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Cover

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Band 61 – Die verlorenen Himmel

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Prolog

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Band 62 – Callibsos Puppen

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Band 63 – Die Sternengötter

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Band 64 – Herrin der Flotte

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Leseprobe Perry Rhodan-Buch 125 - Fels der Einsamkeit

Vorwort

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Band 65 – Die brennende Welt

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Leseprobe Perry Rhodan-Buch 125 - Fels der Einsamkeit

Vorwort

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Band 66 – Novaals Mission

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Intro

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Leseprobe Perry Rhodan-Buch 125 - Fels der Einsamkeit

Vorwort

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Band 67 – Das Haus Pathis

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Band 68 – Kampf um Ker'Mekal

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Epilog

Band 69 – Wächter des Archivs

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Band 70 – Revolte der Naats

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Prolog

Teil I – Die Ruhe vor dem Sturm

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Teil II – Der Sturm zieht auf

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Teil III – Orkan

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Epilog

Band 71 – Die Kriegswelt

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Ein anderer Ort, eine andere Zeit:Vom Nutzen der Angst

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Band 72 – Epetrans Vermächtnis

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Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

Im Sommer 2037 haben Perry Rhodan und seine Gefährten endlich das Arkon-System erreicht, das Zentrum des Großen Imperiums. In einem Sternhaufen außerhalb der Milchstraße ballen sich zahlreiche besiedelte Sonnensystemen, und Arkon selbst ist eine Ansammlung faszinierender Welten.

Doch zum Staunen bleibt den Menschen keine Zeit: Sie müssen das sogenannte Epetran-Archiv finden und die Koordinaten der Erde daraus löschen. Diese Koordinaten dürfen nicht in die Hand mächtiger Arkoniden fallen – denn diese würden keine Sekunde zögern, die Erde zu vernichten.

Rhodan und seine Begleiter müssen feststellen, wie fragil das mächtige Imperium in Wirklichkeit ist. Von außen scheint die uralte Gefahr der fremdartigen Maahks zu erwachen, im Innern ringen mächtige Bündnisse um Einfluss. Wie es aussieht, steht ein Bürgerkrieg bevor – und dieser könnte auch die Erde mit ihren Bewohnern erfassen ...

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Band 61

 

Die verlorenen Himmel

 

von Oliver Plaschka

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

Als der Astronaut Perry Rhodan im Juni 2036 zum Mond aufbricht, ahnt er nicht, dass sein Flug die Geschicke der Menschheit in neue Bahnen lenken wird.

Rhodan stößt auf ein Raumschiff der technisch weit überlegenen Arkoniden. Es gelingt ihm, ihre Freundschaft zu gewinnen – und schließlich die Menschheit in einem einzigen, freiheitlichen Staat zu einen: der Terranischen Union.

Perry Rhodan hat das Tor zu den Sternen geöffnet. Doch die neuen Möglichkeiten bergen neue Gefahren: Von dem Gelehrten Crest da Zoltral erfährt er, dass die Koordinaten der Erde im Epetran-Archiv auf Arkon gespeichert sind. Mit einigen Gefährten startet Rhodan ins All. Er muss die Koordinaten löschen, bevor sie in die falschen Hände geraten und die Macht des Großen Imperiums die Erde zerschmettert.

Rhodan stößt in den Kristallpalast vor, das Zentrum der arkonidischen Macht. Doch er und seine Gefährten werden überrascht – und der Mutant Iwan Goratschin wird zum Werkzeug des Regenten ...

Der Geist ist sich sein eig'ner Raum, und schafft

den Himmel sich zur Höll', die Höll' zum Himmel ...

Die Herrschaft selbst ist Ziel, selbst in der Hölle:

Besser Herrscher in der Höll' als Knecht im Himmel.

 

John Milton, Das verlorene Paradies

 

 

Prolog

 

Er erwachte mit dem Gefühl, allein zu sein.

Das Gefühl war ihm vertraut: einsam, stolz, majestätisch war er, Gebieter über die Leere und über die Nacht. Er war der Abtrünnige – doch er war hell wie ein Stern in diesen Minuten.

Doch im selben Maße, wie er zu sich kam, sank der Stern herab wie ein Samenkorn, das Wurzeln schlagen wollte. Er landete am Rande eines dunklen Meeres, wurde zu einem Leuchtfeuer, einem Turm, einem Palast, der emporwuchs, um die Dunkelheit, die an seine Küste drängte, in ihre Schranken zu weisen.

Eine Spur von Sorge mischte sich in dieses Bild – Sprünge in seinem Palast. War er wirklich allein? Er wusste es nicht. Einsam? Mit Sicherheit. Doch einzigartig ...?

Er schüttelte den Gedanken ab. Früher oder später würde er ihn wieder einholen, so, wie alle Gespenster der Vergangenheit ihn eines Tages wieder einholen würden. Diese Gespenster waren ein Teil von ihm, seit so langer Zeit schon, dass ihre Schar sich dereinst als übermächtig erweisen könnte. Dann würden sie kommen, um ihn zu verschlingen, gierig wie das Meer in seinem Traum.

Vielleicht bemaß sich seine wahre Größe in der Flut der Gespenster, denen er gebot. Vielleicht war es das, worauf er stolz sein sollte: So viele von ihnen ins Dunkel getrieben zu haben und immer noch hier zu sein. Ein Bollwerk für die Ewigkeit.

Der Gedanke spendete ihm Kraft. Er brauchte weder Gesellschaft noch Hilfe. Er kannte das alles – jedes Aufwachen war immer wie dieses: erst die Einsamkeit, dann die Zweifel, dann die Zuversicht, die Geister für einen weiteren Tag gebannt zu haben.

Sofern er träumte, so, wie andere das taten, erinnerte er sich nicht daran. Oder er hatte vor langer Zeit damit aufgehört. Man sollte meinen, dass im Laufe eines endlosen Lebens mehr als genug Trugbilder über die nächtliche Bühne tanzten, die das Gehirn dem Bewusstsein bereitete. Doch der einzige Besucher, der nachts zu ihm kam, war dieses dunkle Meer, der Ozean der Schrecken, dem er sich entgegenreckte und Einhalt gebot.

Wer konnte schon sagen, was die Zeit mit einem machte? Je länger er lebte, desto mehr gemahnte ihn der Schlaf an den Tod – die letzte Dunkelheit, die er niemals kennen würde.

Ein Gefühl der Kälte beschlich ihn bei dem Gedanken.

Es war an der Zeit. In der Gewissheit, dass es ewig so weitergehen würde – dass dies der unabänderliche Gang der Dinge war –, schlug er die Augen auf.

Und blickte in sein eigenes Gesicht, das auf ihn herablächelte.

Ein perfektes Spiegelbild.

Einsam? Mit Sicherheit. Doch einzigartig ...?

Die Kälte seiner Haut und überall um ihn herum sprach eine andere Sprache.

»Hallo«, sagte er zu sich selbst.

 

Sie flohen.

Sie flohen durch einen langen Korridor in den obersten Etagen des Kristallpalasts: Perry Rhodan, der greise Onat da Heskmar und die geblendete Ishy Matsu. Sie hatten versucht, in die Gemächer des Regenten von Arkon vorzudringen, waren jedoch auf frischer Tat ertappt worden.

