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Nagel & Kimche E-Book

HARRY KÄMMERER

Titel

Tagebuch eines Nesthockers
und seiner Mutter

 

The proper study of mankind is man.

Alexander Pope Essay on Man

 

Heut ist mir alles herrlich; wenn’s nur bliebe!

Ich seh heut durchs Augenglas der Liebe.

Johann Wolfgang von Goethe West-östlicher Divan, Suleika

 

Michaela (Mama)

»Als Tommy mich gefragt hat, ob ich bei dieser Veröffent­lichung dabei sein will, habe ich nicht lange überlegt. Sonst wäre das mit seinem Tagebuch auch ein bisschen einseitig. Was meinen Part betrifft, entspricht alles der Wahrheit. Bei Tommy ist ja immer auch viel Fantasie mit im Spiel. Der Gute. Damit man unsere Sachen auseinanderhalten kann, haben wir uns mit dem Verleger auf unterschiedliche Schriftarten geeinigt, die auch unsere beiden Persönlichkeiten widerspiegeln. Ich bekam die Schrift mit dem schönen Namen Gill Sans zugeteilt. Klingt wie ein teures Parfüm. Der Layouter hat es mir erklärt: Die Gill Sans ist eine serifenlose Linear-Antiqua, die Ende der 1920er Jahre von Eric Gill entworfen wurde. Ja, ich mag ihre ruhige Eleganz. Kein Wunder, dass die BBC diese Schrift in ihrem Firmenlogo hat. Merkwürdig fand ich allerdings die Information, dass ausgerechnet die DDR für ihre Verkehrsschilder die Gill Sans verwendet hat. Wobei das letztlich nur die Vielseitigkeit dieser eleganten Schrift unterstreicht. Wenn die Gill Sans gut mit mir harmoniert, dann vor allem wegen des klassisch modernen Erscheinungsbilds. Diesbezüglich bin ich durchaus stolz auf mich. Meine sechzig Jahre sieht man mir definitiv nicht an.«

 

Tommy (Sohn)

»Meine Schrift ist die Times New Roman. Die habe ich mir selbst ausgesucht. Mir braucht ein Setzer nichts erzählen. Ich bin ja vom Fach. Nicht umsonst bin ich seit zwanzig Jahren der Kreativdirektor unserer Agentur Whitepage. Die Times ist eine Barock-Antiqua-Schrift, die 1931 von den Typografen Stanley Morison und Victor Lardent entworfen wurde. Klar, ästhetisch ist diese Schrift nicht der Brüller, viele Computer- und Softwarehersteller verwenden sie, ebenso viele Zeitungen. Vor allem Letzteres passt zu mir – das Journalistische, Informative. Mir geht es um das Alltägliche, ich bin jemand, der schnörkellos und wahrheitsgetreu über sein Leben berichtet. Und da ich viel zu erzählen habe, verwende ich eine Schrift, die nicht zu viel Platz beansprucht – eben die Times New Roman. Sie läuft schmal und elegant. Ganz mein Style.«

Freitag, 6. Juni, 23:16

Sind wir denn in Yorkshire?

Liebes Tagebuch,

ein erlebnisreicher Tag geht zu Ende. Zum Glück! Das Abendessen war Horror pur, eine Katastrophe, ein Jahrmarkt der Peinlichkeiten! Jetzt kenne ich endlich Mamas neuen Freund. York. Und was soll ich sagen – er ist grauenvoll! Wenn man schon York heißt! Ich denke da an Yorkshire-Pudding. Dieses quabbelige geschmacklose Zeugs aus England. Und Geschmack hat York definitiv keinen. Diese aufgesetzte dandyhafte Attitüde! Eine schlammfarbene Barbour-Jacke und ein tarngrünes Seidenhalstuch machen noch lange keinen Earl Grey. Der blöde Geck. Er ist auch nicht mit dem Pferd gekommen, sondern in einem Porsche Targa in Braunmetallic mit Starnberger Nummernschild. Halali!

Ich mag ihn nicht. Klar, meine Begrüßung »Ah, hier kommt New York« war nicht gerade höflich. Verwies ihn gleich mal auf die Plätze in der Ahnenreihe verflossener Liebhaber meiner Mutter. Die ist zwar mengenmäßig überschaubar, aber das weiß York ja nicht. Ich wollte ihm das Gefühl einer gewissen Beliebigkeit geben. Als wäre er nur ein harmloser Zeitvertreib meiner Mama weit unter ihrem tatsächlichen Niveau. So wie man manchmal auch einen flachen Liebesroman liest, wenn man zu viel Zeit übrig hat und sich mit nichts Ernsterem befassen will.

Aber meine Mama, – ich erkenne sie gar nicht wieder. Serviert als Abendessen Jacket-Potatoes! Monster-Kartoffeln im Aluminiummantel mit irgendwelchen Cremes zum Drübergießen. Quark und Dill und Lachs. Oder diese schreckliche Knoblauchmayonnaise. Die Krönung war die fischige Kaviarsauce. Haben wir noch nie gegessen – Jacket-Potatoes! Ach, wir sind ja neuerdings so was von Countrystyle!

