Bettina Lemke

Der kleine Taschenbuddhist

 

 

Originalausgabe 2009
© Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

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eBook ISBN 978 - 3 - 423 - 40424 - 2 (epub)
ISBN der gedruckten Ausgabe 978 - 3 - 423 - 34568 - 2

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Inhaltsübersicht

Mitgefühl und Weisheit

Vom Prinzen zum Erleuchteten

Die Schulen des Buddhismus

Die Weisheit Buddhas

Die Vier Edlen Wahrheiten

Der Edle Achtfache Pfad

Mitgefühl

Die Mönche und die Baumgeister

Reinkarnation

Der Weg zum Nirwana

Karma

Vergänglichkeit und Tod

Buddhistisch handeln im Alltag

Die Kraft der Entspannung

Ein schnelles Mittel gegen Stress und Ärger

Vorbereitung auf die Meditation

Den Geist zur Ruhe bringen – die Atemmeditation

Müdigkeit, Nervosität und Anspannung überwinden

Die Geh-Meditation

Vom Egoismus zur liebenden Güte

Die Liebende-Güte-Meditation

Willkommen im Stau

Entspannen im Stau

Bevor die Sicherungen durchbrennen – vom Umgang mit Wut

Die Geschichte einer Versöhnung

Was tun bei schlechter Laune, Ängsten und Sorgen?

Die Achtsamkeitsmeditation

Sich selbst annehmen und verzeihen

Der ewige Telefonstress … und andere »unliebsame« Unterbrechungen

Das Herz für jeden Anrufer öffnen

Gelassen bleiben

Die Kunst, mit schwierigen Menschen umzugehen

Ethisch handeln

Entwicklung einer positiven Grundhaltung

Ist Reichtum verwerflich?

Meditation über die eigene Vergänglichkeit

Die Geschichte der zwei uralten Brahmanen

Quellenverzeichnis und weitere Leseempfehlungen

Dank

 

Dieses Buch enthält einige traditionelle Meditationsübungen, die von Meditationsmeistern und Weisheitslehrern weitergegeben wurden. Grundsätzlich ist es ratsam, sich von einem erfahrenen Lehrer in die Meditation einweisen zu lassen. Die Autorin und der Verlag übernehmen keine Haftung für Schäden, die sich aus der Anwendung der in diesem Buch vorgestellten Übungen oder Empfehlungen ergeben.

 

 

∞ Nicht anhaften, Emmeram! ∞

 

 

Den Buddhismus studieren, ist das Selbst studieren. Das Selbst studieren, ist das Selbst vergessen. Das Selbst vergessen, ist mit anderen eins sein.

Zen-Meister Dogen

Mitgefühl und Weisheit

Eine der grundlegenden Botschaften des Buddhismus lautet, dass jedes Wesen auf dieser Welt sich davor fürchtet zu leiden. Das gilt selbstverständlich auch für uns Menschen. Gemeinsam ist uns zudem der Wunsch nach Zufriedenheit und Glück. Egal, wie wir zu anderen Menschen stehen, ob wir sie mögen oder unsere Probleme mit ihnen haben, wir streben alle nach Erfüllung und haben die gleiche Angst vor dem Leiden. Wir sitzen diesbezüglich im selben Boot. Sobald wir das erkennen, können wir anderen gegenüber Mitgefühl entwickeln und uns ihnen voller Anteilnahme und Wohlwollen zuwenden. Das Mitgefühl ist eines der Kernprinzipien des Buddhismus. Wenn wir nur dieses eine universelle Prinzip annähernd verinnerlichen und uns bemühen, es in unserem Leben anzuwenden, denken und handeln wir schon ziemlich buddhistisch und kommen, um es mit Buddhas Worten zu formulieren, dem höchsten Glück beziehungsweise unserer Befreiung ein ganzes Stück näher.

