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Symbole in den Pflanzenporträts

IMG Wuchshöhe

IMG Nutzpflanze

IMG Blühmonate

IMG Jokerpflanze, flexibel einsetzbar

Impressum

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

Projektleitung: Cornelia Nunn

Lektorat: Corina Steffl

Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München

eBook-Herstellung: Lena-Maria Stahl

impressum ISBN 978-3-96747-018-5

1. Auflage 2020

Bildnachweis

Coverabbildung: Florapress/Sibylle Pietrek

Fotos: Paula Polak, Alamy; Biopix; Florapress/Liz Eddison; gartenfoto.at; Martin Hughes; Ute Klaphake; isions; GAP Photos; Thomas Alamy; Lee Avison; Robert Mabic; Nova Photo Graphik; Garden World Images/Trevor Sims; iStockphoto; Konstantin Mikulitsch; Shutterstock; Corina Steffl; stock.adobe.com

Syndication: www.seasons.agency

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Die GU-Homepage finden Sie im Internet unter www.gu.de

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Was heißt hier Naturgarten?

Garten und Natur – ist das nicht ein Widerspruch? Ein Garten ist gestaltet, geordnet, ganz so, wie der Mensch ihn gerne sehen möchte und wie er ihn als schön empfindet. Natur dagegen ist wild, durcheinander, ungeordnet. Oder nicht?

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Hier grünt und blüht es richtig

Egal ob trocken oder feucht, sonnig oder schattig, nährstoffarm oder -reich, für fast jede Standortsituation in Ihrem Garten ist ein passendes Kraut gewachsen, das auch die Tierwelt erfreut.

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Eine Blüte des Echten Eibisch (Althaea officinalis) bekommt Besuch von einer Biene. Beliebt ist der Echte Eibisch wegen seines Nektars auch bei Schmetterlingen.

Pflanzenarten und ihre tierischen Freunde

Ständig ist hier die Rede von »Pflanzenarten«. Was bedeutet das? Sehr vereinfacht gesagt, gleichen sich die Individuen einer Art äußerlich und genetisch stark und können sich miteinander fortpflanzen. Arten sind natürlich entstanden, Kreuzungen mit anderen Arten sind manchmal möglich. Nachkommen von Kreuzungen, auch Hybriden genannt, sind aber in der Regel unfruchtbar. In Pflanzennamen sind Kreuzungen mit × gekennzeichnet. Pflanzenarten sind überall auf der Erde entstanden und haben sich dort an die Gegebenheiten angepasst. Heimisch sind sie dann dort, wo sie entstanden sind, z. B. in Amerika oder Asien und nicht bei uns. Es gibt eine Menge Pflanzenarten aus anderen Erdteilen, die von Standorten kommen, die unseren ähnlich sind. So fühlen sich Pflanzen der nordamerikanischen Prärie auf unseren trockenen Verkehrsinseln und leider auch auf den Trockenrasen in Naturschutzgebieten durchaus wohl. Warum wir solche Exoten nur in kleinen Dosen einsetzen sollten, erkläre ich gleich noch.

Pflanzen werden in seriösen Gärtnereien unter ihrem botanischen, d. h. lateinischen Namen verkauft. Das macht durchaus Sinn, denn nur der sagt genau, um welche Pflanze es sich handelt. Deutsche Pflanzennamen variieren stark, manche Pflanzen haben beinahe in jedem Dorf einen eigenen Namen. Dadurch besteht Verwechslungsgefahr. Der botanische Name einer Pflanze dagegen ist weltweit identisch. Plaudert ein Australier mit einem Schweden über Althaea officinalis, so meinen beide genau die gleiche Pflanze. Der botanische Name setzt sich aus dem Namen der Pflanzengattung und dem Art-Beinamen zusammen. Primula veris, die Echte Schlüsselblume, gehört zur Gattung Primula. Um sie nicht mit anderen, wie z. B. Primula vulgaris, P. elatior oder P. clusiana, zu verwechseln, gibt es den Art-Beinamen. So weiß man, dass man mit Primula veris die Echte Schlüsselblume bekommt, die andere Vorlieben hat als ihre Verwandten. Die Echte Schlüsselblume (Primula veris) kann mit der Stängellosen Schlüsselblume (Primula vulgaris) Hybriden bilden, die dann Primula × variabilis genannt werden. Sie stehen hinsichtlich äußerlichen und ökologischen Merkmalen zwischen den Eltern, und so kommt es, dass ich im Garten alle Spielarten habe: stängellos mit kleinen Blüten, hohe Stängel mit großen Blüten und alles dazwischen.

