Paul McEuen
Spirale
Thriller
Aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt
FISCHER E-Books
Paul McEuen (Jahrgang 1963) ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Nanotechnologieforschung und lehrt als Professor an der Cornell University im Staat New York. Er wurde mehrfach ausgezeichnet und publiziert regelmäßig in »Nature« und »Science«. Zu seinen Forschungsinteressen sagt er selbst: »Alles, solange es nur klein genug ist.«
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Erschienen bei FISCHER E-Books
© Paul McEuen 2010
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel ›Spiral‹
im Verlag Dial Press, New York
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2010
Covergestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-403385-3
Für Susan (Willow)
Liam Connor sah es voller Entsetzen, während er an Deck der USS North Dakota stand. Dort vor ihm, das war die Wahrheit, er sah es deutlich durch sein Fernglas: vier amerikanische Seeleute in dem leuchtend roten Rettungsboot, allesamt jung und voller Leben, nicht älter als Connor selbst.
»DREHEN SIE AB!«, befahl der Kommandant durch das Megaphon.
»Das könnt ihr nicht machen!«, schrie einer der Seeleute. »Ich habe einen Sohn. Ich habe ihn noch nie gesehen!« Er hatte sein Hemd ausgezogen und schwenkte es wild hin und her, ein flatterndes weißes Signal über dem Blau des Meeres. Zwei andere saßen an den Rudern.
»DREHEN SIE AB. SOFORT.«
Die 20-mm-Oerlikon-Deckskanone spuckte Feuer in einer Linie, die quer zwischen dem Rettungsboot und der North Dakota verlief. Das Boot verschwand hinter einer Wand aus Gischt.
Dann kam das Wasser wieder zur Ruhe. Der lange Anführer sprang auf und ab und wedelte so heftig mit seinem verdammten weißen Hemd, dass das Boot zu kentern drohte. »Stellt das Feuer ein«, brüllte er. »Wir sind nicht krank.«
»Er lügt«, sagte Colonel Willoughby, der zwei Schritte neben Liam stand und sie durch sein eigenes Fernglas beobachtete. »Sehen Sie, wie er sich bewegt? Er fährt fast aus der Haut.«
Auf der Brücke hob der Kommandant der North Dakota sein Megaphon. »DREHEN SIE AB. SOFORT. DAS IST DIE LETZTE WARNUNG.«
Wieder ratterte das Geschütz los, und das Wasser sprühte so dicht vor dem Boot auf, dass die Männer darin durchnässt wurden. Connor sah, wie die Furcht an den Gesichtern der Seeleute hing wie Wassertropfen. Der Kanonier brauchte nur ein paar Grad höher zu visieren, und das kleine Boot würde in Fetzen gerissen werden.
Der Anführer sank auf die Bordwand, und das weiße Hemd fiel ihm aus der Hand. Das Boot drehte sich langsam um sich selbst, während drei der Männer diskutierten. Ihre Stimmen wehten über die Wellen heran, und der Große deutete auf die North Dakota und schüttelte den Kopf, als wolle er sagen: Es gibt keine andere Möglichkeit.
»Die dämlichen Kerle kommen«, sagte Willoughby.
Der Lange stand auf, wandte sich der North Dakota zu und hielt sein weißes Hemd über den Kopf. Er rief: »Los!« Die beiden legten sich in die Riemen, tauchten die Ruderblätter tief ein und trieben das Boot durch das Wasser, so schnell und kraftvoll sie konnten.
Der Kommandant straffte die Schultern. Das Megaphon hing an seiner Seite.
Er nickte einmal kurz.
In wenigen Sekunden war es vorbei. Zwei Oerlikons feuerten gleichzeitig, und das Meer explodierte. Die Geschosse zerfetzten ihr Ziel, das Rettungsboot flog rot auseinander. Splitter und Planken wirbelten durch die Luft. Einen Augenblick später waren Boot und Männer verschwunden, und zurück blieben nur Dunst und treibende Trümmer auf dem Wasser.
Liam sah etwas an der Oberfläche zappeln. Zuerst dachte er, es sei ein Fisch. Aber es war kein Fisch. Es war ein Arm, an der Schulter abgerissen. Er zuckte noch.
Connor beugte sich über die Reling und übergab sich.
Liam Connor trug seit vier Jahren die Uniform der britischen Armee, aber er hatte noch nie Männer auf diese Weise sterben sehen. Liam war klein, knapp einen Meter siebzig groß, aber entschlossen, drahtig und kräftig. Und er war Ire, mit rotblondem, welligem Haar und einer Haut, die aussah wie Kitt, gesprenkelt mit rotem Ocker. Er war hartnäckig und besaß einen scharfen, altklugen Verstand und flinke Beine. Schon mit vierzehn war er in Cork auf die Universität gekommen und hatte sich schnell einen Namen als Wunderkind auf dem Gebiet der Biologie gemacht. Mit achtzehn stand er kurz vor der Promotion, als der Krieg dazwischenkam. Nebenbei lief er die Meile in vier Minuten fünfzehn Sekunden und war damit der drittschnellste Mann in Irland. Vom Rang her ein Second Lieutenant, schätzte ihn die Armee nicht so sehr als Soldaten denn als Wissenschaftler. Gerade mal zweiundzwanzig Jahre alt, hatte er die letzten vier Jahre in Porton Down verbracht, dem britischen Forschungszentrum für chemische und biologische Waffen. Sein Spezialgebiet waren saprophytische Pilze, die sich von den Toten ernährten.
Er war Wissenschaftler. Er hatte noch nie Männer so sterben sehen, niedergemäht von ihren Waffenbrüdern.
Vor zwei Tagen war er noch in Deutschland gewesen, in einer Chemiefabrik bei München. Es waren die letzten Wochen seines Militärdienstes, und er gehörte zu einem Team der Alliierten, das den Auftrag hatte, die Programme der Nazis zur chemischen und biologischen Kriegführung zu dokumentieren. Er hatte Deutschland in wenigen Tagen verlassen und nach England und dann nach Irland und zu seiner Frau Edith zurückkehren wollen. Sie waren seit fast drei Jahren verheiratet, aber in der ganzen Zeit hatten sie weniger als zehn Tage miteinander verbracht. Er vermisste sie, wie er Irland vermisste.
Sechsunddreißig Stunden zuvor hatten seine Pläne eine drastische Änderung erfahren. Ohne weitere Erklärungen hatte man ihn in München in ein Truppentransportflugzeug verfrachtet. Drei Mal hatte er die Maschine wechseln müssen, und dann hatte er sich auf der anderen Seite der Welt über dem Pazifik wiedergefunden, wo er über einer Flottille der US Navy kreiste. Sie hatten ihm einen Fallschirm angeschnallt und ihm befohlen zu springen: der erste Fallschirmsprung seines Lebens. Man hatte ihn aus dem Meer gefischt und an Bord der USS North Dakota gebracht, wo er gerade noch rechtzeitig angekommen war, um zu sehen, wie die vier Matrosen abgeschlachtet wurden.
