Armin und Rosemarie Foxius

Cornwall

Immer wieder Cornwall

Lesebuch zur Vorbereitung und als Begleiter
für einen Cornwall-Urlaub

Illustrationen Rosemarie Foxius

Vorwort

Letzte Nacht träumte ich, wir wären wieder in Cornwall. Nicht für zwei, drei Wochen wie zu einem Urlaub. Sondern in der Summe unserer Reisen dorthin, mehrere, viele Monate, zu jeder Jahreszeit.

Die steilen Klippen, die klatschende Brandung, das Rollen und Rauschen der Kiesel und der anderen Steine, wenn die Wellen sich nur kurz zurückziehen, um umso heftiger wieder anzurennen gegen Fels und Granit.

Die engine houses, diese leergeräumten Maschinenhallen und Schornsteine, diese weltlichen Kirchen.

Die verlassenen Minenschächte in den Weiden und Mooren, nur notdürftig gesichert für Wanderer, ihre Hunde, und Kühe und Schafe.

Die Fischerboote, die gegen alle wirtschaftliche Vernunft immer wieder ausfahren, mal weniger, mal mehr, wie Markt, EU und Konkurrenz es raten.

Die Touristenströme, die immer internationaler eindringen, sich breitmachen und die Infrastruktur dominieren.

Die Cornishmen schließlich. Die Reste derer, die immer schon hier waren, warum auch immer geblieben sind, die, die den Absprung nicht geschafft haben, die, die aus künstlerischen, naturverbundenen, eskapistischen Gründen hierhergezogen sind, die also alle jetzt die cornische Population ausmachen.

Und wir als Gäste. Die so gerne Teil wären, und dies seit über vierzig Jahren.

Man muss sich im Leben immer wieder entscheiden. Das gilt auch für die Wahl des Urlaubsortes.

Wir haben uns früh gemeinsam für bestimmte Grundsätze in der Urlaubs- und Feriengestaltung entschieden. Keine Fernreisen und mehrfache bis häufige Wiederkehr an den gleichen Ort. Primat war und ist intensives Kennenlernen und partielle Teilhabe am Alltag der Menschen dort.

Durch Zufall ist einer mal nach Cornwall gekommen und hat den anderen überzeugt: Warum nicht? Durch die Entscheidung, drei Jahre hintereinander nach Cornwall, und das für jeweils vier Wochen, zu fahren, kam es zu verstärkter Annäherung an Land, Geschichte und Menschenschlag, kam es zu sich entwickelnden Freundschaften und zu wachsender Kenntnis und Einfühlung. Das ist uns mehr wert als die ganz große Neugier, der ganz große Kitzel, die ganz große Gier nach dem völlig Unbekannten.

Unsere häufigen Urlaubsreisen, alle in Mitteleuropa, plus Italien und die britischen Inseln (also inklusive Irland) ließen uns das Nahe im Fernen suchen, um letztlich das Ferne im Nahen zu finden.

„Immer wieder Cornwall“ heißt ja nicht „Immer Cornwall“. Unterschiedlich lange zeitliche Abstände zwischen den einzelnen Besuchen, auch Besuche anderer Länder, Gegenden, Städte, Menschen, dies alles schärft die Wahrnehmung, führt zu systematischem Einordnen. Das ist dann nicht dieses Ein- und Versinken in Alltag und Trott wie daheim, diese „Trägheit des Herzens“, wie Jakob Wassermann das mal in anderem Zusammenhang genannt hat.

Das ist nun unser Vorgehen, unser Modell zur Entschleunigung des Reisens. Wir laden den Leser ein, an dieser Reise teilzunehmen.

Autofahren in Cornwall: Herausforderung und Lust

Als Hitchhiker hatten meine Freundin Edith und ich uns im Westen Londons an die A30 gestellt und waren mitgenommen worden. Die Autos, die uns mitnahmen, hatten alle Charakter.

Es waren Fahrzeuge, die teilweise Holz in der Karosserie verbaut hatten, Autos wie Fachwerkhäuser. Der Kofferraum eines freundlichen Fahrers war voll mit Waren; sein Lebensplan war: ein halbes Jahr arbeiten, Waren erwerben, die man verkaufen konnte, ein halbes Jahr ohne Arbeit leben, herumfahren.

