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Über dieses Buch:

„Sie wusste nicht, ob sie auf diese Dominanzspiele stand, ja, sie wusste nicht einmal, ob sie es überhaupt herausfinden wollte. Sie wusste nur, dass sie nie zuvor einen so intensiven Orgasmus erlebt hatte.“

Leidenschaftlich, lustvoll, berauschend: Ein sinnlicher Roman voller Höhepunkte.

Über die Autorin:

Katalin Sturm, geboren 1965 in Süddeutschland, studierte Germanistik und arbeitet als Lehrerin an einem Gymnasium. Seit ihrer Kindheit widmet sie jede freie Minute dem Schreiben. Katalin Sturm ist außerdem eine leidenschaftliche Malerin und liest alles, was ihr unter die Hände und auf ihren Reader kommt.

Katalin Sturm veröffentlichte bei venusbooks bereits ihre Romane:

Provinzprinzen
Verstohlene Blicke
Sexy Secretaries. Schreibtischspiele
Sexy Secretaries. Ein heißer Job


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eBook-Neuausgabe Februar 2015

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Copyright © der Originalausgabe 2013 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2015 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Monika Hofko

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: olly – Fotolia.com

ISBN 978-3-95885-096-5

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Katalin Sturm
Kleinstadthengste

Erotischer Roman



venusbooks

1. Kapitel

Simone leckte sich die Finger ab. Zwischen ihrem Teller, den sie gerade mit einem Stück Baguette blitzblank gewischt hatte – der Gemüse-Wein-Sud war zu lecker, um auch nur einen Tropfen davon zu vergeuden –, und dem von Frank stand eine Schüssel mit einem Berg leerer Muschelschalen. Jetzt wusste sie, wie man Muscheln aß. Man brauchte dazu nicht einmal Besteck; die Muschelhälften ersetzten ohne weiteres Gabel und Zange.

Sie trank den Rest Weißwein aus ihrem Glas und lehnte sich zufrieden seufzend zurück.

Ihr Gegenüber lächelte sie an. „Wie ich sehe, hat es Ihnen geschmeckt. Das freut mich. Sollen wir bei dem Pinot Grigio bleiben, oder möchten Sie einen Bordeaux probieren?“

Hinlegen möchte ich mich jetzt, am besten mit dir zusammen. Simone riss erschrocken die Augen auf, beruhigte sich aber gleich wieder, als ihr bewusst wurde, dass sie diesen Satz nur gedacht hatte. Die Gedanken sind frei, oder? Sein Grinsen schien aber zu sagen: Ich kann deine Gedanken lesen! Das verunsicherte sie. „Ähhh, bleiben wir bei dem Weißwein, der ist so schön kühl.“

So eine blöde Begründung, da könnte ich ja genauso gut Wasser trinken! Wäre wahrscheinlich sowieso besser, bevor ich hier noch die Kontrolle über mich verliere.

Frank Schlichter stand vom Tisch auf und warf die Muschelschalen in den Mülleimer. Die Teller stellte er in die Spülmaschine. „Wie wäre es, wenn Sie sich im Bad die Hände waschen; die riechen jetzt bestimmt nach Fisch, ich entkorke so lange den Wein.“

Simone konnte sich gerade noch beherrschen, an ihren Fingern zu riechen. Klar, das war eine gute Idee. Dass sie da nicht selbst draufgekommen war!

Sein Bad war modern und geräumig. Neben einer Eckwanne mit Düsen gab es eine große ebenerdige Dusche und ein Doppelwaschbecken. Sogar ein Bidet stand darin, etwas, was man in deutschen Bädern nicht allzu oft sah.

Simone wusch sich die Hände und den Mund, spülte ihn gründlich aus und überlegte kurz, ob sie ein wenig Zahnpasta auf den Finger tun und auf den Zähnen verreiben sollte. Aber nein. Was wäre, wenn sie sich küssen würden (hoffentlich!), dann nähme er womöglich an, sie hätte seine Zahnbürste benutzt. Das war etwas, was Simone auf den Tod nicht ausstehen konnte: wenn jemand – und selbst wenn sie mit diesem Jemand geschlafen hatte – ihre Zahnbürste benutzte. Deshalb hatte sie immer einen Vorrat an Ersatzzahnbürsten in ihrem Schrank. Man konnte nie wissen.