Sie hatten den Zeitpunkt seiner Ansprache zum Pekah ti Mestit, dem Fest seiner Rückkehr, gewählt, um der Spur des geheimnisvollen Epetran-Archivs zu folgen, das zu finden und sicherzustellen ihre oberste Priorität war. Kaum, dass sie sich Zutritt in seine Privaträume verschafft hatten, war ihr Vorstoß auf grandiose Art gescheitert.

Ausgerechnet der Regent selbst hatte sie gestellt. Und dabei hatte er zur selben Zeit vor seinen Untertanen gestanden, hatte seine Rede gehalten. Es war ein Fehler gewesen, der wie so oft im Nachhinein als vermeidbar erschien, den sie zum kritischen Zeitpunkt aber nicht vorhergesehen hatten: Sie waren dem intuitiven Trugschluss erlegen, dass ein Mann nicht gleichzeitig an einem Ort und an einem anderen sein könnte.

Für einen Mann war diese Annahme auch richtig.

Nicht jedoch für zwei.

Zwei Männer.

Zwei Regenten ...

Da seine Begleiter erschöpft und verwundet waren, rannte Rhodan mit Chabalh voraus, um den Weg zu sichern. Sie hatten nicht mehr viel Zeit. Rhodan wusste nicht, ob einer der Roboter der von Iwan Goratschin entfesselten Flammenhölle entkommen war, aber jeden Augenblick mochten sich neue Verfolger an ihre Fährte heften. Er war es Goratschin schuldig, die anderen zu retten. Der Zünder hatte ihnen den Rücken freigehalten. Ohne ihn wären sie jetzt vielleicht bereits tot.

Sie wollten gerade einen kreuzenden Flur überqueren, als sie beinahe mit zwei Bediensteten zusammenstießen: älteren Männern in schlichter Uniform, die aufgeschreckt vom Lärm in ihre Richtung gerannt kamen. Ohne zu zögern, sprang Chabalh den Ersten der beiden an und warf ihn um. Der Kopf des Mannes schlug gegen die Wand, und er blieb reglos liegen. Rhodan rammte dem anderen das Knie in die Magengrube und setzte ihn mit einem kräftigen Faustschlag außer Gefecht.

»Wohin?«, rief er Onat da Heskmar zu.

Der alte Arkonide griff sich an die Seite, seine Züge waren von Erschöpfung gezeichnet. Allein seine Zähigkeit, die er dem Leben unter den Nomaden von Iprasa verdankte, hielt ihn aufrecht – dies und Ishy Matsu, die ihn gleichzeitig stützte und selbst als Halt brauchte.

»Einen Antigravschacht«, keuchte er und schaute den Flur in beide Richtungen hinab. »Ich suche einen bestimmten Schacht – er war an einer Kreuzung wie dieser; er muss hier irgendwo sein!«

»Dahinten«, sagte Ishy Matsu tonlos und wies den Weg. Die Japanerin stand noch unter Schock. Sie hatte aus nächster Nähe mit ansehen müssen, wie der Regent Iwan Goratschin niederschoss. Um sich und sie zu verteidigen, hatte der Zündermutant mit aller Gewalt zugeschlagen, doch seine unheimliche Gabe hatte nicht nur den Regenten innerlich in Brand gesteckt, sondern auch zu einer spontanen Entladung oder Fusion geführt, die Ishy geblendet hatte. Obwohl ihre Augen ins Leere starrten, schien ihr eigener Parasinn unbehelligt: Die Televisorin sah nicht mehr mit ihren Augen, wohl aber mit ihrem Geist.

Sie folgten der von ihr gewiesenen Richtung und gelangten kurz darauf tatsächlich an einer weiteren Kreuzung zu dem Schacht, von dem Onat gesprochen hatte. »Schnell!«, zischte er, als sie lautes Getrappel hinter der nächsten Ecke hörten. Fieberhaft tippte der Arkonide eine komplizierte Abfolge von Befehlen in das Interface des Schachts, dann öffnete sich die Tür.

»Beten Sie, dass mein Plan funktioniert«, sagte er noch, ehe er sprang.

Perry Rhodan ging als Letzter. Die Kreuzung im Blick, deckte er die Flucht seiner Gefährten. Dann sprang auch er und vertraute sich dem Fall in die Tiefe an.

 

Der Regent sah sich sterben.

Wieder und wieder spielte er die Aufzeichnung der Geschehnisse in seinen Gemächern ab, die er bei seiner Rückkehr in einem Zustand völliger Verwüstung vorgefunden hatte. Mittlerweile war das Feuer gelöscht, die Umgebung gesichert. Er hatte einstweilen seine Notquartiere bezogen, eine geheime Flucht weißer, scheinbar schlichter Räume, die in Wahrheit aber technisch so hochgerüstet wie kaum ein anderer Bereich des Palasts waren. Ihre genaue Lage oder auch nur Existenz war nur sehr wenigen Mitgliedern seiner Leibgarde bekannt. Es war ein blinder Fleck in den Augen sämtlicher Systeme, entworfen von positronischen Architekten, die die Fertigstellung ihres Werks nicht mehr erlebt hatten. Der Regent vertraute lieber Maschinen, wenn es um seine Sicherheit ging – am allerliebsten aber vertraute er sich selbst.

Sich selbst beim Sterben zuzusehen war eine sehr widersprüchliche Erfahrung, die ihn einerseits verletzte, andererseits völlig kalt ließ. Es war etwas, das er zu akzeptieren gelernt hatte wie ein lästiges Gebrechen, gegen das es kein Mittel gab. Der Tod des anderen störte ihn zwar, rief aber kein Mitgefühl wach. Was ihm schon sehr viel mehr zu schaffen machte, war die Tatsache, wie er gestorben war.

Es sah aus, als hätte der große, dunkelhaarige Mann mit der blassen Haut ihn einfach in Flammen aufgehen lassen. Sich richtiggehend durch ihn durchgebrannt. Und irgendwie war es diesem Mann und seinen Gefährten zuvor auch gelungen, den Schutzschirm zu überwinden, der dieses Stockwerk vor unbefugtem Zutritt hätte schützen sollen. Mittlerweile hatte man den Schirm gewartet und einige Unregelmäßigkeiten in der Projektionsmatrix entdeckt und behoben. Doch wie genau es die Fremden geschafft hatten, den Schirm komplett lahmzulegen, war auch den Wartungsrobotern ein Rätsel. Es musste sich um eine unbekannte Waffe gehandelt haben.

Eine unbekannte Waffe ...

Er stoppte das Holo und studierte das schmerzverzerrte Gesicht des bleichen Hünen. Wusste er die Antwort? War er die Antwort? Der Gedanke faszinierte den Regenten. Eigentlich war es ein Ding der Unmöglichkeit, und doch ... Ein Mutant?

Seine Gemächer waren ein einziges Schlachtfeld. Mehrere Roboter hatte der Fremde auf gleichsam unerklärliche Weise zerstört – hatte sie scheinbar einfach kraft seines Willens in Flammen aufgehen lassen. Noch auf der Krankenstation hatte er den Medorobot angegriffen und ihm das Gesicht verbrannt, bevor die verabreichten Drogen ihm die Sinne raubten. Es gab keine andere Erklärung: Dieser Mann verfügte über eine besondere und gefährliche Gabe. Eine seltene Gabe, die er nicht haben sollte ...