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Beispiel Schlüselblume: Primula elatior bevorzugt solche halbschattigen Plätzchen, P. veris würde es hier nicht gefallen. Der Art-Beiname hilft Ihnen, die passende Pflanze zu bekommen.

Der Mensch spielt gerne Schöpfung, also gibt es auch absichtlich hervorgerufene Kreuzungen aus verwandten Arten oder es werden gezielt Individuen einer Art selektiert, die besondere Eigenschaften aufweisen. Oft haben Züchtungen einen kompakten Wuchs, große oder intensiv gefärbte Blüten oder blühen ausdauernd. Manchmal geht dies allerdings zulasten anderer Eigenschaften. Wie ein Mensch, der im Fitnesscenter nur den Oberkörper trainiert, auf seltsam dünnen Beinen daherkommt, verlieren Zuchtsorten manchmal den Duft oder werden anfälliger für Krankheiten. Das muss aber nicht sein, manchmal hat eine Zuchtsorte bessere Eigenschaften als die Wildart. Ein Ergebnis der Züchtung sollten wir im Naturgarten aber nur minimal verwenden: gefüllte Blüten. Um diese dichten, üppigen Blüten zu erreichen, werden die Fortpflanzungsorgane der Pflanze zugunsten von Blütenblättern reduziert. Keine Fortpflanzungsorgane bedeuten aber auch keine Insektennahrung. Ein Garten ist zur Freude und zum Nutzen der Menschen da, er ist aber auch Lebensbasis für alles mögliche, was kreucht und fleucht, für Insekten, Vögel, Kleinsäuger, Fledermäuse u.v.m. All diese Tiere haben sich mit den Pflanzen einer Region gemeinsam entwickelt und sind auf diese als Nahrung spezialisiert. Tipp 4 für einen lebendigen Garten heißt deshalb:

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Ein Taubenschwänzchen saugt Nektar an einer Seifenkrautblüte (Saponaria officinalis).

Sozusagen in der ersten Reihe stehen die Insekten. Insekten bestäuben Blüten und erhalten als »Belohnung« dafür Pollen und Nektar. Im Wettbewerb um die Bestäuber will jede Pflanze möglichst attraktiv erscheinen, z. B. durch große Blüten mit einladenden, bunten Staubgefäßen oder durch starken Duft. In der Evolution haben sich diejenigen Insekten durchgesetzt, die am effizientesten an den Nektar und den Pollen kommen, z. B. durch lange Rüssel. So haben sich über die Jahrtausende für verschiedene Blütenformen die genau passenden Bestäuberinsekten entwickelt. Das hat allerdings den Nachteil, dass manche Insekten nur genau diese Pflanze oder deren nahe Verwandte als Nahrung akzeptieren. Die Raupe des Schlüsselblumen-Würfelfalters etwa frisst nur an der Schlüsselblume, die des Kreuzdorn-Schillerfalters hauptsächlich am Kreuzdorn. Auch bei Wildbienen gibt es so enge Verbindungen zu bestimmten Pflanzen.

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Der wunderschöne Segelfalter labt sich lieber an den röhrigen Blüten des Blutweiderichs (Lythrum salicaria).

Was sind Wildbienen?

Wenn wir »Biene« sagen, meinen wir meist die Honigbiene. Honigbienen leben in einem Staat mit bis zu 80.000 Individuen. Wir verdanken ihnen nicht nur gesunden Honig, auch 78 % unserer Nahrungspflanzen benötigen Insekten als Bestäuber. Bestäuber sind aber auch Schmetterlinge, Fliegen, Käfer, Wespen und Wildbienen. In Deutschland gibt es mehr als 550 verschiedene Wildbienenarten, in Österreich fast 700, auch die Hummeln zählen dazu. Die meisten Wildbienen leben nicht in Staaten wie die Honigbiene, sondern einzeln, also solitär. Mehr als 400 Arten bauen ihre Nester eigenständig, 135 Arten parasitieren andere Wildbienenarten und sparen sich das eigene Nest. 75 % der Wildbienenarten nisten im Boden, nur 25 % verwenden Pflanzenstängel oder von Käfern ins Holz gefressene Gänge. Die Holzbiene bohrt sogar selbst Löcher in Totholz, manche Hummeln nisten in hohlen Bäumen. Die kleinste Wildbiene bei uns, die Sand-Steppenbiene, ist nur 4 mm klein, die Schwarze Holzbiene erreicht dagegen stolze 3 cm. Die beste Bestäubungsleistung für unser Obst und Gemüse erfolgt quasi durch eine „Zusammenarbeit“ von Honigbiene und anderen Insekten, weil diese zu den unterschiedlichsten Tageszeiten fliegen und oft noch bei Temperaturen, die der Honigbiene zu niedrig sind. Hummeln generieren selbst Körperwärme und fliegen schon ab 4 °C aus.

