Filmstar

Wider Willen


Für

Ulla und Dieter

Freunde sind die Familie, die wir uns aussuchen können







Liebe Leserinnen, liebe Leser

Ich schreibe diese Geschichte, weil sie mir besonders am Herzen liegt.

Nicht, weil sie besonders spannend oder gruselig ist. Nein, es ist meine Geschichte.

Meine Geschichte, und die meines……

Halt Stopp, wenn ich weiterschreibe, verrate ich zu viel, und niemand von ihnen würde sich für die kommenden Seiten interessieren.

Also……. Viel Spaß beim Lesen.

ihre

Tatjana Olsen

1.Kapitel

Endlich war ich fertig. Was war ich froh.

Erleichtert zog ich schnell die letzte Seite des Manuskripts aus dem Drucker und legte sie zu den anderen, dann schloss ich den Ordner. Noch schnell in den großen Umschlag, und ab damit zu Ray, der bereits sehnsüchtig darauf wartete. Die Folge musste unbedingt gedreht werden! Ich erhob mich, um den Ordner zu verstecken.

Gerade noch rechtzeitig, denn Notnagel schlug kurz an. Dann rannte mein Hund aufgeregt zur Tür. Ein Zeichen, dass Danny sich näherte. Kaum hatte ich den Ordner in den Schrank eingeschlossen, als ich auch schon Dannys Schlüssel im Schloss hörte. Mein Herz setzte vor Freude einen Schlag aus.

„Tatti, bist du Zuhause? Ich habe Kaffeedurst.“ Danny ging in die Küche, dort hantierte er mit der Kaffeekanne. Lächelnd erhob ich mich um, Notnagel zu folgen, der bereits in der Küche unseren Besuch wild umsprang, und um einen Keks anbettelte. Notnagel war darin sehr ausdauernd.

Ich betrat schmunzelnd die Küche. „Hallo, Großer, schön dass du vorbeischaust. Ist es nicht etwas früh für dich? Keine Dreharbeiten mehr heute?“ fragte ich liebevoll. Sanft küsste ich ihn auf die Wange. Er roch gut nach teurem After Save. „Ich dachte, ihr wolltet heute die Straßenszenen drehen.“ Fragte ich weiter, als Danny schwieg. Ich setzte mich an den Tisch und griff nach Dannys Hand. Ich betrachtete seine großen starken Finger, die schon viel gearbeitet hatten, bevor er der Serienstar geworden war. Der berühmte Danny Norton.

Der große Mann lächelte zurück und drückte meine Finger. Seine Hand fühlte sich warm und zuversichtlich an. Wie sehr ich ihn liebe, dachte ich. So könnte ich hier immer sitzen, und ihn anlächeln, dachte ich weiter, wieder musste ich seufzen. Danny war mein „Bruder“. Nicht mehr, nicht weniger. Und das schon seit 20 Jahren.

Das, was ich für ihn empfand, war also nur Schwesterliche Zuneigung, Ende Aus. Jedes weitergehende Gefühl war pure Einbildung meinerseits. Und doch. Warum raste mein Herz immer in seiner Nähe?

Endlich sprach Danny und seufzte dabei leise.

„War eigentlich auch so gedacht, Kleine, aber unsere Diva Gloria hat heute Morgen einen Pickel in ihrem makellosen Gesicht entdeckt, deshalb wurden die Aufnahmen gestrichen. Gloria hat eine Riesenaufstand gemacht. Mal wieder! Heute werden nur Landschaftsaufnahmen gemacht. Dabei brauchen sie mich nicht.“ Danny schenkte uns schlecht gelaunt einen Kaffee ein. „Man, ist der große Boss sauer. Hat der rumgebrüllt. Aber das stört unsere Gloria nicht.“

Dankend nahm ich den Becher entgegen.„Also ist unsere liebenswerte Gloria wieder mal für deinen freien Tag verantwortlich. Schon der dritte diesen Monat. Na, da hast du wenigstens Zeit für deine neue Freundin.“ Sagte ich betont munter. Ich senkte meinen Kopf in den Becher, um Danny nicht sehen zu lassen, wie weh es mir tat. „Lindsay, oder Sandy. Irgendwie heißt sie doch.“ Ich wusste genau wie sie hieß, wollte es Danny jedoch nicht merken lassen, wie nah mir seine Liebesgeschichten gingen. Wie sehr sie mich schmerzten. Seine momentane Freundin war eine bekannte Schönheit aus der Regenbogenpresse. Die Fotos der Beiden waren in allen Klatschzeitungen gewesen. Danny und das Modell wurden als das neue Traumpaar gefeiert. Sie hatten keine Party ausgelassen. Danny hatte mich jedes Mal eingeladen, doch ich hatte dankend abgelehnt. Ich wollte nicht mitansehen müssen, wie er dort mit seinen neuesten Errungenschaften flirtete.