Denn noch weniger als das Benutzen ihrer Zahnbürste durch Fremde mochte sie einen Bettgenossen mit ungeputzten Zähnen. Nicht, dass sie in letzter Zeit Veranlassung gehabt hätte, ihren Zahnbürstenvorrat wieder aufzufüllen. Tom, dieser dunkelhäutige Magier der Erotik, war zum Glück so feinfühlig gewesen, bei seinem Besuch zu erkennen, dass sie zwar einen guten Fick zu schätzen wusste, jedoch nicht unbedingt Wert auf ein gemeinsames Frühstück legte. Und ansonsten hatte sie während der paar Wochen, die sie jetzt in diesem Provinznest lebte, noch niemanden kennengelernt, mit dem sie das Bett hätte teilen wollen. Obwohl … Knut wäre schon so ein Exemplar, wenn, ja, wenn er nicht schwul wäre.

Simone, was trödelst du wieder herum und ergehst dich in Gehirnakrobatik! Draußen wartet dein Traummann auf dich!

Dieser Traummann stand bereits vor der Tür, um nach ihr im Bad zu verschwinden. Währenddessen sah sich Simone die Bücher im Wohnzimmerregal an und geriet ins Staunen. Auf einem Brett standen Nietzsches Zarathustra, Schopenhauers Parerga und Paralipomena, des Weiteren Werke anderer Philosophen wie Hegel, Kant, Fichte und Schelling. Ein Brett darunter fanden sich die Klassiker der erotischen Literatur, angefangen von den 120 Tagen von Sodom und Juliette des Marquis de Sade über die Geschichte der O von Pauline Réage bis hin zu Anaïs Nin und D. H. Lawrence. Interessante Mischung, dachte Simone und war so vertieft darin, mit schräg gelegtem Kopf die Titel auf den Buchrücken zu studieren, dass sie erschrak, als sich plötzlich von hinten zwei Hände auf ihr Becken legten.

„Na“, hauchte Frank in ihr linkes Ohr, „stöberst du ein bisschen in meiner Bibliothek?“

Es war eine rhetorische Frage, und so schwieg Simone. Ohnehin brauchte sie einige Minuten, um ihren Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. Derweil strich Frank ihr die Haare nach hinten, so dass ihr Hals auf der linken Seite frei lag, und pustete sanft auf die empfindliche Stelle. Simone bekam eine Gänsehaut. Jetzt beugte er sich noch ein Stück tiefer zu ihr hinunter und knabberte an ihrem Ohrläppchen. Ein Schauer lief Simone über den Rücken. Als er sie auf den Hals küsste und sie dann in die Halsbeuge biss, seufzte sie laut auf. Wie ein Stromstoß schoss eine heiße Welle direkt hinunter in ihr Lustzentrum. Sie wurde augenblicklich feucht.

„Na, schöne Frau, wollen wir uns in grauer Theorie üben oder gleich zur Praxis übergehen?“

Er drehte Simone zu sich herum und sah ihr in die Augen. Jetzt waren die seinen dunkel und geheimnisvoll. Was wusste sie eigentlich über diesen Mann? Wie weit konnte sie gehen, sich gehenlassen? Zwar hatte sie Kara, ihrer lesbischen Nachbarin, seinen Namen und die Adresse genannt, doch was würde ihr das nützen, wenn sie irgendwo tot oder misshandelt liegen würde. Simone, was hast du nur für abwegige Gedanken!, schalt sie sich selbst. Sie musste nicht in jedem Mann einen potenziellen Vergewaltiger sehen. Obwohl sie Manfred, ihrem Ex, so einiges zutrauen würde. So, wie er sich kürzlich vor ihrer Wohnung aufgespielt hatte. Nur die Karatekünste von Kara und ein Eimer kalten Wassers hatten ihn davon abgehalten, noch einmal bei ihr aufzutauchen. Doch sie wollte sich nicht zu früh freuen, wer wusste schon, was in so einem gekränkten Männerhirn vor sich ging.

