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Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 

Mit freundlicher Unterstützung:

• Musikschule Trömel
Bad Freienwalde

• Oderlandmuseum (Bad Freienwalde)
Stiftung Heimatkreisarchiv Königsberg/Neumark

• Wilhelm Sauer Orgelbau GmbH
Müllrose

2. Auflage

© 2010 SELBST-Verlag, Bad Freienwalde

1. Auflage

© 2005 Verlag FREIMUT & SELBST, Berlin

www.freimutselbst.de

E-Mail: fs@freimutselbst.de

Alle Rechte vorbehalten

Fotos und Repros: Karl Richter

Lektorat: Wolf Bergelt

Satz und Layout: SELBST-Design, Berlin

Herstellung und Verlag: BoD Norderstedt GmbH

Printed in Germany

ISBN 978-3-839178-54-6

Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier

Inhalt

 

Vorwort

Die Orgelbauwerkstatt Bütow in Königsberg/Neumark

Orgelneubauten von Friedrich Bütow

Rohrbeck (Rosnowo)

Dertzow (Derczewo)

Dürren Selchow (Imageelichów)

Dobberphul (Dobropole)

Klein Mantel (MImagetno Mł.)

Herrendorf (Chłopowo)

Reichenfelde (Garnowo)

Wedel (Czartoryja)

Kutzdorf (Gudzisz)

Grabow (Grabowo)

Klein Wubiser (Str. Objezierze)

Woltersdorf (Mirowo)

Wuthenow (Otanów)

Kerkow (Kierzków)

Bellin (Bielin)

Klemzow (Klepicz)

Görlsdorf (Góralice)

Orgelneubauten von Paul Bütow

Groß Lindow

Theeren (Tchórzno)

Butterfelde (Przyjezierz)

Flemsdorf

Rehdorf (Stoki)

Neuenhagen (OT von Bad Freienwalde)

Zorndorf (Sarbinowo)

Alt Drewitz (Drzewice)

Orgelumbauten und Umsetzungen

Felchow

Criewen

Biesenbrow

Grüntal (Sydower Fließ)

Ortsschlüssel

Orts- und Personenindex

Vorwort

Die ältesten und bedeutendsten Gebäude in den Städten und Dörfern im ehemaligen Kreis Königsberg/Neumark sind wie überall im Land Brandenburg die Kirchen. Es gibt genügend Aufzeichnungen über Alter und Bauart dieser Sakralbauten. Das trifft natürlich auch für alle Kirchen zu, die östlich der Oder im heutigen Polen stehen oder die durch Kampfhandlungen im 2. Weltkrieg vernichtet wurden. Anders ist es mit den Innenausstattungen, die während der Jahrhunderte wechselten und die bei der Umwandlung 1945 von protestantische in römisch-katholische Gotteshäuser verändert wurden. So waren die Orgeln, die teilweise einige Jahrhunderte alt sind, in allen Orten die bedeutendsten Musikinstrumente, die alle Kirchenbesucher jeden Sonntag erfreuten. Wir müssen hierbei bedenken, dass die Musik noch keine hundert Jahre durch Rundfunkwellen in unsere Häuser kommt.

Nachdem 1990 durch die Wiedervereinigung des 1945 geteilten Deutschlands und mit der Annäherung an den Staat Polen eine ständige Grenzüberschreitung möglich wurde, hat der Autor Karl Richter aus Bad Freienwalde die Kirchen im Gebiet des ehemaligen Kreises Königsberg/Neumark aufgesucht. Er hat die noch vorhandenen Orgeln aufgelistet und bildlich festgehalten. Durch weitere Nachforschungen konnte er feststellen, welche Orgelbauer nachweislich in den Kirchen tätig waren. So stieß er unter anderen bald auf den Namen Bütow. Von etwa 1846 bis 1925 waren die Orgelbauer Bütow, Vater und Sohn, in der Kreisstadt Königsberg/Neumark ansässig. Sie restaurierten alte Orgeln und bauten neue für viele Kirchen in der Umgebung und bereicherten so das kulturelle Leben in der Region.

Es ist ein besonderer Verdienst von Karl Richter, dass mit diesem Buch die Orgeln in den Kirchen im ehemaligen Kreis Königsberg/Neumark, in dem 700 Jahre deutsche Menschen wohnten und heute Polen leben, erforscht und festgehalten werden. Die fachmännischen Angaben ermöglichen die bereits vorliegenden historischen Beschreibungen der Kirchen zu vervollständigen. Alle, die in den erwähnten Kirchen getauft und konfirmiert wurden, werden erfreut das Buch in die Hand nehmen und für ehemalige Kreisbewohner ist es eine Bereicherung ihrer Erinnerungen.

Hans-Gottfried Bluhm

Kurator der „Stiftung Heimatkreisarchiv Königsberg/Neumark“

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Die Klosterstraße in Chojna (Königsberg/Neumark) im Jahr 2004. Im Hindergrund die im Wiederaufbau befindliche St. Marienkirche.

