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Brennpunkt Schule

 

Herausgegeben von

 

Norbert Grewe

Herbert Scheithauer

Wilfried Schubarth

Sonja Mohr & Angela Ittel

Motiviert unterrichten

Effektive Wege aus der Motivationsfalle

Verlag W. Kohlhammer

 

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2014

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-023068-2

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-024886-1

epub:    ISBN 978-3-17-024887-8

mobi:    ISBN 978-3-17-024888-5

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Inhalt

  1. Vorwort
  2. Einführung: Motivation im Schulalltag
  3. I     Theoretische Modelle und empirische Befundlage zum Thema
  4. 1   Was ist Motivation?
  5. 2   Selbstbestimmungstheorie der Motivation
  6. 3   Arbeitsmotivation
  7. 3.1   Inhaltstheorien
  8. 3.2   Prozesstheorien der Motivation
  9. 4   Arbeitsmotivation von Lehrerinnen und Lehrern: Empirische Befundlage
  10. 4.1   Forschung zur selbstbestimmten Motivation von Lehrkräften
  11. 4.2   Was noch? Gibt es weitere Faktoren, die mit der Motivation von Lehrkräften zusammenhängen?
  12. 5   Arbeitsbedingungen in der Schule: Relevante Faktoren und Auswirkungen
  13. 5.1   Ergebnisse aus Lehrkräftebefragungen
  14. 5.2   Forschungsergebnisse Potsdamer Lehrerstudie
  15. 5.3   Forschungsergebnisse COACTIV
  16. 5.4   Lehrerarbeitszeit
  17. 5.5   Gesellschaftliche Faktoren
  18. II     Motiviert unterrichten!
  19. 6   Anforderungen an den Arbeitsplatz Schule
  20. 6.1   Gestaltung der Arbeitscharakteristika
  21. 6.2   Förderung der psychologischen Grundbedürfnisse am Arbeitsplatz
  22. 6.3   Die Relevanz unterrichtsbezogener Kooperation für die Motivation
  23. 6.4   Soziale Unterstützung im Lehrberuf
  24. 7   Konkrete Empfehlungen für Lehrerinnen und Lehrer
  25. 7.1   Förderung der (eigenen) Lern- und Leistungsmotivation
  26. 7.2   Lehrer-Engagement
  27. 7.3   Pädagogische Herausforderungen
  28. 7.4   Stressmanagement
  29. 7.5   Hinweise zu Trainingsmöglichkeiten
  30. 7.6   Strukturierte (Schul-)Programme
  31. 8   Möglichkeiten der Einflussnahme durch Schulleitungen
  32. 9   Anregungen
  33. 10   Schlussbemerkung
  34. Literatur

Vorwort

 

 

Über Motivation in der Schule ist schon viel geschrieben worden. Motivation ist deshalb in der Schule, wie auch anderen Bildungs- und Lebensbereichen, so wichtig, weil sie mit dem Verhalten und dem Engagement einer bestimmten Aufgabe gegenüber eng zusammenhängt und somit auch die Leistung und den Erfolg einer Person stark beeinflusst. Diverse praxisorientierte Ratgeber und eine schier unendlich erscheinende Anzahl an Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit Fragen rund um die Entwicklung und Aufrechterhaltung der Motivation von Schülerinnen und Schülern. Lehrerinnen und Lehrer gelten hier häufig als verantwortlich, die Motivation ihrer Schülerinnen und Schüler optimal anzuregen und zu fördern. Fast scheint es aber so, als wäre die Diskussion um die Motivation von Lehrerinnen und Lehrern, Tag für Tag im Klassenzimmer zu stehen und zu unterrichten, hierbei vergessen worden. Sie wird in einem wesentlich geringeren Anteil in professionellen Ratgebern thematisiert und in nur wenigen Forschungsarbeiten untersucht. Dies scheint insbesondere deshalb verwunderlich, da wir davon ausgehen können, dass die Arbeitsmotivation der Lehrerinnen und Lehrer unabhängig von ihrer Fachrichtung oder dem Schultyp, in dem sie tätig sind, ihre professionelle Kompetenz ebenso auszeichnet wie beispielsweise die Aufrechterhaltung des aktuellen Fachwissens. Vor dem Hintergrund, dass die vielfältigen und wachsenden Anforderungen und der oft als enorm hoch empfundene öffentliche Druck die Motivation von Lehrerinnen und Lehrern ungünstig beeinträchtigen können, ist es umso überraschender, dass das Thema Motivation von Lehrpersonen einen so wenig prominenten Stellenwert in der empirischen Lehrerbildungsforschung und der praxisorientierten Literatur einnimmt.