Während des ganzen Fluges hatte er sich gefragt, was dahintersteckte. Warum hatten sie sich einen Second Lieutenant geschnappt und um den halben Globus geflogen? Aber jetzt ging ihm langsam ein Licht auf.
In Porton Down, in der idyllischen südenglischen Grafschaft Wiltshire hatten sie sich schon seit Monaten auf das vorbereitet, was viele für unausweichlich hielten: einen Angriff der Nazis mit biologischen Waffen. Die Deutschen waren die Ersten gewesen, die im Ersten Weltkrieg im großen Maßstab Giftgas eingesetzt hatten, und in Porton Down glaubten die meisten, dass die Nazis diesmal bakterielle Kampfstoffe verwenden würden. Sie hatten sich geirrt. Es waren die Japaner.
Liams Betreuer auf der USS North Dakota war Andy Scilla, ein hochaufgeschossener, schlaksiger Major der US Army. Er war ein Mikrobiologe aus Mississippi, der in Harvard studiert, aber seinen Akzent behalten hatte. Scilla war aus Camp Detrick in Maryland, dem amerikanischen Zentrum für die Entwicklung chemischer und biologischer Waffen, dem Gegenstück von Porton Down. »Ich bin Ihr Reiseführer«, sagte er. An seinen gedehnten Südstaatendialekt musste Liam sich erst gewöhnen.
Die erste Stunde verbrachte er mit Scilla in einer kleinen Kabine, drei Türen hinter der Funkzentrale. Hier, sagte Scilla, hatten sie Kopien der Krankenakten der Männer auf der verseuchten USS Vanguard und diverse Unterlagen, die sie aus Tokio mitgebracht hatten: Hintergrundinformationen zu dem, was im Gange war. Sie lagerten in mehreren Metallkisten, die sie vor dem allgegenwärtigen Salzwasser schützten.
Scilla berichtete Connor, was passiert war. »Vor fünf Tagen fing die USS Vanguard, von der diese Männer stammten, einen Notruf von so einem japanischen U-Boot, I-17, auf. Alle waren ratlos. Verdammt, der Krieg ist seit sechs Monaten zu Ende. Wo hat sich ein japanisches U-Boot die ganze Zeit versteckt? Als die Vanguard eintraf, fand sie I-17 tot im Wasser. Sie versuchten, Funkkontakt herzustellen, aber ohne Erfolg. Keine Antwort. Aber auf dem Bug des U-Boots hockte ein einzelner japanischer Soldat. Saß einfach da. Sie riefen ihn an, aber er rührte sich nicht. Also schickten sie ein Team an Bord. Was sie dort fanden, war ein Albtraum. Die gesamte Besatzung der I-17, bestimmt hundert Mann, lag unten im Boot, aufgeschlitzt wie ausgenommene Fische. Wie es aussah, hatten sie allesamt Harakiri begangen. Alle bis auf den einen japanischen Soldaten, der allein auf dem Bug saß. Er sah aus wie ein Katatoniker: im Schneidersitz, sehr aufrecht, den Blick starr geradeaus gerichtet, wie eine Statue. Der Kommandant der Entermannschaft, ein Mann namens Maddox, vermutete einen traumatischen Schock. Aber das war es nicht. Ganz und gar nicht. Er wartete, bis sie praktisch in Reichweite herangekommen waren. Dann schlitzte er sich den Bauch auf, schob eine Handgranate hinein und jagte sich selbst in die Luft.«
»Selbstmord?«, fragte Liam. Den Japanern gingen Tod und Ehre über alles – sich zu ergeben, wäre höchst verwerflich.
»Nicht so ganz. Es dauerte, bis die Sache klar wurde. Warum sich in die Luft sprengen, wenn die Soldaten erst näherkommen? Wenn er ein Kamikaze gewesen wäre, hätte er sie angegriffen, die Granate auf die Entertruppe geworfen. Außerdem hatten sie jede Menge Waffen unter Deck, Gewehre, Munition. Er hätte viele von uns töten können.
So etwa zwölf Stunden lang ahnte keiner, was passiert war. Der Schlüssel war die Entertruppe, die Soldaten, die dort waren, als der Drecksack sich mit seiner eigenen Granate in die Luft jagte. Maddox bekam einen ziemlichen Schlag an den Kopf. Zwei Stunden später wachte er im Krankenrevier der Vanguard auf und erkundigte sich gleich nach seinen Männern. Allen ging es mehr oder weniger gut. Aber acht Stunden später entwickelt einer namens Smithson, der im Bett neben Maddox lag, ungewöhnliche Symptome. Seine Temperatur sinkt, und er verbreitet einen unangenehmen Geruch. Eine Stunde später fängt er an, sich wie wild zu kratzen, und muss körperlich fixiert werden. Er redet wirr. Zwanzig Stunden später geht es Maddox genauso schlecht. Er ist davon überzeugt, dass eisenhäutige Schlangen in seinem Bauch leben und seine Eingeweide fressen. Was mit den beiden anfing, breitete sich dann sehr schnell auf dem ganzen Schiff aus.«
Liam begriff. »Der Japaner war ein Träger. Eine Bakterienbombe.«
»Genau.«
»Und was ist aus der übrigen Crew geworden?«
»Maddox ist tot. Er konnte sich losreißen, bekam ein Messer zu fassen und erstach sich. Rammte es sich immer wieder in den Bauch, bis er verblutete. Der Arzt auf der Vanguard zählte zweiundzwanzig Einstiche. Smithson lebt noch, aber er hat sich die Zunge abgebissen. Hat sie vor sich auf den Boden gespuckt und dabei wie ein Irrer gelacht. Nach den Berichten ist es ein totaler Albtraum da drüben. Ungefähr einen Tag nach der Infektion verliert man völlig den Verstand. Einer von ihnen machte zum Beispiel einen ganz normalen Eindruck, bis er sich plötzlich mit vier Matrosen in der Kombüse einsperrte, ihnen in den Bauch schoss und dann auf ihren Schädeln herumtrampelte, bis ein paar andere eindringen und ihm eine Kugel in den Kopf jagen konnten. Alle sind paranoid. Sobald einer irgendwelche Symptome zeigte, haben sie ihn ans Bett geschnallt. Dann sind ihnen die Betten ausgegangen, und jetzt fesseln sie die Leute an ihre Kojen, an Rohrleitungen an den Wänden, überall.«
»Lieber Himmel! Und wie viele sind inzwischen infiziert?«
»Einhundertachtundachtzig«, sagte Scilla. »Von denen sind inzwischen zweiunddreißig gestorben. Und sie verlieren stündlich weitere.«
»Wie sehen die klinischen Symptome aus?«
»Die Körpertemperatur sinkt um ein, zwei Grad.«
»Und der Geruch? Sie haben von einem Gestank gesprochen.«
»Ja. Sauer.«
»Azidisch? Wie Urin?«
»Stimmt.«
»Ich sag Ihnen, wonach das klingt – nach einer Mykotoxin-Vergiftung«, meinte Connor. »Vielleicht Claviceps purpurea. Mutterkorn. Oder ein Fusarium.«
Scilla nickte. »Deshalb haben wir Sie geholt. Wir sind alle Bakterien-Experten. Aber wir haben niemand, der sich mit Pilzen auskennt. Deshalb haben wir in Porton angefragt, und die haben Sie geschickt.«
»Gibt es noch andere körperliche Auffälligkeiten?«
»Ein paar der Männer haben einen weißen, spiralig wachsenden Pilzbefall im Mund.«
»Hellweiß? Wie Baumwolle? Zuckerwatte?«
»Genau so haben sie es beschrieben.«
»Wie viele sind noch symptomfrei?«
»Inzwischen nicht mal vierzig.«
Connor versuchte das alles zu verdauen. Von einer solchen Virulenz hatte er noch nie gehört. In vier Tagen hatte sich die Infektion über das ganze Schiff ausgebreitet?