Etwas von ihren Bedenken schien sich in ihrem Gesicht zu spiegeln, denn Frank Schlichter trat plötzlich einen Schritt zurück.

„Verzeihung, wenn ich Ihnen etwas zu nahe getreten bin“, offenbar konnte er sich wegen seines Bonmots das Grinsen kaum verkneifen, „aber Ihr Körper, der Duft Ihrer Haut – ich habe einfach die Beherrschung verloren. Wird nicht wieder vorkommen, versprochen. Wollen wir uns setzen?“

Er ging zur Couchgarnitur und wies mit der Hand auf die Weingläser, die er bereits wieder gefüllt und auf den Glastisch gestellt hatte. Simones Beine zitterten immer noch, sie war sich sicher, dass sie kein normal klingendes Wort herausbringen würde. Und was sollte sie auch sagen? Hättest du doch weitergemacht!?

Er ging über ihre Verlegenheit hinweg. „Ich habe auch eine ganz ansehnliche DVD-Sammlung. Vielleicht können wir, wenn wir uns etwas besser kennen, mal den ein oder anderen Film zusammen anschauen?“

Sie räusperte sich. „Äh ja, vielleicht, gern.“

Als sie saß, normalisierte sich ihr Pulsschlag langsam wieder. Sie nahm einen kräftigen Schluck von dem Wein und verschluckte sich prompt. Frank Schlichter nahm das zum Anlass, wieder aufzustehen, hinter sie zu treten und ihr mit der flachen Hand kräftig auf den Rücken zu klopfen. Der Hustenreiz klang ab.

Ganz fürsorglicher Gastgeber, ging Frank Schlichter in die Küche, um eine Flasche Wasser und ein Glas zu holen und ihr gleich einzuschenken. „Hier, trinken Sie, ich kenne das, passiert mir auch manchmal.“

Und dann, ganz unvermittelt, fragte er: „Haben Sie einen Freund?“

Simone riss die Augen auf.

Frank Schlichter schlug sich vor die Stirn. „Wie kann ich nur so blöd sein! Wenn Sie einen hätten, wären Sie bestimmt heute Abend nicht zu mir gekommen. Und Sie hätten in Ihrem Einkaufswagen keine Singlepackungen gehabt, sondern große Familienpackungen Fleisch, oder?“

Simone lächelte etwas gequält. Ihr gefiel der Verlauf des Abends nicht. Vorhin hatte es so wunderbar geprickelt; sie hätte ohne Umschweife mit ihm ins Bett gehen können, doch jetzt redete er mit ihr wieder wie mit einer Fremden. Heiß-kalte Wechselduschen hatte sie noch nie gemocht.

„Erzählen Sie doch mal von sich. Ich weiß ja gar nichts von Ihnen. Was arbeiten Sie, was machen Sie in Ihrer Freizeit?“

Aha. Smalltalk war angesagt. Na gut, konnte er haben. „Ich verbringe meine Tage in einem Büro, wo ich die übliche stupide Büroarbeit erledige. Ich bin erst seit kurzem in der Stadt und hatte noch nicht genügend Zeit, mich nach einem Job umzusehen, der mich vielleicht mehr befriedigt.“

Er lachte. „Soso, Sie lassen sich von Ihrem Job befriedigen! Wie unbefriedigend!“

Simone lag humormäßig ganz sicher nicht auf einer Wellenlänge mit ihm, das war schon mal klar. Aber das wäre ja auch zu viel verlangt. Gut aussehen, kochen können, ihr Schauer über den Körper jagen, und auch noch derselbe Humorlevel, nein, zu unrealistisch. Vielleicht will er nur das Gespräch wieder auf schlüpfriges Terrain lenken, du dumme Nuss! Ja, diese Möglichkeit bestand.