Um dieses Thema also etwas näher zu beleuchten, werden wir im ersten Teil dieses Buches theoretische Modelle der Arbeitsmotivation sowie Forschungsergebnisse zur Motivation von Lehrpersonen erläutern und dabei die Aspekte, die besonders für den Lehrberuf relevant sind, herausstellen. Im zweiten Teil des Buches werden dann aus diesen Überlegungen Empfehlungen abgeleitet und praktische Hinweise zur Förderung und Aufrechterhaltung sowohl der eigenen Motivation als Lehrperson als auch der Motivation von Kolleginnen und Kollegen im Schulalltag formuliert.

Als Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit diesem Thema haben wir eine explorative, qualitative Studie durchgeführt und mit Lehrerinnen und Lehrern über ihre eigene Motivation gesprochen. Wir danken an dieser Stelle Herrn Matthias Sieberkrob für sein Engagement und die Durchführung der Interviews. Ein ganz besonderer Dank soll hier auch an die teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer gehen, die uns durch die Bereitschaft, mit uns über ihre Motivation zu unterrichten offen zu sprechen, viele wertvolle Hinweise und Anregungen zur Fertigstellung dieses Buchs gegeben haben. Wir hoffen, damit ein theoretisch und empirisch fundiertes, aber doch praxisnahes Buch zu diesem sehr wichtigen Thema für den Alltag aller Lehrerinnen und Lehrer verfasst zu haben, und wünschen unseren Leserinnen und Lesern eine anregende Lektüre.

Einführung: Motivation im Schulalltag

 

 

In diesem Buch setzen wir uns systematisch mit der Motivation von Lehrerinnen und Lehrern auseinander. Grundsätzlich beschäftigt sich die Motivationspsychologie mit Aktivitäten von Menschen. Es geht darum, Fragen nach dem »Warum« (z. B.: Warum handeln Menschen in einer bestimmten Art und Weise?) und dem »Wieso« (z. B.: Wieso kommt es dazu, dass Menschen in unterschiedlicher Art und Weise handeln?) dieser Aktivitäten zu beantworten. Die Motivation menschlichen Handelns wurde vielfältig und umfassend untersucht, wodurch diverse Theorien über die Entwicklung, Aufrechterhaltung und Bedingungen von Motivation entstanden sind. Da es in diesem Buch um die Motivation von Lehrerinnen und Lehrern – also um deren Arbeitsmotivation – geht, werden wir die Darstellung auf Theorien, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, fokussieren und darstellen, wie sich diese Theorien auf den Lehrberuf übertragen lassen. Diverse weitere Forschungsergebnisse aus Pädagogischer Psychologie, Erziehungswissenschaft und Empirischer Bildungsforschung ergänzen die Darstellungen.