Die Orgelbauwerkstatt Bütow in Königsberg/Neumark

Die Gründung der Orgelbauwerkstatt in Königsberg/Neumark geht auf den am 24. Oktober 1813 in Treptow an der Rega (Pommern) geborenen Friedrich Carl Wilhelm Bütow zurück.1 Über seinen Schulbesuch und der Ausbildung zum Orgelbauer ist nichts bekannt. Möglich wäre eine Lehre bei August Wilhelm Grüneberg in Stettin gewesen. Um 1846 kam er auf der Wanderschaft nach Königsberg/Neumark. Vermutlich arbeitete er hier bei dem Orgelbauer A. Landowans2, der die Königsberger Marienorgel von Joachim Wagner pflegte, als Geselle. Landowans baute 1847 in Rohrbeck nahe bei Königsberg/Neumark seine erste und einzige Orgel. Kurz darauf starb er im Frühjahr 1848.3 Es ist anzunehmen, dass Friedrich Bütow sich nach dessen Tod um die Stelle zur Pflege der Marienorgel beworben hat. Sie war die Grundlage, um Bürger der Stadt zu werden, die Werkstatt weiter auszubauen und eine Familie zu gründen.

Friedrich Bütow baute zwischen 1850 und 1876 sechzehn, bisher nachweisbare, neue Orgeln mit mechanischen Schleifladen.

Nach 1850 heiratete er Marie Deleroi.4 Am 31. Dezember 1854 wurde der Sohn Paul geboren,5 der später die Orgelbauwerkstatt weiterführte. Er besuchte in Königsberg die Schule und erlernte das Orgelbauhandwerk bei seinem Vater. Danach ging er auf Wanderschaft um sich zu "perfektionieren". Paul Bütow kann also, wenn er nicht längere Zeit auf Wanderschaft war, frühestens um 1876 eigenständig Orgeln gebaut haben. Auf Grund seiner Bauweise kann man annehmen, dass er den Bau von Kegelladen bei Wilhelm Sauer in Frankfurt (Oder) gelernt hat. W. Sauer baute zu dieser Zeit Kegelladen mit einschlagenden Kegeln.6 Diese Bauart hat P. Bütow ebenfalls angewandt. Auch die Anordnung des Spieltisches mit Blickrichtung zum Altar, lässt darauf schließen. Die Orgel in Groß Lindow könnte als Beleg dafür angesehen werden. Vielleicht ist sie sogar sein Meisterstück.

Nach dem Tode von Friedrich Bütow führte er die Orgelbauwerkstatt allein weiter. Bisher konnte (noch) nicht ermittelt werden, wann der Vater gestorben ist und wann genau die Übernahme der Werkstatt erfolgte. Leider sind durch die großen Kriegszerstörungen in der Stadt Königsberg/Neumark aus dieser Zeit keine Belege mehr vorhanden.7

Paul Bütow war in gewissem Sinne ein Außenseiter, den man für ein wenig „schrullig“ hielt, in seiner Art aber durchaus ein bemerkenswerter Mann. 1897 wohnte er noch mit seiner Mutter Marie Bütow in der Klosterstraße 276. Erst mit 48 Jahren, 1902, heiratete er die 20 Jahre jüngere Martha Heckendorf. Die Familie wohnte in der Klosterstraße 28, später in der 11 zur Miete.8

Die Orgelbauwerkstatt befand sich im alten Kloster, zuerst in einem Zimmer nach dem Hof, später im Hauptgebäude neben der Kirche. Ob sich die Werkstatt schon seit der Gründung dort befand, ist nicht bekannt. Nachdem Pastor von Gerlach die Klostergebäude um 1925 gekauft hatte, mußte die Werkstatt geräumt werden.

Paul Bütow hatte manche Eigenheiten. An die Wände seiner Werkstatt schrieb er mit einem Zimmermannsbleistift bis hoch an die Decke, eine fortlaufende Chronik aller ihm wichtigen Ereignisse persönlicher und allgemeiner Art.9 Leider hat sich bei der Auflösung der Werkstatt keiner für diese Aufzeichnungen interessiert. So sind sie verloren gegangen.

Kaufmännisch war Paul Bütow wenig begabt und deshalb hat er es auch nie zu wirklichem Wohlstand gebracht, obwohl er ein gesuchter Orgelbauer und Orgelreparateur war. Eine Inschrift in der Flemsdorfer Orgel deutet auf diesen Umstand hin.

"Ein tüchtiger Orgelbauer, der nur einen Fehler hatte, er konnte keinen Preis fordern. So sagte Pfarrer Mühlenbeck."10

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Die Klosterstraße in Königsberg/Neumark (Chojna) um 1930. Im Hindergrund die St. Marienkirche.

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Das alte Kloster

In seinem Wesen war Paul Bütow ein stiller und zurückhaltender Mann, doch steckte er voller Schnurren und besaß ein gewisses Erzählertalent, weshalb er bei den Pastoren, Dorflehrern und Organisten, mit denen er durch seinen Beruf regelmäßig zu tun hatte, stets gern gesehen war und mit ihnen, wie auch mit seiner sonstigen Umwelt, auf bestem Fuße stand.

Seine Frau war eine stille, niemals hervortretende Person. Sie fand nach dessen Tode, Paul Bütow starb am 30. März 1926 72jährig, in der Sorge um Sohn und Tochter ihren Lebensinhalt. Sein Sohn, Hans Bütow, der wenig Interesse für den handwerklichen Beruf seines Vaters aufbrachte, wurde Lehrer und ein anerkannter Heimathistoriker der Neumark. Er wurde mit 39 Jahren ein Opfer des 2. Weltkrieges.

Von Hans Bütow stammen auch einige Veröffentlichungen über Orgeln, besonders über die 500jährige Königsberger Orgelgeschichte und die Wagner-Orgel in der St. Marienkirche,11 die sein Vater und sein Großvater Jahrzehnte in Pflege hatten.