Ich glaube, Mama ist jetzt sauer, weil ich ihren neuen Freund nicht so super fand. Auch weil ich die Schüssel mit der Kaviarcreme umgestoßen und das gute Tischtuch versaut habe. Sie wirkte etwas angefasst. Ach Gottchen, als ob wir keine größeren Probleme haben! In der Firma läuft es nämlich momentan nicht so gut. Auftragsflaute. Wenn das so weitergeht, nagen wir bald am Hungertuch. Ob Mama sich deswegen einen Starnberger Arzt ausgesucht hat? Aktive Alterssicherung? Vielleicht ist das so.

Aber ich dachte, Ärzte hätten zumindest einen Hauch von Niveau. Jaja, York sprühte vor Witz – allerdings mit der intellektuellen Brillanz eines Tischfeuerwerks aufeinem Kindergeburtstag. Und dabei habe mir echt Mühe gegeben und mich brav mit ihm über Theater und Literatur unterhalten. Das heißt: Er hat die ganze Zeit gesprudelt wie ein Wasserfall und ich habe zugehört. So auf halbem Ohr. »Die Hochkultur überlasse ich gerne anderen«, habe ich irgendwann ganz lässig eingeflochten, um seinen Redeschwall zu bremsen. Er hatte gerade über Literatur parliert, da bin ich ihm reingegrätscht: »Soll ich jetzt auch noch ein Buch von diesem Bernhard Thomas lesen? Dafür habe ich echt keine Zeit.« Da hat York ganz schön blöd geguckt. Und schnell das Thema gewechselt. Kino. Genau meins. Ich habe einen längeren Monolog über James Bond als Held der Postmoderne vom Stapel gelassen.

»Das ist was für Prolos«, meinte York als Retourkutsche.

Selber Prolo! »Ich finde, dass James Bond der Prototyp aller Männlichkeit ist«, erwiderte ich, »die Verkörperung von Kraft, Eleganz, Intelligenz und Erotik.«

York registrierte irritiert, wie Mama begeistert nickte.

Na, York, siehste: Da liegt die Messlatte! Wir beide werden jedenfalls keine Freunde. Du und Mama hoffentlich auch nicht. Da kannst du hundertmal ›Ach, Michaela, du siehst ja heute so bezaubernd aus‹ flöten.

So, jetzt muss ich noch meine paar Zeilen für michschreiben. Oder an mich. Also nicht direkt an mich, sondern an TB. Englisch ausgesprochen: Ti-Bi. Das klingt doch ganz cool, oder?

TB ist die Abkürzung für »Tommy’s Body«. Oder klingt TB wie die Abkürzung von Tuber­kulose? Unsinn! Ti-Bi ist cool. Mal sehen, wie das wird mit uns beiden. Ich bin mir ja nicht ganz sicher, also so methodisch. Aber wenn mein Psychotherapeut Dr. Faltermeyer meint, dass es hilft, will ich es gerne probieren. Gut, dass es mit den Sitzungen jetzt erst mal vorbei ist. Ich hatte ihn wegen chronischer Selbstzweifel besucht.

Letzten Herbst habe ich angefangen, alles infrage zu stellen. Vor allem mich selbst. Mit Dr. Faltermeyers Hilfe ist es viel besser geworden. Ich weiß auch nicht, wie es funktioniert. Ich sitze in einem Sessel und erzähle. Und er sitzt in einem Sessel und hört zu. Ansonsten passiert da nicht viel. Oder eben doch. Da oben, im Kopf. Alles nur eine Frage des Selbstvertrauens. Und das ist jetzt viel besser als in der Zeit, in der ich noch keine professionelle Hilfe in Anspruch nahm.

»Den Rest schaffen Sie alleine«, hat er schließlich gemeint. »Das bisschen Neurose ist völlig im Rahmen. Kommt auch oft vor bei Künstlern und Schriftstellern.« Da hat Dr. Faltermeyer ein weises Wort gesprochen. Ein guter Psychologe. Er weiß ja gar nicht, dass ich Autor bin. Ich schreibe nämlich nicht nur Tagebuch. Schon bald wird mein erster Text erscheinen. Was Kürzeres, aber trotzdem fein. Und bestimmt bald auch mal was Längeres. Es juckt mich im Füller. Wenn man das so sagen kann. Wenn ichetwas mehr Zeit habe, schreibe ich ein größeres Œuvre. Zeit habe ich im Moment leider kaum. Wo ich mich jetzt doch vor allem um meinen Körper kümmern muss. »Von außen nach innen«, hat Dr. Faltermeyer gesagt. Weil: mens sana in corpore sano. Dann mal los!

