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Über dieses Buch:

Annettes Garten ist eine üppige Verlockung aus Farben und Düften – ihr Liebesleben hingegen so trocken wie die Wüste, da sich ihr Ehemann mehr für die lokale Kunstszene interessiert als für die sinnliche Figur seiner Frau. Annette hat die Hoffnung aufgegeben, noch einmal aufzublühen. Doch dann lernt sie den deutlich jüngeren Markus kennen, einen experimentierfreudigen Liebhaber, der dominant und fordernd selbst die kühnsten Fantasien in die Tat umsetzt…

Verführerisch, sinnlich, abenteuerlich: Ein erotischer Roman, der keine Wünsche offen lässt.

Über die Autorin:

Susanna Calaverno, geboren an einem kalten Wintermorgen und aufgewachsen in einer turbulenten, weiblich dominierten Großfamilie, sammelte bereits in jungen Jahren Auslanderfahrungen in Spanien und Nordafrika. Ihr Studium der Völkerkunde und Anthropologie schloss sie mit einer Magisterarbeit über die Initiationsrituale indonesischer Eingeborenenstämme ab – und wandte sich dann mit der erotischen Literatur ihr eigentliches Metier. Susanna Calaverno wohnt mit ihrer Familie seit vielen Jahren in einem alten Bauernhaus in der Nähe des Bodensees.

Bei venusbooks veröffentlichte die Autorin ihre erotischen Romane Verborgene Blüten, Hungrig auf Lust, Fantasien aus Samt und Seide, Schule der Leidenschaft, Bondage Dreams und Sie sucht ihn sowie die prickelnde Kurzgeschichtensammlung Feurige Küsse.

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eBook-Neuausgabe Januar 2015

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

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Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von shutterstock/kostudio.

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 9-783-95885-108-5

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Susanna Calaverno

Verborgene Blüten

Roman

venusbooks

Kapitel 1:
Unkraut und andere Unannehmlichkeiten

Es gibt absolut bezaubernde Darstellungen von hauchzarten Brombeerblüten und anmutigen Ranken voller dunkel schimmernder Beeren. Ich bezweifle allerdings ernsthaft, dass die Künstler zu ihren Objekten persönlich Kontakt aufnahmen und sich so die sensiblen Künstlerhände ruinierten. Vermutlich fiel der profane Teil in die Zuständigkeit des Gärtners, was es doch sehr erleichtert haben muss, die pure, reine Optik zu genießen.

Leider habe ich keinen Gärtner und mein Mann Rüdiger ist mit der Rasenpflege vollständig ausgelastet.

So zerrte ich, im Schweiße meines Angesichts, weiter an der widerlich unnachgiebigen Wurzel, die sich bereits Vorjahren in dieser Wegritze angesiedelt hatte und der einfach nicht beizukommen war. Je sorgfältiger ich vorging, desto größer war meine Chance, für dieses Jahr von weiteren hinterhältigen Dornenranken im Staudenbeet verschont zu bleiben. Raffiniert versteckt zwischen meinem französischen Estragon und dem Bergbohnenkraut hatte sie mich gestern schmerzhaft gezeichnet. In Eile und deshalb unvorsichtig, hatte ich nur schnell eine Hand voll Bohnenkraut holen wollen und mir prompt einen Kratzer den ganzen Unterarm entlang geholt, für den sich eine wütende Katze nicht hätte schämen müssen. Es gibt Gärtner, die der Zaunwinde den ersten Platz bei The World’s Worst Weeds zusprechen. Für mich gibt es nichts Verhassteres als Brombeeren und Brennnesseln. Zugestanden, die Winden können arg lästig werden, wenn sie sich um alles schlingen wie kleine Schlangen. Aber man kann sie unten abschneiden – nichts kratzt oder brennt. Die unfreiwilligen Gastgeber sind relativ komplikationslos zu befreien. Und die Wurzeln! Der oberflächennahe Wuchs und die Vorliebe für lockeren Boden machen es fast zu einem Vergnügen, die spröden, fleischigen Wurzeln auszuhebeln. Man stößt behutsam die Grabgabel senkrecht in den Boden, hebt an – und schon kann man reiche Beute machen. Es ist ungeheuer befriedigend, das Gefühl, wenn die fingerdicken, verzweigten Wurzelstücke sich aus dem Erdreich lösen und saubere, unkrautfreie Erde bereit ist für die Frühlingszwiebeln. Vielleicht der Genugtuung ähnlich, die viele Mitmenschen empfinden, wenn sie, allen guten Ratschlägen zum Trotz, erfolgreich einen Pickel ausgedrückt haben.

Dieses Wohlgefühl bleibt einem bei Brombeeren versagt. Sie wurzeln einfach zu tief. Wohl oder übel wird man also an den Punkt stoßen, wo der Griff der Wurzel tief unten im Boden gegen den Gärtner siegt und er mit dem letzten Stück, das er dem Gegner abringen kann, rückwärts taumelt. Auch ich wurde wieder überrascht, wie beim Tauziehen, wenn die andere Gruppe plötzlich loslässt. Ich konnte mich gerade noch so drehen, dass ich mich in die kretische Melisse und nicht in die zartrosa Dahlie setzte, die ich aus rein gestalterischen Gesichtspunkten in die Kräuterecke gepflanzt hatte.