Vorrangiges Ziel dieses Buches ist es, zu erarbeiten, welche Bedingungen im Schulalltag erfüllt sein müssen, damit Lehrerinnen und Lehrer motiviert unterrichten können, und welche Möglichkeiten es gibt, sich vor belastenden Einflüssen im Arbeitsalltag zu schützen, um die Motivation und die Freude am Unterrichten langfristig aufrechtzuerhalten. Hierzu gliedert sich das Buch in zwei Teile: Im ersten Teil werden zunächst für das Phänomen der Motivation im Lehrberuf relevante Begrifflichkeiten und Prinzipien erläutert (»Was ist Motivation?«). Es folgt die Darstellung der Selbstbestimmungstheorie der Motivation, da diese Theorie in dem Großteil der Forschungsarbeiten zur Motivation im Schulalltag im Mittelpunkt steht. Anschließend werden Inhalts- und Prozesstheorien der Arbeitsmotivation erläutert. An einigen Stellen gehen wir auch darauf ein, welche individuellen Faktoren die Motivation von Lehrkräften beeinflussen (z. B. Regulationsstile). Alle theoretischen Erläuterungen werden durch praktische Beispiele aus dem Kontext des Lehrberufs veranschaulicht. Wir haben außerdem Denkanstöße formuliert, die Sie zur weiteren Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Aspekten rund um das Thema Motivation anregen sollen. Im Zentrum des ersten Buchteils steht weiter die Zusammenfassung des empirischen Forschungsstandes zur Motivation von Lehrpersonen.

Im zweiten Buchteil formulieren wir Anforderungen an die schulischen Arbeitsbedingungen zur Aufrechterhaltung und Stärkung der Motivation von Lehrpersonen, vor allem unter Bezugnahme auf die psychologischen Grundbedürfnisse »Autonomie- und Kompetenzerleben« sowie »soziale Einbindung«. Ein Kapitel ist der Relevanz sozialer Interaktionsstrukturen und sozialer Unterstützung im Lehrberuf gewidmet. Im Zentrum des zweiten Buchteils stehen konkrete Handlungsempfehlungen und Hinweise für Lehrerinnen und Lehrer, z. B. in Bezug auf den Umgang mit pädagogischen Herausforderungen. Eine Zusammenstellung von Trainings-, Informations- und Austauschmöglichkeiten, die vorrangig im Internet, d. h. schnell und kostenlos, erreicht werden können, nimmt einen wichtigen Stellenwert in diesem Kapitel ein. Darüber hinaus werden die Rolle von Schulleitungen diskutiert und Handlungsmöglichkeiten zur Förderung der Arbeitsmotivation von Lehrerinnen und Lehrern dargestellt. Zuletzt folgt eine Zusammenstellung von Anregungen (z. B. Lehrer-Blogs), die den Spaß an der Auseinandersetzung mit Bildung und Schule unserer Ansicht nach positiv beeinflussen können.

Doch warum bedarf die Motivation von Lehrerinnen und Lehrern besonderer Aufmerksamkeit?

•  Eine Studie des Instituts Allensbach liefert hierzu wertvolle Hinweise. Es hat im Auftrag der Vodafone Stiftung Schülerinnen und Schüler, Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer zum Bildungsalltag in Deutschland befragt (Vodafone Stiftung, 2013). Dabei kam heraus, dass sich für Schülerinnen und Schüler eine ideale Schule vor allem durch Lehrerinnen und Lehrer auszeichnet, die Spaß und Freude an der Arbeit haben.

•  Schülerinnen und Schüler für ihr Fach zu begeistern und langfristig für die Aufgaben im Unterricht zu motivieren sind zentrale Aufgaben von Lehrerinnen und Lehrern (Sann & Preiser, 2008). Dies fällt sicherlich viel schwerer, wenn diese selbst – aus welchen Gründen auch immer – nicht motiviert sind oder scheinen.

•  Eine hohe Motivation für den Beruf ist aber auch außerhalb des Unterrichts wichtig. Jesus und Lens (2005) betonen, dass Lehrpersonen eher dazu bereit sind, Schule weiterzuentwickeln und sich an Reformen zu beteiligen, wenn sie motiviert sind. Motivation ist außerdem wichtig für die Zufriedenheit der Lehrpersonen selbst.