Lieber TB,

ich hoffe, es geht dir gut und diese fette Kartoffel von vorhin liegt dir nicht allzu schwer im Magen. Die Kaviarsoße habe ich dir ja zumindest erspart. Weißt du, gestern morgen hast du mich ganz glücklich gemacht. Endlich klappt das mal mit der Verdauung. Mittag war auch gut, oder? Der leichte Endiviensalat und der Spaziergang in den Max-Anlagen. Da atmet doch jede Pore auf. Was meinst du, sollen wir das jetzt täglich machen? Gerne, wenn ich das zeitlich hinkriege. Entschuldige, wenn ich abends ein bisschen angespannt war. Warum, das kannst du ja in meinem Tagebuch nachlesen. Dieser Lackaffe York ist nicht gut für meine Mama. Doch das soll nicht dein Problem sein. Ich möchte gut sein für dich. In Zukunft werde ich mehr auf deine bzw. unsere Bedürfnisse achten. Mein lieber Freund, seit fast vierzig Jahren gehen wir jetzt gemeinsam durch dick und dünn, dafür danke ich dir von Herzen. Mille Grazie! So, dann wünsche ich dir nocheinen schönen Abend und nachher eine gute Nacht, dein Tommy.

War doch gar nicht so schwer. Aber TB ist ja auch ein cooler Typ. Labert nicht die ganze Zeit rum. So erwartet man das von einem guten Kumpel. Ich bin auf dem besten Weg, eine intime Beziehung zu meinem Körper aufzubauen, ihn nicht immer nur als Maschine zu sehen, die zu funktionieren hat. »TB, du bist keine Maschine, sondern mein bester Freund« – das soll mein Credo sein, mein Leitsatz fürjeden Tag! So hat es Dr. Faltermeyer mir aufgetragen.

Liebes Tagebuch, ich lese jetzt noch ein bisschenDonald Duck und höre etwas Chopin und dann: Licht aus! Morgen muss ich mal mit Mama über die Firma sprechen! Wir brauchen dringend neue Aufträge für die Agentur. Gute Nacht!

Freitag, 6. Juni, 23:49

Toll!

Ach, was für ein toller Abend! York sah so schnittig aus. Ein echtes Mannsbild. Wie er die Auffahrt hochgebrettert ist mit seinem Porsche und so schwungvoll ausgestiegen ist – großartig! Das hatte Stil! Er könnte auch auf dem Pferd kommen, mit seinen enggeschnittenen Hosen und den Kalbslederstiefeln. Und dazu diese lässige goldbraune Wachsjacke. Und das Seidentuch! Wie im Film. Meine Idee mit den Jacket-Potatoes fand er reizend. Hab ich’s dochgewusst! Bodenständig, aber mit Raffinesse. Wie er selbst. Wenn nur Tommy sich besser zu benehmen wüsste. Erst kippt er die Kaviar-Creme um und kleckert sich Salatsoße aufs Hemd und dann die Sache mit Thomas Bernhard. Was erzählt er denn für einen Quatsch? Der Junge hat doch studiert! Oder hat er sich über York lustig gemacht? Manchmal ist Tommys Humor ja etwas eigenartig. Aber egal,ansonsten war er sehr nett zu York. Ich hatte ja schon befürchtet, dass er wieder so ekelhaft ist wie bei Georg, den er im Keller eingesperrt hat. Hat er nie zugegeben, aber ich habe das WC-Schild mit dem Pfeil nach unten später im Müll gefunden. Den Schlüssel allerdings nicht mehr. Der Schlüsseldienst hat 200 Euro gekostet. Das war aber nichts gegen das Theater, das Georg veranstaltet hat. Insofern war Tommys Streich gar nicht so schlecht. Erst in Gefahrensi­tuationen zeigt sich ja der wahre Kern der Menschen. So eine Heulsuse wie Georg ist York sicher nicht.

Klar, York war ein bisschen erstaunt, dass mein Sohn noch zu Hause wohnt. Aber wo soll Tommy denn sonst leben? Alleine kommt er ja nicht zurecht. Falls das mit York etwas Festes wird, wäre das allerdings eine guteGelegenheit für Tommy, endlich mal auf eigenen Füßen zu stehen. Ich ziehe dann nach Starnberg auf Yorks Gehöft und Tommy hält hier die Stellung. Und wenn wirklich mal was ist – in 20 Minuten ist man mit dem Porsche in München. Hat York gesagt. Ach, so ein toller Mann! Wie er vorhin mit röhrendem Auspuff die Auffahrt runtergedonnert ist! Wow!

Samstag, 7. Juni, 11:46

Rotzlöffel

Liebes Tagebuch,

noch zittere ich. Vor Erregung. Leider nicht im positiven Sinne. Mama hat gerade angerufen. Mich zusammengestaucht. Was ich mir einbilde! »So ein Dummejungenstreich! Yorks Auspuff mit einer Kartoffel zu verstopfen!« Also, sie meinte natürlich den von seinem Porsche. Der Wagen war schon auf der Prinzregentenstraße verendet. York dachte, der Turbolader sei kaputt. Bis die Typen in der Werkstatt heute Morgen die Kartoffel aus dem Auspuff zogen. Mama sagte natürlich, dass sie keine Ahnung hätte, wer das gewesen sein könnte. Einer von den Rotzlöffeln in der Nachbarschaft vielleicht.

»Es war eine besonders große Kartoffel!«, blaffte sie mich an.