Etwas außer Puste blieb ich sitzen und betrachtete meine Beute. Resigniert warf ich sie in Richtung des Unkrauteimers und wischte mir mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn, der begonnen hatte, sich einen Weg über die Schläfen zu suchen. Ich blies nach oben, um meinen Pony etwas von der Stirn zu lösen und lockerte mein T-Shirt, das an mir klebte, als sei ich damit gerade aus dem Wasser gestiegen. Meine Nachbarin Frau Stegmaier, eine erfahrenere Gärtnerin, sieht man nachmittags nie im Garten – jedenfalls nicht während der heißen Monate. Ich muss zugeben, das ist mit ein Grund, weshalb ich gerade diese Tageszeit vorziehe. Natürlich ist es vormittags noch nicht so schweißtreibend, dafür aber vom nächtlichen Tau so nass, dass alles trieft. Da ist mir die trockene Hitze lieber. Frau Stegmaier ist ziemlich beleibt. Es ist also verständlich, dass sie leicht »überhitzt«, wie sie es ausdrückt.

Träge ließ ich meinen Blick wandern. Die zerdrückten Blätter unter mir dufteten warm und würzig, weckten Bilder von metallisch dunkelblauem Himmel, hellen Felsen und gleißender Sonne auf endlos scheinender Wasserfläche. Vielleicht ziehe ich sie deshalb der Zitronenmelisse, ihrer nordeuropäischen Schwester, vor. Deren Duft assoziiere ich eher mit Jugendherberge, Besuch bei den Tanten auf dem Lande und Naturkostladen.

Im Sommer lebe ich ein eigenes, ganz privates Leben. Kein Mensch bemerkt es. Höchstens, dass man den Kopf über mich schüttelt, aber es gibt schlimmere Marotten als Gärtnern. Es ist immer noch nett angepasst und gesellschaftskonform. Es beginnt mit den duftenden Frühjahrsblühern. Sobald sie in den Gartencentern und Baumärkten angeboten werden, mutiere ich zum Dauergast. Von Hyazinthen und Tazetten kann ich gar nicht genug bekommen. Natürlich kommen sie in den Treibhäusern besser zur Geltung als im Garten. Da geht es mit Flieder und Apfelbäumen los! Als Kind liebte ich es, wenn ich nachts aufwachte, heimlich in die Obstplantagen zu schleichen und ganz allein im Mondlicht zu rennen. Manchmal zog ich dazu sogar mein Nachthemd aus, weil ich dann den Windhauch besser auf der Haut spüren konnte und mir einbildete, es sei der Duft der Apfelblüten. Das getraue ich mich nicht mehr, aber das Aroma von Apfelblüten lässt mich immer noch unruhig werden.

Wenn bald darauf die Symphonie der Päonien in die der Rosen übergeht, sich überschneidet und zu einer überwältigenden Duftwelt verbindet, ist für mich die schönste Zeit des Jahres. Ich verstehe die Leute nicht, die sich zufrieden geben mit einer roten, gelben oder rosafarbenen Rose. Jede von ihnen ist einzigartig: La Reine Victoria, Rose von Resht, Fantin Latour, Madame Hardy. Schon die Namen klingen wie aus einem alten Roman und rascheln wie Spitzenunterröcke.

Am liebsten sind mir die so genannten »Alten Rosen«. Haben sie auch keine perfekte Teerosenblüte, die für mich sowieso irgendwie gekünstelt aussieht, so machen sie das mehr als wett mit ihren Düften, die aus den üppig gekräuselten Blüten strömen. Eine Rose ohne Duft ist nicht besser als eine Papierblume. Besonders abstoßend finde ich die perversen, langstieligen Baccaras, die man für teures Geld aus Mittelamerika einfliegt und die man eigentlich als Sondermüll entsorgen müsste – so voller Pestizide und Chemikalien werden sie gepumpt. Im Juni ist das ganze Haus getränkt mit Rosenduft. Ich stelle die Schalen mit den Blüten überall auf, sogar im Schlafzimmer. Leider ist diese Zeit kaum länger als ein paar Wochen. Aber vielleicht ist sie ja gerade deshalb so besonders. Hätte man die Rosen immer, wäre man ihrer wahrscheinlich bald überdrüssig, würde sie sogar als aufdringlich empfinden. Aber solange die Rosenzeit währt, genieße ich sie in vollen Zügen.

In jenem Jahr konnte man die Rosen schon die Gefährten meiner Tage nennen. Hatten noch im vergangenen Jahr die Kinder den Löwenanteil meiner Zeit eingefordert, so waren sie über die Wintermonate plötzlich selbstständig geworden. Meine Mutterrolle bestand aus Wecken, zum Frühstück überreden, Mittagessen herrichten, hier und da Taxidienst spielen und die abendliche Deadline überwachen. Die Freunde gaben den Lebensstil vor, Eltern waren auf einmal peinlich. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich hauptsächlich erleichtert war. Ich war nie eine Vollblutmutter gewesen. Die Bastelstunden im Kindergarten jagen mir, in der Erinnerung an unübersehbare Massen kreischender Kleinkinder und betulicher Mamas, noch immer kalte Schauder über den Rücken. Ich tat, was getan werden musste, aber jeden Entwicklungsschritt begrüßte ich mit echter Freude. Die Geisteshaltung: »Ach, wie schade, dass sie so schnell groß werden!« befremdete mich.

