre arbeitete sie in den unterschiedlichen Genres, spielte am Maxim Gorki Theater, sang Jazz, Oper und Musical (u. a. am Theater des Westens), machte Film und Fernsehen, Synchron und Hörspiele. Doch irgendwann spürte sie, dass sie mit ihrem künstlerischen Leben nicht so glücklich war, wie sie es ihrer Meinung nach hätte sein müssen: «Die Rollen wurden größer, die Gagen wurden größer, die Häuser wurden größer», sagt sie heute, «doch die Zufriedenheit, die wurde nicht größer». Als sie die Chance erhielt, an der Neuköllner Oper zur Zeit ihrer Schwangerschaft einen selbstgeschriebenen Soloabend mit Liedern, Texten und Band auf die Bühne zu bringen, erfuhr sie zum ersten Mal, wie befriedigend es sein konnte, ihre gesamte Künstlerpersönlichkeit zum Tragen zu bringen. «Da merkte ich etwas Seltsames: Das Haus war kleiner, die Gage war kleiner, aber die Zufriedenheit war größer.»

Sie begann ein Psychologiestudium in Freiburg und arbeitet nun seit ihrem Diplom vorwiegend als freischaffende Beraterin für Künstler in Berlin. Zwei Bücher sind zu diesem Thema bisher von ihr erschienen: Kompass für Künstler und Warum Künstler die glücklicheren Menschen sein könnten.

ALINA GAUSE über nachhaltige Karrieren, das Klischee des verrückten Künstlers und warum es wichtig ist, alle Persönlichkeitsanteile gleichwertig zu behandeln

Alina, was ist der Kernkonflikt, dem speziell Schauspieler in ihrem Beruf psychologisch ausgesetzt sind?

Schauspieler sind stärker als viele andere Künstler damit beschäftigt, eine Quadratur des Kreises hinzubekommen: sich ungeschützt, in all ihrer Verletzlichkeit, ihrer Sensibilität, mit ihrer Persönlichkeit zu zeigen und sich gleichzeitig vor schädlichen Einflüssen zu schützen. Den richtigen Moment zu erkennen, in dem man «aufmachen» muss, sich aber auch zuzubilligen, dass man diesen Zustand nicht ständig aufrecht erhalten kann – da einen das unter Umständen ausbrennt oder zu vielen Verletzungen aussetzt. Es ist ein ziemlicher Spagat: einerseits schonend mit den eigenen Gefühlen umzugehen und andererseits diejenigen abrufbar zu haben, die für die Rolle notwendig sind. Das sind, psychologisch betrachtet, ganz unterschiedliche Bewusstseinszustände. Es sind jeweils andere Gehirnwindungen aktiv.

Deine Diplomarbeit trägt den Titel: «Künstler im Spannungsfeld zwischen Beruf und Berufung.» Was genau fandest du durchs Psychologie-Studium diesbezüglich heraus?

Das Psychologiestudium vermittelte mir den wissenschaftlichen Background dafür, die psychologischen Strukturen im Künstlermetier besser verstehen zu können. Es gab mir Werkzeuge an die Hand, zu begreifen, warum ich damals beruflich so unglücklich war, warum der Beruf so ist, wie er ist und warum es so viele ungeschriebene Gesetze gibt. Themen wie Macht, Erfolg, Scham, Angst, Kritik hatte ich bisher intuitiv aufgenommen und konnte sie nun übergreifend einordnen.