Während bereits viel empirisch begründetes Wissen über motivierende Lernbedingungen bzw. die Motivation von Schülerinnen und Schülern gesammelt wurde, gibt es vergleichsweise wenige empirische Arbeiten zu den Bedingungen der Motivation von Lehrpersonen. Zu Belastungen und Zufriedenheit im Lehrberuf, der Lehrerselbstwirksamkeit, der Lehrerpersönlichkeit und kognitiven Aspekten (wie Zielorientierungen) wurden hingegen bereits zahlreiche Untersuchungen durchgeführt (Müller, Andreitz & Palekcic, 2008). Dass die Motivation von Lehrpersonen bislang wenig systematisch untersucht wurde, wird in den wenigen Publikationen, die zum Thema vorliegen, betont (z. B. Müller, Hanfstingl & Andreitz, 2009; Woolfolk Hoy, 2008), ohne dass jedoch ersichtlich wird, warum diesem Thema bislang relativ wenig Aufmerksamkeit in der Literatur gewidmet wurde. In diesem Buch fassen wir die vorliegenden Erkenntnisse zusammen und wollen versuchen, daraus praxisorientierte und für den Alltag in der Schule umsetzbare Handlungsempfehlungen zu entwickeln.

Die Analyse der Motivation von Lehrpersonen ist komplex, da sie abhängig und beeinflusst von unterschiedlichen Faktoren sein kann. Nach Woolfolk Hoy (2008) sollten vor allem Kontextvariablen, wie die Eigenschaften der zu unterrichtenden Schülerinnen und Schüler, der Klassenraum, die Schule, die gesellschaftlichen Anforderungen, aber auch Prozessvariablen, wie das Unterrichten und die Entwicklung von Beziehungen in der Schule zu Kolleginnen und Kollegen sowie Schülerinnen und Schülern für die Motivation von Lehrpersonen, eine Rolle spielen und daher in der Forschung berücksichtigt werden. Da Lehrerinnen und Lehrer viele verschiedene Schülerinnen und Schüler und mehrere Fächer an ganz unterschiedlichen Schulen unterrichten, die Klassengrößen und die Beziehungsgestaltung stark variieren können, ist die Untersuchung der Motivation von Lehrpersonen unter Berücksichtigung dieser Faktoren aber besonders schwierig, was den Mangel an Literatur zu diesem Thema möglicherweise auch begründet.

 

I

Theoretische Modelle und empirische Befundlage zum Thema

 

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Was ist Motivation?

 

In diesem Kapitel beschäftigen wir uns zunächst damit, was unter dem Begriff »Motivation« zu verstehen ist. Wir erläutern relevante Begrifflichkeiten und stellen dar, ob Motivation als überdauernde Eigenschaft, als vorübergehender Zustand oder als eine Mischung aus beidem zu verstehen ist.

Motivation gibt Aufschluss sowohl über Ursachen als auch über die Ziele des Verhaltens einer Person. Theoretische Modelle erklären dabei spezifische Aspekte des Verhaltens: dessen Richtung, Intensität und Ausdauer (Kauffeld & Schermuly, 2011; Marcus, 2011). Es geht also darum, zu verstehen, warum sich Menschen in einer bestimmten Art und Weise verhalten (Richtung), wie sie ihre Energie im Handlungsprozess einsetzen (Intensität) und mit welcher Beständigkeit eine Handlung ausgeführt wird (Ausdauer). Die Auseinandersetzung mit Motivationstheorien soll ermöglichen, gezeigtes menschliches Verhalten verstehen zu lernen (Nerdinger, Blickle & Schaper, 2008). Woolfolk (2008, S. 451) fasst zusammen, welche fünf Fragen beantwortet werden müssen, um Motivation zu verstehen:

•  »Wie entscheiden sich Menschen in ihrem Verhalten?

•  Wie lange benötigt ein Mensch, bis er mit seiner Tätigkeit anfängt?

•  Wie stark ist jemand mit der ausgewählten Aufgabe beschäftigt?

•  Was veranlasst jemanden bei der Sache zu bleiben und nicht aufzugeben?