Und dann der Volvo: ein beiger Volvo mit kontinentaler Linkssteuerung. Dieses Auto hatte uns mitgenommen auf unserem Weg Richtung Cornwall. Die Reise endete in Lelant. Das Auto gehörte Don Solomon, der uns in sein Cottage Shalom aufnahm und uns Cornwall mit seinem speziellen Blick und seinem Volvo zeigte.

Damals – 1970 – noch ohne Führerschein, bin ich zum ersten Mal Auto gefahren. Im Volvo auf der grünen Wiese. Dann Cornwall-Pause.

1973 haben Armin und ich geheiratet. Die ersten Urlaube in Cornwall haben wir per Bahn, Fähre und Bus verlebt. Die Busse, mit denen man über Land, aber auch in den Ortschaften fuhr, waren und sind meistens Doppeldecker und bereiten einem Schreckmomente, wenn die Äste der Straßenbäume bei der Vorbeifahrt gegen die obere Etage knallen, was man auch heute noch manchmal in London erleben kann.

Führerschein und ein VW Käfer wurden einige Jahre später erworben; so fuhren wir im Winter 1981 kurz vor Weihnachten mit dem eigenem Auto (einen kleinen Weihnachtsbaum mit Ständer auf dem Rücksitz, Kerzen und Kerzenhalter im Gepäck) nach Cornwall. Im Kofferraum den Klappspaten vom ADAC, denn es war harte Winterzeit angesagt, sowohl für die Fahrt nach Calais wie auch für die Fahrt über das Bodmin-Moor. Die kleinen Dreiecke der Scheinwerfer, die normalerweise dafür sorgen, dass die Fahrbahn richtig beleuchtet wird, waren vorschriftsmäßig abgeklebt, damit wir im Linksverkehr kein entgegenkommendes Fahrzeug blendeten.

Im Schneetreiben erreichten wir Calais, setzten mit der Fähre über, nach Dover. Dann musste man sich links einfädeln. Von Schnee blieben wir nun verschont.

An den Linksverkehr, auf den wir uns bis heute mithilfe des „Highway Code“ vorbereiten (Verhalten im Kreisverkehr! Wie, wann einordnen, wie wann blinken) gewöhnt man sich schnell, aber die Anreise zieht sich. Als Autofahrer fährt man auf London zu, muss dann aber sehen, dass man rechtzeitig die Kurve Richtung The West kriegt.

Man ahnt nicht, wie hügelig dieses England ist. Runter und rauf, rauf und runter; die Strecken, wo es bergauf geht, können sich sehr ziehen, besonders wenn man mit einem VW-Käfer einen Überholvorgang beginnt: Blimey! Oops, noch mal gutgegangen!

Vor dem Linksverkehr sollte man sich nicht fürchten. Man schwimmt so mit und macht so seine Erfahrungen.

An einer kleinen Innerortskreuzung kam uns ein offenes dreirädriges Fahrzeug entgegen, das mit vollen und leeren Milchflaschen beladen war. Wir wollten geradeaus fahren, der Milchwagen blinkte rechts. Klarer Fall, wer die Vorfahrt hat: das Fahrzeug, das geradeaus fährt, also wir. Und so fuhren wir.

Der Milchwagenfahrer bremste scharf, das Fahrzeug schwankte und es schepperte gehörig, die gegen uns gerichteten Flüche konnte man von den Lippen des Fahrers ablesen.

Es hatte ausgesehen wie eine Kreuzung, war aber keine, sondern ein Miniroundabout. Bei der Miniversion ist auf den Mittelpunkt der Kreuzung ein dicker weißer Punkt gemalt, umgeben von im Uhrzeigersinn gerichteten Pfeilen. Hier gilt die wichtigste Regel für den Kreisverkehr: Das im Kreis befindliche Fahrzeug hat Vorfahrt. Und die hatten wir missachtet.

