FÜR BARBARA

Peter Alles

Peters Reisebericht Nr. 9

Armenien – ein kleines Gebirgsland mit großartiger Kultur

Inhaltsverzeichnis

20. September 2019, Anreise

21. September 2019, erster Tag in Jerewan

22. September 2019, Jerewan Teil 2 und Etschmiadsin

23. September 2019, Fahrt in den mittleren Süden

24. September 2019, Wanderung und Weinprobe

25. September 2019, Weiterfahrt in die Provinz Sjunik

26. September 2019, Tatev-Kloster und Höhlenstadt

27. September 2019, Fahrt in den Norden

28. September 2019, großer Klostertag

29. September 2019, Rückkehr nach Jerewan

30. September 2019, Felsenkloster und Sonnentempel

1. Oktober 2019, Rückreise

Quellen

20. September 2019, Anreise

Das fing ja gut an. Dass ich meine Anschluss-S-Bahn im Frankfurter Hauptbahnhof um eine Minute verpasst hatte, war nicht ungewöhnlich bei einer Fahrt von Schwalbach zum Flughafen, damit hatte ich gerechnet, das hatte ich einkalkuliert. Auch hatte ich weitere Verzögerungen eingeplant und daher am Vorabend von zu Hause aus bereits eingecheckt, so dass ich entspannt anreisen konnte.

Da konnte mich auch nicht beunruhigen, dass auf der Anzeigetafel der Abflüge im S-Bahnhof des Flughafens alle Flüge außer meinem aufgelistet waren. Das war kein Problem, an der Flughafen-Information im Terminal 1 konnte man mir bestätigen, dass mein Flug stattfinden würde. Und man konnte mir das Abflug-Gate nennen, nämlich D6 im Terminal 2.

Also begab ich mich per SkyLine, dem Schienen-Shuttle, dorthin. In der großen Halle des Bereiches D, wo sich die Aeroflot-Schalter befinden, war die Hölle los. Vor einigen Schaltern schlängelten sich die Wartenden kreuz und quer durch die Halle, so dass man sich ständig irgendwo durchquetschen musste. Die Schlange vor „meinem“ Schalter war zwar viel kürzer, aber das Einchecken und Gepäckaufgeben dauerte unverständlich lange. Obwohl ich nur zehn Flugwillige vor mir hatte, konnte ich erst nach vierzig Minuten meinen Check-In-Ausdruck gegen seriöse Bordkarten eintauschen und meinen Koffer aufgeben.

Reisepass-Kontrolle, automatisiert, und Sicherheitskontrolle gingen trotz der großen Menge an Reisenden relativ zügig vonstatten. Am Gate D6 wurde gerade noch ein anderer Flieger abgefertigt, so dass ich mich in der Nähe niederließ und meiner Reiselektüre widmete. Dies war das „Porträt einer Hoffnung – Die Armenier“ der Herausgeberin Huberta von Voss, einer Journalistin mit ausgezeichneter Kenntnis der jüngeren armenischen Geschichte. In vielen Kurzdarstellungen und Einzelporträts werden unterschiedliche Themen wie armenische Identität, Geschichte, Leben in der Diaspora, Genozid etc. durch meist sehr persönliche Erlebnisberichte beleuchtet. Ein empfehlenswertes Buch für alle, die sich für die Armenier und ihre Gegenwartsgeschichte interessieren.

Daher war ich so vertieft, dass ich die Verlegung des Abflug-Gates gar nicht mitbekam. Erst als ich mich einige Minuten nach dem geplanten Boarding-Beginn zum Gate begab, erfuhr ich vom Wechsel zu D9. Das klang nicht weit entfernt, erforderte aber dank der langen Wege im Frankfurter Flughafen eine zehnminütige Wanderung mit vorübergehendem Verlassen des sicherheitskontrollierten Bereiches. Vor dem Zugang zu D9 staute sich eine lange Schlange, eine Bewegung war nicht zu erkennen.

Da ich seit Wochen Schmerzen im rechten Bein bei längerem Stehen und Gehen verspürte, schaute ich mich nach einer Sitzgelegenheit um. Die gab es in einem gewissen Abstand, von wo man Blickkontakt zum Gate hatte. Also ließ ich mich dort nieder und bewunderte die geduldigen Menschen in der Schlange, die sich lange Zeit keinen Millimeter vorwärtsbewegte. Etwa eine halbe Stunde nach dem geplanten Abflug kam etwas Bewegung auf und die ersten Wartenden durften zur Sicherheitskontrolle vorrücken. Nach weiteren 20 Minuten begab ich mich ans Ende der Schlange und konnte ebenfalls langsam zum Gate und zum Flugzeug vordingen, das wegen der Terminverschiebung weit entfernt auf dem Vorfeld geparkt war.