•  Was denkt und fühlt jemand, der gerade mit einer Aufgabe beschäftigt ist?«

Motivation ist mit ganz individuellen Bedürfnissen, Motiven und Zielen verbunden. Bedürfnisse sind von Person zu Person so verschieden, da sie das Resultat individueller Lernprozesse darstellen. Jedes Individuum macht unterschiedliche soziale Erfahrungen, bringt unterschiedliche Voraussetzungen mit sich und bewegt sich in unterschiedlichen Umwelten. Dadurch entstehen Bedürfnisse, die physiologischer oder psychologischer Natur sein können. Psychologische Bedürfnisse können sich auf Themen wie Leistung, Macht oder soziale Bindung beziehen (Sann & Preiser, 2008). Diese Bedürfnisse stellen nach McClelland (1961; 1987) die klassischen Hauptbedürfnisse dar, wobei neuere Theorien ein anderes Verständnis von Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellen (z. B. die Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan, Images Kap. 2). Motive entstehen wiederum aus diesen Bedürfnissen: »Motive sind also Bedürfnisse, die eine Chance zur Erfüllung erhalten« (Berchthold-Ledergerber, 2010, S. 168). Ein Motiv beinhaltet bereits die Neigung, Ziele und die dazu notwendigen Handlungen auszuführen (Sann & Preiser, 2008). Bedürfnisse und Motive sind somit sowohl direkt abhängig von der Person als auch von der Umwelt bzw. der Situation. Heckhausen und Heckhausen (2010, S. 4 f.) unterscheiden darüber hinaus noch implizite und explizite Motive:

•  Implizite Motive sind als individuelle Dispositionen von Motiven zu verstehen, die in der frühen Kindheit gelernt wurden und nicht immer zwingend bewusst (also implizit) dazu beitragen, dass Menschen bestimmte grundsätzliche habituelle Bereitschaften besitzen.

•  Im Gegensatz dazu sind explizite Motive als die von einer Person sich selbst bewusst (also explizit) zugeschriebenen Selbstbilder, Werte und Ziele zu verstehen.

Wird ein Verhalten beobachtet, müssen bei der Interpretation demnach sowohl die Merkmale (also die impliziten und expliziten Motive) der Person (Wie bewertet diese Person Situationen? Wie reagiert die Person?) als auch der Situation (Wie wirkt sich die Situation auf die Person aus?) berücksichtigt werden (Nerdinger, Blickle & Schaper, 2008). Es gibt schließlich Merkmale der Situationen, die Personen und ihre Motive positiv oder negativ anregen und damit aktivieren (oder auch nicht). Diese werden als Anreize bezeichnet, die sich förderlich oder hemmend auf das menschliche Verhalten auswirken können. Motive fungieren demnach als Beweggründe für Handlungen, die die Grundlage für die Zielsetzung einer Person darstellen (Berchthold-Ledergerber, 2010; Schlag, 2013). Alle Motive, die in einer Situation wirksam sein können, werden zusammengefasst als Motivation für ein bestimmtes Verhalten oder Verhaltensweisen beschrieben. Nerdinger und Kollegen definieren Motivation folgendermaßen (Nerdinger, Blickle & Schaper, 2008, S. 427):

»Motivation ist das Produkt aus individuellen Merkmalen von Menschen, ihren Motiven, und den Merkmalen einer aktuell wirksamen Situation, in der Anreize auf die Motive einwirken und sie aktivieren.«

Motivation betrifft also unmittelbar jegliches menschliches Verhalten. Rudolph (2009) charakterisiert darüber hinaus Merkmale von Handlungen, die willentlich ausgeführt werden, um bestimmte Ziele zu erreichen oder bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen. Dabei wird deutlich, dass dem Menschen eine aktive Rolle in Bezug auf die Auswahl und Aufrechterhaltung eigenen Verhaltens zugesprochen wird.

1.    Menschen können bewusst zwischen verschiedenen Handlungsalternativen auswählen und sich für eine Verhaltensweise entscheiden (Wahlverhalten).