„Und, haben Sie sich schon eingelebt, hier bei uns in der Provinz? Wenn Sie Tipps zum Weggehen brauchen, ich kann Ihnen da gern behilflich sein. Haben Sie schon Freunde gefunden?“

„Ja, ein Lesbenpärchen in der Wohnung neben mir. Und noch den einen oder anderen Mann.“

„Ach, wie interessant, erzählen Sie!“

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Meine Nachbarinnen heißen Kara und Astrid und sind quasi mit mir zusammen eingezogen.“

Und ich dumme Nuss habe erst gedacht, Kara wäre ein Mann, so wie sie gekleidet war in schwarzes Leder und mit den igelkurzen Haaren. Simone dachte an die merkwürdige Einweihungsparty, zu der sie eingeladen gewesen war. Die Todkranke im Rollstuhl, für die sie mit Kara getanzt hatte. Sie hatte noch immer Karas Parfüm in der Nase, spürte Karas Hand auf dem Hintern. Und erinnerte sich an all das, was sie ihr später, ohne Zuschauer, noch gegeben hatte.

Mühsam fand sie wieder in die Gegenwart zurück. „Jetzt sind Sie dran! Was machen Sie beruflich? Und was sind Ihre Hobbys?“

Er lachte. Seine Zähne würden dem besten Zahnarzt alle Ehre machen. „Also mein Geld verdiene ich mit dem Erstellen von Konzepten für Events. Ich bin also quasi Event-Manager. Hobbys? Hmmm, lassen Sie mich überlegen. Ich lese viel – aber das“, und hier wies er auf das übervolle Bücherregal, „haben Sie sich bestimmt schon gedacht. Außerdem gehe ich gern ins Theater und ins Konzert. Oder ins Museum. Für mehr fehlt mir leider die Zeit.“

Ein Schöngeist also. Nicht schlecht. So einen kulturbeflissenen Mann findet man nicht allzu oft.

„Und Ihr bevorzugtes Studienfach ist die Erotik?“

Lachend erwiderte er: „Sagen wir so: die Erotik im Allgemeinen und eine spezielle Variante im Besonderen.“ Als sie nichts darauf sagte, fuhr er fort: „Haben Sie diesen neuen Bestseller gelesen? Fifty Shades of Grey? Der erste Teil ist jetzt auf Deutsch herausgekommen; die anderen Teile habe ich schon im Original gelesen.“

„Dieser weichgespülte Kleinmädchen-SM-Aufreger?“

Er lachte. „Schön, dass Sie das so sehen. Auch ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Da ist wirklich nichts Neues drin; passt zum prüden Amerika, dass so etwas dort drüben dermaßen einschlägt. Haben Sie es gelesen?“

„Nein, ehrlich gesagt, haben mir die Rezensionen gereicht, die ich darüber gelesen habe. Für stilistisch so schwache Schmonzetten ist mir die Zeit zu schade.“

„Aha, eine Liebhaberin der hohen Literatur also?“

Klang da Spott durch?

„Und das Thema an sich interessiert Sie auch nicht?“

„Nicht besonders.“

Er strich sich über das Kinn. Sah sie aufmerksam an. Unter diesem Blick wurde es Simone ganz heiß. Hatte er gemerkt, dass sie gelogen hatte? Das Thema an sich interessierte sie nämlich sehr wohl, brennend sogar. Doch das würde sie ihm nicht auf die Nase binden.

„Sie möchten nicht einmal ausprobieren, wie entspannend es sein kann, wenn man die Verantwortung abgibt? Wenn man nicht entscheiden muss, was man will oder was nicht, und wie man es will? Sich einfach vertrauensvoll in die Hände eines anderen zu geben?“

Simone wurde es immer heißer. Was redete er denn da? Wie konnte er überhaupt über solche intimen Themen mit ihr sprechen? Sie kannten sich doch gar nicht. Waren sogar noch beim Sie. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, erhob er sich, das Weinglas in der Hand. „Finden Sie nicht, dass es an der Zeit ist, auf das Du umzusteigen? Irgendwie passt es nicht, sich über sexuelle Vorlieben zu unterhalten und sich dabei zu siezen. Oder sind Sie – bist du – da anderer Ansicht?“

Simone schüttelte den Kopf.