»Ein Porsche hat auch einen besonders großen Auspuff!«, rutschte es mir heraus.

»Warum hast du das gemacht?«, fauchte Mama.

»Ich war doch die ganze Zeit mit euch zusammen. Wann hätte ich denn das machen sollen?«

Das wusste sie auch nicht. Perfektes Alibi. Und trotzdem hat Mama das nicht besonders beeindruckt. Sie hat gesagt, dass sie mir heute Abend ordentlich die Levitenlesen wird. Ich glaube, ich werde heute etwas länger im Büro bleiben. Samstags mache ich ja immer Klarschiff. Ich mag es, wenn der Laden leer ist und mich niemand stört. Außerdem warte ich noch auf die Bestätigung von Herrn Hirtreiter von Alpina Media wegen des Bauern-­Kalenders. Er wollte mir bis spätestens Ende Kalender­woche 27 Bescheid geben. Und das ist jetzt. Hoffentlich bekommen wir den Auftrag. Klar, die Retusche bei den Bauernmädels ist schon aufwendig, aber Hirtreiter will 100.000 Stück davon drucken! 100.000! Ein Riesengeschäft! Das muss einfach klappen!

Samstag, 7. Juni, 12:30

Taschengeld

Ich habe Tommy nicht noch mal angerufen. Aber der kann was erleben, wenn er heimkommt! Von wegen: Alibi! Spricht mich doch tatsächlich der kleine Peter von nebenan an. »Wenn es mal wieder was zu erledigen gibt –jederzeit!«

Jederzeit! Der Rotzlöffel. Steckt meine Jacket-Potatoes in fremde Auspüffe! Oder heißt es Auspuffe? Egal. Ich habe ihm auch noch entlockt, wie viel Geld er dafür bekommen hat. Zwanzig Euro! Tommy kennt kein Maß! Dafür arbeitet ein freier Grafiker bei uns eine halbe Stunde! Diese Großstadtkinder sind die reinsten Kleinkriminellen! Ich werde gleich York anrufen und sagen, dass der Fall aufgeklärt ist. Und die Werkstattkosten übernimmt dann Tommy! Und zwar nicht übers Firmenkonto! Aber was wirft denn das für ein Licht auf uns und unsere Nachbarschaft? Dann traut er sich am Ende nicht mehr herzukommen.

Nein, ich werde York nichts sagen. Wenn York nochmal darauf zu sprechen kommen sollte, werde ich den Vorfall sehr bedauern, aber auch keine Erklärung dafürhaben. Tommy kann es zum Glück nicht gewesen sein, er war ja die ganze Zeit bei uns.

Samstag, 7. Juni, 22:18

Exotisch

Liebes Tagebuch,

bin erst sehr spät heimgekommen. Habe gehofft, dass Mama schon schläft. War aber nicht so. Sie saß verheult im Wohnzimmer. Im letzten Glimmen des Kamins. Musste an den Buchtitel Die Asche meiner Mutter denken. Nein, ganz unpassend. Mama hatte wegen der blöden Kartoffel richtig Ärger mit York. Mit mir hat sie nicht geschimpft, nur gesagt: »Erklär mir, warum einem Mann sein blöder Porsche so wichtig sein kann?« Das reimte sich und hatte eine erstaunlich hübsche Satzmelodie. Wobei Porsche generell kein schönes Wort ist. Die Lautfolge »rsch« gibt es auch in anderen unguten Wörtern: forsch, morsch, Dorsch, Marsch, A …

Ja, warum ein Porsche so bedeutsam ist, konnte ich Mama natürlich nicht erklären. Ich fahre ja einen Smart. Klein und wendig. Understatement. Da passen höchstens diese kleinen französischen Salatkartoffeln in den Auspuff. Ich habe Mama eine heiße Milch mit Honig gemacht und sie dann ins Bett gebracht. Mit schlauen Worten: »Wenn er dich wirklich mag, wird er morgen bestimmt anrufen und sich bei dir entschuldigen.«

»Meinst du wirklich?«, hat sie gefragt.

»Ja, klar«, habe ich gelogen. Natürlich wird sich dieser eitle Fatzke nicht mehr bei ihr melden, wenn sein blöder Porsche bei uns nicht sicher parken kann. Das hoffe ich zumindest.

Ich bin stolz auf mich. Natürlich nicht, weil Mama geweint hat. Dafür ist schließlich York verantwortlich. Weil ich ihr die Augen geöffnet habe. Dieser oberfläch­liche Geck! Die ganze Art. Ein Blender vor dem Herrn! Habe ich gleich erkannt. Vielleicht hätte ich damals doch lieber Psychologie studieren sollen anstatt Grafikdesign. Nun ja, dafür ist es jetzt zu spät. Und irgendwer muss Papas Firma ja leiten. Was würde Papa wohl sagen, wenn er wüsste, was für Männer Mama trifft? Die letzten potenziellen Thronfolger habe ich ja erfolgreich verhindert. Wenn ich nur an diesen Reiseleiter denke! Echt nicht! Der soll nur weiter mit seinen Senioren durchs antike Rom stolpern. Wie konnte Mama so eine Busreise buchen? Pure Verzweiflung! Und ich musste als ihr persönlicher Pausenclown mitfahren. Nach dreißig Kirchen war ich komplett bedient. Und das Gelaber von diesem Dietmar! Wahnsinn! Aber der war noch harmlos gegen diesen aktuellen Heini aus Starnberg! Ich werde morgen zu Papa auf den Friedhof gehen. Ihm ein bisschen erzählen, wie es so läuft bei uns. Und ihm sagen, dass wir ihn vermissen.