2.    Diese Verhaltensweise wird zu einem gewählten Zeitpunkt begonnen und beendet (Latenz).

3.    Die Verhaltensweise kann mit unterschiedlicher Intensität ausgeführt werden (Intensität).

4.    Die Handlung wird bestenfalls dann beendet, wenn das Ziel erreicht ist (Persistenz).

Bevor wir uns genauer mit verschiedenen Ansätzen zur Erklärung von Motivation beschäftigen, setzen wir uns im Folgenden noch etwas genauer mit Anreizen und Motiven auseinander. Schließlich ist in der oben genannten Definition deutlich geworden, dass Anreize und Motive eine wichtige Rolle für die Motivation spielen. Wir beziehen uns dabei direkt auf den schulischen Kontext, um den Nutzen der erörterten theoretischen Begrifflichkeiten für Ihren beruflichen Alltag nochmals zu verdeutlichen.

Motive im schulischen Kontext

Im vorangegangenen Abschnitt haben wir erwähnt, dass Leistung ein klassisches Hauptbedürfnis darstellt. Leistungsmotivation wird verstanden als Bedürfnis nach der Demonstration der eigenen Fähigkeiten (Sann & Preiser, 2008). Leistungsmotivation entsteht als Ergebnis der Bewertung des eigenen Verhaltens unter Bezugnahme früherer Erfahrungen oder Vergleichen zu anderen. Damit ist offenkundig, dass die Leistungsmotivation im schulischen Kontext eine bedeutsame Rolle spielt. Es wird außerdem deutlich, dass Leistungsmotivation nicht alles sein kann. Welche anderen Motive spielen eine Rolle? Wie läuft die Selbstbewertung der eigenen Leistung tatsächlich ab, und was hat sie zur Folge? Wie ist Leistungsdruck in diesem Zusammenhang zu verstehen? Wie grenzen sich andere Begrifflichkeiten wie Interesse oder Neugierde von diesen Motiven ab? Diese Fragen versuchen wir in diesem Kapitel unter deutlicher Bezugnahme auf den schulischen Kontext zu beantworten.

In der Erforschung von Bedingungen für schulische Leistungen von Schülerinnen und Schülern steht die Lernmotivation ebenso im Mittelpunkt (Krapp, 1999). Das Lernen zählt schließlich neben der Leistung zu den Aufgaben von Schülerinnen und Schülern. Die Lernmotivation von Lehrpersonen ist in der Forschung bislang viel zu kurz gekommen, obwohl Lehrpersonen dazu aufgefordert sind, ebenfalls lebenslang zu lernen. Wir grenzen das Lernmotiv im Folgenden zunächst vom bereits erläuterten Leistungsmotiv ab.

Unter dem Lernmotiv wird das Bedürfnis nach Wissensaneignung verstanden. Das Lernen wird hier als eigener Wunsch angesehen. Die Abgrenzung zum Leistungsmotiv besteht darin, dass es hierbei nicht um die Demonstration der eigenen Fähigkeiten, sondern die Auseinandersetzung mit Inhalten und Wissensbeständen geht (Sann & Preiser, 2008).

Schlag (2013) spricht außerdem vor allem soziale Aspekte des Lernmotivs an, da Personen im schulischen Kontext einer sozialen Lernumgebung ausgesetzt sind. Schülerinnen und Schüler in der Grundschule zeigen demnach beispielsweise vor allem deshalb Lernbereitschaft, weil sie eine Beziehung zur Lehrperson eingehen und sich sozial eingebunden fühlen wollen. Darüber hinaus sei die Lernmotivation insbesondere vom Anregungsgehalt einer Situation abhängig. Der Anregungsgehalt einer Lernsituation wiederum kann maßgeblich von Ihnen als Lehrperson beeinflusst werden. An dieser Stelle werden intrinsische und extrinsische Motive relevant, die wir im Folgenden erläutern.