Frank Schlichter kam auf sie zu, und auch sie erhob sich. Er stieß mit ihr an und zwinkerte vielsagend. „Frank.“

„Simone.“

Nachdem sie beide einen Schluck getrunken hatten, nahm er ihr das Glas aus der Hand und stellte beide Gläser hinter sich auf dem Couchtisch ab. Dann fasste er sie bei den Handgelenken und drehte ihr die Arme hinter den Rücken, wo er sie immer noch festhielt.

„Du weißt ja, was jetzt kommt.“

Sie schauderte, sagte aber nichts.

„Mach die Augen zu!“

Das war ein Befehl, den sie schweigend befolgte. Sie spürte, wie er sein Gesicht dem ihren näherte und kurz vorher innehielt. Mittlerweile war die Spannung in ihr so groß, dass sie es kaum noch erwarten konnte, seine Lippen auf den ihren zu spüren. Doch er ließ sich Zeit. Als er endlich ganz sanft ihren Mund kostete, durchfuhr sie wieder ein Stromstoß. Er leckte über ihre Lippen, knabberte daran, drang mit seiner Zunge endlich in sie ein, bewegte sich in ihr, und auch ihre Zunge war nicht untätig. Sie spielten das uralte Spiel. Locken und entziehen, sanft und fordernd. Gern hätte sie ihm die Arme um den Hals gelegt, sich an ihn gepresst, wäre ihm durch das Haar gefahren und hätte ihr Becken an ihn gedrängt. Doch noch immer waren ihre Hände in seinen gefangen. Simone gestand sich ein, dass hierin, in der Bewegungslosigkeit, zu der er sie verdammte, ein besonderer Reiz lag. Sie musste sich ganz auf das Ereignis in ihrem Mund konzentrieren, das dadurch umso intensiver wurde. Jetzt löste er sich von ihr, bat sie aber leise, die Augen geschlossen zu lassen. Sie spürte, wie er eine Hand wegnahm und ihre Gelenke nur noch mit einer Hand umschloss.

Was tut er jetzt mit seiner Hand? Simone war erregt; das Nichtwissen gab ihr einen zusätzlichen Kick. Sie sah nichts, sie traute sich nicht, sich seiner Bitte (seinem Befehl?) zu widersetzen. Jetzt spürte sie, wie er den obersten Knopf ihrer Bluse öffnete. Sie erbebte. Der zweite folgte, dann der nächste. Als alle Knöpfe offen waren, schlug er den Stoff zurück und fuhr mit einem Finger ganz sanft vom Bund ihrer Hose nach oben bis zum BH. Zum Glück hatte sie einen ihrer Spitzen-BHs angezogen, und nicht so ein verwaschenes Baumwollding. Was für Gedanken! Konzentrier dich lieber auf das, was er tut! Auf das, was du dabei empfindest. Sie spürte die Gänsehaut, die sich auf ihrem Bauch ausbreitete. Sein Finger strich sanft über die Schalen des BHs, verweilte auf der Haut des Busens, fuhr weiter Richtung Hals. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, sie war feucht und wäre sofort und auf der Stelle mit ihm ins Bett gegangen, hätte es auf dem Couchtisch getrieben oder auf dem Teppich. Ganz egal, wenn er ihr nur endlich seinen Schwanz in ihr tropfendes Loch stecken würde. Doch er tat ihr den Gefallen nicht. Stattdessen kratzte er mit dem Fingernagel über die empfindliche Haut des Dekolletés. Bis zum Nacken, der schon schweißnass war. Dann kam seine Hand zurück zu ihrem Busen, der sich ihm erwartungsvoll entgegenwölbte. Jetzt fuhr sein Finger unter den Stoff bis zu ihrer Brustwarze, die sich augenblicklich versteifte. Er strich nur ganz sanft über den Nippel der linken Brust, fuhr auf dem Warzenhof entlang, drückte ganz leicht gegen den Busen, und Simone fragte sich, woher das Stöhnen kam, das sie laut und deutlich vernahm. Es dauerte eine Weile, bis sie erkannte, dass sie es war, die da stöhnte. Was macht er mit mir?