Hey, Tagebuch, die beste Nachricht des Tages: Wir haben den Auftrag für den Kalender bekommen! Der Bauernkalender. Nein, eigentlich: der Bäuerinnenkalender. Auflage 100.000! Hirtreiter war ganz begeistert von unseren Arbeitsproben. Da haben wir uns aber auch echt viel Mühe gemacht. Oberschenkel und Halsbereich vor allem. Nur bei einer nicht. Also kaum. Bei Gina Wildbach. Was für eine Naturschönheit! Mit leuchtend roten Haaren! Gina Wildbach heißt sie natürlich nicht, Gina schon. Aber die Grafiker geben den Dateien ja immer sprechendeNamen. Wie Gina so sparsam bekleidet am Wildbach sitzt und das kalte Wasser ihre zierlichen Füße umspielt – herrlich! Wunderbare Füße! Bei den Damen gibt es auch eine Luise Trecker. Die lehnt neckisch an der Motorhaubeeines großen Traktors mit Öl an Fingern und Knien. Na ja, wer’s mag. Jedenfalls bei weitem nicht so attraktiv wie Gina Wildbach. Ich bin schon ganz verliebt in ihr Antlitz.

Lieber TB,

verzeih, dass ich heute kaum Zeit für dich hatte. Ich schäme mich auch für die zwei Leberkassemmeln mittags und das Stück Schwarzwälder Kirsch, das ich zum Kaffee in mich/dich reingestopft habe. Morgen gibt es wiederSalat. Versprochen! Und spazieren gehen wir dann auch. Als Trostpflaster werde ich uns jetzt noch eine heiße Wanne einlaufen lassen. Mit Exotic Bamboo Breeze. Das ist ein neuer Badezusatz, der als Kostprobe in der letzten Cosmopolitan war. Interessanter Werbespruch: »Macht richtig sauber!« Das gefällt mir. Endlich mal Werbung, die man auf Anhieb versteht. Vielleicht ist das ein neuer Trend, dass Werbebotschaften wieder einfacher, klarer werden. Was möchte man nach einem harten, schmutzigen Arbeitstag? Eben!

Samstag, 7. Juni, 23:56

Kein Anstand

Tommy macht mich wahnsinnig! Ist ja gut und schön, dass er sich für die Firma so einsetzt und spätnachts losfährt, um den Server noch mal hochzufahren, damit die Druck­daten für das Romanmagazin rechtzeitig beim polnischen Drucker ankommen. Trotzdem muss man doch ein bisschen aufpassen. Hat der ein Glück, dass ich noch aufgewacht bin. Lässt er einfach das Badewasser laufen! So eine Sauerei! Und dieser Schaum hat wirklich ekelhaft gerochen. Tuntig. Tommy ist doch nicht schwul, oder? Vielleicht klappt es ja deshalb nicht mit den Frauen? Nein, ich glaube schon, dass er auf Frauen steht. Wenn ich nur an diese kleine Grafikerin denke. Das war schon ein ordinäres Geschöpf. Wie die sich an ihn rangeschmissen hat! Tolle Figur, zweifelsohne, aber derart körperbetonte Kleidung hat im Büro nichts verloren – unmöglich! Sie hatte ihn schon fast am Haken, bis ich mich endlich eingeschaltet habe!

Die jungen Leute heute sind ja so offensiv, haben einfach keinen Anstand, keinen Stil mehr. Gut, dass die Tussi noch in der Probezeit war. Das hat sich schnell erledigt. Wird ihr eine Lehre sein. Geschäftliches und Privates immersauber trennen! Wäre ich nicht Geschäftsführerin, wäre der Laden schon lange den Bach runter!

Sonntag, 8. Juni, 09:30

Oh, Henry!