Die neue Freiheit erwies sich, zumindest momentan, größer als nötig. Auch Rüdiger, der Museumsleiter ist, war seit Monaten kaum noch ansprechbar. Die neue Ausstellung, eine Retrospektive über die Maler der Region, sollte das Highlight der Saison werden. So saßen ihm nicht nur diverse Bürgermeister, Fremdenverkehrsamtschefs, Sponsoren und sonstige Amtspersonen im Nacken – auch er selber setzte sich massiv unter Druck. Geduldig bis zur Selbstaufgabe hatte ich diese kritische Zeit abgewartet. Für heute stand endlich die Ausstellungseröffnung auf dem Spielplan und ich hoffte, vom Ende der Stressphase und dem Hochgefühl des Erfolgs zu profitieren. Für heute Abend hatte ich deshalb gewisse Pläne …

»Annette!«

Ich schreckte hoch. Meine Güte, war es schon so spät? Die Gartenhandschuhe, die zu tragen ich mir schwer genug angewöhnt hatte, verdeckten die schmale silberne Uhr, die ich von meiner Großmutter zur Konfirmation geschenkt bekommen hatte und die einfach nicht kaputt gehen wollte.

»Mein Gott, was machst du da auf dem Boden? Hast du mal auf die Uhr gesehen? Ich dachte, du bist fertig.«

Rüdigers vorwurfsvoller Blick blieb anklagend an meinem alles andere als »gerichteten« Outfit hängen. In früheren Jahren hätte es eher geheißen: »Hast du dir wehgetan?«

Seufzend rappelte ich mich aus meiner kretischen Melisse hoch, streifte die verkrusteten Handschuhe ab und klopfte die Pflanzenreste von meiner Hinterpartie.

»Tut mir leid, ich habe nicht auf die Zeit geachtet.«

Rüdiger schnaubte viel sagend durch die Nase und schüttelte resigniert sein Haupt mit dem modischen Ultrakurzschnitt.

»Ist es wirklich zu viel verlangt, dass du zu einem festgelegten Zeitpunkt fertig bist? Ich hetze wie ein Blöder, um dich abzuholen und du hockst seelenruhig im Garten. Deine Nerven möchte ich haben!«

Ich verkniff mir eine spitze Antwort, weil er tatsächlich mit den Nerven herunter war. Die dunklen Schatten unter seinen Augen und deren müder Ausdruck sprachen eine deutliche Sprache.

»Nimm dir doch ein Eis und leg dich für ein paar Minuten in den Liegestuhl unterm Kirschbaum. Es wird dir gut tun. Ich bin wirklich sofort fertig.«

Damit raste ich ins Haus und versuchte, mein Versprechen zu halten.

Kapitel 2:
Cuisine française

Natürlich lief alles glatt. Der Landrat schaffte es sogar zwischen Lobeshymnen auf die eigene Person und Partei, Rüdigers Leistung nicht ganz unter den Tisch fallen zu lassen. Die Kollegen zeigten Reaktionen zwischen Bewunderung und Neid und die Bürgermeister konnten alle ihre und der Gemeinderäte Weitsicht angemessen herausstellen. Festreden sind eine Art Vorhölle. Man hat den Eindruck, jeder, der auch nur eine Spur kurzweilig wirken könnte, wird davon ausgeschlossen, eine zu halten. Reden scheinen vor allem dazu da zu sein, sich selbst und alle die zu loben, bei denen man sich einschmeicheln will. Für diesen Kreis mag das ja ganz unterhaltsam sein, für alle anderen ist es eine Tortur.

Auch diese Prüfung ging vorüber. Ein kleiner Kreis kam in den Genuss der allerersten Führung und nun saß man entspannt beim gemeinsamen Abendessen. Ich blickte kurz zu Rüdiger am anderen Tischende herüber, der gelöst, geradezu übermütig, die Dame Hasenfratz hofierte – Gattin des Sparkassendirektors, unseres größten Sponsors. Er kann ungeheuer charmant sein, wenn er will.

Plötzlich erstarrte ich. Ich musste mich getäuscht haben. Oder es war schlicht und einfach ein Versehen, dass das Knie meines Tischnachbarn sanft, aber beharrlich an meinem Oberschenkel entlangstrich. Ich schluckte und beugte mich in vorgetäuschter Konzentration über das Rückgrat der ausgezeichneten Seeforelle auf meinem Teller. Bisher hatte sich meine Begeisterung über das für alle bestellte Fischgericht stark in Grenzen gehalten und ich hatte in Gedanken einige bissige Bemerkungen an den Urheber gerichtet. So geschickt kann man überhaupt nicht sein, um nicht doch die eine oder andere Gräte zu übersehen. Anstandshalber nimmt man Abstand von dem Reflex, das piksige Relikt so lange mit der Zunge herumzuschieben, bis man es zwischen zwei Fingerspitzen greifen kann. Stattdessen stopft man Kartoffel oder Salat nach, hofft auf die umhüllende Schutzwirkung und schluckt schließlich heroisch den gesamten Batzen herunter. Diese Unannehmlichkeiten können gesteigert werden durch den jeweiligen Nebenmann, in meinem Fall durch eine Nebenfrau. Als Frau des Gastgebers war an mir der »Schrecken der Kulturschaffenden« hängen geblieben. Die Gattin des Herrn Kreisrats, eine gutbürgerliche Berufsstudentin, liebte den anregenden Umgang mit jungen Künstlern. Kein Wunder, wenn man den Herrn Gemahl näher betrachtete …

Schamlos sämtliche vorhandenen Beziehungen ausnutzend, hatte sie es geschafft, sich in der Mehrzahl der tonangebenden Gremien zu etablieren. Keine Feier ohne Meier! Da ich weder männlichen Geschlechts noch künstlerisch tätig war, hatte sie mich den halben Salat hindurch ignoriert. Was mir Gelegenheit gab, dem faszinierenden Gespräch schräg gegenüber zu folgen. Ungläubig und direkt mitleidig lauschte ich den aktuellen Sorgen und Nöten eines Erfolg versprechenden Jungkünstlers.