Scilla nahm eine dicke braune Umschlagmappe und warf sie auf den Tisch. Auf dem Deckel stand: TOP SECRET. »Lesen Sie das. Ich bin in der Messe, wenn Sie fertig sind.«
Liam las.
Die Mappe enthielt einen zwölfseitigen Bericht, herausgegeben vom US Army Chemical Corps, unterzeichnet von einem Major General William N. Porter. Die Überschrift war schlicht: Zusammenfassung der Aussage von Hitoshi Kitano, Einheit 731. Das Datum war der 2. März 1946. Liam hatte noch nie von Hitoshi Kitano gehört, kannte aber Gerüchte über Einheit 731.
Der Report begann mit einem kurzen Lebenslauf Kitanos. Er war Offizier in der Kwantung-Armee, der japanischen Besatzungsstreitmacht in Nordchina. Er war zweiundzwanzig Jahre alt. Sein Onkel war ein bekannter Oberstleutnant, der 1944 auf den Philippinen gefallen war, und seine Eltern waren bei der Atombombenexplosion in Nagasaki getötet worden. In den letzten zwei Kriegsjahren gehörte Kitano einer biologischen Waffeneinheit namens Einheit 731 an, die in Harbin stationiert war, ein paar hundert Meilen weit nördlich von Peking. In den letzten Kriegstagen kehrte er nach Japan zurück. Die Briten ergriffen ihn in Hirado, unweit von Nagasaki.
Dann folgte Kitanos Bericht über die Einheit 731. Ihre offizielle Bezeichnung lautete »Abteilung der Kwantung-Armee für die Prävention von Epidemien und die Wasserreinigung«, aber ihr wahrer Auftrag war die bakterielle Kriegführung. Laut Kitano war sie Mitte der dreißiger Jahre gegründet worden. Ihr geistiger Vater war ein General namens Shiro Ishii, ein nach japanischen Maßstäben ungewöhnlich skrupelloser und aggressiver, aber unbestreitbar brillanter Mann, der die militärische Führung davon überzeugt hatte, der Schlüssel zum Sieg der Japaner liege in der Entwicklung neuartiger biologischer Waffen.
Die Einheit 731 nahm bald gewaltige Ausmaße an und wurde zum japanischen Gegenstück des Manhattan Project. Sie erforschte und testete biologische Waffen unter allen möglichen Gesichtspunkten. Tausende von Wissenschaftlern, hundertfünfzig Gebäude auf einem sechs Quadratkilometer großen Gelände, und das alles war der Entwicklung und Vervollkommnung biologischer Waffen gewidmet. Sie hatten Pathogene in der ganzen Welt gesammelt, sie getestet, verbessert und die tödlichsten Stämme herausgezüchtet. Daneben nahm sich die Arbeit der Briten in Porton Down und der Amerikaner in Detrick belanglos aus.
Nach Kitanos Angaben hatten sie auch Feldversuche mit den vielversprechendsten Waffen durchgeführt. Im südchinesischen Baoshan hatten sie »Madenbomben« erprobt; dabei handelte es sich um Keramikbehälter, die von Flugzeugen abgeworfen wurden und beim Aufprall am Boden zerbrachen. Sie enthielten eine mit Cholerabakterien durchsetzte Gelatineemulsion und lebende Fliegen. Die choleraverseuchten Fliegen landeten auf Menschen, Tieren, Latrinen und Kochgeschirren und verbreiteten so die Krankheit. Vor diesem Angriff, behauptete Kitano, war die Cholera in der Provinz Yunnan unbekannt gewesen. Innerhalb eines Monats trat sie in sechsundsechzig verschiedenen Bezirken auf, und nach zwei Monaten waren zweihunderttausend Menschen an der Seuche gestorben. Das alles war mit ein paar Bomben bewerkstelligt worden, die Gelatine und Fliegen enthielten und die mühelos mit einem einzigen Flugzeug transportiert werden konnten.
Connor war entsetzt. Die Briten hatten auf Gruinard Island vor der schottischen Küste Anthrax erprobt: Sie hatten dort Schafe angebunden und in der Nähe Anthraxbomben gezündet. Aber Feldversuche an Menschen? An ganzen Städten? Mit hunderttausenden unschuldigen Todesopfern? Es war mit Abstand das umfangreichste Testprogramm biologischer Waffen in der Geschichte der Menschheit.
Es klopfte, und ein Sanitäter kam herein. Er brachte eine Schale mit weißen Tabletten.
»Was ist das?«, fragte Liam.
»Penicillin«, sagte der Sanitäter. »Für den Fall, dass die Erkrankung sich bis hierher ausbreitet.«
»Das wird nicht helfen«, erklärte Liam. »Es sind Pilze, keine Bakterien.«
Der Sanitäter zuckte die Achseln. »Ich habe meine Befehle. Der Behandlungsplan gilt für jeden hier: eine Tablette alle acht Stunden. Wollen Sie sie haben oder nicht?«
Liam winkte ab. Flemings Wunderarznei war hier nutzlos. Gegen eine mykotische Infektion würde Penicillin nichts ausrichten.
Der Sanitäter ging, und Connor nahm seine Lektüre wieder auf. Die letzten zehn Seiten handelten vom triumphalen Höhepunkt der Arbeit, die Einheit 731 geleistet hatte: einem mykotischen Pathogen namens Uzumaki. Übersetzt hieß das: Spirale. Nach Kitanos Angaben war es eine Weltuntergangswaffe, die eingesetzt werden sollte, falls die Amerikaner das japanische Festland überrennen sollten. Kitano leitete die Versuche, bei denen der Uzumaki an lebenden Probanden erprobt werden sollte. Er war äußerst virulent und verbreitete sich über Atemluft, Speichel, Magenflüssigkeit und Fäkalien.
Die letzte Version des Uzumaki, berichtete Kitano, wurde in versiegelten Schatullen aus Hinoki-Holz in sieben kleinen Messingzylindern aufbewahrt – ein Zylinder für jeden der sieben ausgewählten Tokko. Wenn der Befehl käme, würde jeder der Tokko ein U-Boot besteigen und Kurs auf ein bestimmtes Ziel nehmen. Sie sollten den Uzumaki zu sich nehmen, und sowie sie ihn in sich hätten, könnten sie jeden damit infizieren, der Kontakt mit ihnen hätte.