Wie lange mochte es her sein, fragte sich der Regent, dass er eine derartige Macht sich entfalten sah? Und noch dazu in einem Humanoiden ...

Dieser Mann änderte alles. Er stellte einen unerhörten Bruch der Spielregeln dar – und wenn er es geschickt anstellte, konnte er ihn vielleicht zu seinem Vorteil in diesem Spiel benutzen.

Der Regent fragte sich, ob sein Erscheinen hier zu diesem Zeitpunkt wirklich ein Zufall war oder ob man ihm diesen Fremden geschickt hatte. War er eine Botschaft, ein Zeichen? Oder doch nur eine bloße Laune der Evolution, wie sie alle paar Jahrhunderte oder Jahrtausende auf irgendeiner Welt vorkam?

Wer wusste von diesem Mann und seinen Freunden? Nicht bloß hier im Palast oder im Arkon-System ... Wer noch? Es war beinahe undenkbar, dass jemand wie er unbemerkt den Weg ins Zentrum seines Reichs gefunden hatte. Er glaubte nicht, dass er aus Thantur-Lok kam. Wahrscheinlicher schon aus Debara Hamtar.

Die Öde Insel ...

Der Regent schüttelte den Kopf über die Überheblichkeit der alten Arkoniden. Die Galaxis mochte ein kleiner Ort sein für solche wie ihn, doch sie verstand es immer noch, zu überraschen – auch nach so langer Zeit.

Deshalb hatte er Befehl gegeben, den Fremden zu behandeln. Er musste überleben, zumindest so lange, bis er herausfand, ob er richtiglag mit seinem Verdacht. Und wenn dieser Fremde hielt, was sein spektakulärer Auftritt versprach ...

Ungewöhnliche Probleme verlangten nach ungewöhnlichen Lösungen.

Natürlich durfte niemand sonst von ihm erfahren. Niemand im Palast sollte wissen, welches alte Geheimnis der Regent zu lüften im Begriff war. Dass er kurz vorm Erreichen seines wichtigsten Zieles stand – des sicheren Sieges im bevorstehenden Krieg.

Auch die Kenntnis von einem erfolgreichen Einbruch in seine Gemächer wäre zur Unzeit gekommen. Deswegen hatte er nach dem unerfreulichen Vorfall mit dem jungen Arbtan auch seine Ansprache wie vom Protokoll geplant zu Ende geführt. Die Situation in den oberen Stockwerken war da bereits wieder unter Kontrolle gebracht worden.

Um Gerüchte oder gar Panik im Palast zu vermeiden, ehe er selbst nicht wusste, woran er war, hatte er wertvolle Minuten der Suche nach den Flüchtigen verstreichen lassen. Natürlich war es unbedingt nötig, die Schuldigen zu fassen – er musste aber sehr vorsichtig damit sein, welche Informationen er preisgab und wen er mit der Fahndung betraute.

Drei Arkoniden oder Abkömmlinge und ein Purrer ... Hätte er nicht gesehen, wozu sie fähig waren, er hätte sich gefragt, ob das wirklich schon alles war, was seine Feinde gegen ihn ins Feld schickten. Was für eine Ironie, dass der Junge, der ihn gewarnt hatte, den richtigen Riecher bewiesen hatte! Was hatte er kurz vor seinem Tode noch gesagt ...?

Der Mut des Schwachen ist nicht weniger erhaben als die Milde des Starken. Wenn es das war, was man den jungen Soldaten heutzutage beibrachte, war es kein Wunder, dass sie mit dem Rücken zur Wand standen. Vielleicht war es wieder einmal an der Zeit, ein paar Philosophen zu exekutieren? Einfach nur, um zu sehen, welche Lehre sie wohl daraus zogen?

Es war immer der Mut gewesen, nicht die Milde, die aus den Schwachen die Starken geformt hatte. Dies war der Gang der Dinge, war es immer gewesen. Seine Feinde wussten das so gut wie er. Wo war ihre Milde gewesen, als sie Gath'Etset'Moas angriffen? Die Himmelsstadt war verloren. Der materielle Schaden für Arkon II war zu verschmerzen, der Schlag für die Moral hingegen ...

Der Regent gab nichts auf Aberglauben oder Omen. Doch er spürte die Einschläge näher kommen: Viel früher als erwartet stand der alte Feind wieder vor der Tür. Schon hatten die Kämpfe das Herz des Imperiums erreicht – und nicht einmal sein Schiff war einsatzbereit.

Die Luft wurde dünner. Fast meinte er, es wirklich spüren zu können: Das Gefühl der Enge, des Getriebenseins, lastete schwer auf ihm in diesen Stunden.

Es wurde Zeit ...

Der Regent schloss die Hand um den Aktivator auf seiner Brust. Dann erhob er sich, wanderte durch die Flucht weißer Räume wie ein Priester auf dem Weg ins Allerheiligste, die Reliquie in seiner Hand.

Hinter der letzten Tür wartete jener stille Raum, dessen wahre Bedeutung niemand außer ihm kannte. Dieser Raum war Geheimnis und Leben, Wahrheit und Tod. Dabei enthielt er nichts als eine schlichte Plattform aus Metall, ein roter Punkt in ihrer Mitte, ein schlankes, völlig makelloses Pult daneben. Das einzige Stück jener überlegenen Technologie, die ihm abgesehen von seinem Schiff geblieben war.

Sein Segen und Fluch ...

Die anderen hatten ihn stets unterschätzt. Doch er hatte Mut bewiesen, während sie sich in ... Milde geübt hatten. Er hatte gekämpft und sein Ziel nie aus den Augen verloren.

Der Regent trat vor den Duplikator und löste die Kette um seinen Hals.

Debara Hamtar!

Er war es, der der Ödnis sein Licht entgegensetzte.

Er war der Abtrünnige ...

Doch er war der Stern.

Teil I

Das zweite Leben

 

 

1.

Iwan Goratschin

 

Iwan Goratschin saß am Rande des Aussichtspunkts und ließ den Blick schweifen. Zu seinen Füßen erstreckte sich die Bay Area von San Francisco: grünbraune Hügel im warmen Licht der aufgehenden Sonne und fern im morgendlichen Dunst, der sich erst langsam verzog, die Skyline der Stadt wie eine Fata Morgana, eine Erscheinung aus einem anderen Leben.

Vielleicht war sie das auch. Aus irgendeinem Grund erfüllte der Anblick der fernen Golden Gate Bridge ihn mit Trauer. Er sah die Brücke nicht zum ersten Mal. Gut möglich aber, dass nie wieder ein Mensch sie so sehen würde. Bald darauf würden die Außerirdischen kommen ...

Er wischte den Gedanken beiseite. Hier oben, in der Kühle des Berges, wo es zu dieser frühen Stunde keine Geräusche außer dem Wind gab, war er in Sicherheit. Vor den Fantan. Vor den Schatten seiner Vergangenheit. Vor sich selbst. Hier oben existierte nur er unter dem weiten Himmel – und solange er seinen Berg nicht verließ, konnte ihm niemand etwas anhaben.

Das Knirschen von Reifen auf Kies schreckte ihn auf.

Iwan Goratschin wandte den Kopf ...