»Die nächsten Jahre werde ich vollauf damit beschäftigt sein, mein Boot zu malen.«

»Ist denn das auf Dauer künstlerisch befriedigend, immer dasselbe Motiv?«

»Was heißt hier befriedigend? Glaubst du, ich mache so einen Scheiß wie die Russen, die immer nur Impressionisten kopieren? Wenn ich später eine Retrospektiv-Ausstellung möchte, muss ich mindestens zweihundert Bilder verkauft haben. Davon fünfzig in die Ausstellung – das ist das Mindeste. Die kleinen Bilder habe ich früher einzeln verkauft. Das mach ich nicht mehr. Nur noch Gruppen ab fünfhundert Euro. Sonst wird das ja alles zerfleddert. Das kriegt man nie wieder zusammen.«

»Und klappt das so, finanziell?«

»Am Anfang war es ein bisschen schwierig, aber jetzt gehen sie ganz gut, vor allem in die Schweiz.«

Leider fand meine Nebenfrau doch noch eine Verwendung für mich. Meinem – ihrer Einschätzung nach – geistigen Niveau entsprechend, beglückte sie mich mit Schilderungen ihres letzten Urlaubs. Für jemand derart Kunstbeflissenen legte sie erstaunlich großes Gewicht auf Zimmerausstattung und Anzahl vorhandener Liegestühle. Die Fischgerichte auf Zypern waren selbstverständlich mit den hiesigen nicht zu vergleichen und die Preise …

Trotz der Routine, die sie im Urlaub gewonnen hatte, verstummte sie schließlich und widmete sich verbissen der Aufgabe des Sezierens. Daraufhin blieben mir wenigstens die, in regelmäßigen Abständen notwendigen, Urlaute des aktiven Zuhörens erspart. Und nun das!

So etwas passiert einem vielleicht im Film – aber doch nicht in Wirklichkeit. Plötzlich war ich erleichtert, einen Vorwand oder besser eine Galgenfrist vor mir liegen zu haben. Der Fisch glotzte aus seinem weißen Auge an mir vorbei und ich glotzte vermutlich genauso ratlos. Vorsichtig zog ich mein rechtes Bein eine Spur von dem beharrlichen Knie weg. Nicht so weit, dass es als Zurückweisung anzusehen war – nur als Test. Tatsächlich, das Knie hielt seinen zarten Druck aufrecht. Zusätzlich nahm ein Fuß Kontakt zu meinem auf. Ich zählte bis drei, holte tief Luft und schaute dann zögernd, aber entschlossen nach rechts oben. Sein schiefes, träges Lächeln war unverhohlen unanständig. Nicht nur der Mund lächelte – ein sinnliches Lächeln, das weiße Eckzähne aufblitzen ließ. Auch die grauen Augen, die bei der Vorstellung vorhin absolut nichts sagend durch mich hindurchgesehen hatten, brannten sich geradezu in meinen verwirrten Blick. Ich vergaß mein unverbindliches Gesellschaftslächeln. Das Silber der Iris verschmälerte sich ringförmig um die schwarzen Pupillen. Dunkle Linsen, in denen ich mich spiegelte. Die Lider senkten sich schwer und beschatteten mit dichten Wimpern den unverhohlenen Schlafzimmerblick. Netterweise beendete mein Nebensitzer die hypnotische Kontaktaufnahme, bevor die anderen mein ungewöhnliches Benehmen bemerkten. Sein bedächtiger Blick glitt über meinen Mund, den Hals hinunter und blieb schließlich an der Dekolletéspitze zwischen meinen Brüsten hängen. Ich spürte ihn so deutlich, als hätte er einen Finger dorthin gelegt. Meine Brustwarzen stellten sich auf, drückten sich gegen die schwarze Spitze meiner Korsage, die ich in einem Anflug von Leichtsinn bei Ars Amandi erstanden hatte. Unbewusst hob ich meine Hände, um die Nippel mit der Handfläche zu massieren, wie ich es zu Hause tue, wenn sie so unerträglich prickeln. Ein Mundwinkel zuckte sardonisch.

»Fisch rächt sich auf seine Weise. Trinken Sie ordentlich nach!«

Mein Gott, was hätte ich eben um ein Haar für ein Schauspiel geboten! Zutiefst dankbar für das Kerzenlicht, das die aufsteigende Röte an Hals und Wangen – hoffentlich – verbergen würde, riss ich mich zusammen. Woher hatte er gewusst, was in mir vorging? Verlegen nahm ich einen kräftigen Schluck von dem ausgezeichneten Kerner. Zu kräftig, denn fast hätte ich mich auch noch verschluckt. Sei nicht albern, ermahnte ich mich, das war schlicht und einfach Zufall. Niemand hat etwas von der kleinen Episode am Rande mitbekommen. Also benimm dich gefälligst, als sei nichts gewesen.

Gegenüber demonstrierte der junge Künstler temperamentvoll mit dem Fischmesser seinen Pinselduktus. Meine Nachbarin kaute langsam, wobei sie ihn berechnend beobachtete.