Der letzte Teil des Berichts umfasste eine Einschätzung der Glaubwürdigkeit von Kitanos Aussage. Schon seit 1943 gab es Berichte über ein japanisches Biowaffenprogramm in der Mandschurei. Kitanos Äußerungen deckten sich auch mit Beschreibungen der Einheit 731, die allmählich aus China drangen, und Shiro Ishiis Aussagen passten nahtlos zu dem, was Kitano angegeben hatte. Der japanische General war immer noch am Leben und auf freiem Fuß und verhandelte mit den Amerikanern; für seine Immunität gegen Verfolgung als Kriegsverbrecher bot er ihnen die Unterlagen der Einheit 731 an. Ishii wusste nicht, dass die Amerikaner Kitano hatten, aber bisher entsprachen sich ihre Aussagen weitgehend. Alles in allem war es höchst wahrscheinlich, dass Kitano die Wahrheit gesagt hatte.
Connor rang nach der Lektüre um Fassung, als Scilla zurückkam.
»Hat man die anderen sechs U-Boote gefunden? Oder die Zylinder?«
Scilla schüttelte den Kopf. »Niemand hat diesen Bericht wirklich geglaubt – bis das mit der Vanguard passiert ist und sie Seigo Mori auf dem Deck dieses U-Bootes fanden.«
»Woher wissen Sie seinen Namen?«
»Von Kitano. Ich habe ihn selbst gestern befragt.«
»Er ist hier an Bord?«
Scilla nickte. »Willoughby hat gern alle unter Kontrolle. Kitano sagt, Mori wurde von der Universität Tokio geholt und für den Einsatz bei den Kamikaze-Torpedos ausgebildet. Aber dann änderten sie ihre Pläne und schickten ihn nach Harbin zur Einheit 731 und zu diesem Psychopathen Ishii. Er sagt, da war er neunzehn.«
»Und warum jetzt dieser Angriff? Sechs Monate nach Kriegsende?«
»Wir können nur annehmen, dass dieses U-Boot technische Probleme hatte und ihm dann der Treibstoff ausging. Kitano sagt, Mori sollte an der Pazifikküste hinauf in die Grenzgegend zwischen Washington und Oregon fahren und sich dann an einem großen Trinkwasserreservoir selbst in die Luft sprengen. Stellen Sie sich das vor, Connor. Statt einer Schiffsbesatzung mit dem Uzumaki hätte es eine ganze Stadt voller Leute getroffen. Und vielleicht bald die ganzen verdammten Vereinigten Staaten.«
Scilla führte Liam in die Kabine des Kommandeurs. Vier Männer drängten sich dort: der Kommandeur der North Dakota, Admiral Seymour Arvo, Colonel Charles Willoughby und zwei andere, die Liam noch nicht kannte. Willoughby sah ausgezehrt aus wie ein Kadaver, und angeblich nannte MacArthur ihn seinen »Lieblingsfaschisten«.
Die beiden anderen Männer kamen Liam irgendwie vertraut vor, aber er wusste nicht, warum. Dann dämmerte ihm, dass der schmale Mann mit den aristokratischen Zügen J. Robert Oppenheimer sein musste. Der andere hatte ein kantiges Gesicht, eine runde Nase und einen bohrenden Blick: Hans Bethe. Zwei der bedeutendsten Physiker auf amerikanischer Seite, beide Schlüsselfiguren des Manhattan Project.
Die Männer drängten sich um einen kleinen Kartentisch, der von ungeordneten Papieren übersät war. Liam sah, dass viele der Blätter mit Gleichungen bedeckt waren. Er verstand genug von Physik, um auf einem davon die Bernoullische Gleichung zu erkennen. Auf einem anderen war eine Skizze, die aussah wie eine Schockwelle.
Oppenheimer hob den Kopf. »Das ist unser Pilzfachmann?«
»Liam Connor«, sagte Scilla. »Aus Porton.«
»Eine Frage«, sagte der Mann. »Welche Höchsttemperatur kann eine Pilzspore überstehen und noch lebensfähig bleiben?«
»Kommt darauf an, wie lange sie ihr ausgesetzt ist«, sagte Liam.
»Sagen wir, einen Sekundenbruchteil.«
»Vielleicht einhundert Grad.«
»Einhundert Grad. Sind Sie sicher?«
»Nein, sicher bin ich nicht. Es könnte mehr sein. Warum?«
»Was ist mit einer Schockwelle?«, fragte Bethe, sein deutscher Akzent deutlich hörbar. »Mit einer Beschleunigung von, sagen wir, dreißig g?«
»Das würde wahrscheinlich nichts ausmachen. Es würde die Spore nicht beeinträchtigen.«
»Und Strahlung? Gammastrahlung?«
Jetzt begriff Liam, was die beiden Männer vorhatten. »Sie wollen die Vanguard in die Luft jagen«, stellte er fest. »Mit einer Atombombe.«
»Es sei denn, Sie hätten eine bessere Idee«, sagte Oppenheimer.
Hitoshi Kitano wurde in einer kleinen Kabine festgehalten, die normalerweise als Offiziersquartier diente. Zwei Matrosen standen als Wache vor der Tür. Einer von Willoughbys Lieutenants, ein Mann namens Anderson, begleitete Connor. Er sprach nicht viel, kritzelte aber ständig in ein kleines rotes Notizbuch.
Liam war müde, aber hellwach, und seine Nerven waren angespannt. Bethe und Oppenheimer hatten ihn eine Stunde lang über Pilze und Sporen ausgefragt, um zu entscheiden, ob eine Atomexplosion den Uzumaki vernichten oder nur seine Sporen in die obere Atmosphäre schleudern würde, wo der Jetstream sie dann über die ganze Welt verteilen würde. Wahrscheinlicher war die Vernichtung, aber das Urteil stand noch aus. Connor seinerseits hatte sie davor gewarnt, nichts zu tun. Wenn es sich, wie er vermutete, um einen Pilz der Gattung Fusarium handelte, bestand die große Gefahr, dass er sich auch ohne die Hilfe einer Atomexplosion um die Welt verbreitete. Viele Fusarium-Arten gediehen im Darm von Zugvögeln. Ein solcher Vogel konnte sich infizieren und innerhalb von ein paar Tagen tausend Meilen weit weg sein. Sogar sein Gefieder barg ein hohes Risiko, denn es war ein idealer Träger für die Sporen.
Kitano stand auf, als Connor hereinkam. Er war sehr mager; die Kleider hingen lose an seinem Körper, und die Haut spannte sich über die kantigen Knochen seines Gesichts. Er trug Handschellen, und seine rechte Wange war sichtbar geschwollen. Scilla hatte gesagt, er litte an einem entzündeten Zahn. Er habe jede Behandlung und alle Medikamente zurückgewiesen und sich schließlich bereitgefunden, ihn ziehen zu lassen, allerdings ohne Betäubung. Es hieß, er habe dabei kaum mit der Wimper gezuckt.