 

Er konnte seinen Kopf nicht bewegen. Irgendetwas hielt ihn fest. Wenn er dagegen ankämpfte, was ihm sehr schwerfiel, schmerzten seine Hände, seine Knie, sein Rücken. Ihm war kalt. Er bekam keine Luft, und er war blind.

Da fuhr ein Schlag durch seinen Körper wie ein Stromstoß, der seine gequälten Muskeln zusammenzucken ließ. Er riss den Mund auf und schnappte nach Luft. Kalt wie Eis stach sie in seinen Lungen.

Iwan Goratschin schrie.

Dann war es vorüber. Keuchend und mit klopfendem Herzen wartete er, bis die Schmerzen erträglich wurden. Schließlich klangen sie ab, doch erst nach sehr langer Zeit. Immer noch konnte er sich nicht bewegen, und er war sich nicht sicher, ob seine Augen geschlossen oder verbunden waren oder ob man ihn in einen lichtlosen Raum gesperrt hatte.

Eingesperrt, dachte er. Das musste es sein. Er versuchte, seine Hände und seine Füße zu bewegen, doch es brannte, als hätte man ihm die Gelenke mit den Nesselfäden von Quallen zusammengebunden.

Er würgte. Erst erinnerten sich seine Eingeweide nicht, wie sie sich dieser quälenden Übelkeit entledigen konnten, dann erbrach er sich hustend in die Dunkelheit, die sich, wie er nun erkannte, unter ihm befand. Man hatte ihn in gebeugter Haltung gefesselt, sodass er auf allen vieren kniete, den Kopf nach unten gezwungen wie ein Verurteilter auf dem Schafott. Er war froh, denn sonst wäre er nun erstickt. Dennoch begann ihm bei dem Gedanken unwillkürlich der Nacken zu kribbeln. Hing dort ein Fallbeil über ihm, das nur darauf wartete, niederzusausen?

Wieder das knirschende Geräusch. Kein Kies – auch nicht das Mahlen seiner Zähne. Das war eine Maschine, die dieses Geräusch erzeugte, ein Prasseln wie von Statik, Elektrizität ...

»Ich wecke Sie nun auf«, sagte eine Stimme neben ihm. Sie klang unbeteiligt, kalt. Iwan Goratschin wollte nicht aufwachen. Wo die Stimme war, warteten auch die Schmerzen auf ihn. Er wollte zurück auf seinen Berg unter dem weiten Himmel. Dort oben war er in Sicherheit. Er hatte so viel, über das er nachdenken musste.

Wer hält mich gefangen?, fragte er sich. Seine Erinnerungen wirbelten durcheinander, suchten nach einer logischen Erklärung der Situation.

Afghanistan, dachte er. Du bist wieder in Afghanistan. Sie werden dich foltern.

»Achtung!«, sagte die Stimme. Iwan Goratschin machte sich bereit. Die Erkenntnis, im Krieg zu sein, rief auch die alten Reflexe wieder wach, die er sich in Jahren harter Ausbildung antrainiert hatte.

Ich bin ein Amerikaner im Kampf für mein Land und unsere Freiheit, begannen die Leitsätze des SERE-Trainings: Survival, Evasion, Resistance, Escape – Überleben, Ausweichen, Widerstand, Flucht. Ich bin bereit, mein Leben dafür zu geben. Nie gebe ich auf. Im Falle meiner Gefangennahme werde ich auf jede erdenkliche Art und Weise Widerstand leisten. Ich werde versuchen zu entkommen ...

Als er schon hoffte, dass sich die Ankündigung der Stimme als leere Drohung erwies, kam der Schmerz, und zwar schlimmer noch als zuvor. Es fühlte sich an, als schnappte überall in seinem Körper eine Mausefalle zu: In seinen Armen. In seinen Beinen. In seinem Unterleib. In seinem Hals ...

Es war schlimm genug, dass er die Augen aufriss. Mit einem Mal war er in gleißende Helligkeit getaucht.

Du bist nicht in Afghanistan, dachte er. Afghanistan ist lange her. Alle Kriege, die die Menschheit führte, sind über Nacht bedeutungslos geworden. Es war eine lange Nacht, aber nur für dich. Jetzt ist sie vorbei ...

Und mit dieser Erkenntnis kam die Erinnerung an die Flammen zurück, die ihn sein Leben lang gequält hatten, bis sie eines Tages, in einem Moment nicht unähnlich diesem, aus ihm hervorbrachen und man ihn zur Waffe in einem neuen Krieg machte – einem Krieg, den Fremde von den Sternen miteinander führten.

Ganz egal, meldete sich seine Ausbildung zurück. Afghanistan, Arkon, du bist trotzdem Amerikaner. Und du wirst auf keinen Fall aufgeben. Und obwohl er genau wusste, wie lächerlich dieser Gedanke in diesem Augenblick war, spendete er ihm doch Trost – denn er war alles, was er gerade besaß.

Sobald sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten und die Schmerzen auf ein erträgliches Maß abebbten, schaute er sich um. Er stellte fest, dass er sich nun ein kleines bisschen freier bewegen konnte. Je weniger er kämpfte, desto besser gehorchte ihm sein Körper. Wenn er sich anspannte oder zu kräftig zerrte, kehrten die Schmerzen zurück.

Das Erste, was er wahrnahm, war seine Nacktheit. Zumindest das, was er von seinem Körper sehen konnte, war nackt. Das erklärte die Kälte. Nichts Ungewöhnliches für einen Kriegsgefangenen. Er konnte es ignorieren, vorerst zumindest.

Seine Haut jedoch schien eigenartig glatt, fast wie die eines Neugeborenen, und völlig haarlos. Er konnte seinen Kopf nicht berühren, aber aus der Art, wie ein kalter Hauch darüber hinwegzog, schloss er, dass man ihm eine Glatze geschoren hatte. Vielleicht, um ihn zu demütigen.

Es gab aber auch noch eine andere Möglichkeit: die Flammen. Vielleicht war seine Haut verbrannt, und man hatte sie nachzüchten müssen.

»Ihre Körperfunktionen sind eingeschränkt«, erklärte der Fremde, als hätte er seine Gedanken erraten. »Sie werden erst nach und nach wiederhergestellt. Dasselbe gilt auch für Ihre höheren kognitiven Fähigkeiten. Dies geschieht zu Ihrer eigenen Sicherheit.«

Glaub ihm nicht, mahnte ihn seine innere Stimme, die Jahre militärischer Disziplin in ihn eingeschrieben hatten und die ein wenig nach Sergeant Major Hank Madsen klang, seinem Ausbilder bei den Marines. Denk an deine Ausbildung: Sie tun so, als wollten sie dir helfen, dabei sind sie es in Wahrheit selbst, die dir das antun. Glaub ihnen kein Wort.

Unter ihm war eine kalte weiße Fläche, Metall vielleicht oder eine Art Keramik. Ein Speichelfaden zog sich von seinem Mundwinkel zu einer Stelle neben seiner rechten Hand, doch von dem Erbrochenen war keine Spur geblieben. Dies war keine gewöhnliche Zelle – doch was war es dann? Ein Labor?