Doch die Antwort war ihr egal. Weil sie die Antwort kannte. Sie ahnte es tief in ihrem Inneren. Und sie wusste, dass sie am Anfang eines Weges stand, der noch sehr viel Neues und Beunruhigendes für sie bereithielt.

2. Kapitel

Simone war verwirrt. Ihre Träume beunruhigten sie. Sie hatte darin wilden Sex mit Maskenmännern, und immer schaute jemand zu. Dieser Jemand war Frank; um das zu wissen, brauchte sie keinen Traumdeuter. Sie hatte Träume schon immer ernst genommen. Sie gehörte zu den Menschen, die sich fast jeden Morgen noch an einen Traum aus der Nacht erinnerten. Zumindest kurz nach dem Aufstehen. Und wenn er so eindrücklich war wie die Träume der letzten Woche, auch noch länger. Manchmal schrieb sie ihre Träume sogar auf. Versuchte, einen Wink ihres Unterbewusstseins für ihr reales Leben herauszulesen. Wenn sie vor einer wichtigen Entscheidung stand, beruflich oder privat, bat sie vor dem Einschlafen ihre Traumkraft darum, ihr einen Weg zu zeigen. Und oft konnte sie aus den folgenden Träumen tatsächlich eine Entscheidungshilfe herauskristallisieren. So war es ihr ergangen, als sie der Nachstellungen von Manfred müde war, als es ihr so dreckig ging, dass sie zehn Kilo abgenommen hatte und kaum noch essen und schlafen konnte. In der Nacht, bevor sie sich endgültig dazu entschlossen hatte, weit wegzuziehen, hatte sie geträumt, dass sie über eine wacklige Hängebrücke ging, die sich über eine Schlucht spannte. Unter ihr toste ein Wildbach, und sie konnte wegen Nebel das vor ihr liegende Land nicht sehen. Hinter ihr stand Manfred, der nach ihr rief und der sie aufforderte umzukehren. Simone wagte es jedoch, den unbekannten Weg weiterzugehen, obwohl jeder Schritt sie Überwindung kostete. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen spürte und sich umdrehte, war die Brücke plötzlich verschwunden und mit ihr die Gestalt, die versucht hatte, sie zum Bleiben zu bewegen. Das war ein deutliches Zeichen gewesen. Und sie hatte diesen Schritt bis jetzt nicht bereut. Auch wenn Manfred sie aufgespürt und erneut terrorisiert hatte. Seit Kara ihn mit kaltem Wasser übergossen und ihm schmerzhaft ihre Meinung klargemacht hatte, waren schon drei Wochen vergangen, und er hatte sie nicht wieder belästigt. Was nichts heißen musste. Sie durfte sich nicht zu sicher fühlen, musste weiterhin auf der Hut sein. Manche Männer waren einfach unbelehrbar, wollten nicht begreifen, dass sie nicht mehr erwünscht waren. Und schließlich wollte sie nicht als eine jener Zeitungsmeldungen enden, bei denen sie sich stets fragte, wie ein Mensch einem anderen Menschen so etwas antun konnte.