Leider sind all diese wichtigen Insekten durch Umweltgifte und Lebensraumverlust stark gefährdet. Die Krefelder Studie hat 2017 einen Rückgang von fast 80 % der Insekten sogar in Naturschutzgebieten festgestellt. Dabei sind Insekten nicht nur Bestäuber, sondern auch Nahrung für andere Tiere, vor allem für Vögel und Fledermäuse. Insektenschutz ist also auch Vogelschutz. Mit naturnaher Gartengestaltung können wir zwar nicht die 80 % Verlust in der Landschaft ausgleichen, aber doch kleine Inseln bieten. Es gilt die 10er-Regel: Von jeder heimischen Pflanzenart profitieren mindestens 10 Tierarten.

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An Obstgehölzen findet die kleine Blaumeise im Frühling summende oder krabbelnde proteinreiche Happen.

Nahrung und Lebensraum

Insekten benötigen unterschiedliche, blühende Pflanzenarten, die Nektar und Pollen bieten, und das das ganze Jahr über, daher Tipp 5:

Tiere brauchen genau wie wir regelmäßig Nahrung. Kleine Singvögel, wie Meisen, sterben, wenn sie nur 32 Stunden keine Nahrung zu sich nehmen können, der Brustmuskel braucht viel Energie. Der tierfreundliche Naturgarten bietet also durchgehend Blüten vom zeitigen Frühling bis in den Herbst sowie Samenstände von Stauden und Früchte von Sträuchern für den Winter.

Insekten brauchen aber auch Nistmöglichkeiten. Manche Wildbienen, aber auch Schmetterlinge legen ihre Eier in oder an Pflanzenstängel. Dort entwickeln sie sich dann weiter. Mähen Sie diese Stängel früh ab, entsorgen Sie Eier, Raupen und Schmetterlingspuppen mitsamt dem Schnittgut. Blüten, Blätter und Stängel von Stauden werden im Herbst braun. Der ordentliche Gärtner schneidet alles bodennah ab, recht das Laub zusammen und wirft es bestenfalls auf den Kompost, schlimmstenfalls in die Tonne. Das ist das Ende für Raupe und Co., aber auch schlecht für Käfer, Molche, Kröten, Ringelnatter und Igel, die gern unter Laub und Stängeln überwintert hätten. Deshalb lautet mein 6. Tipp:

Naturgärtner lassen den Großteil der Stauden über den Winter stehen, manche sogar bis zum nächsten Sommer, da Falter, die als Ei überwintern, so lange für ihre Entwicklung brauchen. Den Strauchschnitt können Sie teilweise als Igelburg aufhäufen und etwas Laub darüber geben. Das restliche Laub rechen Sie vom Blumenrasen weg unter die Hecke. Dort wird es zu Humus zersetzt. Ein Totholzeck mit verrottenden Baumstämmen freut Hirschkäfer und Co.

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Über einen Reisighaufen mit einer schönen kuscheligen Laubschicht für den Winter würde sich dieser Igel riesig freuen.

Kreislauf statt Chemie

Tipp 7 ist selbstverständlich für mich:

Ein richtig geplanter Naturgarten braucht keine Chemie. Durch die standortgerechte Bepflanzung gibt es kaum Probleme mit Pflanzenkrankheiten und Schädlingen, und wenn doch, regelt Mutter Natur das von selbst: auf die Blattlaus folgt der Marienkäfer. Darüber hinaus sind unsere Böden meist ohnehin überdüngt und viele unserer Wunschpflanzen vertragen gar nicht so viele Nährstoffe. Von außen braucht der Naturgarten eher wenig, wie Tipp 8 zeigt:

Gras- und Heckenschnitt, so sie nicht auf die Igelburg wandern, sowie pflanzliche Küchenabfälle werden kompostiert. Den selbst produzierten Kompost verwenden Sie für das Gemüsebeet und die Obstgehölze. Rasenschnitt können Sie auch schleierdünn liegen lassen – Regenwürmer machen daraus Humus – oder dünn als Mulchmaterial zwischen Gemüse und Stauden ausbringen. Das schützt den Boden vor Erosion, Austrocknung und Unkrautsamen.