»Ihnen wird nun gestattet, sich aufzurichten. Seien Sie vorsichtig.«

Unvermittelt sackte sein Rücken durch. Als wäre er die ganze Zeit in ein Korsett gesperrt gewesen, das sich auf einen Schlag geöffnet hatte. Sein Rückgrat fühlte sich weich wie Gelee an. Ein dumpfer Schmerz saß in seiner Brust. Es brauchte einige Versuche, sich in eine kniende Position zu kämpfen, denn seine Füße, Hände und Knie waren immer noch von unsichtbaren Fesseln auf die kalte weiße Fläche fixiert. Es fühlte sich beängstigend an, so als hätte man ihm Metall in die Gelenke injiziert und ihn auf einen ungeheuer starken Magneten gesetzt. Irgendwann schaffte er es aber, seine Hände neben seine Oberschenkel zu ziehen und Oberkörper und Kopf zu heben. Er war tatsächlich völlig nackt, wie er nun feststellte.

»So ist es gut.«

Die Stimme gehörte einem Mann um die fünfzig, der einen weißen Kittel trug. Er stand inmitten unverständlicher Gerätschaften, die einen engen, hellen Raum ausfüllten. Er wirkte drahtig und hatte ein hartes, kantiges Gesicht, das zur Hälfte von einer matten Metallmaske verdeckt war, die nur das Auge frei ließ. Beide Augen starrten ihn unverblümt an, dennoch regte sich kein Hass in ihnen, eher schon ein konzentriertes Interesse. Ein Mann, der den Ausgang eines Experiments verfolgte. Wenn man länger in dieses zweigeteilte Gesicht blickte, konnte man seinen Ausdruck fast mit Anteilnahme verwechseln.

»Sie sehen aus wie Clifford Monterny«, krächzte Goratschin. Es fiel ihm schwer, deutliche Worte zu formen. »Was ist mit Ihrem Gesicht passiert?«

»Sie nehmen Ihre Umgebung also wahr«, stellte der Fremde fest, ohne auf die Frage einzugehen. »Ihr Gedächtnis ist aber offenbar noch getrübt. Sagen Sie mir, woran Sie sich erinnern können.«

Goratschin zögerte. Schlaglichtartig kehrten einzelne Erinnerungsfetzen zu ihm zurück. Wie sie durch einen Schacht nach oben geklettert waren und er mit Ishys Hilfe den Schutzschirm überwunden hatte. Sie hatten nach etwas gesucht – doch man hatte sie überrascht. Der Regent! Hatte er wirklich den Regenten gesehen, oder war dies alles nur ein böser Traum? Er hatte den Rückzug seiner Freunde gedeckt. Da war ein helles Licht, das ihn geblendet hatte – dann nur noch die Flammen.

Doch er durfte nicht in die Falle tappen, mit diesem Fremden zu kooperieren, bloß weil er ihn in seiner Gewalt hatte. Erst musste er herausfinden, woran er war.

»Ich habe zuerst gefragt. Was ist mit Ihrem Gesicht?«

Halb erwartete er, für seine Weigerung bestraft zu werden. Doch zu seiner Überraschung griff der Arzt nach seiner Maske und hob sie an. Darunter kam eine Wüste aus verschmortem Plastik und geschmolzenem Metall zum Vorschein, durch die man Teile eines stählernen Kiefers und das Facettenmuster mikroskopisch kleiner Schaltkreise schimmern sah.

»Aber du bist ja ein Androide, Clifford«, sagte Goratschin verblüfft. Tatsächlich war es die menschenähnlichste Maschine, die er je aus der Nähe gesehen hatte. »Woher die Verbrennungen?«

»Die habe ich von Ihnen«, sagte der Androide. »Wissen Sie wirklich nicht mehr? Ich habe mich entschlossen, sie zu behalten – als Andenken an unsere erste Begegnung.«

Er vollführte eine Geste in Richtung einer der mannsgroßen Maschinen. Goratschin erkannte weder eine Bedientafel noch Holos, doch die Maschine erwachte knisternd zum Leben. Es war das Geräusch, das er zuvor schon gehört und für einen Teil seines Traums gehalten hatte.

Einer bösen Vorahnung folgend, kniff er die Augen zusammen.

Der Schmerz durchfuhr ihn wie ein Peitschenhieb, so stark, dass er meinte, zerspringen zu müssen. Er wusste nicht, wie – weder hatte er Elektroden am Leib, noch waren Nadeln oder andere Werkzeuge in seine Haut gebohrt. Vielleicht war es die Plattform, auf der er saß – doch letztlich war es egal. Die Maschine verursachte Qualen, und das tat sie sehr gut.

»Es ist erforderlich, dass Sie kooperieren«, sagte der Androide und musterte ihn wieder mit dieser seltsam mitleidlosen Sanftheit, die ihn so sehr an seinen alten Peiniger Clifford Monterny erinnerte – den Mutanten mit dem entstellten Gesicht, der ihn erst gepflegt und dann aus dem Koma geweckt hatte, um ihn als Waffe in seinem Kampf zu missbrauchen, genau wie seinen Zwillingsbruder Iwanowitsch. Monterny und Iwanowitsch waren Freunde gewesen, und wenn es ums Erreichen ihrer Ziele ging, hatten sie keine Skrupel gekannt – ebenso wenig wie diese Maschine.

»Woran können Sie sich erinnern?«

Ich lass dich nie wieder los, hatte er Ishy versprochen. Nie wieder, hörst du? Wenn er nur wüsste, was aus den anderen geworden war. Ob sie in Sicherheit waren. Perry. Chabalh. Onat. Und Ishy. Ishy ...

Beinahe hätte er in diesem Moment die Beherrschung verloren. Blind losgeschlagen, genau wie damals, als der echte Clifford Monterny ihn aus dem Koma weckte. Das Feuer in seinem Inneren nicht länger eingesperrt, sondern es an seiner statt sprechen lassen, bis es ihm wie einem Rachegott aus Augen, Mund und Nase schoss.

Doch das wäre Selbstmord. Selbst wenn dieser Androide mit seiner Foltermaschine ihn nicht auf der Stelle tötete, so würde er doch sein Ende hier in diesem Raum finden. Weder wusste er, wo er sich befand, noch wo seine Kameraden waren und wie er und sie von diesem Ort entkommen konnten. Zu fliehen war seine Pflicht, doch eine Flucht wollte geplant sein. Noch war es zu früh und er zu schwach, um seine Trümpfe wirksam auszuspielen.

»Wieso?«, presste er hervor. Sein Körper schien vor Schmerzen nachzuschwingen wie eine Saite. »Wozu ist meine Kooperation erforderlich?«

Der entstellte Androide hob eine Braue, eine perfekte Imitation leichten Amüsements. »Das wird Ihnen der Regent erklären, wenn es so weit ist.«

Der Regent?, dachte Iwan. Nimmt dieser Albtraum denn nie ein Ende? Was für ein Spiel wird hier gespielt?

»Er hat Großes mit Ihnen vor«, prophezeite der Androide.

2.

Perry Rhodan

 

Sie fielen eine endlos lange Zeit durch die Dunkelheit. Immer wieder wurden sie hin und her geworfen, und Rhodan fühlte sich ans Absturztraining als Testpilot erinnert: das beängstigende Gefühl, im nächsten Moment auf dem Boden zu zerschellen, wenn er nicht sofort seinen Fallschirm öffnete.