„Die hat sich schnell erledigt. Hat sich einen bekannten Regisseur geangelt und will ihr Glück in USA versuchen.“ Danny seufzte laut auf. „Hat mir eine SMS geschickt und sich verabschiedet. So Schluss zu machen, wird wohl große Mode.“ Er fluchte unterdrückt. Notnagel legte seine Ohren zurück und begann zu winseln. Ich verkniff mir ein freudiges Grinsen. Mein Danny war also wieder solo. Was für ein Glück. Allerdings wohl nur für mich.

Grimmig schenkte er sich Kaffee nach. Ich kannte diesen traurigen Ausdruck in Danny Gesicht. Ich kannte ihn so gut. Die Trennung hatte ihn mehr verletzt als er zugeben wollte. Wahrscheinlich hatte er doch etwas für dieses Modell empfunden. Ich seufzte still. Ich überlegte, was ich sagen oder tun konnte, um ihn zu trösten, als er sich auch schon erhob und seine Jacke schnappte. Liebevoll gab er mir einen Kuss und strich Notnagel über den Kopf. „Ich geh eine Runde schlafen. Das hilft immer.“ Die treuen Hundeaugen sahen ihm traurig hinterher, als Danny zur Tür ging. „Arbeite nicht mehr so viel, Kleine. Und geh mal wieder raus mit unserem Hund.“ Rief er. Danny ließ die Tür ins Schloss fallen. Er ging zum Fahrstuhl, um zu seiner Wohnung im obersten Stockwerk zu gelangen. Seit er der Star der Serie war, konnte er sich die große Appartementwohnung kaufen, mir hatte er eine kleine Wohnung im selben Gebäude gekauft. Er wollte mich in seiner Nähe haben, sorgte für mich, und dass schon so lange, dass es für ihn wahrscheinlich zur Gewohnheit geworden war. Für ihn war ich wohl wirklich nur die kleine Schwester. Das freche Mädchen aus dem Heim. Wieder wischte ich eine Träne fort.

Danny war fort. Endlich konnte ich meinen ganzen Tränen freien Lauf lassen. Es tat mir immer weh, wenn man meinen Danny weh tat. Niemand durfte ihm wehtun. Ich schenkte mir den Rest Kaffee ein und setzte mich zurück an meinen Schreibtisch. Dort, Zurückgelehnt schloss ich meine Augen und ließ meine Gedanken zurückgleiten. Danny schlief, ich hatte also Zeit.

Plötzlich war ich wieder ein kleines Mädchen, allein und einsam.

Ganze Fünf Jahre war ich damals alt gewesen, als meine Mutter, eine Stadtbekannte Prostituierte, mich im Waisenhaus von Tante Hope abgab, weil ich sie bei ihrer „Arbeit“ störte. Meine Mutter hatte sich keinerlei Mühe gegeben bei meiner Erziehung.

Ich war ein ungezogenes, wildes Kind, das spuckte und biss, falls man mich auch nur anfassen wollte. Keins der anderen Kinder wollte mit mir spielen. Jeder, sogar einige Erwachsene, hatte Angst vor mir. Ich kannte Ausdrücke, die jedem Seemann die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte.

Da keine der Erzieherinnen mit mir fertig geworden war, hielt Tante Hope es für angebracht, mir einen „großen Bruder“ an die Seite zu stellen, eins ihrer Lieblingsprojekte. Sie wollte den verlassenen Kindern das Gefühl geben, jemanden zu haben, der zu ihm gehörte. Kindern, wie mir, die Einsamkeit nehmen. Kindern wie mir, die sich Verraten und belogen vorkamen, die alles und jeden für ihre Feinde hielten. Ihre Wahl damals fiel auf Danny Norton, ein schmaler, stiller, in sich gekehrter Junge, dessen Eltern drei Jahre zuvor bei einem Autounfall gestorben waren.

Ich saß damals also vor Tante Hopes Büro und starrte auf einen 11-jährigen Jungen, der mir gegenübersaß und sich gelangweilt die Broschüren ansah, die dort auslagen. Besonders die Filmstars schienen es ihm angetan zu haben. Dann, endlich, hob er seinen Kopf. Geringschätzig war sein Blick über mein wildes Aussehen gegangen.

„Starr woanders hin, Blödmann“ war meine Antwort auf den Blick gewesen. Dann hatte ich ihm meinen Mittelfinger gezeigt. „Alberne Zicke“ war seine Rückantwort. „Idiot, eingebildeter Schnarch Sack“ kam von mir zurück.

Es ging immer weiter mit den Beschimpfungen, bis Danny das magische Wort sagte. „Feuerkopf“. Ich sprang überaus wütend auf und saß Sekunden später auf Dannys Brust, wo ich sein Gesicht mit meinen Fäusten bearbeitete. Ich konnte vieles wegstecken, doch niemand durfte sich über meine roten Haare lustig machen. Immer wieder schlug ich auf den sechs Jahre älteren Jungen ein, bis Tante Hope ihre Bürotür geöffnet und mich von Danny herunter gezerrt hatte.

Sie hatte uns in ihr Büro geschleift und auf zwei Stühle verfrachtet. „Na prima. Ihr habt euch also schon bekannt gemacht“ hatte Tante Hope grinsend gesagt. Ihre Hand lag warnend auf meiner Schulter. Sie hielt mich im Stuhl fest.