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Der Moschusbock braucht Totholz für seine Entwicklung, am liebsten lebt er in Auwäldern.

Gestalten für Mensch und Natur

Wenn Sie Platz und Freude daran haben, generieren Sie eine Vielfalt an Lebensräumen im Garten: Ein Teich zieht Amphibien und Libellen an und ist nebenbei noch Trinkwasserquelle für Vögel und Igel. Kletterpflanzen am Haus schaffen kühleres Mikroklima, bieten Blüten für Falter und Nistplätze für Vögel. Trockenmauern bieten speziellen Stauden und Reptilien ein Zuhause. Obstbäume, Beerensträucher und Blütenstrauchhecken sind beste Bienennahrung. Das i-Tüpfelchen wäre deshalb Tipp 9:

Das bedeutet jetzt nicht, das Sie alles auf 200 m² verwirklichen sollen. Es heißt nur, dass Sie viele Möglichkeiten haben, ein blühendes tier- und menschenfreundliches, grünes Refugium zu schaffen. Halten Sie sich an Tipp 10:

Bringen Sie Ihre Gestaltungs- und Nutzungswünsche ruhig ein. Auch ein Garten mit ausschließlich weißen Blüten kann ein Naturgarten sein. Für eine Familie mit fußballbegeisterten Kindern ist ein Garten mit vielen aufwändigen Staudenbeeten eher ungeeignet, für beruflich sehr eingespannte Leute ebenfalls. Die Fußballfans könnten in einem Naturgarten leben, mit Blumenrasen statt einem reinen Gräserrasen. Eine Blumenwiese statt Rasen, den man mähen muss, passt für die Workaholics. (Fast) alles ist möglich im Naturgarten und in der Gestaltung naturnaher Staudenbeete. Wir können Farbbeete mit überwiegend Wildblumen pflanzen und alle Formen der Beetgestaltung umsetzen, ob Blockpflanzung, Gruppenpflanzung oder Drifts. Alles lässt sich wunderbar den Wünschen der Gartennutzer anpassen. Das soll der Naturgarten ja sein: ein Lebensraum für heimische Pflanzen und Tiere und ein Ort der Erholung, der Freude und des gemeinsamen Erlebens der Besitzer.

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Blühende Kletterpflanzen (im Bild Clematis alpina) bieten etwas fürs Auge und gleichzeitig Unterschlupf für Tiere.

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An Orten, an denen es heiß und trocken ist und zudem keine große Humusauflage Nährstoffe für die Pflanzen bereithält, gedeihen anspruchslose, lichthungrige Pflanzen.

Pralle Sonne, karger Boden

Manchmal ergeben sich im Garten Standorte, an denen Wasser und Nährstoffe Mangelware sind, dafür aber jeder Sonnenstrahl ungebremst auftrifft. Wir erschaffen solche Situationen zuweilen sogar absichtlich, indem wir Trockenmauern bauen, um statt eines abschüssigen Geländes mehrere terrassierte Ebenen zu erhalten. Wir gestalten einen Gartenweg mithilfe eines Schotterrasens oder verschönern die Garage mit einer extensiven Dachbegrünung. Für all dies brauchen wir Pflanzen, die an sonnigen, trockenen, nährstoffarmen Standorten gedeihen.

Eine Trockenmauer wird nicht gemörtelt. Sie hält allein durch das Gewicht der Steine und die richtige Art der Schichtung. Zwischen der Trockenmauer und dem anstehenden Boden wird eine Schicht aus grobem Kantkorn mit wenig Sand- und Humusanteil eingebaut, durch die Regenwasser schnell versickern kann. In diese Schotterschicht und in die Fugen zwischen den Mauersteinen können Polsterpflanzen gesetzt werden. Schotter und Sand sind fast nährstofffrei und speichern kein Wasser.