Simone schüttelte die trüben Gedanken ab. Sie hatte jetzt andere Probleme. Das Treffen bei Frank war anders ausgegangen, als sie gedacht hatte. Nachdem er sie gestreichelt und damit fast bis zum Wahnsinn geil gemacht hatte, hatte er ihr die Bluse wieder zugeknöpft und gesagt, dass es jetzt an der Zeit sei, sich zu verabschieden. Simone hatte ihren Ohren nicht getraut. Hatte gedacht, er mache Witze und werde sie gleich ins Schlafzimmer tragen. Doch er war seltsam distanziert gewesen, hatte ihr ein Taxi gerufen, das er auch bezahlt hatte, und zum Abschied hatte er ihr ein Buch in die Hand gedrückt. Die Geschichte mit A. von Dagmar Fedderke. „Wenn du es gelesen hast, können wir uns gern darüber unterhalten. Es interessiert mich, welche Stellen dir gefallen haben.“

Wie betäubt hatte sie im Taxi gesessen, ihr Slip getränkt von Säften, ein Jucken in ihrer Möse, so dass sie sich hatte zusammenreißen müssen, um nicht schon im Taxi Hand an sich zu legen. Das hatte sie dann zu Hause getan, nicht ein Mal, sondern drei Mal hintereinander. Sie war so hungrig gewesen, so geil, und wenn Tom geklingelt hätte, hätte sie ihn in die Wohnung gezerrt und auf der Stelle vernascht. Aber die Kerle waren ja nie zur Stelle, wenn man sie mal brauchte.

Die ganze Woche hatte sie überlegt, ob sie Kara von ihrem Erlebnis erzählen und sie um Rat fragen sollte. Diese Spielart war Kara ja nicht fremd, so wie sie Astrid rangenommen hatte. Simone war damals ziemlich erstaunt gewesen, als Kara sich den Dildo umgeschnallt und Astrid mit einer Schimpfkanonade überschüttet hatte, während sie sie hart von hinten bearbeitete. Sie hatten Simone sogar in ihr Liebesspiel mit einbezogen. Die beiden schienen also ebenfalls auf ein bisschen Dominanz und Unterwerfung zu stehen. Warum also nicht Rat bei Kara holen, auch wenn sie eine Lesbe war? Was hielt Simone ab, weshalb war sie nur so verunsichert? Sie kannte die Antwort. Simone ahnte, dass sich hier eine Sache anbahnte, die nur sie und Frank etwas anging. So etwas wie ein Geheimnis. Etwas, das sie mit niemandem teilen wollte. Das sie mit niemandem erörtern, dem sie sich ganz allein stellen wollte. Nur sich selbst Rechenschaft ablegen über ihr Verhalten, das, wie sie dunkel ahnte, selbst sie noch überraschen würde. Sie stand an einer Grenze, das fühlte sie ganz deutlich. Spätestens seit der Lektüre des Buches wusste sie, dass er etwas Ähnliches mit ihr vorhatte. Und sie war keineswegs geschockt, nein, das war ja das Beunruhigende. Sie sehnte sich nach diesen neuen Erfahrungen.

Doch er rief nicht an. Sie hatte ihm ihre Festnetznummer gegeben, er hatte sie darum gebeten, während sie auf das Taxi warteten.

„Ich rufe dich an“, hatte er gesagt.

Das war jetzt acht Tage her. Während dieser acht Tage hatte sie sich kaum aus dem Haus getraut, hatte sowohl Uta, ihrer Kollegin, die sich mit ihr gern wieder einmal auf einen After-Work-Cocktail treffen wollte, als auch Tom und Kara abgesagt. Schließlich hätte es ja sein können, dass Frank anrief. Doch das Telefon schwieg, und Simone drückte nun schon zum wiederholten Mal auf den grünen Knopf, um zu überprüfen, ob das Freizeichen zu hören war. Warum tat sie sich das bloß an? Sie kannte die Antwort: weil sie wissen wollte, wie es war, wenn seine Hände auf ihrem Bauch abwärtsspazierten, wenn sie sich über ihren Venushügel bewegten und eintauchten in ihre feuchte Grotte, die sie zum Überfließen bringen würden. Weil sie seine geschickte Zunge nicht nur in ihrem Mund, sondern auch auf ihrer Klit spüren wollte, weil sie, verdammt noch mal, wissen wollte, wie sein Schwanz aussah, roch, schmeckte, sich in ihr anfühlte. Ach, Scheiße!