Worüber wurde weiter oben gesprochen? Aha, die neue Ausstellung im Landesmuseum. Rüdiger brillierte noch immer mit seinen Schilderungen diverser Katastrophen, die zu Ausstellungsvorbereitungen offenbar gehören wie das Warten zu Weihnachten. Unbewusst registrierte ich, dass seine neue Seidenkrawatte schon einen hässlichen Fettfleck genau in der Mitte abbekommen hatte. Krampfhaft durchforstete ich mein Gedächtnis: Wie hieß der Mensch neben mir und wie kam er in diese Gruppe? Die anderen kannte ich zumindest vom Sehen – Honoratioren und die üblichen kunstbeflissenen Wohlstandsbürger mit mehr Geld als Geschmack. Das kommt davon, wenn man nicht aufpasst. Vielleicht wäre es klüger, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Ich hatte ihn noch niemals vorher getroffen. Es konnte durchaus sein, dass unsere Wege sich auch in Zukunft nicht mehr kreuzten. Diese Aussicht war beruhigend und enttäuschend zugleich. Die Vernunft unterlag, weil die Neugier sich vehement auf die Seite der gefährlichen Anziehungskraft stellte. Es würde mir nichts anderes übrig bleiben, als den Stier bei den Hörnern zu packen. So nonchalant wie möglich griff ich nach meinem gefährlich grazilen Weinglas, nippte alibimäßig daran und wandte mich mit klopfendem Herzen meinem faszinierenden Nachbarn zu. Offenbar hatte er mich beobachtet, denn er grinste mich an, diesmal ohne wölfischen Ausdruck im Blick.

»Sie fragen sich gerade, wo Sie mich einordnen sollen, stimmt’s? Nein, ich gehöre nicht zu dieser Ansammlung von Wohlanständigkeit.«

»Das habe ich gemerkt.«

Er lachte, ehrlich amüsiert und doch schon wieder mit einem Anflug von Schlafzimmerblick. Der wurde intensiver, als er sich näher zu mir neigte und mit leicht heiserer Stimme, für unsere Nachbarn unhörbar, raunte:

»Und Sie? Seien Sie ehrlich, mit sich und mir.«

Sein Aftershave überflutete mein Kleinhirn und löste dort in Sekundenbruchteilen eine atavistische Reaktion aus. Ich bin überaus empfänglich für Gerüche. Manche lassen meine Knie weich werden und manche verwandeln mich in einen knurrenden Hund. Dieser Geruch, warm, dezent animalisch und sehr maskulin, wirkte auf mich, wie es fantasievolle Werbetexter gerne andeuten. In mir platzte ein Knoten, eine heiße Welle lief durch Bauch und Unterleib und ich spürte Feuchtigkeit zwischen meinen Schenkeln entstehen. Ich trug keinen Slip, der meine Schamlippen züchtig bedeckt und keine Einlage, die sie viktorianisch trocken gehalten hätte. Sie entfalteten sich wie die Papierblumen aus den Muscheln, die wir als Kinder oft geschenkt bekommen hatten. Das Schamhaar begann an der Innenseite der Oberschenkel zu kitzeln, als sie weiter und weiter anschwollen. Irritiert presste ich die Schenkel zusammen, weil ich plötzlich Angst bekam, so nass zu werden, dass es auf den Sitz des hellgelb bezogenen Stuhls durchfeuchtete. Meine Reaktion war dem Mann neben mir scheinbar nicht entgangen, denn sein Lächeln vertiefte sich. Ohne meine Augen loszulassen, schob er seinen Stuhl ein wenig zurück und beugte sich beiläufig unter den Tisch, um seine heruntergefallene Serviette aufzuheben. So musste es jedenfalls für alle anderen aussehen. Ich konnte nur hoffen, dass man mich nicht weiter beachtete und bemühte mich krampfhaft um eine möglichst gelassene Miene. Was nicht so einfach war, denn ich spürte seinen heißen Mund an meinem Schenkel, kurz oberhalb des Knies. Seine Zunge malte kleine quälende Kreise auf den hauchdünnen, schwarzen Strümpfen. Sein warmer Atem strich bis in meine Kniekehle. Gut, dass ich saß. Eine feste Hand packte meine Knie und drückte mir die Beine auseinander. Unwillkürlich keuchte ich leise auf und umklammerte mein Weinglas fester, gab aber nach und spreizte die Schenkel so weit, wie es unter diesen Umständen möglich war. Harte, herrische Finger bahnten sich einen Weg in mich, in mein glitschiges, nachgiebiges Fleisch. Ich biss mir auf die Lippen, um nicht zu stöhnen. Stocksteif saß ich da, an die Rückenlehne gepresst, um nicht diesen dreisten Fingern entgegenzurutschen. Sie zogen sich langsam und zögernd aus mir zurück, wobei sie leicht und wie unabsichtlich meine Klitoris streiften. Nein, mehr halte ich nicht aus, dachte ich gerade, als ich steifen, trockenen Stoff an meiner Nässe entlangstreifen fühlte. Nicht, dass es mich ernüchtert hätte, aber es bewahrte mir zumindest einen Rest Fassung.