Ein Schotterrasenweg ist ebenfalls mit Kantkorn aufgebaut, allerdings mit mehr Sandanteil. Die oberste Schicht besteht aus Sand mit bis zu 8 mm großen Körnern. Dazu wird etwas Humus als Nährstoffspender und Wasserspeicher eingearbeitet. Dennoch versickert Regen schnell, sodass der Weg immer trockenen Fußes begangen werden kann.

Eine extensive Dachbegrünung wächst auf einer nur 5–12 cm dicken Schicht Pflanzsubstrat, meist Ziegelsplitt oder Lavakörnchen mit geringem Humusanteil. Das Substrat speichert Regenwasser und reicht zur Verankerung von Pflanzenwurzeln, bietet aber fast keine Nährstoffe. Das Wasser wird dann von den Dachpflanzen aufgenommen und teilweise wieder verdunstet, was ein angenehmes Mikroklima schafft.

Bescheidene Sonnenanbeter

Pflanzen für solche Situationen stammen aus Naturräumen, in denen sie mit steinigen Böden, geringem Niederschlag, voller Sonneneinstrahlung und oft auch noch starkem Wind leben müssen. Typische Anpassungsstrategien sind:

Dieses Wurzelsystem ist der Grund, warum es nie Sinn macht, solche Pflanzen irgendwo auszugraben. Wenn die Hauptwurzel abreißt, stirbt meist auch die Pflanze. Abgesehen davon müssen bei Entnahmen aus der Landschaft immer alle möglichen Gesetze, Eigentumsverhältnisse etc. berücksichtigt werden.

Wurzelraum und Artenzahl

Trockenmauer, Schotterrasen und Gründach bieten den Pflanzen die Möglichkeit, ihr Wurzelsystem dorthin zu entwickeln, wo es Wasser gibt. In Pflanzkästen auf Balkonen und Terrassen gibt es diese Chance nicht, da ist das Wurzelwachstum auf das Gefäß beschränkt. Deshalb eignen sich bescheidene Sonnenanbeter zwar sehr gut für Töpfe, weil sie sehr wenig Wasser brauchen, gießen muss man sie in heißen Sommern aber trotzdem. Düngen ist dagegen nicht sinnvoll. Die von Natur aus auf »magere Kost« eingestellten Arten werden bei hoher Nährstoffzufuhr zu größeren, aber schwachen Pflanzen, die bei Wind oder starkem Regen abknicken. Ist genug Platz vorhanden, sollten Sie möglichst viele passende Arten einsetzen. Versuchen Sie es mit 20 Arten, passt der Standort vielleicht für alle 20, vielleicht aber auch nur für 10. Setzen Sie von vornherein nur 7 verschiedene, kann es sein, dass sich nur 3 wohlfühlen.

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Die Hauswurz speichert Wasser in ihren fleischigen Blättern und kommt auf kargem Boden zurecht.

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Eine bunte Mischung entstand in meinem Garten aus Blutweiderich (Lythrum salicaria), Nachtkerze (Oenothera biennis), Karden (Dipsacus spp.), Roter Spornblume (Centranthus ruber) und Hoher Flammenblume (Phlox paniculata).

Der bunte lebendige Garten

Ein konventioneller Garten soll ganz nach den Vorstellungen seiner Benutzer geformt werden, mal mit geraden Linien, eher formal, vielleicht in einem Ton-in-Ton-Farbschema, mal mit geschwungenen Linien und in allen Farben des Regenbogens.

Dennoch kann keiner seinem Garten zu 100 % seinen Willen aufzwingen, sind doch die natürlichen Gegebenheiten des Ortes die Basis des Gartens. Man kann zwar mit viel Geld und Aufwand z. B. eine feuchte Wiese trockenlegen und einen Kiesgarten daraus machen oder in einer niederschlagsarmen Gegend ständig gießen, aber manches lässt sich mit allem Geld und aller Zeit der Welt nicht ändern. Liegt der Garten im Schatten der Nachbarhäuser und man hätte gerne ein sonniges Staudenbeet, hilft nur der Umzug. Lebt man auf 1.500 m Meereshöhe an einem Nordhang der Alpen, werden wärmeliebende Mittelmeerpflanzen einfach nicht gedeihen, egal wie oft man sie nachpflanzt. Auf nährstoffreichen, lehmigen Böden werden keine zarten Kartäuser-Nelken sprießen, auf kiesigen Böden mit wenig Niederschlag werden weder Eibisch noch Pfingstrosen zu einem wahren Blütentraum werden.