Liebes Tagebuch,

hatte gestern noch Nachtschicht. Und das an einem Samstag! Die Druckdaten für Polen sind nicht in der Druckerei angekommen. Ich musste den Server in der Firma rebooten und die Daten nochmal losschicken. Sonst hätten wir den Termin nicht gehalten. Nicht auszudenken. Die heiße Stunde muss nächsten Freitag am Kiosk sein. Deutschlandweit? Nein, auch Österreich und Schweiz. 80.000 Exemplare. Zehn erotische Kurzromane für 1,80 Euro. Die Nummer 1 schlägt bestimmt ein wie eine Bombe! 80.000 Menschen werden meine erste eigene Geschichte lesen können! Die Pferdezüchterin von Glendalough Hall. Natur, Tiere, Adel, Leidenschaft und heißes Begehren! Hui! Bin ganz erregt. Eine Premiere. Vielleicht steht mir eine große Karriere als Schriftsteller bevor. Die Neuent­deckung der Zärtlichkeit. Das könnte der Titel der Rezension meines Debutromans im Feuilleton sein. Oder: Henry Sighdle – der letzte Romantiker. Hm, jetzt kommt mir mein Pseudonym doch ein bisschen albern vor. Obwohl, niemand wird dahinter Tommy Seidl vermuten. Meinen zweiten Vornamen Heinrich habe ich noch nie gemocht. Aber Henry finde ich eigentlich ganz cool, elegant. Und das Wortspiel mit »sigh« ist großartig. Heinrich Seufzer. Auf Deutsch klingt das natürlich blöd. Oder hätte ich doch etwas Fantasievolleres wählen sollen, vielleicht in fran­zösischem Sound? Henry de Fauxbourg? Nein, das klingt wie ein Weichkäse aus der Normandie. Außerdem bin ich eher der anglophile Typ. Und meine erste Geschichte spielt in Irland. Jetzt aber huschhusch zum Duschen. Habe ich gestern im Bad eigentlich das Wasser in der Wanne abgedreht? Bestimmt, sonst hätten wir ja jetzt eine Riesensauerei.

Sonntag, 8. Juni, 10:49

Intensiv

Mama war beim Frühstück stocksauer. Sie hat ja recht. Die Wasserflecken an der Decke des Esszimmers sind ziemlich eindrucksvoll. Was so ein bisschen Wasser anrichten kann – erstaunlich! Aber schöne klare Formen. Die scharfen Ränder und die zarten Brauntöne. »Wir sagen einfach, das ist ein Deckenfresko von Vasarely«, habe ich Mama vorgeschlagen. Fand sie gar nicht lustig. »Wenn überhaupt, dann ist das ein Nitsch«, hat sie gemeint. Jetzt übertreibt sie aber. Jaja, ich werde den Maler bestellen. Puh, dieses Bamboo Breeze verströmt schon einen merkwürdigen Geruch. Sehr intensiv. Stechend. Gut, dass ich mich da nicht reingelegt habe. Am Ende hätte mich das Zeug in der Wanne aufgelöst. Vielleicht habe ich bei der Dosierung was falsch verstanden? Aber es war doch nur eine kleine Probepackung?

Als Wiedergutmachung habe ich angeregt, einen kleinen Sonntagsausflug zu machen. Erst war Mama ein bisschen zögerlich, aber dann hat sie zugesagt. Sie hat wahrscheinlich gehofft, dass sich York noch meldet und ihr ein ähnliches Angebot macht. Tja, da kann sie lange warten!

Sonntag, 8. Juni, 19:26

Kürbiskern

Liebes Tagebuch,

ein herrlicher Tag geht zu Ende. Wir sind nach Starnberg gefahren. Nicht mit dem Auto, sondern mit der S-Bahn! Wie aufregend! Wann bin ich das letzte Mal S-Bahn gefahren? Ich hatte schon Angst, dass uns irgendwelche Vorstadtjugendlichen in der Bahn anpöbeln. Ich hatte Mama deswegen geraten, ihr Tränengasspray in die Handtasche zu stecken. Sicher ist sicher. Aber keine Punks, Rocker oder andere Problemjugendliche im Zug. Nur nette ältere Damen und Herren, die zum Wandern oder Spazieren gefahren sind. Kein Wunder, bei dem Wetter. Ich hätte nicht gedacht, dass wir ohne Auto so weit rauskommen.

Von Starnberg aus sind wir durch die Maisinger Schlucht marschiert. Das hat mich ganz schön ins Schnaufen gebracht. Puh! TB, wir beide müssen wirklich aktiver werden. Kann ja nicht sein, dass rüstige Senioren an uns vorbeiziehen und uns dann die besten Plätze im Biergarten wegschnappen.

Wir haben nur noch einen Katzentisch im Freien beim Dorfwirtshaus in Maising bekommen. Da, wo die Kellner eigentlich Besteck und Aschenbecher und dieses Zeug aufbewahren Eigentlich war alles besetzt. Nach einer knappen Ansage von Mama haben die aber den Tisch freigeräumt. Mama kann sowas. Dann war es richtig schön. So unter Kastanien ein Schnitzel im Kürbiskernmantel mit Bratkartoffeln und dazu ein dunkles Bier. Habe ich gleich alle Systeme runtergefahren.

Mama war auch ganz entspannt. Wir haben uns sehr gut unterhalten. Über die Firma, das Leben im Allgemeinen, auch ein bisschen über York, dessen Geist ja in dieser Gegend herumschwebte. Vielleicht hatte Mama ja gedacht, sie würde ihn hier zufällig treffen? Zum Glück nicht. Am Ende wäre er in Begleitung gewesen, der falsche Fuff­ziger! Aber die Starnberger meiden bestimmt diese typischen Münchner Ausflugsziele.