Sie machten sich höflich miteinander bekannt. Kitanos Englisch klang hart und klar; er sprach mit Akzent, aber gut verständlich. Er saß kerzengerade auf seinem Stuhl. Liam schätzte, dass der Mann nicht älter war als er selbst, aber er sah auf eine unbestimmte Weise alt aus, die Liam nicht sofort ergründen konnte. Aber dann erkannte er: Es waren die Augen. Seine Augen wirkten tot.
Connor hatte mehrere Fragen an Kitano. Die wichtigste war, wie die Japaner sich davor schützen wollten, dass die Tokko-Missionen auf sie zurückfielen. Biologische Waffen waren notorisch schwer unter Kontrolle zu halten. Für Connor war es unvorstellbar, dass die Japaner eine so virulente Waffe wie den Uzumaki einsetzten, wenn sie keine Möglichkeit hätten, ihr eigenes Volk zu schützen. Wenn es sich um einen in Japan heimischen Pilz handelte, waren sie vielleicht von Natur aus resistent dagegen, oder es gab ein altes Hausmittel gegen die Infektion. Andererseits konnten die Wissenschaftler der Einheit 731 auch ein vorbeugendes oder sogar ein heilendes Mittel entwickelt haben. Es gab kein gutes Antimykotikum, das wusste Connor. Aber wer bereit war, Menschen zu töten, konnte vielleicht auch eins entwickeln. Man infizierte einen Gefangenen, und man versuchte, ihn zu kurieren. Wenn es schief ging, versuchte man es mit dem nächsten. Aber wenn ein solches Programm bei der Einheit 731 existiert hatte, würde er jede Wette eingehen, dass Hitoshi Kitano davon wusste.
»Ich bin Wissenschaftler – Mykologe«, sagte Connor. »Ich erforsche Pilze. Fungi. Schimmel.«
Kitano nickte. »Mein Vater war auch Wissenschaftler, Ornithologe. Er hat hauptsächlich Elstern studiert, aber er hatte auch Tauben. Meine Mutter sagte immer, er liebte die Vögel mehr als sie.«
»Meine Frau sagt das Gleiche. Über mich und die Pilze.«
Kitano lächelte zurückhaltend.
»Ich habe gehört, Ihre Eltern sind in Nagasaki gestorben. Das tut mir leid.«
»Viele sind gestorben. Auf beiden Seiten.« Kitano legte den Kopf schräg wie ein Vogel. »Ich habe eine interessante Tatsache erfahren. Von Professor Oppenheimer. Er sagt, Nagasaki war ursprünglich nicht das Ziel. Das war Kokura. Aber über Kokura war es bewölkt, und deshalb sind sie nach Nagasaki geflogen.«
Connor nickte und kam dann zur Sache. »Die Einheit 731. Sie haben an dem Uzumaki gearbeitet. Wie haben Sie die verschiedenen Stämme gezüchtet?«
»Ich bin kein Biologe. Ich war Ingenieur. Ich habe die Tests lediglich beaufsichtigt. Wenn ich es recht verstanden habe, haben sie eine Möglichkeit gefunden, einzelne Eigenschaften miteinander zu mischen. Sie konnten die Pilze verändern und sie veranlassen, die Eigenschaften anderer Pilze anzunehmen. Ich glaube, sie haben die Sporen mit speziellen Chemikalien gemischt. Aber ich weiß nicht, womit.«
»Waren das Säuren oder Basen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Haben sie Handschuhe getragen?«
»Ja. Gummihandschuhe. Und Masken, nach der Freisetzung.«
»Wie haben Sie die vollzogen?«
»Wir haben die Uzumaki-Varianten den Maruta injiziert und darauf gewartet, dass der Wahnsinn einsetzte.«
»Den Maruta?«
»So nannten wir die Gefangenen. Maruta bedeutet ›Holzklötze‹.«
»Holzklötze? Das verstehe ich nicht.«
»Offiziell war die Einheit 731 ein Sägewerk. Wir haben Holz geschnitten. Und wir konnten so viel Holz bekommen, wie wir wollten. Wir brauchten nur ein Antragsformular auszufüllen.«
Connor hatte Mühe, seinen Abscheu zu verbergen. Die Bürokratie des Genozids. Ähnlich war es in den deutschen Todeslagern gewesen, bei den Experimenten Mengeles. Menschen wurden zu Fleischklumpen, die man manipulierte, quälte und schließlich wie Ratten beseitigte.
Kitano fuhr fort. »Wenn wir sie infiziert hatten, ließen wir sie auf eine Glasscheibe atmen. Auf diesen Glasscheiben kultivierten die Ärzte dann die Sporen. Dazu waren viele Versuche nötig, aber schließlich hat es funktioniert. Es gab eine Variante, die höchst infektiös war und über die Atemluft verbreitet werden konnte. Diesen Maruta nannten wir die ›Mutter‹. Die Mutter des Uzumaki.«
»Wie viele Versuche waren dazu nötig?«
»Vielleicht drei- oder vierhundert.«
»Sie haben mehrere hundert Leute bei diesen Versuchen umgebracht?«
»Für den Uzumaki haben wir achthundertsiebzehn getötet, bis wir die Mutter hatten. Aber es gab viele solche Programme. Alles in allem haben wir zirka zehntausend Maruta verbraucht.«
»Zehntausend? Wie haben Sie das ausgehalten? Das ist unmenschlich. Grauenhaft.«
»Vielleicht. Aber die Probanden bei der Einheit 731 wurden gut behandelt, gut ernährt. Nicht wie in den anderen Gefangenenlagern. Üblicherweise haben wir ihnen einen Erreger injiziert und die Dosis systematisch verändert. Dann haben wir beobachtet, wie die Erkrankung bei ihnen fortschritt. Es war äußerst effektiv. Verschiedene Stämme konnten immer wieder miteinander gekreuzt werden, und die tödlichsten Varianten wurden sorgfältig ausgewählt, indem sie den Gefangenen injiziert und dann aus dem Blut derjenigen kultiviert wurden, die am schnellsten starben. Wenn sie die ersten Symptome zeigten, wurden sie konstant überwacht – Temperatur, Blutdruck, Reaktionszeiten. Manche wurden auch seziert.«
»Wenn sie gestorben waren?«
»Nein. Lebend und ohne Betäubung.«
Connor war fassungslos. »Warum um Himmels willen haben Sie das getan?«
»Um ein möglichst akkurates Ergebnis zu erzielen. Eine Anästhesie verursacht biochemische Veränderungen im Blut und an den Organen. Der Tod ebenso.«
»Aber das ist Mord. Sadistischer, unmenschlicher Mord.«
»Nicht Mord, Mr Connor. Forschung. Sehr wichtige wissenschaftliche Forschung.«
Es klang, als rede Kitano von sezierten Fröschen. Liam atmete tief durch und versuchte sich zu konzentrieren. »Wer waren Ihre Probanden?«
»Manche waren Spione, andere Kriminelle. Die Übrigen waren chinesische Zivilisten. Sie wurden in den Städten der Umgebung von der Straße geholt und mit schwarzen Lastwagen abtransportiert. Die Maruta wurden abgeladen, und die Lastwagen fuhren wieder los.«
»Und dann haben Sie sie getötet.«
Kitano lächelte herablassend. »Das war unsere Aufgabe, Corporal Connor. Neue Waffen zu entwickeln. Sie zu erproben. Die Wissenschaftler der Einheit 731 waren nicht anders als Ihre Physiker, die die Atombombe entwickelt haben. Machen Sie sich nichts vor. Seigo Mori war nicht anders als der amerikanische Pilot, der Nagasaki zerstört hat.« Kitano beugte sich vor und legte die gefesselten Hände auf den Tisch. »Ich kannte Mori. Er war ein sehr sanfter Mann, Mr Connor. Sein Vater war Fabrikarbeiter und starb, als Mori erst drei war. Er erzählte oft von seiner Mutter und seinen Schwestern, die ihn, den einzigen Mann im Hause, umsorgten. Er wäre gern Dichter geworden. Aber er war bereit zu sterben.«
Connor stellte die Frage, die ihm auf den Nägeln brannte. »Sie müssen aber eine Möglichkeit haben, den Uzumaki zu stoppen. Um Japan zu schützen.«
»Nein.«
»Aber wenn er den Weg zurück nach Japan fände, würde er Millionen Ihrer eigenen Landsleute töten. Wie konnten Sie das riskieren?«
»Wir hatten keine andere Wahl. Der Uzumaki war unser letztes Mittel. Er sollte eingesetzt werden, wenn alles verloren wäre. Wenn Japan nichts mehr zu verlieren hätte. Der Uzumaki ist – wie sagt man – die Weltuntergangswaffe. Ist sie einmal losgelassen, holt nichts sie zurück.«
Zwei Matrosen an Deck der North Dakota zeigten zum Himmel.