„Danny ist ab sofort dein großer Bruder. Er wird sich um dich kümmern, mit dir Schularbeiten machen und auf dich aufpassen. Falls etwas passiert, wendest du dich ab sofort an Danny. Ab sofort ist er für dich da“ Tante Hope hatte mich losgelassen. „Deine letzte Chance, Mädchen. Noch ein Vorfall mit deinen Namen in der Akte und du wanderst in ein Heim für schwererziehbare Kinder.“ Hatte sie finster hinzugesetzt. Sie hatte ihre Tür geöffnet und uns rausgeworfen. Dann ein Grinsen und sie war wieder in ihr Büro verschwunden.

Endlich hatte Danny Tante Hopes Worte begriffen. „Nie im Leben“ hatte Danny geschrien und mit seinen Fäusten gegen Tante Hopes Bürotür geschlagen. Ich schlug jetzt ebenfalls dagegen, allerdings mit den Füßen. Ich rasselte mein gesamtes Vokabular an Schimpfwörtern herunter, ich weinte und brüllte aus Leibeskräften. Es klingelte zum Abendessen, doch wir beide hatten weiter die Tür bearbeitet. Erst eine gute Stunde später hatte Danny es aufgegeben und war verschwunden. Ich tat es ihm eine halbe Stunde später gleich. Eins hatte ich mir vorgenommen. Nie würde ich den blöden Jungen um Hilfe bitten. Niemals! Das hatte ich mir an dem Tag fest vorgenommen. Ich brauchte niemanden. Andere Menschen verletzten und betrogen dich nur! Trotz meiner erst fünf Jahren war ich sehr gut in der Lage, allein zu Recht zu kommen.

Erst zwei Tage später traf ich diesen Danny damals wieder. Ich hatte auf einer Schaukel gesessen, finster, mit zerzausten Haaren. Dort saß ich und hatte die anderen Kinder angestarrt, die alle friedlich miteinander spielten, ohne mich zu beachten. Alle Kinder machten einen großen Bogen um die Schaukel. Und um mich. Das war mir ganz recht. Ich wollte keine Freunde!

Ein paar ältere Jungen, aus der Nachbarschaft, waren auf mich zugekommen. Sie hatten um mich herumgestanden, gegrinst und verlangt, ich solle mich ausziehen. „Los! Hab dich nicht so, Feuerkopf. Du wirst doch wohl von deiner Mutter gelernt haben, wie man so etwas macht. Los, raus aus deinen Klamotten.“ hatte einer der Jungen verlangt.

Meine Antwort war eine fette Ladung Spucke, mitten in sein Gesicht gewesen. Die Jungen hatten mich, trotz intensiverer Gegenwehr, ergriffen und in ein Gebüsch geschleppt. Gerade hatten sie versucht, meine Hose zu öffnen, als Danny mich fand und die Jungen angriff. Danny hatte mich die letzten Tage also nicht aus den Augen gelassen.

Wir beide, Danny und ich, prügelten auf die anderen ein, die schnell die Flucht ergriffen. Wieder landeten wir vor Tante Hopes Büro. Ich hatte vor Angst gezittert, denn es stand kritisch um mich.

Tante Hope würde mich wegschicken. So wie es meine Mutter getan hatte, sich einfach meiner entledigen. Niemand wollte mich. Ich war nichts wert.

Danny musste meine Angst gespürt haben, denn er hatte nach meiner Hand gegriffen und sie zuversichtlich gedrückt. Als er gespürt hatte, dass ich nicht sofort schlug oder biss, hatte er seinen Arm um mich gelegt und mich zu sich gezogen. Zum ersten Mal, seit ich im Heim war, weinte ich. Weinte meine ganze Angst, Sehnsucht und Einsamkeit heraus.

Beruhigend hatte der große Junge meinen Kopf gestreichelt und beruhigend auf mich eingeredet.

.So fand uns Tante Hope eine halbe Stunde später. Sie hatte uns in ihr Büro gerufen und sich die ganze Geschichte erzählen lassen. Dann hatte sie genickt. „Danny hat sich als guter großer Bruder erwiesen. Die Jungen haben alles gestanden und wurden von ihren Eltern bestraft“, dann schwieg sie einen Moment. „ Ihr beide gebt ein gutes Paar ab, denkt darüber nach.“ Tante Hope hatte Danny angesehen. „Du hast dir eine Belohnung verdient. Was möchtest du, was ich dir erfüllen kann?“

„Ich möchte, dass Tatti`s Haare geschnitten werden. Sie ein hübsches Kleid bekommt.“ War Dannys Antwort gewesen. Wieder einen Moment Ruhe. Tante Hope hatte genickt und mich lange angesehen. „Du hast jetzt jemanden, der nur dir gehört, Mädchen. Danny scheint dich zu mögen. Erwidere das Gefühl. Es wird dir gut tun.“ Dann hatte sie Danny mit mir zum Friseur geschickt. Er hatte dafür gesorgt, dass ich still hielt, als der Mann seine Schere ansetzte und meine schönen, langen, roten Haare zu Boden fielen.