Doch dieser Sturz kannte eine Richtung, die heftigen Richtungsschwankungen gehorchten einem System. Auch ihre Geschwindigkeit blieb nicht konstant, nahm ab und zu, und so blieb ihm nichts, als zu hoffen, dass Onat da Heskmar wusste, was er getan hatte. Wenn einer von ihnen schrie, dann hörte er es nicht. Die Luft rauschte an seinen Ohren vorbei, veränderte ihre Temperatur, ihren Geruch, als stürzten sie an den Gebläsen eines Lüftungssystems vorbei, das mal zu einer Maschinenhalle, mal zu einem offenen Park, mal zu einer Großküche führte.

Und wahrscheinlich war es genau die Erklärung für das, was mit ihnen geschah.

Hätte er raten müssen, hätte er geschätzt, dass es etwa eine Minute dauerte, bis ihr Fall plötzlich von einer nachgiebigen Barriere gestoppt wurde, weich, aber abrupt wie von einer großen Schaumstoffmatratze. Rhodan blieb die Luft weg. Sie schwangen noch einmal herum, sein Magen protestierte, dann tat sich vor ihm im Dunkeln ein grauer Lichtschimmer auf, der rasend schnell größer wurde, und im nächsten Moment taumelten sie durch die Luft und fielen auf einen harten Boden aus Arkonstahl.

Ohne seinem Körper Gelegenheit zu einer Verschnaufpause zu geben, sprang er auf, um sich zu orientieren: Sie waren aus einem unscheinbaren Spalt in der Wand gespuckt worden. Er sah gerade noch, wie er sich schloss, dann war er auch schon verschwunden und im schwachen Licht der Umgebung nicht länger zu erkennen. Besagtes Licht kam von einer gelblichen Notbeleuchtung; sie hielten sich in einem Flur auf, der in Abständen von etwa zwanzig Metern von dumpf glühenden Elementen in der stahlverkleideten Wand erhellt wurde.

Und sie waren allein. Rhodan atmete durch, lehnte sich an die Wand und gestattete sich, langsam wieder zu Boden zu sinken. Chabalh kam zu ihm, um sich zu überzeugen, dass er wohlauf war, und stupste ihn vorsichtig mit der Schnauze. Rhodan folgte seinem Blick und merkte, dass er an der Schulter blutete. Es war ihm bislang noch gar nicht aufgefallen.

»Es ist nichts«, flüsterte er. »Schon in Ordnung.« Er strich dem Purrer kurz durchs schwarze Fell, Chabalh grollte und trabte weiter, um den Gang näher in Augenschein zu nehmen. Er hinkte leicht, aber es war wohl nichts Ernstes.

Seine anderen Gefährten waren noch nicht wieder auf den Beinen. Ishy Matsu hatte schützend die Hände vor den Kopf gelegt. Ihr Atem ging keuchend und stoßweise. Onat da Heskmar saß auf dem Boden, die Beine von sich gestreckt, und schaute sich neugierig um. Fast wirkte er vergnügt, ja er grinste wie ein kleiner Junge, der gerade gegen den Befehl der Eltern die Rampe in den Kohlenkeller hinabgerutscht war. Auch schien er als Einziger ihren Fall ohne jede Blessuren überstanden zu haben. Der greise Arkonide musste über einen Schutzengel verfügen.

Rhodan lachte trocken. »Das war Ihr Plan?«

Der alte Arkonide schürzte spitzbübisch die Lippen. »Es hat funktioniert, oder?«

»Alles in Ordnung, Ishy?«

Langsam, zitternd nahm die Japanerin die Hände vom Gesicht. Ihre Augen waren gerötet und tränenfeucht. »Nein«, flüsterte sie. »Nichts ist in Ordnung.«

Chabalh kam zurückgetrottet, strich kurz an ihr vorbei und dann weiter, ging die andere Richtung erkunden.

»Wo sind wir hier?«, fragte Rhodan den Arkoniden. »In einem Ihrer ›verlorenen Himmel‹?«

»Das haben Sie völlig richtig erkannt. Es freut mich zu sehen, dass er noch existiert – es ist lange her, seit wir ihn das letzte Mal besucht haben.«

»Wir? Etwa Crest und Sie?«

»Aber sicherlich, Crest und ich.«

»Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Crest diesen Teufelsritt durch den Schacht mitgemacht hat?«

»Er hat die geheime Programmierung entdeckt«, bekräftigte Onat. »Er legte eine Landung hin wie kein Zweiter.«

Rhodan schüttelte den Kopf. Es gab sicher eine Menge, was er über Crest nicht wusste, doch die Vorstellung, dass der alte, manchmal starrköpfige Derengar, den er auf dem Erdmond kennengelernt hatte, in seiner Jugend halsbrecherischen Unsinn mit den Antigravschächten des Palasts angestellt hatte, wollte ihm nicht in den Kopf.

»Was wäre geschehen, wenn andere Leute mit uns im Schacht gewesen wären?«

Onat zuckte die Achseln. »Dann wären wir jetzt wohl nicht hier, schätze ich.«

»Und wo ist ›hier‹?«

»Etwa dreihundertachtzig Meter unter der Oberfläche, im Fundament des Palasts. Hier unten gibt es vor allem Generatoren und Ersatzteillager, ein paar Garagen und Wassertanks. Das sind die Dinge, von denen die normalen Bewohner des Palasts wissen. Natürlich gibt es aber auch spezielle Schutzräume, den einen oder anderen geheimen Fluchtweg, der nur dem Imperator bekannt ist, alte Gefängniszellen und Stockwerke wie dieses, die in den offiziellen Plänen des Palasts nicht auftauchen – sei es aus Versehen oder in voller Absicht. Sie müssen den Beförderungssystemen des Palasts schon ein paar sehr gute Argumente nennen, Sie hier abzusetzen, und im nächsten Moment haben Sie auch schon wieder vergessen, was Sie eigentlich von ihnen wollten.«

Rhodan nickte. »Mit anderen Worten, das Paradies für zwei junge Abenteurer wie Sie.«

Onat fuhr durch den Staub neben seinem Bein und roch daran, als handelte es sich um ein edles Gewürz. »Mein Vater erzählte mir als kleinem Jungen, dass dies der Ort ist, an den die Roboter des Palasts zum Sterben hingehen.«

Chabalh kehrte zurück. »Niemand hier«, brummte er, doch seine Ohren zuckten unruhig, als traute er seinen eigenen Sinnen nicht.

»Danke, Chabalh! Und danke Ihnen, Onat. Sie haben uns noch einmal gerettet – fürs Erste zumindest. Doch wie geht es nun weiter? Wohin werden wir als Nächstes gehen? Nach Sterben ist mir noch nicht zumute.«

»Wie es weitergeht?«, fragte Onat da Heskmar mit leichter Verwirrung. »Als Nächstes ...?«

»Wir müssen Iwan befreien«, sagte Ishy Matsu leise.