Die Regeln für das Befahren der roundabouts sollte man sich vor einer Autofahrt in England einprägen. Es ist nicht viel zu beachten; es betrifft hauptsächlich das richtige Einordnen vor dem Einfahren in den Kreisverkehr und das korrekte und rechtzeitige Blinken. Anders als in Deutschland gibt man schon bei der Einfahrt in den Kreisverkehr durch Blinken bekannt, welche Richtung man einschlagen will. Wie das im Einzelnen aussieht, sollte man sich im Highway Code angucken.

Ein bisschen aufregend ist das immer, besonders, wenn es sich um große, mehrspurige Kreisverkehre handelt.

Bei Autobahnen in Deutschland formen Auf- und Abfahrten häufig ein Kleeblatt. In England erledigen das die roundabouts, mehrspurig angelegt leiten sie den Autofahrer dahin, wo er hin will.

Ein Vorteil ist, dass man so lange im Kreis fahren kann, bis man weiß, wo man hin muss. Oder, wenn man sich trotzdem verfahren hat, bis zum nächsten Kreisel fahren kann, um sich neu zu orientieren. Die Anweisung des Navis „Wenden Sie!“ ist da kein Problem.

Für Fußgänger ist der Kreisverkehr schon manchmal ein Problem, weil es oft keine vernünftige Überquerungsmöglichkeit einer Straße gibt; der Verkehr im Kreis ist nun mal sehr flüssig.

Bei sehr hohem Autoverkehrsaufkommen ist der Kreisel trotzdem irgendwann überfordert. Mittlerweile werden die roundabouts an Stellen mit sehr hohem Verkehrsaufkommen zusätzlich durch Ampeln geregelt.

Vor den größeren Ortschaften in Cornwall liegen ähnlich wie bei uns Gewerbegebiete mit Tankstellen, Supermärkten, Recyclingcontainern. Die Kreisverkehre leiten den Autofahrer dahin, wo er hin will.

Wenn man als Urlauber in Cornwall mit dem Auto unterwegs ist, will man erstmal an seinem Ziel ankommen.

Es war (nicht immer) eine Lust, dort zu fahren. Viele Straßen sind ganz normale Straßen, aber viele auch nicht. Die normalen Straßen waren lange Zeit die problematischsten, die A30 war zu Ferienzeiten immer sehr stauanfällig, besonders samstags, weil traditionell alle Urlauber ankommen und abfahren, und die Straße noch nicht besonders ausgebaut war. Wir mussten sie einmal verlassen, weil unser Motor kochte; auf einer vollkommen abseitigen Straße halfen uns Leute mit Kühlwasser aus, die selbst schon in den besten Klamotten waren, für eine Hochzeitsfeier. Wir waren sehr dankbar. Auf dem Seitenstreifen der A30 haben wir die Windeln unseres Sohnes gewechselt; sein Hintern glühte; zu lang in nassen Windeln im zu heißen Auto.

Heute ist das besser. Die A30 ist autobahnmäßig ausgebaut. Das Schild Dual carriageway ahead verspricht, dass man den langsamen Lkw vor einem überholen kann, bis das dem Gegenverkehr gestattet wird. So wird alles flüssiger und schneller. Leider sind dem auch die vormals zahlreichen Teebüdchen am Straßenrand zum Opfer gefallen, wo man gern noch mal Halt gemacht hatte. Wenn alle vorbeirauschen

Den Stau kurz vor Penzance gibt es noch immer, aber so ist das halt vor Städten mit den alten Straßenführungen, die höchstens nur eine Richtungsfahrbahn haben.

Lust in Cornwall zu fahren bekommt man, wenn man die A-Straßen verlässt. Es kann sehr eng werden. Die Straßen sind schmal, beide Straßenseiten sind von den steinernen Cornish Hedges begrenzt. Im kontinentalen Pkw mit Linkssteuerung ist man da durchaus mal im Vorteil, denn man sieht einfach besser, wie dicht man links an das Gemäuer ranfahren kann.