Neben mir tauchte der Teufel aus der Versenkung auf und tupfte sich lässig die Lippen mit der Serviette ab, die er eben an mein Geschlecht gedrückt hatte. Seine Nasenflügel verengten sich und ich wusste: Er atmete meinen hitzigen Geruch ein. Wie ein Wolf, der sich vergewissert, dass seine Auserwählte heiß ist. Das Tierische dieser Geste schockierte mich und gleichzeitig erregte es mich auf eine Art, die mir nicht ganz geheuer war. Herausfordernd lächelte er mir ins Gesicht und strich sich dann gedankenverloren mit dem Zeigefinger über seine sinnliche Unterlippe. Ich verschluckte mich fast, als seine Zungenspitze der Spur folgte. Er schmeckte mich! Mein Anflug von Prüderie schien ihn zu erheitern, denn er ließ für den Augenblick von mir ab und wandte sich seiner anderen Seite zu. Ich konzentrierte mich wieder auf meine inzwischen erkaltete Forelle und stocherte lustlos zwischen Haut und Gräten herum. Ich hatte einfach keinen Appetit mehr. Vielleicht half etwas mehr Wein, obwohl ich mir da gar nicht so sicher war. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte: Ich war einfach nicht auf so etwas vorbereitet.

Wer kennt nicht die Allgemeinplätze über die unzufriedenen, unausgefüllten Gattinnen der wohlsituierten Mittelschicht in der Provinz. Bisher hatte auch ich darüber gelästert und die eigene wachsende Unzufriedenheit ignoriert. Schließlich hatte ich ja meinen Garten! Wir waren jetzt achtzehn Jahre glücklich verheiratet, die Kinder aus dem Gröbsten heraus, wie man so schön sagt und wir verstanden uns immer noch prächtig. Rüdiger ging mehr oder weniger in seinem Museum auf, konzipierte stets hoch gelobte Ausstellungen und glänzte, wie jetzt auch, gerne bei gesellschaftlichen Anlässen. Ich hatte langsam, aber sicher alle Dinge übernommen, die ihn nicht so interessierten. Zu Hause würde er vermutlich keinen Scheck finden, geschweige denn Versicherungsunterlagen oder ähnlich Banales. Vielleicht dachte er, ich fühlte mich wichtiger, wenn ich von ihm gebraucht würde. Egal, es machte mir nichts aus, ihm solche Dinge abzunehmen. Was mir in den letzten Jahren eher zu schaffen gemacht hatte, war die Eintönigkeit. Er schien sexuell völlig zufrieden zu sein, während ich Tage hatte, an denen die berühmte Katze auf dem heißen Blechdach ein Papiertiger gegen mich war! Ehrlicherweise musste ich mir selber eingestehen, dass es wohl an den Hormonen lag. Solange ich die Pille genommen hatte, war alles in Ordnung gewesen. Wir liefen in Parallelspuren. So traf uns die Fülle meiner Hormone völlig unvorbereitet, als ich aus Altersgründen zur Spirale wechselte. Anfangs war er begeistert von meiner neuen Wollüstigkeit und sexuellen Gier. Ich verkniff mir die Erinnerung an seine strikte Ablehnung der Sterilisation, die uns diese sexuelle Intensität bereits sehr viel früher hätte ermöglichen können. Dann aber kam irgendwann ein Punkt, an dem unsere Spuren sich trennten, unmerklich. Wir schliefen mehr oder weniger regelmäßig zusammen, aber es ließ mich nicht so befriedigt zurück wie ihn. Es war automatisiert. Er wusste genau, welche Knöpfe er bei mir drücken musste und tat das mit der Virtuosität eines langjährigen Experten. Aber es gab keine Neuerungen mehr. Besonders zärtlich war er nie gewesen. Nicht grob, aber solche Dinge wie »zweckfreie« Liebkosungen hatte es nie gegeben. In der letzten Zeit beschränkte sich das Vorspiel auf die Frage – im Bad oder bereits unter der Decke liegend: »Wollen wir heute?«

Ich hatte schon oft mit dem Gedanken gespielt, abzulehnen, wenn ich nicht auf jede Gelegenheit angewiesen gewesen wäre. Was mich abhielt, war die Angst, er könnte dann noch seltener fragen. Und meine Lust war drängender als seine. Deswegen hatte ich heute meine neue Korsage an und keinen Slip. Die letzten zwei Monate hatte er einzig und allein für seine Ausstellung gelebt. Morgens hatte er das Haus als Erster verlassen und abends hatte ich manches Mal schon geschlafen, wenn er kam. Ziemlich frustriert hatte ich Zuflucht zu meinem Vibrator genommen und man konnte sagen, dass ich mehr Zeit mit ihm verbrachte als mit Rüdiger.

Nur, leider, ist der beste Vibrator nichts als ein Ersatz. Der garantierte, schnelle Orgasmus erscheint steril. Man ist zwar aus technischer Sicht befriedigt, es bleibt aber zäh das enttäuschende Gefühl, mit Astronautennahrung abgespeist worden zu sein – wo man doch Lust auf ein Menü mit vier Gängen gehabt hätte.

Die höfliche Frage des Kellners hinter meinem linken Ohr: »Darf ich abräumen?« brachte mich umgehend in die Gegenwart zurück. Offensichtlich suchte ich schon nach Entschuldigungen für meine heftige Reaktion auf den Wolf. Der wandte sich gerade wieder mir zu. Er schien beschlossen zu haben, dass meine Atempause vorüber war. War ich einem erneuten Angriff gewachsen? Lieber kein Risiko eingehen. Ich kam ihm zuvor, lächelte unverbindlich in Richtung seiner Brusttasche und bat, mich einen Moment zu entschuldigen. Glücklicherweise schaffte ich es, ohne meinen Stuhl umzuwerfen oder auf der Treppe zu stolpern.