Nach dem Essen sind wir noch eine Runde um den Maisinger Weiher gegangen. In der prallen Sonnenhitze. Aber wir haben ein sehr schönes Plätzchen gefunden, wo wir unsere Beine entblößt und die Füße ins kühle Wasser gehalten haben. ›Wunderbar, so lässt sich der Sommer aushalten!‹, dachte ich. Die Natur stellte durchaus ein paar Herausforderungen an uns, die wir aber mit Bravour gemeistert haben. Nicht der Rede wert. Jetzt sind wir wieder daheim und lassen den Tag gleich noch bei einem Gläschen Wein mit dem Tatort ausklingen. Perfekt!

Sonntag, 8. Juni, 19:59

Empfindlich

Puh, ich bin ganz erschöpft. Jagt mich Tommy da durch die Pampa. Klar, er wollte mir etwas Gutes tun, mich ablenken, nachdem sich York ja nicht mehr meldet. Wird York jemals wieder anrufen? Ach, morgen rufe ich selbst an und stelle ihn zur Rede. So ein Theater wegen einer blöden Kartoffel!

Das nächste Mal, wenn ich mit Tommy etwas unternehme, gehen wir aber lieber ins Museum. Also nichtwegen mir, aber der Junge kann mit den Gefahren der Wildnis einfach nicht umgehen. Im Museum kriegt manjedenfalls keine Blutegel an den Waden. Gut, dass ich da nicht empfindlich bin. Tommy hat ganz feuchte Augen bekommen, als er die Blutsauger zwischen seinen Zehen und in der Kniekehle erblickte. Er wollte schon mein Tränengas zu Hilfe nehmen! Kreativ ist er ja, aber auch so weltfremd. Ich habe ihm die Dinger einfach weggezupft. Ohne mich ist Tommy nicht überlebensfähig! Zum Dank hätte er mir wenigstens mit den Canapés für den Tatort helfen können. Er hat gesagt, dass er dafür den Wein aus dem Keller holt. Ganz toll, mein Junge. Danke!

Sonntag, 8. Juni, 22:46

Zwischendurch

Liebes Tagebuch,

ich fühle mich gewappnet für die neue Woche. Der Tag in der Natur draußen hat richtig gutgetan. Sollte ich öfters machen. Auch der Fernsehabend mit Mama war sehr schön. Canapés auf dem Kanapee sozusagen. Haha! Der Tatort war stinklangweilig, aber wir haben uns gut unterhalten. York hat sie mit keinem Wort erwähnt. Ich habe Mama gesagt, dass ich jetzt mehr rausgehen und mehr auf meinen Körper achtgeben will. Fand sie eine gute Idee und hielt mir dann einen langen Vortrag über gesunde Ernährung. Ich bin ja eher der Stresszwischendurchesser. Aber das wird jetzt anders.

Lieber TB, ich verspreche dir, morgen Mittag gehen wir eine Runde raus. Ich lass mir auch was Gesundes von Mama einpacken. Sie hat in der Gefriertruhe noch Grünkernbratlinge. Dazu ein paar taufrische Karottenschnitze und Gurkenscheiben. Das wird dir gefallen! Und den ganzen Tag werde ich nur Wasser trinken. Ab morgen steht alles im Zeichen deiner/meiner Gesundheit. Versprochen!

Montag, 9. Juni, 11:02

Schlanke Linie

York hat angerufen! Alles ist wieder gut. Keine Rede mehr von seinem Porsche. Er hat gefragt, ob wir uns treffen wollen. In der Confisérie Rothmüller bei der Oper. Oh, York hat wirklich einen ausgefallenen Geschmack. Dieses herrlich altmodische Café! Was soll ich nur anziehen? Mir schwebt etwas im 20er-Jahre-Look vor, ein kurzes Kleid, das meine Linie und meine schlanken Beine betont. Etwas von klassischer Eleganz. Aber mit Pfiff. Habe ich da was im Schrank? Ach was, wir treffen uns ja erst in drei Stunden. Genug Zeit für einen schnellen Besuch in der Boutique Pompadour in Schwabing. Da war ich seit Jahren nicht mehr. Oh, ich bin so aufgeregt!

Montag, 9. Juni, 17:15

Grünkern!

Liebes Tagebuch,

der Tag hatte so verheißungsvoll angefangen – ein gutes Meeting mit den Grafikern, zwei Buchprojekte abgeschlossen, ein paar Endabnahmen und Druckfreigaben. Aber dann wurde es Mittag. Das Mittagessen stand ja ganz im Zeichen der gesunden Ernährung. Ich erwärmte mir in der Mikrowelle Mamas Grünkernbratlinge und verzehrte dazu wie geplant die Karottenschnitze und Gurkenscheiben. Erst war alles gut, aber eine halbe Stunde nach Nahrungsaufnahme begann es heftig in meinem Magen zurumoren. Ich hatte eigentlich gar keine Zeit, aber ich musste eine Runde rausgehen. Dringendst!