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Pflanzen mit ähnlichen Ansprüchen versammeln sich in Gesellschaften, wie diese natürlich entstandene Bergwiese.

Es ist deutlich energiesparender, die richtigen Pflanzen sich selbst zu überlassen, als die falschen mühsam zu düngen, zu gießen und schädlingsfrei zu halten. Es braucht kostbare Lebenszeit, einem Ort eine Gestaltung aufzuzwingen, die nicht zu ihm passt. Viel einfacher und zielführender ist es, mit der Natur zu arbeiten, und nicht gegen sie.

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Starke Partner: Schmalblättriges Weidenröschen (Epilobium angustifolium) und Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium).

Die Natur hat ihre eigene Ordnung. Alle Beteiligten haben sich im Zuge der Evolution gemeinsam entwickelt. Der eine dient dem anderen als Lebensgrundlage. Auf jedem Standort, ob nährstoffarmer oder nährstoffreicher Boden, sonnige oder schattige Lage, mit viel Regen oder wenig, haben sich bestimmte Pflanzen behaupten können. So hat die Evolution Kombinationen von Pflanzen geschaffen, die miteinander »können«, gleiche Ansprüche haben und in etwa gleich stark sind. Zusammen ergeben sie ein harmonisches Miteinander. Diese passenden Kombinationen aus Stauden, Sträuchern und Bäumen können wir uns für die Gestaltung von Gärten und anderen Grünflächen zunutze machen. Warum etwas neu erfinden, das sich über Tausende Jahre bewährt hat? Dies ist der erste Tipp für einen schönen und gleichzeitig pflegeleichten Garten:

Standorteigenschaften

Die Hauptkriterien für Pflanzen sind Licht (sonnig/schattig), verfügbare Nährstoffe (nährstoffarm/nährstoffreich) und Wasser (viel/wenig Niederschlag). Manchmal stellt sich noch die Frage, ob das Gestein, auf dem der Boden entstanden ist, eher kalkhaltig oder sauer ist. Die meisten Böden sind neutral oder leicht kalkhaltig. Wer in einer Gegend mit saurem Boden wohnt, z. B. im Bereich der Lüneburger Heide, weiß das meist und kann sich an den in der Region wachsenden Pflanzen orientieren. Die meisten Stauden mögen neutralen bis leicht kalkhaltigen Boden, vertragen aber oft auch etwas mehr Kalk. Für Gärten ab etwa 800 m über dem Meeresspiegel, sollten Sie besonders robuste Stauden wählen. Liegt Ihr Garten sogar im subalpinen Bereich, das heißt ab 1.500 m Höhe, sollten Sie auf Pflanzen aus speziellen Alpengärtnereien zurückgreifen. In den Pflanzenporträts in diesem Buch haben wir vermerkt, welche Pflanzen die Höhenbedingungen ganz gut vertragen.

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Den Wiesen-Knöterich (Bistorta officinalis) findet man in Deutschland oft. Er liebt es feucht und nährstoffreich.

Moore sind seltene Naturstandorte mit ganz besonderen Pflanzen wie Sonnentau. Torf ist zu wertvoll, um in Plastiksäcken aus dem Baumarkt ins Rhododendrenbeet gekarrt zu werden. Wollen Sie unbedingt ein Beet mit Pflanzen, die sauren Boden brauchen, obwohl Sie keinen geeigneten Boden dafür haben, gibt es dafür Ersatzstoffe aus Rinde. Aber wir sollten lieber mit der Natur, mit dem Standort arbeiten, nicht dagegen. Tipp 2 lautet deshalb:

Die richtige Pflanze am richtigen Ort fühlt sich wohl, sie erhält die Mengen an Licht, Wasser und Nährstoffen, die für sie ideal sind. Solche Pflanzen gedeihen und brauchen im Grunde keine Pflege. Wenn wir also jäten oder Pflanzen zurückschneiden, dann nicht, weil es die Pflanze braucht, sondern damit das Beet optisch unseren Vorstellungen entspricht. Gut versorgte Pflanzen sind robust und nicht anfällig für Schädlinge und Krankheiten. Diese suchen sich leider immer zuerst das schwächste Pflänzchen aus. Je stabiler die Pflanze, umso weniger Hilfe braucht sie von uns. Je weniger Unterstützungsarbeit wir im Garten leisten müssen, desto mehr Zeit bleibt, um ihn zu genießen. Deshalb ist dieses Buch nach Standorten geordnet, von sonnig/trocken/nährstoffarm bis zu schattig/frisch/nährstoffreich. Es erleichtert die Suche nach den passenden Stauden enorm, wenn man nur in den Kapiteln blättern muss, die die Standorte im eigenen Garten beschreiben.