Äußeren Anreizen kann im Zusammenspiel mit individuellen Bedürfnissen eine besondere Bedeutung zukommen, da sie als Motivatoren wirken und eine Steigerung der Motivation auslösen können (Marcus, 2011). Handlungsgründe können als intern oder extern charakterisiert werden. Als klassische Unterscheidung gilt die Trennung von personenbezogenen und umweltbezogenen Faktoren: intrinsischer und extrinsischer Motivation. Woolfolk (2008, S. 452) definiert diese beiden Konzepte folgendermaßen:

•  Intrinsische Motivation: »Eine Person wird durch Aktivitäten zu Handlungen veranlasst; sie möchte die Handlungen ausführen, weil sie an den Aktivitäten selbst interessiert ist.«

•  Extrinsische Motivation: »Eine Person wird durch Aktivitäten zu Handlungen veranlasst, die nicht Teil der Aktivitäten sind und außerhalb ihrer Person liegen, wie etwa Belohnung und Bestrafung durch andere.«

Eine solche dichotome Abgrenzung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation kann – wie wir im folgenden Kapitel 2 sehen werden – als problematisch angesehen werden, da insbesondere extrinsische Motive einer Differenzierung nach dem tatsächlichen Grad ihrer Fremdbestimmung bedürfen. Da diese Unterscheidung aber häufig vorgenommen wird, wollen wir uns zunächst mit dieser Unterscheidung zufrieden geben und – bevor wir ein Beispiel anführen – eine Abgrenzung der Motivation zum Interesse sowie zur Neugierde vornehmen.

Krapp (2010) verdeutlicht, dass es grundsätzlich zwei unterschiedliche Arten von Interesse gibt: individuelles Interesse und situationsspezifisches Interesse. Individuelles Interesse kann als vorliegende, überdauernde Vorlieben und Neigungen, z. B. für bestimmte Tätigkeiten oder Fächer, verstanden werden und ist damit Teil der Persönlichkeit. Situationsspezifisches Interesse ist dadurch gekennzeichnet, dass dieses durch bestimmte Aktivitäten oder Unterrichtsmaterialien angeregt wird, die Aufmerksamkeit erregen. Dieses situationsspezifische Interesse ist dadurch kurzlebiger und kontextabhängiger (Woolfolk, 2008).

Um Ihren Unterricht an die individuellen Interessen Ihrer Schülerinnen und Schüler anzupassen, können Sie sich beispielsweise fragen: Welche Interessen haben meine Schülerinnen und Schüler? Welchen Hobbies und Freizeitbeschäftigungen gehen meine Schülerinnen und Schüler nach? Kann ich einen sinnvollen Bezug zu den Inhalten meines Unterrichts und den Freizeitaktivitäten der Schülerinnen und Schüler herstellen? Woolfolk (2008, S. 268) stellt in der Diskussion um die Frage »Lernt man besser, wenn Lernen Spaß macht?« Pro- und Contra-Argumente gegenüber. Die weiteren Ausführungen zum Zusammenhang zwischen Interesse und Lernmotivation würden zu sehr von unserem eigentlichen Thema – die Motivation von Lehrpersonen – abweichen. Für alle interessierten Leserinnen und Leser, die sich näher mit den Interessen und der Lernmotivation Ihrer Schülerinnen und Schüler auseinandersetzen wollen, empfehlen wir daher die anschauliche Darstellung, die Sie in Woolfolks Buch »Einführung in die Pädagogische Psychologie« finden.

Durch diese kurzen Erläuterungen wird aber deutlich, dass Interesse mit dem Grad der (Lern-)Motivation eng zusammenhängt, da die Lerninhalte, wenn sie als interessant empfunden werden, für die Aktivierung der Motivation eine entscheidende Rolle spielen.