Eine Oma und ihr Dackel ergriffen entsetzt die Flucht, als mir im Park ein Riesenfurz entfuhr. Wie eine Handgranate. Danach habe ich mich viel besser gefühlt und binzurück ins Büro. Teamsitzung mit den Leuten von Hot Media für die Nullnummer des neuen Modemagazins Colette. Leider kamen die Blähungen zurück. Ich bin auf meinem Stuhl herumgerutscht, als hätte ich Ameisen in der Hose. Plötzlich sprang ich auf und rannte raus. Ich schaffte es gerade noch aufs Klo.

Nie wieder werde ich diese Biokost essen! Die kann so gesund sein, wie sie will. Das nächste Mal gibt es wieder Schnitzel oder Leberkäse. Jedenfalls keinen Körnerfraß mehr! Und wenn mir Mama fünfmal so was einpackt. Ich schmeiß es einfach weg. Ich bin doch kein Schuljunge mehr. Solch ungeplante Turbulenzen können TB und ich uns nicht leisten. Physisch nicht und geschäftlich schon gar nicht. Wobei – auf der Toilette hatte ich eine Superidee für die Werbekampagne der Colette:

Die Kamera guckt unter der Toilettentür durch und man sieht zwei Frauenbeine und Füße in heißen Pumps. Ein Hauch von Seidenslip auf Halbmast. Draußen am Gang die Superhektik, weil das Supermodel immer noch nicht da ist für die Show. Karl Lagerfeld dreht total am Rad und kreischt schließlich: »Jetzt geh ich da selber rein!« Gerade als er wütend an die Klotür hämmern will, kommt Claudia Schiffer raus und lächelt ihn nonchalant an. Ihr zuckersüßes Lächeln macht Karl sprachlos. Sie tippt ihm an die schmale Schulter. »Und, gehen wir jetzt auf den Laufsteg, Süßer?« Er nickt dämlich und guckt in die Kabine. Die Kamera schwenkt auf den Spülkasten, wo die neue Colette liegt. Dann wird in großen Lettern eingeblendet: Colette. Für die wichtigen Dinge muss man sich eben Zeit nehmen! Von draußen aus dem Saal tosender Applaus.

Die anderen waren begeistert, als ich ihnen von meiner Idee erzählte. Marketingleiter Dr. Rönsch von Hot Media haute johlend auf den Tisch. »Tommy, Sie kriegen ein Budget von einer halben Million. Rufen Sie die Schiffer und den Lagerfeld an und wir drehen das Ding!«

Ich war mir nicht ganz sicher, ob er das wirklich ernst meinte. Er grinste breit und sagte: »Schade, dass Karl nicht mehr unter uns weilt.«

Ich sah ihn betroffen an. Mist, das hatte ich ganz vergessen. »Aber sein Nachfolger bei Chanel vielleicht?«, schlug ich vor.

Rönsch rieb sich das Kinn. »Dieser Eric Pfrunder. Nein, der ist zu unbekannt.« Dann grinste er wieder. »Einer wie Lagerfeld stirbt ja nie. Wir machen den Spot einfach mit einem Double. Die Leute flippen aus, wenn wir Karl wieder zum Leben erwecken. Hauptsache, die Schiffer ist echt. Die Idee gefällt dem Pfrunder bestimmt. Eine Hommage an seinen Gönner Karl, den unsterblichen KarlLagerfeld.« Rönsch sah sehr entschlossen aus.

Okay, ich würde es versuchen. Ich liebe Herausfor­derungen. Müller, der Anzeigenleiter, fragte noch, ob es wirklich clever sei, jemanden mit Claudias Nachnamen für einen Spot zu nehmen, der auf einer Toilette spielt. Aber Rönsch wischte die kleinlichen Bedenken einfach vom Tisch. Das ist ein Typ!, dachte ich. So zupackend wäre ich auch gerne!

Claudia und diesen Eric rufe ich morgen an. Falls ich die Nummern bekomme. Doch, das krieg ich hin, die werden auch nur irgendwelche Agenten haben. Ich musste grinsen. War ich gar nicht gewohnt, bei solchen Sitzungen im Mittelpunkt zu stehen. Oder zu sitzen. Wenn auch ein bisschen auf Kohlen. Also anfangs. Trotzdem – ich war sehr zufrieden. Und die Blähungen waren wie weggeblasen.

Ich habe mich dann noch ein bisschen persönlich um unseren Bauernkalender gekümmert. Also um Gina Wildbach. Die ist so süß! Ich könnte stundenlang einfach dasitzen und auf den Bildschirm starren. Ihre schlanken Füße in dem klaren Wasser. Herrlich! Gerne würde ich Gina persönlich kennenlernen – lieber noch als Claudia Schiffer.

Ich werde bald Schluss machen und auf dem Heimweg noch bei Papa auf dem Ostfriedhof vorbeischauen. Das habe ich ja gestern wegen unserem Ausflug nicht mehr geschafft. Ich werde Papa erzählen, was bei uns so los ist und dass wir ihn vermissen. Und dass das mit dem blöden York schon wieder Geschichte ist. Weil dem Autos mehr bedeuten als Menschen. Ja, ich freu mich schon, ich liebe die ruhige Stimmung auf dem Friedhof. Kann man in Ruhe nachdenken. Gelingt mir doch sonst so selten.