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Die Große Kuhschelle (Pulsatilla grandis) ist dagegen angepasst an magere, kalkreiche Trockenrasen. Sie ist in Bayern und Thüringen heimisch sowie in Österreich im pannonischen Raum. Sie steht unter Naturschutz.

Heimische Pflanzen verwenden

Der Begriff »heimisch« taucht immer wieder auf, wenn es um naturnahe Gestaltung von Grün geht, aber was versteht man denn darunter? Als heimisch gelten jene Pflanzenarten, die sich trotz widriger Umstände und Konkurrenz lange Zeit in einer Region behaupten konnten. Unter »lange Zeit« verstehen die Botaniker streng genommen die Zeit vor Christoph Kolumbus’ Reise nach Amerika (1492). Im Zuge dieser und anderer Entdeckungsreisen gelangten zahlreiche Pflanzen aus allen Weltteilen nach Mitteleuropa. Das hat unsere Gärten zwar auch mit Flieder (Syringa) und Pfingstrosen (Paeonia) bereichert, aber auch einige »invasive Neophyten« (gebietsfremde, ausbreitungsfreudige Problempflanzen) in die Landschaft gebracht. Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera) und Japan-Knöterich (Fallopia japonica) z. B. verdrängen blütenreiche Raine. Manche dieser Invasiven, wie der phototoxische Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) oder die stark allergene Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia), sind sogar gesundheitsschädlich.

Und was bedeutet jetzt »Region«? Eine Region ist der Teil einer Landschaft, der ähnliche Bedingungen in Hinblick auf Boden, Niederschlag, Höhenlage usw. aufweist. In Deutschland unterscheidet man z. B. 8 Ursprungsgebiete, die noch in 22 Unterregionen unterteilt sind (www.natur-im-vww.de). In Österreich gibt es 10 Biogeographische Großlandschaften (www.rewisa.at). Greifen Sie bei der Bepflanzung eines naturnahen Gartens möglichst auf Pflanzen aus Ihrer Unterregion / Ihrem Ursprungsgebiet zurück. Diese Pflanzen sind am robustesten, weil sie an die herrschenden Bedingungen angepasst sind. Dazu kommt noch der Naturschutzgedanke: Aus fremden Gebieten eingeführte Pflanzen wandern gern in die umliegende Landschaft aus. Das macht nichts, wenn Sie im urbanen Raum wohnen, aber am Rande eines Naturschutzgebietes kann Ihre schöne Gartenaster vielleicht seltene Pflanzenarten überwuchern. Gehen Sie also sensibel damit um, welche Pflanzen Sie einsetzen. Invasive Neophyten sind für den Naturgarten deshalb grundsätzlich tabu. Welche Arten dazu zählen, finden Sie für Deutschland auf den Seiten des Bundesamts für Naturschutz (www.neobiota.bfn.de) und für Österreich beim Umweltbundesamt (www.umweltbundesamt.at). Tipp 3 für einen naturnahen, pflegeleichten Garten lautet:

Die Bepflanzung eines naturnahen Gartens sollte mindestens aus 60 %, besser aus 80 % heimischen, standortgerechten Arten bestehen. Um herauszufinden, welche dies sind, gibt es mehrere Wege:

Was ist eine Staude?

In diesem Buch geht es hauptsächlich um Stauden. Stauden sind ausdauernde Pflanzen, deren oberirdische Teile jedes Jahr im Herbst absterben. Man sagt, »die Stauden ziehen ein«. Damit ist gemeint, dass sie Teile der in den Blättern und Stängeln gespeicherten Nährstoffe in die unterirdischen Organe (Wurzel, Zwiebel, Knolle) zurückholen, also »einziehen«. Im Frühjahr treiben sie aus den Überwinterungsknospen wieder aus. Weil auch manche Kleinsträucher oder Halbsträucher wie Lavendel, Ysop oder Salbei im Staudenbeet verwendet werden, finden Sie diese ebenfalls im Buch. Schneidet man Gehölze, seien es Bäume, Sträucher oder Kletterpflanzen jedes Jahr bodennah ab, werden sie über kurz oder lang eingehen. Stauden hingegen interessiert es überhaupt nicht, ob Sie ihr verwelktes Laub nach dem Einziehen abschneiden oder nicht.