Ich strebte den Toiletten zu wie eine Ertrinkende dem rettenden Strand. Dort lockte eine ruhige Kabine und ich würde mir schnell etwas »Erleichterung« verschaffen. Hoffentlich herrschte nicht gerade Hochbetrieb. Doch genau das war der Fall: Eine ganze Herde aufgedonnerter Amerikanerinnen unbestimmbaren Alters hatte das Terrain besetzt – im wahrsten Sinne des Wortes. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Invasion abzuwarten. Ich verließ den Waschraum und stellte mich draußen, im Flur, zwischen Damen- und Herrentoilette an ein hohes, schmales Fenster. Es stand weit offen und die weiche Bodenseeluft, mit ihrem Unterton von Algen, Schlick und dem Hauch Diesel der Bootsmotoren, strich wohltuend über meine vor Erregung schweißnasse Haut. Ich hob die Arme und umfasste die obere Querstange des Gitters, um die Brise unter meine Arme, in die Achselhöhlen wehen zu lassen. Plötzlich lagen zwei Hände auf meinen Hüften und ein muskulöser Körper schmiegte sich an meine Rückseite.

»Für so feige hätte ich dich nicht gehalten, meine Schöne«, knurrte der Wolf in mein rechtes Ohr und biss leicht in den unteren Rand neben den Goldkreolen. »Du wirst mir doch nicht die Ernte vorenthalten wollen, die ich gesät habe?«

Erstarrt, wie ich war, blieb ich für Momente absolut bewegungslos. Dann schoss die Welle nur so durch meinen Körper. Seine Zunge fuhr den Rand meiner Ohrmuschel entlang – ganz langsam und aufreizend. Die Hände schoben sich von meinen Hüften nach vorne, die Finger in meiner Leistenbeuge und an meinen Hintern drückte etwas ziemlich Großes und Hartes. Instinktiv wollten meine Hände seine wegstoßen, aber er war schneller.

»Nein, meine Schöne, behalte sie oben. Halte dich weiter an der Stange fest und beweg dich nicht.«

Normalerweise bin ich nicht gerade fügsam. Aber ich umklammerte die Eisenstange fester, sobald mir bewusst wurde, dass ich mich auf meine Beine momentan nicht verlassen konnte. Er stand hinter mir und schirmte uns vor neugierigen Blicken ab. Glücklicherweise sind die meisten Menschen zu dezent, um mehr zu tun, als einen kurzen Blick zu riskieren. Die Hände strichen zielsicher über meinen Bauch nach oben. Er umfasste die Brüste wie Schalen und sein Daumen suchte in kreisenden Bewegungen meine Brustwarzen. Die Korsage war aus festem, schwarzem Satin, hinten mit einer Reihe Haken geschlossen. Meine Brüste lagen wie auf einem Präsentierteller, kaum verhüllt von schwarzer Spitze. Durch die Spitze hindurch fühlte ich den suchenden Daumen und reagierte auf ihn mit einem unbeherrschten Aufstöhnen. Die Brustwarzen richteten sich auf und begannen wieder zu prickeln und zu jucken, als ob sie gegen ihr Gefängnis rebellierten. Unwillkürlich drängte ich mich seinen Händen entgegen und versuchte, mich an ihnen zu reiben, um den Juckreiz zu lindern. Er lachte leise an meinem Hals und nahm die aufgerichteten Spitzen zwischen Daumen und Zeigefinger. Obwohl er nur ganz leicht zudrückte, musste ich den Mund in der zarten Haut meines Oberarms vergraben, um unbotmäßige Geräusche zu unterdrücken. Langsam steigerte er die Intensität des Drucks. Ehe es schmerzhaft wurde, ging er dazu über, die Nippel zwischen den Fingern zu rollen, als prüfe er Konsistenz und Festigkeit. Meine Brüste fühlten sich so gespannt und prall an, als würden sie jeden Moment platzen. Jeder Zentimeter der Haut schrie nach mehr.

Als wüsste er es, schob sich seine rechte Hand tief in meinen Ausschnitt und umfing sanft meine linke, übererregte Brust. Zufrieden seufzte ich auf. Das tat gut! Seine Hände waren die eines Künstlers, an ihnen war nichts rau oder gar kratzig. Und sie bewegten sich mit diabolischer Raffinesse …

Seine Zunge glitt an meinem Hals entlang, als male er mir ein unsichtbares Collier. Zwischendurch biss er sanft in mein Ohrläppchen und zog daran. Überraschend glitten seine Hände plötzlich zielgerichtet über meine Hüften und schoben langsam, sehr langsam den Rocksaum höher. Ich trug ein körperbetontes, schwarzes Nickikleid, das so kurz war, dass ich die Strapse der Korsage fast entfernt hätte, weil ich nicht sicher war, den Strumpfrand hoch genug halten zu können. So saßen die Strümpfe nicht, wie üblich, ziemlich tief am Oberschenkel, sondern ließen nur einen schmalen Streifen Haut frei. Da ich keinen Slip trug, blieb auch ein beachtlicher Teil meines Hinterteils unbedeckt. Darauf ließ er einen Moment seine Hände ruhen und raunte mir ins Ohr:

»Du hast einen tollen Hintern, weißt du das?«

Normalerweise hätte ein solches Kompliment mir überaus geschmeichelt. Ich trage Kleidergröße 42 und das entspricht ja nicht gerade der gängigen Schönheitsnorm der dürren Hungerhaken. Doch im Augenblick gab es Wichtigeres. Ich drückte den tollen Hintern gegen seine Handflächen, um ihn darauf hinzuweisen. Und er nahm den Wink auf. Er begann damit, meinen Po behutsam und doch fest zu kneten. Langsam arbeitete er sich so auf meine Spalte zu. Dann packten seine Hände je eine Pobacke und zogen sie energisch auseinander. Es gab ein dezent schmatzendes Geräusch, als meine triefend nassen, aneinander klebenden Schamlippen geöffnet wurden. Die Akustik schien ihn etwas aus der Ruhe zu bringen, denn sein Atemrhythmus beschleunigte sich merklich. Der Griff um meine Pobacken löste sich und eine Hand presste sich auf mein Schambein, mitten auf das schwarze Kraushaar. In dem begann er zu wühlen, es zu durchkämmen und daran zu zupfen. Die andere Hand glitt zielsicher meine Spalte entlang und zwei oder drei Finger begannen, meine überreifen Lippen zu betasten. Behutsam suchte einer der Finger seinen Weg in mich hinein, nicht tief, nur so weit, dass er den Eingang in kreisenden Bewegungen weiten konnte. Ich dachte, ich würde mich gleich nicht mehr beherrschen können. Wenn er jetzt meine Klitoris gereizt hätte, wäre ich in Sekundenschnelle zerschmolzen. Das Gefühl ließ mich weich werden wie zerlaufende Schlagsahne. Ein zweiter Finger gesellte sich dazu und beide schoben sich gemeinsam tiefer hinein. Mit unwahrscheinlichem Geschick mied er meine Perle, obwohl ich mich wand und drehte, um seine Hand genau auf den Punkt zu bringen.

Abrupt zog er die Hände weg, packte mich unerwartet fest an den Armen und ehe ich wusste, wie mir geschah, hatte er mich in die Herrentoilette gezogen, in die äußerste Kabine hinein. Dort hob er mich auf das Brett des vergitterten Fensters. Es lag ziemlich hoch, etwa auf seiner Bauchhöhe. Der kalte, harte Marmor presste sich unnachgiebig an meine erhitzten Hinterbacken, als er meine Hände oben ans Gitter führte. Ich umklammerte die obere Querstange und wurde ganz an die Kante vorgezogen. Seine Hände gruben sich in meine Schenkel, als er begann, mit der Zunge Muster auf die Innenseite meiner Oberschenkel zu zeichnen. Das war ja ganz nett, aber …

Auffordernd spreizte ich meine Beine, so weit es ging, spürte den leichten Windhauch auf der Feuchtigkeit und – endlich! – seine Zunge. Mit leichten Strichen kostete er die Nässe auf dem inzwischen purpurroten Fleisch. Fast zögernd zog er die Haut auseinander und legte die Klitoris frei. Als ich endlich seine Zungenspitze in einem federleichten Hauch auf ihr fühlte, konnte ich ein kehliges Stöhnen nicht mehr unterdrücken. Die Ermutigung ließ ihn nachdrücklicher werden. Seine Zunge umspielte das Zentrum meiner Lust, saugte sich fest, sog daran, massierte es. Ich wurde wild. Die Spannung, die sich in meinem Unterleib aufgebaut hatte, begann, unerträglich zu werden. Alles in mir fühlte sich hart und verknotet an. Zu meiner Erleichterung schien er genau das zu spüren. Wieder glitten lange Finger in mein Inneres, streichelten, drückten gegen die Vorderwand der Scheide. Der Rhythmus, in dem er die Klitoris reizte, wurde regelmäßig – wie die Meereswogen an einem ruhigen Tag. Ich spürte die großen Wellen kommen und ließ mich von ihnen tragen. Unaufhaltsam höher und höher. Atemlos glitt ich vom Scheitelpunkt einer finalen Welle in seichtes Wasser. Meine Beine zitterten noch von der Wucht der Spasmen und die letzten Nachzuckungen in meinem Unterleib ließen den überwältigenden Orgasmus langsam und warm ausebben. Ich fühlte mich wie eine Gummipuppe, der ein großer Teil ihrer Luftfüllung herausgelassen worden war.

Er löste seinen Mund, mit dem er die Wellen mitgeritten hatte, und schob sich mit einer lasziv-lässigen Schlängelbewegung an mir hoch. Noch bevor sich seine Lippen auf meine legten, roch ich meinen eigenen Moschusgeruch auf ihnen. Als seine Zunge meine Lippen öffnete und sich hineinschob, blieb ich träge-passiv. Leicht salzig schmeckte ich mich selber. Tiefe Zufriedenheit ließ mich fast unhörbar aufseufzen. Ich spürte sein Lächeln, als er neben meinem Mund flüsterte:

»Und ich? Schaffst du es noch, dich meiner zu erbarmen oder muss ich selber Hand anlegen? So kann ich nicht an den Tisch zurück.«

Natürlich. In dem Maße, in dem meine Wahrnehmungsfähigkeit wiederkehrte, wurde ich mir seiner Wahnsinns-Erektion bewusst. Steinhart und erschreckend umfangreich drückte sie gegen meinen Bauch. Sie machte mich neugierig. Ich ließ die Gitterstange los, rutschte vom Fensterbrett und platzierte den Wolf mit einer eleganten Drehung an meiner Stelle am Fenster. Er sagte nichts, zog nur die Augenbrauen hoch und griff nach der Stange, die bei ihm etwa auf Kopfhöhe lag. Ich musterte unauffällig seinen Gürtel. Glücklicherweise ein normales Modell. Die Entsprechung für diffizile Verschlüsse bei Damenunterwäsche, über die man sich in jedem besseren Ratgeber für Männer auslässt, sind Gürtel, deren Mechanismen von fantasievoll bis blödsinnig variieren.