Wir hatten auch mal eine Panne, kamen gerade noch mit Mühe und Not zu einer Werkstatt. Diagnose: „The Klutsch“. Wir: „Could you please spell the word?” – „ CLUTCH.“ Kannte ich nicht, so was lernt man nicht am Gymnasium, das lehrt einen nur das Leben. Ich guckte im Wörterbuch nach: es war die Kupplung. Unser Kind – damals schon Gymnasiast – fragte nach dem Urlaub hinterhältig seine Englischlehrerin, was denn wohl eine clutch ist. Sie wusste es natürlich nicht. Sie: „Klugscheißer!“

In späteren Jahren waren wir mit englischen Mietwagen unterwegs. Das hätte ich mir, die ich so viele Meilen im eigenen Auto durch England und Cornwall hinter mir hatte, leichter vorgestellt.

Du holst das Auto an der Mietwagenstation ab, guckst es dir von außen an, musst schnell erfassen, ob irgendetwas zu beanstanden ist, das festgehalten werden muss. Du bekommst die dürftigen Papiere und den Schlüssel, und man erwartet, dass du wegfährst.

Als Fahrer sitzt du jetzt rechts; es ist nicht dein Auto, du weißt nicht, wie du ein Fenster aufmachst, Licht anmachst, den Scheibenwischer betätigst. Du darfst dich auch nicht behutsam geleitet wie beim Verlassen der Fähre in den Linksverkehr einfädeln. Du musst direkt ein vollwertiger Verkehrsteilnehmer sein. Und – du musst mit der linken Hand schalten. Das alles zusammen geht nicht. Wie ungeschickt stellt sich die Hand eines Rechtshänders an, die schon Probleme hat, den Hausschlüssel mit der linken Hand zu drehen.

Beim ersten Mal war es so: Den ersten Gang bekam ich rein, das Einlegen des zweiten Gangs gestaltete sich schon schwieriger, Rumgestochere, hässliche Kupplungsgeräusche (CLUTCH), der dritte Gang erwies sich als der fünfte, der Motor drohte abzusterben, man wurde hinter mir ungeduldig, ließ keinerlei Rücksicht walten, hupte; ich war ja mit einem Fahrzeug mit GB unterwegs und total entnervt. Immer hektischer mein Rumgestochere auf der Suche nach dem dritten Gang. Den braucht man ja leider auch immer wieder. Zwei Tage ging das so. Dann ging es so gut, dass ich – zurück in Deutschland – im eigenen Auto mit der linken Hand ins Leere griff.

Die Jahre, als wir mit dem eigenen Auto in Cornwall unterwegs waren, fuhren wir vorbereitet und begleitet durch Straßenkarten. Wir machten uns mit der Umrechnung von Meilen auf Kilometer und m/h auf km/h vertraut. Wir wollten ja wissen, wie weit es noch war und wie schnell wir fahren durften.

Später half uns unser Navigationsgerät dabei, das wir von zuhause mitgebracht hatten. Es irritierte etwas, weil es als deutsches Navi uns Deutschen helfen wollte, indem es die englischen Ortsnamen deutsch(?) ausspricht: „Plümut“ für Plymouth. Da hat man was zu lachen.

Hüten sollte man sich, dem Navi die schnellste Route als Option einzugeben. In Cornwall befindet man sich dann nicht nur schnell auf den engsten Straßen, sondern auch auf Feldwegen oder Schotterpisten. Kein Schild verbietet einem, dort langzufahren.

Wer das Abenteuer liebt!

Ro

Barbara Hepworth: Bildhauerin in St Ives

1973 war in Rom die deutsche Schriftstellerin Ingeborg Bachmann aus Klagenfurt durch die Folgen einer brennenden Zigarette gestorben. Diese moderne Autorin hatte ich sehr geschätzt, ihre wunderbaren Gedichte und Prosatexte.

An sie mussten wir denken, als wir uns auf unseren ersten gemeinsamen Urlaub in Cornwall vorbereiteten. In der „Zeit“ hatten wir gelesen, dass die große britische Bildhauerin Barbara Hepworth im Mai 1975 in ihrem Haus in St Ives ebenfalls an den Folgen einer brennenden Zigarette gestorben war. Zwei so bedeutende Künstlerinnen in drei Jahren mit der gleichen Todesursache!