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Kiel-Lauch

Allium carinatum

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WUCHS Laubblätter 2–4 mm breit, nicht hohl, an der Unterseite gekielt.

BLÜTE Zarte, lila-rosafarbene, glockenförmige Blüten in Scheindolden. Vermehrt sich durch Brutzwiebelchen, die sich am Blütenstand entwickeln.

VERWENDUNG Alle heimischen Lauch-Arten können wie Schnittlauch gegessen werden. Auch die Blüten und die Brutzwiebeln sind essbar. Schön in Kombination mit dem Berg-Lauch (Allium lusitanicum), dessen Blütezeit direkt an die des Kiel-Lauchs anschließt. Am besten verteilt man den Kiel-Lauch ganz locker und unregelmäßig zwischen den anderen Stauden, für formal gestaltete Beete eignet er sich nicht.

WERT Sehr unempfindlich und auch für wechselfeuchte Standorte geeignet, wenn sie nährstoffarm sind. Die Honigbiene und mehrere Wildbienenarten lieben alle Lauchblüten als Nektar- und Pollenquelle, die Maskenbiene hat sich zum Pollensammeln sogar auf Lauch-Arten spezialisiert.

ARTEN Für diesen Standort ebenfalls geeignete Allium sind Berg-Lauch (A. lusitanicum), Gelber Lauch (A. flavum) und Kugelköpfiger Lauch (A. sphaerocephalon).

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Zwerg-Schwertlilie

Iris pumila

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WUCHS Überdauert den Winter und schlechte Zeiten mit einem knapp über der Erde kriechenden Rhizom. Gräbt man sie tiefer ein, kann das Rhizom verfaulen.

BLÜTE Im Verhältnis zur Wuchshöhe außergewöhnlich große Blüten in Cremeweiß, Gelb und verschiedensten Blau- und Violetttönen. Diese Iris ist eine Täuscherblume und besitzt deshalb diese Farbenvielfalt. Sie lockt Insekten an, bietet im Gegenzug für die Bestäubung aber keinen Nektar. Das von einer gelben Blüte getäuschte Insekt würde die nächste gelbe Irisblüte meiden, die violette erkennt es aber nicht und bestäubt sie – wieder ohne Lohn.

VERWENDUNG Nur auf sehr nährstoffarmen Standorten, gut in Kombination mit anderen niedrigen Pflanzen wie Hauswurzen, Nelken oder Thymian.

WERT Blüht sehr zeitig im Jahr.

ARTEN/SORTEN: Die heimische Iris pumila ist oft nicht erhältlich. Alternative: Iris × barbata nana ‘Cyanea’.

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Wimpern-Perlgras

Melica ciliata

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In ganz Europa außer im Norden verbreitete, typische Steppenpflanze.

WUCHS Zarte Pflanze, die Horste bildet.

VERWENDUNG Als verbindendes Element über die ganze Fläche zwischen Stauden setzen; besonders schön mit Stauden, die kräftige Blütenfarben aufweisen, wie Kiel-Lauch, Kugelköpfiger Lauch und Edel-Gamander. Nur für wärmebegünstigte Standorte verwenden. Eine Art, die mit der Klimaerwärmung gut zurechtkommt. In Kombination mit anderen zartwüchsigen Pflanzen wie Lein oder Nelken, auch geeignet für etwas nährstoffreichere Standorte, deshalb ein Joker; gegenüber kräftigeren Pflanzen aber nicht konkurrenzstark genug.

WERT Sehr attraktive Blütenstände. Auch nach der Blüte bilden die Samenstände noch eine schöne Struktur zwischen spät blühenden Pflanzen und einen Unterschlupf für Insekten für den Winter.

ARTEN Ebenfalls geeignet sind Nickendes Perlgras (Melica nutans) und Buntes Perlgras (Melica picta). Höherwüchsige Perlgräser, z. B. Hohes Perlgras (Melica altissima) brauchen mehr Nährstoffe und sind anfällig für Windbruch.

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Felsennelke

Petrorhagia saxifraga

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