Neben dem Prinzip des Mitgefühls finden wir im Buddhismus viele weitere tiefe Wahrheiten, Inspirationen und wertvolle Hinweise, wie wir ein erfülltes Leben führen können. Darüber hinaus hält er sehr konkrete und praktische Tipps bereit, wie wir in ganz normalen Alltagssituationen reagieren können. Häufig sehen wir uns in unserem modernen Leben mit komplexen Anforderungen konfrontiert. Stress, Belastungen und Sorgen sind an der Tagesordnung und können zu einem Gefühl der Anspannung und Überforderung führen. Manchmal versäumen wir es auch einfach, einen Ausgleich zu suchen und uns zu entspannen. Auch wenn wir selbst ausgeglichen und positiv gestimmt sind, haben wir es immer mal wieder mit Menschen zu tun, die gereizt, frustriert oder abgespannt sind und ihre schlechte Laune an uns auslassen. Für all diese Fälle bietet der Buddhismus konkrete Hilfe. Einige Tipps lassen sich sofort umsetzen, andere – wie zum Beispiel bestimmte Meditationen – bedürfen einiger Übung, können dafür aber eine sehr nachhaltige und erhellende Wirkung haben.

 

Dieses Buch bietet eine kurze Einführung in elementare buddhistische Lehren – wie etwa die Vier Edlen Wahrheiten und den Edlen Achtfachen Pfad – und erläutert grundlegende Prinzipien wie etwa das karmische Gesetz von Ursachen und Wirkungen, die Vergänglichkeit aller Dinge, den ewigen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt sowie das Prinzip der Achtsamkeit und Ausrichtung auf den gegenwärtigen Moment.

Vor diesem Hintergrund erschließen sich die Ratschläge und praktischen Tipps für den Alltag, die im zweiten Teil dieses Buches versammelt sind, auf einer tieferen Ebene. Sie unterstützen uns dabei, zu mehr Ausgeglichenheit, Klarheit und innerer Zufriedenheit zu gelangen.

In vielen alltäglichen Situationen können wir bereits mit einer buddhistischen »Perspektivenverschiebung« eine Änderung unserer inneren Haltung erreichen und auf diese Weise viel gelassener werden. Häufig kann uns auch eine einfache Atem- oder Meditationsübung weiterhelfen. Die Meditation ist im Buddhismus ein außerordentlich wichtiges Instrument, daher enthält dieses Buch einige traditionelle Meditationsübungen, die von Meditationsmeistern und Weisheitslehrern weitergegeben wurden. Grundsätzlich ist es ratsam, sich von einem erfahrenen Lehrer in die Meditation einweisen zu lassen. Dies gilt besonders, wenn man intensiv üben und tiefe Einsichten erlangen möchte. Viele Fragen tauchen erst in der Praxis auf und können unter Anleitung eines Lehrers schnell geklärt werden.

 

Der Buddhismus bietet viele universelle Wahrheiten und praktische Übungssysteme, die unser Leben enorm bereichern können. Bei all dem sollten wir aber nie vergessen, dass Buddha seine Anhänger stets auf ihren eigenen kritischen Geist hingewiesen hat. Wir sollten jede Lehre und jede Anregung daraufhin prüfen, ob sie für uns heilsam und förderlich ist. Wenn das der Fall ist, können wir sie uns zu eigen machen und in die Praxis umsetzen. Darüber hinaus sollten wir den Dharma, Buddhas Lehre, als nützliches Hilfsmittel sehen. Buddha selbst verglich den Dharma mit einem Floß: »Ihr nutzt es, um über den Fluss zu kommen, aber wenn ihr sicher am anderen Ufer angekommen seid, lasst ihr es dort liegen – ihr tragt es nicht mit euch herum.« In diesem Sinne sollten Sie auch dieses Buch nutzen. Lassen Sie sich inspirieren und prüfen Sie stets, welche Empfehlungen Ihnen einleuchten. Und wenn Sie feststellen, dass Sie manches nicht mehr benötigen, werfen Sie einfach Ballast ab und trennen sich davon.