Der Greis lachte kurz. Es war kein verächtliches Lachen; eher klang es, als wäre er von ihrem Vorschlag aufrichtig überrascht. »Meine Liebe ...«

»Sparen Sie sich das!«, schnappte sie und warf den Kopf in seine Richtung. Ihre blinden Augen schienen direkt durch ihn hindurchzusehen. »Wenn Sie etwas zu sagen haben ...«

»Also gut.« Er hob beschwichtigend die Hände. Dann wurde ihm klar, dass sie die Geste nicht sehen konnte. »Sparen wir uns die Höflichkeit. Wenn Sie sich einmal umsehen ...« Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Wie dumm von mir, das können Sie ja nicht. Aber wenn Sie etwas sehen könnten ...«

»Onat«, ermahnte ihn Rhodan. »Das reicht.«

Der alte Arkonide holte Luft, dann schloss er den Mund, atmete ruhig aus und faltete die Hände im Schoß. »Wie Sie meinen. Aber wenn Sie unsere Lage nüchtern betrachten, werden Sie erkennen, dass es von hier kein ›Weiter‹ mehr gibt. Wir sind am Ende. Unser Plan ist gescheitert. Die Palastgarde, ganz Arkon, ja das halbe Imperium wird nach uns suchen. Alles, was uns bleibt, ist, unsere Wunden zu lecken und uns so bald wie möglich aus dem Staub zu machen. Wenn wir Glück haben, gelingt es uns, den Palast unbemerkt zu verlassen. Noch gibt es ein paar Leute auf unserer Seite – oder solche, die für eine entsprechende Gegenleistung in die richtige Richtung schauen, was genauso gut ist. Diesen Vorteil werden wir vielleicht bald verlieren.«

»Und was wird aus Iwan?«, fragte die Japanerin wieder. »Wir dürfen nicht ohne ihn fliehen!«

»Er ist entweder tot – dann können wir nichts mehr für ihn tun. Oder er befindet sich in Gefangenschaft – dann aber sind die Chancen, ihn zu befreien, so gering, dass jeder Versuch glattem Selbstmord gleichkäme.«

»Er ist nicht tot«, widersprach sie trotzig. »Ich wüsste es, wenn es so wäre.«

»Wenn er's noch nicht ist, wird er's bald sein. So oder so, es hat keinen Sinn. Das Spiel ist verloren.«

Sie warf sich in seine Richtung, und er wich vor ihr zurück, ohne aufzustehen. »Sie feiger, alter ...«

»Ishy!«, hielt Rhodan sie zurück. »Du hast recht. Beruhige dich! Du hast ja recht.«

Sie hielt inne, den Kopf gesenkt, und man konnte die Muskeln an ihrem Rücken hervortreten sehen. Dann ballte sie die Hände zu Fäusten und hieb sie mit einem Aufschrei auf den Boden.

»Na, wenn das niemand gehört hat, sind wir tatsächlich in Sicherheit«, murmelte Onat.

Rhodan verkniff sich einen Kommentar. Er wusste, dass Crests alter Gefährte es nicht so kaltschnäuzig meinte, wie es klang – er hatte eine unangenehme Wahrheit ausgesprochen, und ihr Scheitern musste ihm sehr nahegehen. Dass er sich gegen Ishy Matsus Angriffe verwahrte, war der reine Selbstschutz. Rhodan kannte diesen Mechanismus nur zu gut: Auch Reg wurde gerne etwas zynisch, wenn es hart auf hart ging. Unwillkürlich fragte er sich, wie es seinem Freund wohl gerade ging.

»Wir müssen herausfinden, woran wir sind«, sagte er, um die verbliebene Energie der Gruppe in eine konstruktive Richtung zu lenken. »Onat, haben Sie Zugriff auf die Datennetze des Palasts? Wie ist die Lage dort oben?«

»Mein Armbandkom ist hier unten ziemlich nutzlos. Es gibt aber sicher das eine oder andere Terminal, das wir aktivieren könnten. Wir müssen allerdings sehr vorsichtig damit sein.«

»Gut.« Rhodan erhob sich und klopfte sich den Staub ab. »Dann ist das unser erstes Ziel.«

Onat schaute ihn skeptisch vom Boden aus an. »Sie haben das aber nicht ernst gemeint, als Sie sagten, dass sie recht hat, oder?« Er nickte Richtung Ishy Matsu.

»Wir lassen unsere Kameraden nicht im Stich. Wir sind nur deshalb überhaupt noch auf freiem Fuß, weil Iwan unsere Flucht gedeckt hat. Wir haben ihm gegenüber eine Verpflichtung.«

Er hörte, wie Ishy erleichtert aufatmete.

»Weiterhin haben wir eine Verpflichtung gegenüber der Menschheit: das Epetran-Archiv zu finden und zu sichern. Diese Verpflichtung wiegt schwerer als unser Wohlergehen, auch das Iwans. Aber noch sehe ich nicht, dass sich beide Ziele gegenseitig ausschlössen.«

»Sie machen das wirklich gut«, sagte Onat ruhig. »Die Wichtigkeit unser aller Leben gegenseitig abzuwägen, aber die Konsequenzen zu scheuen. Sie nehmen Niederlagen wohl sehr persönlich. Hilft es Ihnen, damit besser umzugehen?«

Beinahe wäre Rhodan da selbst der Kragen geplatzt, doch wieder musste er dem alten Arkoniden recht geben. Er hatte ihn durchschaut, so, wie Crest ihn oft durchschaut hatte, und seinen Finger auf den wunden Punkt gelegt.

Ja, er nahm es persönlich. Er war es, der den Kontakt zu den Arkoniden hergestellt hatte. Er hatte die Entscheidung getroffen, dass die Menschheit die Wahrheit über ihren Platz in der Milchstraße erfahren sollte. Es war eine maßlose Entscheidung gewesen, die kein einzelner Mensch jemals treffen sollte, doch ihm war keine andere Wahl geblieben. Und jetzt lag es an ihm, dafür zu sorgen, dass die Erde nicht der Rache Sergh da Teffrons oder einer Laune des Regenten zum Opfer fiel.

Für dieses Ziel war er bereit, sein Leben zu geben. Es war wichtiger als alles andere. Daran glaubte er felsenfest – er musste einfach daran glauben.

»Sehen Sie es einmal so«, versuchte er Onat zu überzeugen. »Jeder erfolglose Attentäter würde sein Heil in der Flucht suchen. Es mag ja sein, dass Sie noch über den einen oder anderen Trick in der Hinterhand verfügen, aber ganz realistisch: Unsere Chancen auf Flucht sind die letzte Stunde sicher nicht gestiegen. Das ist aber genau, womit die Garde rechnet. Womit sie nicht rechnet, ist, dass wir einen zweiten Vorstoß unternehmen. Wahrscheinlich ist genau das unsere beste Chance.«

Onat schüttelte den Kopf. »Sie können sich das schönreden, solange Sie wollen, aber in unserem Zustand ...«

»Brauchen Ruhe«, knurrte Chabalh unvermittelt und setzte sich auf die Hinterpfoten. »Brauchen Schlaf und Medizin. Brauchen Hilfe.«

Onat deutete mit der Hand auf ihn, als hätte Chabalh gerade einen schlagenden Beweis geführt. »Der Purrer hat recht. Das sollte uns allen zu denken geben. Der Purrer ...!«

Chabalh knurrte missliebig, und Rhodan legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. Chabalh mischte sich nicht häufig in Diskussionen ein. Wenn er es gerade jetzt tat, musste er einen guten Grund dafür haben.

»Woher kriegen wir Hilfe, Chabalh? Hast du eine Idee?«

»Eine Idee.« Chabalh hob die Lefzen und strich sich fahrig mit der Pfote über die empfindliche Nase. »Idee – vielleicht. Vielleicht Duft.« Er lief nervös ein, zwei Meter, dann wieder zurück und schaute Rhodan an. »Kommen – finden heraus.«

Zögernd half Rhodan Ishy Matsu auf die Beine, und auch Onat erhob sich ächzend und streckte die Knie.