Wir starteten mit 80-minütiger Verspätung nach Moskau, nachdem der Aeroflot-Pilot seinen Wodka-Rausch ausgeschlafen hatte. Zumindest äußerten einige meiner Mitreisenden diese Vermutung. Ob das der Grund war, dass während des Fluges an die Passagiere kein Wodka ausgeschenkt wurde?

Vorbei an Berlin, Kaliningrad und Vilnius – wovon allerdings nichts zu sehen war, da sich dicke Wolken flächendeckend ausgebreitet hatten – erreichten wir Moskau-Scheremetjewo auf unspektakuläre Weise. 30 Minuten vor dem geplanten Start des Anschlussfluges nach Jerewan konnten wir das Flugzeug verlassen. Das Bodenpersonal war wegen der Verspätung und der langen Schlangen vor der Pass- und Sicherheitskontrolle deutlich hektischer als wir. Schließlich wurden wir an einigen Schlangen vorbeigelotst und durch die Sicherheitskontrolle getrieben, wo wir im Gegensatz zu anderen Fluggästen nur ziemlich oberflächlich kontrolliert wurden. Hauptsache, wir würden wieder schnell verschwinden.

Und wozu das Ganze? Um am Gate für den Weiterflug nach Jerewan feststellen zu dürfen, dass dieser Flug ebenso eine deutliche Verspätung hatte, das Boarding noch gar nicht begonnen hatte und sich eine lange Warteschlange in ohnmächtiger Geduld übte. Auch hier suchte ich mir erst einmal eine Sitzgelegenheit in der Nähe und harrte der Dinge, die kommen mussten.

Von meinem Fensterplatz im Flieger konnte ich noch lange nach dem Start das Lichtermeer im Großraum Moskau bewundern. Es ist unglaublich, wie viele Städte und Straßen noch in mehreren hundert Kilometern Entfernung Licht in den Himmel abstrahlen. Ganz anders in der Kaukasusregion, wo bei Nacht fast absolute Finsternis vorherrscht und erst auf den letzten 50 km vor der Landung in Jerewan vereinzelte Lichtquellen und dann schwach beleuchtete Ortschaften zu erkennen waren. Die Dunkelheit kann natürlich auch an der Uhrzeit gelegen haben, denn wir schwebten gegen ein Uhr nachts auf dem kleinen Flughafen Swartnoz ein.

Da ich nicht wusste, wie die telefonmäßige Erreichbarkeit in Armenien sein wird – später stellte sich heraus, dass sie überall gut war und in fast jedem Hotel oder Gästehaus ein funktionierendes WLAN zur Verfügung stand –, schickte ich nach Verlassen des Fliegers eine knappe SMS nach Hause: „Sind gut gelandet, alles hat hervorragend geklappt.“ Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich ohne mein Gepäck gelandet war.

Ich hatte lange aufs Gepäckband gestarrt. Als es geleert und abgestellt worden war, wurde mir klar, dass der Urlaubsanfang nicht unbeschwert sein würde. Marina, eine Deutsche, mit der ich beim Warten ins Gespräch kam, stellte sich als Mitreisende meiner Rundreisegruppe durch Armenien und Opfer von Gepäckverlust heraus. So begaben wir uns gemeinsam zum Reklamationsschalter, wo wir geduldig unser Anliegen auf Englisch vortrugen. Der nette Mitarbeiter versprach uns, dass das Gepäck kostenfrei bald ins Hotel nachgeliefert werden würde und wir uns getrost dorthin begeben könnten. Wir sollten nur unsere Verlustbestätigung vorweisen.

Damit verzögerte sich die Anreise zum Hotel für diejenigen unserer Gruppe weiter, die ebenfalls in der Nacht gelandet waren, worüber glücklicherweise keine Feindschaften ausbrachen, bevor wir uns überhaupt richtig kennen lernen konnten. Erst danach, nach dem Kennenlernen, gab es seriöse Gründe für Animositäten, da einige Charaktere von der kaum erträglichen Sorte waren.