Noch eine Erläuterung zu den Illustrationen: Der den Zitaten beigegebene »endlose Knoten« ist ein Zeichen dafür, dass nach buddhistischer Auffassung alles mit allem zusammenhängt, und steht außerdem für die unendliche Weisheit Buddhas. Die praktischen Übungen werden begleitet von der Lotusblüte, die ein Symbol für die Reinheit des Geistes ist.

Beginnen wir unsere Reise in die Welt des Buddhismus nun also mit einem offenen, wachen Geist.

Vom Prinzen zum Erleuchteten

Siddhartha Gautama wurde vor 2500 Jahren in Nordindien geboren (ca. 563 v. Chr.). Im Pali, in der Sprache, in der Buddha vermutlich lehrte, heißt er Siddhatta Gotama. Er war der Sohn Suddhodanas, des Herrschers des Sakya-Reiches, und seiner Frau Mahamaya. Völlig sorgenfrei wuchs er in großem Reichtum im königlichen Palast auf. Sein Vater achtete streng darauf, dass es dem Prinzen an nichts mangelte und er keinerlei Elend oder Leid zu Gesicht bekam. Traditionsgemäß wurde Siddhartha bereits im Alter von 16 Jahren mit Prinzessin Yasodhara vermählt, die ihm einen Sohn, Rahula, schenkte.

Abgeschirmt von der wirklichen Welt drängte es Siddhartha danach, das wahre Leben außerhalb der Palastmauern kennenzulernen. In Begleitung eines Wagenlenkers zog er heimlich los und erkundete, was ihm bisher verborgen geblieben war. Auf seinen Ausflügen erblickte er – wie es ihm ein Priester vorhergesagt hatte – einen kranken, einen alten und einen toten Menschen. Da erkannte Siddharta, dass alles Leben von Leid geprägt ist, und angesichts dieser Erkenntnis war er nicht mehr in der Lage, sich an seinem behüteten, luxuriösen Dasein im Palast zu erfreuen. Als er schließlich bei einem Ausflug auf einen Wandermönch traf, der ein äußerst einfaches und zurückgezogenes Leben führte, fasste Siddhartha den Entschluss, als Asket in die Welt hinauszuziehen und sich auf die Suche nach einem Weg zur Beendigung des Leidens und zur Erleuchtung zu begeben.

Mit 29 Jahren schlich er sich aus dem Palast fort, tauschte seine feinen Gewänder gegen eine einfache Robe und zog fortan als Bettelmönch durchs Land. Die nächsten sechs Jahre ließ er sich von verschiedenen Weisheitslehrern unterweisen und übte sich darüber hinaus in strenger Askese. Doch all diese Bemühungen brachten ihn seinem Ziel, das Nirwana zu erreichen, nicht näher. Also gab Siddhartha das Fasten auf, kam wieder zu Kräften und begab sich dann zu einem Feigenbaum, der später als Bodhi-Baum (= Baum der Weisheit) bezeichnet wurde. Er setzte sich darunter und gelobte, sich erst wieder zu erheben, wenn er die Erleuchtung und damit das Nirwana erreicht habe. Unter dem Baum sitzend, begann er zu meditieren und kam in einen tiefen Versenkungszustand, in dem ihm wesentliche Erkenntnisse zuteil wurden. So erinnerte er sich an all seine früheren Existenzen und durchschaute den Kreislauf von Tod und Wiedergeburt. Im Laufe einer Nacht erlebte er schließlich vollkommene Erleuchtung und wurde somit zu Buddha, dem »Erwachten«. Im Anschluss an seine Erleuchtung meditierte er noch 49 DharmaDhamma   

Die Natur des Geistes lässt sich mit dem Ozean oder dem Himmel vergleichen. Die nicht endende Bewegung der Wellen an der Meeresoberfläche verwehrt uns den Blick in die Tiefe. Wenn wir in ihn eintauchen, sind keine Wellen mehr vorhanden, nur noch die ungeheure Gelassenheit des Grundes.

Pema Wangyal Rinpoche