Connor folgte ihrem Blick, aber er konnte nichts entdecken. Er sprach eben mit Scilla über das, was er von Kitano erfahren hatte, und Scilla berichtete ihm von den neuesten Entwicklungen an Bord der Vanguard. Es waren keine guten Nachrichten. Sie hatten die Besatzung unter Deck verbannt, um das Risiko der Verbreitung des Uzumaki einzudämmen, aber ein paar Matrosen hatten sich bewaffnet und auf dem Vordeck verschanzt. Sie hatten bereits drei andere erschossen, die versucht hatten, sie aufzuhalten. Connor hörte mit Schrecken, dass sie sich unter freiem Himmel aufhielten. Früher oder später konnten Sporen in einen Luftstrom gelangen, über das Wasser wehen und eins der anderen Schiffe infizieren.
Connor suchte die Stelle am Himmel ab, auf die die Matrosen deuteten. Es dauerte eine volle Minute, bis er es sah.
Zuerst war es kaum mehr als ein schwarzer Punkt, der langsam durch das weite Blau zog.
»Nein«, sagte Liam. »O nein, nein, nein.«
Scilla griff nach einem Fernglas. »Das ist eine verdammte Gans«, stellte er fest.
Sie waren Hunderte von Meilen von allem Land entfernt. Tage konnten hier vergehen, ohne dass man einen Vogel zu Gesicht bekam. Aber das verfluchte Biest kam geradewegs auf sie zu. »Hau ab«, sagte Connor. »Verschwinde hier.«
Er spähte über das offene Wasser zur USS Vanguard hinüber. Die Belagerung auf dem Vordeck war noch im Gange. Eine Gruppe startete von mittschiffs her einen Angriff, aber die Matrosen feuerten unter lauten Beschimpfungen zurück. Sie waren völlig wahnsinnig.
Scilla stand totenstill da und beobachtete die Gans durch das Fernglas. »Flieg weiter«, flüsterte er.
Jetzt konnte Connor die Umrisse der Gans erkennen – ihre breiten Schwingen, den langsamen Flügelschlag. Sie kam näher, immer noch hoch am Himmel, aber in langsamem Sinkflug. Connor versuchte, sie mit der Kraft seines Willens zu vertreiben. »Weiter«, murmelte er, »flieg weiter.«
Aber die Gans hörte nicht. Sie tat das Schlimmste, was sie tun konnte: Sie nahm Kurs auf die Vanguard und senkte sich in immer engeren Spiralen zum Schiff herab. Die beiden Männer beobachteten, wie sie schließlich noch einmal mit den Flügeln flatterte und dann sanft auf dem Deck der USS Vanguard landete.
»Verdammt!«, sagte Scilla.
Connor sah durch das Fernglas, wie einer der Männer auf der Vanguard mit einem Gewehr auf den Vogel zielte.
»Nein, nein, nein!«, schrie er, als könnte man ihn über die weite Distanz zwischen den beiden Schiffen hören. »Holen Sie eine Persenning! Decken Sie sie zu!«
Der Matrose schoss.
Die Gans flatterte davon.
Ein schneller Kreuzer und ein Zerstörer wurden auf die Jagd nach der Gans geschickt. Sie hielten ständigen Funkkontakt miteinander, aber selbst mit voller Kraft konnten sie bei dem Tempo der Gans kaum mithalten. Der Zerstörer feuerte sogar mit seinen Vier-Zoll-Geschützen auf den Vogel – ein vergeblicher Versuch, als wollte man mit einem Gewehr auf eine Fliege schießen. Es wäre zum Lachen gewesen, wenn nicht so viel auf dem Spiel gestanden hätte. Zweimal dachten sie, sie hätten den Vogel verloren, aber dann sahen sie ihn wieder am Himmel, wo er stetig westwärts flog. Schließlich jedoch verschwand er in einer Wolkenbank und wurde nicht mehr gesehen.
Auf dem Schiff wurde es still. Die beiden Verfolger pflügten sich in der Ferne durch die See und suchten nach der verlorenen Gans. Per Funk wurden in aller Eile Flugzeuge aus Tokio heranbeordert, die sich an der Suche beteiligten.
Willoughby war in der Nähe. Puterrot im Gesicht redete er mit einem Major. »Stellen Sie sich vor, die Russen haben das Zeug«, sagte er. »Die Russen waren die Ersten in Harbin. Was ist, wenn einer von diesen Zylindern in Stalins Hände fällt? Glauben Sie, der würde ihn nicht benutzen?«
Sie saßen in der Klemme. Wenn sie nichts unternähmen, würde der Uzumaki sich früher oder später über die Vanguard hinaus ausbreiten, entweder durch einen Vogel oder durch den Wind, der die Sporen verwehte. Wenn sie das Schiff in die Luft jagten, würden sie Hunderte von Männern töten und riskieren, den Uzumaki hoch in die Atmosphäre zu schleudern. Es war eine Zwickmühle. Sie würden so oder so verlieren.
War der Uzumaki wirklich eine Weltuntergangswaffe? Konnte die Gans, die da weggeflogen war, eine Katastrophe von historischen Ausmaßen auslösen? Die Welt hatte soeben den brutalsten Zerstörungskrieg ihrer Geschichte erlebt. Stand das Schlimmste noch bevor?
Nein.