Ein weiterer wichtiger, persönlicher Aspekt zur Aktivierung der Motivation ist die Neugier eines Menschen. Was ist unter Neugierde zu verstehen und wie steht diese in Zusammenhang mit Motivation? Woolfolk (2008) behandelt auch diesen Aspekt in ihrer Darstellung der relevanten Aspekte für die Entwicklung der Motivation im Lehr- und Lernprozess. Sie definiert Neugierde in Anlehnung an Pintrich (2003) als eine Tendenz, »sich für zahlreiche Bereiche zu interessieren« (Woolfolk, 2008, S. 470). Hier wird deutlich, dass, ähnlich wie bei dem Interesse, der Inhalt und Anregungsgrad einer Aufgabe die Neugierde mehr oder weniger wecken kann.

Wir versuchen nun anhand eines kurzen Beispiels die Bedingungen und Voraussetzungen für Lernmotivation auf den Lehrberuf zu übertragen.

Eine Lehrerin hat seit ihrer Schulzeit außerordentlich hohes Interesse am Fach Geschichte, sie hat Geschichte und Germanistik auf Lehramt studiert und unterrichtet seit zehn Jahren an einem Gymnasium. Im Fachkollegium Geschichte finden regelmäßige Treffen statt, bei denen der Austausch über den Unterricht und die Materialerstellung und -weitergabe im Mittelpunkt stehen (Anregung der sozialen Lernmotivation). Das Interesse am Fach Geschichte bestimmt entscheidend ihre Motivation, den Unterricht stetig weiterzuentwickeln und neu zu gestalten. Sie hat große Freude daran, sich mit kontroversen Sachverhalten auseinanderzusetzen. Ihre Neugier wird beispielsweise durch die Diskussion von Paradoxien immer wieder aufs Neue geweckt.

Diese beispielhafte Beschreibung verdeutlicht, dass der Anregungsgehalt für die Lernmotivation neben der sozialen Einbindung in diesem Fall vor allem über das fachliche Interesse geweckt wird. Extrinsische Motive spielen hier für die stetige Neugestaltung des Unterrichts und der Inhalte noch keine Rolle. Empirische Studien weisen jedoch deutlich darauf hin, dass Handeln – wie zum Beispiel die Entscheidung, den Lehrberuf zu ergreifen – sowohl durch intrinsische als auch (teilweise gleichzeitig) extrinsische Motive geleitet sein kann (Wild, 2000). In Tabelle 1 sind intrinsische und extrinsische Motive zur Wahl des Lehrberufs beispielhaft zusammengestellt (Mayr, 1998; Pohlmann & Möller, 2010).

Intrinsische Motive Extrinsische Motive

Tab. 1: Beispiele für intrinsische und extrinsische Motive zur Wahl des Lehrberufs (nach Mayr, 1998; Pohlmann & Möller, 2010)

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Diese Aufteilung in extrinsische und intrinsische Motivation ist allerdings recht starr, weshalb wir im folgenden Kapitel 2 ein Kontinuum der Ausprägung von Motivation vorstellen werden, wie Deci und Ryan (1985a) es in ihrer Selbstbestimmungstheorie definiert haben. In der Literatur wird also ersichtlich, dass Motivation als grundlegender Motor oder Antrieb von Verhalten gesehen wird, der zielgerichtet auf die Befriedigung von persönlichen Bedürfnissen ausgerichtet ist. Kunter (2011, S. 530) fasst die Bedeutung von Motiven für das Verständnis von Verhalten im Kontext der Motivationsforschung bei Lehrpersonen folgendermaßen zusammen:

»Verhalten – so die Annahme – wird dadurch gesteuert, dass Personen motiviert sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen und somit bevorzugt Kontexte aufsuchen und Verhaltensweise zeigen, von denen sie erwarten, dass sie zur Bedürfnisbefriedigung beitragen.«

Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass sich in der vorhandenen Literatur die Auseinandersetzung mit Motiven im schulischen Kontext vor allem auf die folgenden Unterscheidungen stützt:

•  Es werden Lern- und Leistungsmotive unterschieden, die in empirischen Studien bislang vor allem untersucht werden, wenn es um die Förderung der Motivation von Schülerinnen und Schülern geht. Lern- und Leistungsmotive sind aber auch für das Verständnis der Motivation von Lehrkräften relevant.