Als wir im Sommer ‘75 dann in Penzance festmachten, fuhren wir auch bald mit dem Bus nach St Ives, und vom Haltepunkt Malakoff schlugen wir uns durch die Gässchen zum Hepworth-Haus Trewyn Studio durch. Dieses und der Garten waren gesperrt, und erst Jahre später konnte man Teile des Hauses besichtigen, das Atelier von außen besehen und im angelegten Skulpturen-Garten flanieren. Seit Mitte der neunziger Jahre wird die Anlage von Tate St Ives kuratiert.

Es ist die große Nähe zu dieser Künstlerin, die einen hier durch ihr Wohnen und Arbeiten, vor allem ihr Werk berührt. Hier hat sie seit 1949 gelebt und ihr Oeuvre geschaffen; das sind 26 Jahre! Und genau so alt war ich, als ich das erste Mal hier eintrat und sah.

Im Haus die kleine, unaufdringliche Lebensdokumentation, karge Einrichtungsgegenstände, wie es denn auch wohl so war. St Ives als location unterstreicht natürlich auch noch mediterranes Flair. Die vorherrschende Farbe ist Weiß, auch im Atelier, eigentlich einem schuppenartigen Annex. Der ist verglast wie ein Gewächshaus und kann nicht betreten werden. Neben vertrockneten Pinseln und verkrusteten Farbresten sieht man einen Aschenbecher.

Im Garten hat man einzelne Skulpturen aus verschiedenen Schaffenszeiten postiert, Formen und metallene bronzene Oberflächen fordern zum Anfassen auf; wohl auch erlaubt, erwünscht. Über kleine Wege können sie angegangen werden. Man kann auch oft durch schauen und lustige Fotos machen. Die Körperlichkeit dieser Kunst spricht Kinder an, auch die Erwachsenen bewegen sich heiter und fühlen sich durch die oft archaischen Skulpturen angesprochen. Man merkt die Nähe zum Hepworth’ Studienkamerad und Freund, den fünf Jahre älteren Henry Moore und sieht Parallelen, Reibungen und andere Wege in beider künstlerischem Schaffen. Und zu den cornischen Altertümern.

Wie oft sind wir in vielen Jahren hier gewesen und freuen uns schon auf das nächste Mal, und darauf, dies wieder im Gästebuch festzuhalten.

Da in St Ives Parkplatz knapp ist, zumal bei schönem Badewetter, haben wir oft oberhalb des Ortes in einer einfachen Wohnsiedlung geparkt und sind dann quer durch, und zum Schluss über den brütend heißen, baumlosen Friedhof gegangen, zum Strand von Porthmeor. Da war schöner Sand, ein sanftes Meer und immer Platz. Vorher noch an dem riesigen, alten, rostigen Gasbehälter vorbei. Jahre später war der weg und auf der Baustelle hat man 1993 das Tate St Ives errichtet, in der Mitte mit der architektonisch aufgenommen Form des Gasbehälters. Das gefiel dann auch dem Duke of Cornwall, Prinz Charles, der den Hammer zur Grundsteinlegung schwang.

Durch Barbara Hepworth und die Lage von St Ives war man bei Tate auf diese Lokalität gekommen. Seit fast 100 Jahren gab es am linken Themse-Ufer in London die Tate Gallery, die man gegen Ende des 20. Jahrhunderts in Tate Britain umbenannte und zum Mutterhaus weiterer Dependancen machte: Tate Liverpool, dann unsere Tate St Ives, und 2000 Tate Modern am rechten Londoner Ufer.

Barbara Hepworth’ Trewyn Studio ist jetzt ein funkelnder Edelstein in dieser kleinen Krone weltberühmter Ausstellungshäuser.

Ich kenne viele Menschen, auch aus Deutschland, die alle besuchen und damit für sich sammeln.

Einmal habe ich ein Bändchen mit Bachmann-Gedichten in den Hepworth-Garten mitgenommen. Ich fand es irgendwie passend.