Die Japaner mussten irgendeine Möglichkeit gefunden haben, sich zu schützen. Liam konnte nichts anderes glauben. Eine ganze Nation beging nicht einfach Selbstmord. Und wenn sie ein Heilmittel hatten, würde Kitano davon wissen. Kitano verheimlichte ihm etwas, das spürte Liam. Und er wusste auch schon, wie er es herausbekommen würde.
Er ging unter Deck und zu Kitanos Kabine. In der Aufregung um die Gans war Kitano vergessen worden. Nur ein einsamer Posten stand vor seiner Tür.
Der Mann hielt ihn an. »Hier darf niemand hinein.«
»Ich bin autorisiert«, log Connor.
»Von wem?«
»Von Willoughby.«
»Hat man mir nicht gesagt.«
»Alle machen sich Sorgen wegen der Gans. Ist wahrscheinlich untergegangen. Soll ich –?«
»Nein, nein. Ist okay.«
Liam setzte sich Kitano gegenüber.
»Eine Gans ist auf der Vanguard gelandet und wieder weggeflogen. Möglicherweise hat sie sich infiziert. Sie ist in nördlicher Richtung abgeflogen.«
Keine Reaktion. Kitano blieb unverändert: ein kalter Blick und eine gleichmütige Haltung.
»Im Norden liegt Japan. Die Gans fliegt nach Japan.«
Immer noch keine Reaktion. Warum nicht? Die Gans konnte leicht den Weg zum japanischen Festland finden, das ungefähr tausend Meilen weit im Norden lag. Sie konnte Japan verwüsten. Wieso war Kitano nicht beunruhigt?
Connor fragte ihn noch einmal über den Uzumaki aus und hörte aufmerksam zu, als der Mann mit hartem Gesicht noch einmal von den Tests sprach. Auf Connors Nachfrage beschrieb Kitano sorgfältig jedes einzelne Experiment, das er in Harbin gesehen oder von dem er gehört hatte. Es war grausig, entsetzlich – und nutzlos. Kitano beschrieb nichts, was auf die Suche nach einem Impfstoff oder einem Heilmittel hätte schließen lassen. Es ging immer nur um den Tod.
»Sie sehen, dass Sie sich irren«, sagte Kitano schließlich. »Es gibt kein Mittel.«
»Ich glaube Ihnen nicht.«
Er sah ein Flackern in Kitanos Blick. »Ich will Ihnen von unseren Versuchen in Nigbo erzählen. Aus tieffliegenden Flugzeugen haben wir Weizen abgeworfen, der mit Beulenpesterregern verseucht war. Bei der üblichen Beulenpest sterben neun von zehn Infizierten. An dem Erregerstamm, der über die Leute von Nigbo abgeworfen wurde, sind neunundneunzig von hundert gestorben.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Unter den Toten waren sieben Angehörige unseres Teams. Die Forscher haben sich die Krankheit selbst zugezogen. Sie sind gestorben. Ishii hatte kein Mittel gegen die Beulenpest. Aber das hat ihn nicht gehindert. Es hat uns nicht gehindert. Wir haben keine Angst vor dem Tod, Mr Connor. Das müssen Sie verstehen, wenn Sie uns verstehen wollen.«
Liam musterte Kitano und versuchte einen Blick in seine Seele zu werfen. Kitano hatte recht; die Japaner hatten immer wieder gezeigt, dass sie unempfindlich gegen eigene Verluste waren. War es wirklich möglich, dass sie alle diese Versuche unternommen hatten, ohne sich selbst zu schützen? Der Uzumaki war die ultimative Tokko-Mission, der selbstmörderische Angriff einer ganzen Nation, die damit die Welt in den Untergang stürzte.
Aber er ließ nicht locker und stellte Kitano weitere Fragen. Hat einer der Tokko jemals einen anderen Namen außer Uzumaki erwähnt? Nein. Haben Sie je gesehen, dass einer von ihnen Medikamente eingenommen hat? Irgendetwas? Nein. Aspirin? Nein. Ein Pulver? Nein. Nichts? Nein. Connor hatte ihm alle diese Fragen schon einmal gestellt? Es war, als seien sie beide an ein Rad gefesselt, das sich immerzu um sich selbst drehte: kreisende Fragen, die ihn der Antwort kein Stück näher brachten.
Er starrte Kitano an – sein schmales Gesicht, die von der Zahnbehandlung geschwollene Wange. Und aus heiterem Himmel traten zwei Bilder vor sein geistiges Auge. Das erste war ein Autoklav, ein Gerät zum Sterilisieren von Instrumenten.
Das zweite war der Sanitäter, der die Penicillin-Tabletten verteilte. Sie waren wirkungslos. Der Uzumaki war kein Bakterium, sondern ein Pilz.
Des Rätsels Lösung schimmerte vor ihm auf.
Liam verfolgte seinen Gedanken weiter. Penicillin. Der berühmteste Pilz der Welt. Zu Anfang des Krieges waren Tausende von Soldaten an bakteriellen Infekten gestorben. Aber nachdem die Amerikaner 1943 die industrielle Massenproduktion von Penicillin zur Reife gebracht hatten, waren die alliierten Soldaten nicht mehr gestorben. Das Antibiotikum hatte enorme Auswirkungen auf die Kriegsanstrengungen gehabt. Bei Kriegsende gab es kaum noch einen amerikanischen oder britischen Soldaten, der das Medikament nicht irgendwann genommen hatte.
Die Japaner hatten kein Penicillin. Die Japaner starben weiter.
Sie hatten natürlich daran gearbeitet, aber sie waren nicht über das Stadium der Herstellung in winzigen Dosen hinausgekommen. Wahrscheinlich gab es nicht mehr als eine Hand voll Japaner, die das Mittel schon einmal bekommen hatten.
War das vielleicht das fehlende Puzzlesteinchen? Je länger Liam darüber nachdachte, desto mehr Sinn ergab es. Brillant: Aus der Schwäche eine Stärke machen.
Er sah Kitano an und starrte ihm ungefähr eine halbe Minute lang fest in die Augen. Dann sagte er: »Penicillin.« Unwillkürlich flackerte etwas in Kitanos Blick. Er wusste, worum es ging. Aber sofort wurden seine Augen wieder leblos und starr.
Ein Kribbeln lief Liams Rückgrat herauf. »Sie haben Ihren Testpersonen Penicillin verabreicht, nicht wahr?«
Kitano wollte etwas sagen, stockte und brach wieder ab. Seine Hand zitterte. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
Connor stand auf. »Doch, das wissen Sie genau, Sie verdammter Drecksack.«
Die Maschinen liefen mit voller Kraft, als Connor auf die Brücke kam.
Penicillin. Das war der Unterschied. Die Alliierten besaßen Penicillin, die Japaner nicht. Penicillin hatte eine Nebenwirkung. Nach einer Behandlung mit dem Medikament war der menschliche Verdauungstrakt nahezu frei von Bakterien. Ja, es tötete die problematischen Keime und rettete dem Patienten das Leben. Aber es vernichtete auch die nutzbringenden Bakterien, unter anderem diejenigen, die eindringende Pilze in Schach hielten, so dass der Patient dagegen ungeschützt war. Hefepilzinfektionen und Soor gehörten zu den verbreiteten Pilzinfekten, die nach der Behandlung mit Penicillin eintreten konnten. Ohne die notwendigen Darmbakterien war der menschliche Körper schutzlos.