»In Ordnung, Chabalh. Wenn du etwas gewittert hast, von dem du denkst, dass es helfen könnte – führ uns hin!«

Chabalh wiegte den Kopf, als ob er erst noch sich selbst überzeugen müsste. Dann fauchte er wütend und pirschte voran.

3.

Cheroth ter Irale

 

Nichts war mehr richtig.

Nichts war mehr, wie es sein sollte.

Cheroth ter Irale stand vor dem Panoramafenster seines Büros, das einen phantastischen, wenngleich holografischen Blick auf die Terrassen des Palasts bot, die sich wie an einem steilen Berghang an der Innenwand des Trichters in die Höhe zogen. Eine Oase reihte sich an die andere: Parks, Versammlungsplätze, Gärten, manche durch kleine Wasserfälle von den darüber liegenden Gärten bewässert. Noch Orcast XXII. hatte auf manchen dieser Terrassen seinen eigenen Wein anbauen lassen, der nur ihm, seiner Familie und engsten Freunden vorbehalten war; angeblich ein guter Wein, denn durch die Äquatornähe des Thek-Laktran, des Hügels der Weisen, auf dem sich der Kristallpalast erhob, mangelte es nicht an Sonne im Rund des Trichters. Doch Herak da Masgar hatte für solch possierliche Einfälle keine Verwendung mehr. Unter seiner Regentschaft gehorchte das Leben im Palast einem anderen Takt.

Cheroth ter Irale fragte sich, wann dieser Takt ihn zum ersten Mal überholt hatte.

Ab wann ihm die Lage entglitten war.

Und immer wieder kehrten seine Gedanken zu seinem Enkel Aletai zurück. Er sah ihn vor sich wie in den Holos, die sein Sohn Harkon ihm immer geschickt hatte: jung, hoffnungsvoll, mit einem leichten Ausdruck der Verwunderung auf den Zügen.

Verdammt noch eins, Aletai ...

Seit Harkons Tod waren ihm seine Enkel Poram und Aletai mehr ans Herz gewachsen, als er je für möglich gehalten hatte. Die Beziehung zu seinem Sohn war stets eine schwierige gewesen und die zu seiner Schwiegertochter noch viel mehr. Schon eigenartig, wie das Leben spielte ... Noch vor zwanzig Jahren hätte ihm seine komplette Familie gestohlen bleiben können.

Wahrscheinlich verschaffte einem das Alter eine andere Perspektive. Spätestens wenn man die eigenen Kinder überlebte, begann man sich zu fragen, was eines Tages von einem bleiben würde ... Dann war Poram zur Flotte gegangen. Aletai aber war in seine Fußstapfen getreten und der Palastgarde beigetreten. Sein Ruf war ihm vorausgeeilt – Jahrgangsbester, hatte Cheroth ter Irale mit großer Befriedigung vernommen. Er hatte seinem Enkel nicht zeigen wollen, wie stolz er auf ihn war, damit der Junge nicht meinte, dass ihm etwas geschenkt würde. Seine Sporen in der Garde musste man sich selbst verdienen. Doch Aletai ... Aletai ...

Wieso machte der Junge nur alles falsch?

Gleich an seinem ersten Tag kam er zu spät zum Dienst, dann ließ er sich an seinem Kontrollpunkt von einem alten Narren in Diskussionen verstricken und vernachlässigte seine Pflicht, wodurch es einem Terroristen beinahe gelungen wäre, einen Sprengsatz in den Palast zu schmuggeln. Diese Terroristen waren heutzutage ja überall – man konnte gar nicht vorsichtig genug sein.

Gedankenvoll spielte Cheroth ter Irale mit den Abzeichen seiner Uniform: den drei Planeten, die seinen Rang als Offizier auswiesen, und der Spange, die er als Thantan, als Oberbefehlshaber der Palastgarde, trug.

Aletai hatte einfach nicht lockergelassen. Gegen seinen ausdrücklichen Rat, ja seinen Befehl hatte er sich weiter in die Angelegenheiten dieses Onat da Heskmar gemischt und ihrer beider Zeit damit vergeudet. Damit der Junge sich wieder entsann, wie Dienst nach Vorschrift funktionierte, hatte ter Irale seinen Enkel zur Parade anlässlich des Pekah ti Mestit abgestellt. Wie viele Fehler konnte man schon machen, wenn es nur darum ging, Spalier zu stehen und ein wenig zu marschieren?

Doch was hatte Aletai getan?

Statt einfach ein gutes Bild in seiner Uniform abzugeben, hatte sein Enkel, für den er sich mit ganzer Kraft eingesetzt, für den er seinen guten Ruf in der Palastgarde riskiert hatte, im Vorfeld der Parade ein einziges Chaos ausgelöst: Er hatte sich mit anderen Gardisten geprügelt, war zum Regenten gerannt und hatte ihn angesprochen.

Seine Finger nestelten nervös an seinen Abzeichen und lösten versehentlich einen der drei kleinen Planeten. Er bemerkte es erst, als die bronzefarbene Scheibe zu Boden fiel und unter seinen Tisch rollte. Fluchend bückte er sich danach und hob sie wieder auf. So weit war es schon gekommen, dass er sich selbst degradierte.

Ein Verhalten wie das seines Enkels war unerhört. Fast ebenso unglaublich, wie dass der Regent ihn nicht auf der Stelle hatte bestrafen lassen ... Stattdessen hatte er ihn zu einem Gespräch unter vier Augen gebeten.

Der Regent.

Seinen Enkel.

Oh Aletai ...

Das war nun über eine Stunde her. Im Anschluss hatte der Regent sein Grußwort gesprochen, die Einheit des Imperiums beschworen und sich zurückgezogen. Die Parade hatte ohne ihren wichtigsten Ehrengast und ohne seinen nichtsnutzigen Enkel stattgefunden, und von keinem von beiden hatte er seitdem gehört.

Es war eine einzige Katastrophe.

Unruhig versuchte er, den abgefallenen Planeten wieder an seine Uniform zu stecken, doch die kleine Nadel an der Unterseite war zerbrochen. Das hatte man wohl davon, wenn man die altmodische Variante bevorzugte. Mit einem Magnetverschluss wäre das nicht passiert ...

Sein Terminal leuchtete auf. »Ein Anruf für Sie«, klärte ihn das Akustikfeld, das sich neben ihm gebildet hatte, ungefragt auf. »Höchste Priorität.«

Unwirsch wandte sich Cheroth ter Irale dem Terminal zu. Nur wenige Personen wurden einfach so zu ihm durchgestellt, und eine automatische »Priorisierung« seiner Korrespondenz seitens der Positronik war das Letzte, was er sich in der Regel wünschte. Er hatte erwartet, dass Aletai bei ihm zu Kreuze kriechen wollte oder einer seiner Offiziere ihn nicht ohne Schadenfreude über das Ergebnis jenes jüngsten, phänomenalen Fehltritts seines Enkels informierte.

Dieser Anruf aber kam ...

»Der Regent«, entfuhr es ihm. Der Regent ruft mich persönlich an!