Ar

Beaches: Anders als gewohnt. Platz für alle

Das Wort beach mit Strand übersetzt, erweckt beim Urlauber, der die Strände dieser Welt zumindest aus den Prospekten kennt, bestimmte Erwartungen. Ein Strand besteht aus Gesteinspartikeln – so die Definition. Die Partikel können sehr fein sein, dann hat man einen Sandstrand. Das ist das, was die meisten Binnenländler unter einem Strand verstehen. Bei den meisten Stränden sind die Partikel aber größer. Das geht von sehr grobem Sand, über kleineres Geröll bis hin zu ziemlich dicken Wackersteinen. In Cornwall sind verschiedene Strandtypen vertreten; die mit Steinen überwiegen.

Für Kinder und kindliche Gemüter sind alle Strandtypen attraktiv. Es gibt Wasser, Brandung, Getiers, Angeschwemmtes und eben die Steine. Zum Gucken sind die groben Steine schöner, zum Laufen der feine Sand angenehmer.

So richtig heiß, wie in Spanien, ist es in Cornwall selten. Entsprechend sind auch die Wassertemperaturen. Mir jedenfalls blieb im September 1971 fast der Atem weg, als ich am Strand bei Hayle zum ersten Mal in das Wasser des Atlantiks eintauchte. Die Menschen verhalten sich trotzdem strandmäßig. Kleinkinder krabbeln fast nackt in der kühlen atlantischen Brise, werden von ihren mit Badehose und Bikini bekleideten Eltern zum Planschen animiert. Unser bis dahin eher wasserscheues Kind stürzte sich, angeturnt vom Gebrause der Brandung, in die Wellen und wurde ganz wild.

Die Brandung ist hier an der Atlantikküste gigantisch. Ein Surfparadies, auch im Winter. So richtig kalt wird es in Cornwall selten.

Die größeren Strände bieten in der Saison Service wie Toiletten, ein Teebüdchen, eine Snackbar, vielleicht noch einen Verkaufsstand für Gummitiere, Einfachsurfbretter, Strandschuhe, Sonnenöl, Eimerchen, Netze, Souvenirs, Süßigkeiten und Getränke.

Das Strandleben ist unkompliziert, ungeregelt: keine Strandkörbe, keine Strandbereiche, die vermietet werden. Es ist genügend Platz da; den Windschutz, die Matte bringt man mit.

Der Weg zum Strand kann beschwerlich sein. Oft muss man von der Höhe der Steilküste hinabsteigen und leider später auch wieder hinaufsteigen zu den oben gelegenen Parkplätzen.

So viele Strände gibt es, in kleinen Buchten und sich weit ausdehnende unter Dünen, dass es nirgendwo richtig voll ist. Nicht alle Strände sind bewacht. Bei den bewachten sollte man sich kundig machen, was Flaggen und Schilder bedeuten. An den unbewachten ist es ratsam, nicht ins offene Meer hinaus zu schwimmen oder sich auf aufblasbaren Booten oder Gummimatten treiben zu lassen. In jedem Fall kann es lebensrettend sein, wenn man mit den Uhrzeiten von Ebbe und Flut vertraut ist, denn schnell ist bei einströmender Flut das schöne Plätzchen, das man sich auf den Klippen ausgesucht hatte, vom Land abgeschnitten.

Am Strand findet man so manches, das sich auch lohnt mitzunehmen: Muschelschalen und Schneckengehäuse, Krebspanzer, Schulp von Kalmaren. Abfall, der im Meer herumschwimmt, ist mittlerweile als ökologisches Problem erkannt. Aber das Treibholz, die Glas- und Porzellanscherben, Ziegelstücke und die Fragmente von Fischernetzen und Kunststoffkordeln wirken, an den Strand geschwemmt, durch die lange Verweildauer im Meer fast wieder natürlich, rundgeschliffen und ausgelaugt.