Schutzlos, begriff Connor, gegen den Uzumaki.
»Befehlen Sie sofort allen, kein Penicillin mehr zu nehmen«, rief Liam, als er die Brücke erreichte. »Das Penicillin macht uns verwundbar.«
Alle auf der Brücke waren voller Ernst beschäftigt, so dass kaum einer Liam zur Kenntnis nahm. Die USS North Dakota entfernte sich von der Vanguard, und die übrigen Schiffe taten das Gleiche. »Was ist los?«, fragte Connor. »Ist es die Gans?«
»Nein«, antwortete Scilla. »Die Gans ist auf einem der Verfolgerschiffe gelandet, ein Matrose hat eine Persenning drübergeworfen und sie totgeschlagen.« Er reichte Connor sein Fernglas. »Schauen Sie zum Heck.«
Liam spähte durch das Glas auf die Vanguard. Ein paar Matrosen waren aufgeknüpft worden, und andere schlugen mit Metallstangen auf sie ein. Einer stieß ein Bajonett in die baumelnden Leiber.
»Da ist die Hölle los. Sie sind völlig durchgedreht«, sagte Scilla. »Der Captain der Vanguard hat geschrien und getobt und dann die Funkverbindung abgebrochen.« Scilla öffnete das Schott zur Brücke. »Willoughby hat vor zwei Stunden den Bomber angefordert. Er wird jeden Augenblick hier sein.«
Erst war es nur ein Punkt am Horizont.
»Sind wir weit genug weg?«, hörte Connor einen Matrosen nervös fragen.
»Fünf Meilen«, antwortete jemand.
Das Flugzeug wurde größer und kam schnurgerade auf sie zu. Bald hörten sie das Grollen, das kehlige Propellerdröhnen einer B-29 Superfortress.
Connor beobachtete, wie die B-29 direkt über ihnen in unglaublicher Höhe vorüberzog. Unter ihr erschien ein zweiter Punkt, der sich von ihr gelöst hatte. In einem anmutigen Bogen sank er herab und wurde von Sekunde zu Sekunde größer, ein Stein, der vom Himmel herabgeworfen wurde.
Während er fiel, dozierte Bethe: »In der Bombe wird eine kugelförmige Hülse mit Sprengstoff detonieren. Es handelt sich um einen Implosionssprengsatz: Der Sprengstoff generiert eine nach innen gerichtete Schockwelle, die ein ungeheures Maß an Hitze und Druck hervorbringt und das in der Bombe enthaltene Plutonium komprimiert, so dass eine kritische Masse entsteht. Es ist ganz einfach. Ein begabter Physikstudent könnte so etwas entwerfen.«
Kurz bevor die Bombe aufprallte, strahlte ein gleißender Blitz auf. Zum vierten Mal in der Geschichte der Menschheit setzte eine nukleare Kettenreaktion ein, vervielfachte sich, breitete sich aus und verdampfte alles, was sie erfasste. Hitze, Luft und Staub wurden in den Himmel geschleudert.
Kitano spürte die Schockwelle, die das Schiff traf wie ein riesiger Hammer. Er wurde nach hinten geworfen und schlug mit dem Kopf hart gegen die Wand. Er schüttelte sich einmal und konzentrierte sich wieder auf das, was jetzt wichtig war. Der Augenblick war gekommen. Connor kannte das Geheimnis. Jetzt musste er handeln.
Seine Hände waren mit Handschellen gefesselt, aber das war kein ernsthaftes Hindernis. Er schob den Mittelfinger der rechten Hand in den Mund und schob die Zähne exakt auf das Gelenk, wie er es hundert Mal an lebenden Gefangenen geübt hatte. Er biss durch die Haut und durchtrennte das Gelenk vor dem Mittelhandknochen – so sauber, wie er es mit den Fingern der Gefangenen getan hatte.
Der Schmerz bedeutete nichts. Kitano war größer als jeder Schmerz.
Er spuckte den Finger auf den Tisch. Schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen.
Er konzentrierte sich, packte den Finger und brach den Knochen auf der Tischkante durch. Ein kleines Messingröhrchen, kaum dicker als eine Nähnadel, ragte neben dem Knochen heraus.
Kitano blutete stark. Sicher tauchten sie jeden Augenblick hier auf. Aber das machte nichts. Er brauchte nur noch ein paar Sekunden.
Er hörte ein Klicken. Die Tür öffnete sich.
Das Erste, was Liam sah, als er die Kabinentür öffnete, waren die Blutspritzer auf dem Stahlboden. Er spähte hinein. Die Kabine war leer. Wo war Kitano? War er geflohen?
Er trat ein, und Kitano sprang hinter der Tür hervor und schleuderte ihn seitwärts gegen die Wand. Liam spürte ein Krachen in der Schulter, und Schmerz flammte auf. Er wirbelte herum, und Kitano versetzte ihm einen Kopfstoß. Blut schoss ihm ins Auge. Geblendet gelang es ihm trotzdem, Kitano wegzustoßen und eine Sekunde lang durchzuatmen.
Aber nur eine Sekunde. Der Kampf ging weiter, stumm und wütend. Kitano stürzte sich wieder auf ihn, die Hände mit den Handschellen wie eine Keule über den Kopf erhoben. Liam duckte sich und rammte Kitano die Schulter in den Leib. Beide gingen zu Boden.
Die Prügelei schien Stunden zu dauern, aber später schätzte Liam, dass es nur ungefähr dreißig Sekunden gewesen waren. Schließlich gelang es ihm, den entscheidenden Schlag anzubringen. Er konnte Kitano in den Rücken fallen und ihn mit dem Kopf voran gegen das stählerne Schott neben der Tür stoßen. Benommen, beinahe besinnungslos, stürzte Kitano zu Boden.
Der Mann war rot besudelt, und überall war Blut.
Liam keuchte wie nach einem Marathonlauf. Seine Schulter tat höllisch weh. »Sie wussten die ganze Zeit von dem Penicillin.«
Kitano antwortete nicht. Sein Blick war undurchdringlich.
Connor sah sich um, und vor seinen Füßen entdeckte er den blutigen Finger.
Er packte Kitanos Hand. Die rechte. Die ersten beiden Glieder des Mittelfingers fehlten.
Kitano hatte sich den Finger abgebissen.
Was zum Teufel …?
Liam stieß mit der Schuhspitze gegen den Finger am Boden und bückte sich dann, um ihn genauer zu betrachten. Aus dem Fleisch ragte etwas Kleines aus Messing.
Er zog es heraus und wischte das Blut mit den Fingern ab. Es war vielleicht einen Zoll lang und ausgehöhlt. Ein kleiner Messingzylinder, eine Miniaturversion der Zylinder der sieben Tokko, die Kitano ihm beschrieben hatte. Zylinder, die den Uzumaki enthielten.
»Erzähl mir alles, du Dreckschwein. Sofort!«