All dieser gesammelte Kram ist bei uns zuhause in einer Vitrine zu einer kleinen Ausstellung zusammengestellt. An den Klöppel der aus Cornwall mitgebrachten Schiffsglocke aus Messing haben wir eine verblichene blaue Kordel befestigt, die mit Seepocken besetzt ist. Bei uns bedeutet das Läuten nicht „Last orders, please!“ wie in englischen Kneipen, sondern „Essen ist fertig!“

Ro

Binnenland und Küste

Die Halbinsel Cornwall besteht aus einem Hochplateau mit zum größten Teil steil abfallenden Küsten. Diese sind in früheren Erdzeitaltern abgebrochen und finden ihr Pendant in der Bretagne, in Großbritannien Brittany geheißen. Das Binnenland dient kärglichem Ackerbau, vor allem aber als Weidefläche für Milchvieh, Schafe und Pferdekoppeln. Im Zentrum, um St. Ausstell, gab es und gibt es heute noch vereinzelt Abbau von China Clay, einer Porzellanerde, deren weiß-gräuliche Abraumhalden auch Signum der Binnenlandschaft sind. In einer der großen Gruben des ehemaligen Tagebaus hat man das Eden Project angelegt, eine dokumentarische, pädagogische, vor allem touristische Anlage über die ökologischen Probleme unserer Tage.

Aber das Prägende, das auch plakativtouristisch genutzte, sind die Ruinen der Maschinenhäuser (engine houses) der Zinn- und Kupferbergwerke. Das waren zumeist kleine Klitschen, mit groben Granitsteinen errichtet, oft an waghalsigen Klippen an der Küste, vor allem aber verstreut über die ganze Grafschaft. Mit Haupthaus und Schornstein ähneln sie von Fern leergebeteten Kirchen, gern als Überreste von Kathedralen der Industrie bezeichnet. Sie sind die Landmarken, die der Schifffahrt und der Bewegung zu Lande Orientierung gaben und auch noch geben (trotz GPS und Navi).

Ebenso ist die Landschaft gesprenkelt von herrschaftlichen großen Häusern, oft noch mit intakter Landwirtschaft. Zunehmend hat man diese zumeist ehemaligen Adelssitze, jetzt Anwesen von Londoner und arabischem Kapital, was öfters zusammenfällt, teil- und zeitweise dem Publikum geöffnet, zumal wenn sie von der öffentlichen Hand kontrolliert und finanziert werden. Diese Anlagen sind oft mit großen Gartenanlagen verbunden, häufig besucherfreundlich bewirtschaftet. Über vieles wacht der National Trust, eine Organisation, die im Bereich der Denkmalpflege und des Naturschutzes Gutes bewirkt und Heil bringt.

Die Küste hat tief geklüftete Buchten, und der Wanderer des rund um die Halbinsel (und letztlich um die ganze großbritische Insel) führenden Coast Path muss weit laufen, um wenige Meilen der Küstenluftlinie zu bewältigen. Die Buchten sind tief, es sind schroffe Felsen, die das Meer branden, toben, klatschen, ständig brausen und vor allem erodieren lassen. Oft münden hier Bäche, die vom Hochland kommen, und auch sie graben sich weiter ein.

In vielen dieser Buchten haben sich kleine Orte gebildet, für Fischer und Piraten, was oft dasselbe war. Es gibt Natur-, dann angelegte Häfen, mit geschweiften Molen und Mauern, oft auch mit schützender Einfahrt. Größere Orte haben zwei, drei hintereinander gestaffelte Hafenbecken, um die Kraft von Sturm und Flut besser und effektiver brechen zu können.

In einzelnen Buchten gibt es unten kleine Sandstrände, die man in mühsamem Abstieg erreicht und die man noch mühsamer nach Baden und Schwimmen im anschließenden Aufstieg verlässt. Aber erst müssen diese Einstiege erreicht werden; mit dem Auto über Serpentinen bis zu eingerichteten Parkplätzen. Aber es lohnt sich.

Fast ständig weht Wind, oft Sturm, und die Felder und Weiden auf dem Plateau müssen mit geschichteten Mauern aus Bruchsteinen geschützt werden, oft mit festigendem Efeu, Büschen, windschiefen Bäumchen und Beerenhecken bewachsen. Erdwälle reichen da nicht. Die kleinen, schmalen, letztlich einspurigen Sträßchen mit ihren vielen Kurven verschwinden fast dazwischen. Und Kühe schauen schon mal neugierig auf Wanderer und Autofahrer hinab. – Häufig gibt es Buchten, in die man vorziehen oder zurücksetzen kann, um ein Vorbeifahren zu ermöglichen. Da verständigt man sich dann gerne. Es bleibt einem aber auch nichts anderes übrig.

Ar