Das Telefon klingelte. Simone hatte augenblicklich den Hörer in der Hand, denn sie saß direkt daneben. Das Blut rauschte so laut in ihren Ohren, dass sie zuerst gar nicht verstand, wer dran war. Erst nach nochmaliger Rückfrage wurde ihr klar, dass es sich keineswegs um Frank Schlichter handelte, sondern um Knut, den Fotografen.

„He, du“, sagte er, „ich wollte dir die sensationellen Fotos zeigen, die ich von dir gemacht habe. Hast du Lust?“

Simone brauchte eine Weile, bis sie aus ihrem Gedankennebel, der sich nur um Frank gewunden hatte, wieder in der Realität aufgetaucht war. Knut, klar, die Fotos in der alten Fabrikhalle, sicher wollte sie die sehen. Und ob!

„Wie wäre es heute Abend?“, fragte er. „Entweder du kommst zu mir ins Studio, oder ich bringe sie mit zu dir. Ich wollte sowieso Kara und Astrid mal einen Besuch abstatten. Vielleicht können wir sie uns zusammen ansehen?“

Kara und Astrid, ach ja. „Soll ich mal rüberschauen, ob die beiden da sind? Oder wollen wir es drauf ankommen lassen?“

„Ach, lass mal, wenn sie nicht da sind, schauen wir uns die Fotos allein an, und ich komme später noch mal vorbei.“

Nachdem Simone das Gespräch beendet hatte, verfiel sie in Aktionismus. Irgendwie hatte sie in den letzten Tagen auch keine Lust auf Hausarbeit gehabt. Nicht, dass sie jemals Lust darauf gehabt hätte. Hausarbeit war ein lästiges Übel, eine Notwendigkeit, der sie nur so viel Zeit wie nötig und so wenig Zeit wie möglich widmete.

Jetzt hob sie die herumliegenden Kleidungsstücke vom Boden und von den Sitzmöbeln auf, stellte das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine und wischte schnell über Tische und Arbeitsflächen, um den gröbsten Schmutz zu entfernen. Und wie siehst du selbst aus? Ein Blick in den Spiegel zeigte ihr, dass es höchste Zeit für eine Dusche war. Sie bot weder einen erfrischten noch einen erfrischenden Anblick.

Als sie gerade fertig angezogen war, die Haare noch feucht, klingelte es auch schon an der Tür. Vorsichtig, wie das Intermezzo mit Manfred sie gelehrt hatte, blickte sie durch den Spion. Niemand zu sehen. Also musste er noch unten stehen. Nachdem sich Knut über die Sprechanlage zu erkennen gegeben hatte, drückte sie auf den Türöffner. Sein Anblick haute sie fast um. Sie hatte vergessen, was für ein gutaussehender Mann Knut war. Ein leichter Bartschatten lag auf seinem gebräunten Gesicht, die langen Haare waren wieder mit einem Gummi im Nacken zusammengebunden. Warum nur mussten so viele gutaussehende Männer schwul sein?

Unter dem Arm trug er eine große Mappe. Er begrüßte sie mit Küsschen rechts und links auf die Wange und übergab ihr die Mappe. „Ich klingle mal nebenan, ob die beiden Grazien zu Hause sind.“

Das war Simone nur recht; sie hätte nicht gewusst, wie sie Kara gegenübertreten sollte. Immerhin war sie seit Tagen quasi abgetaucht. Sie hatte sich nicht gemeldet bei den beiden oder Kara um Rat gefragt.

Fast hoffte sie, dass die beiden nicht zu Hause waren, doch die Stimmen, die sie aus der Nachbarwohnung hörte, machten ihre Hoffnung zunichte. Knut kam mit Kara und Astrid im Schlepptau zurück. Kara hatte eine Flasche Rotwein in der Hand. „He, du Eremitin, was ist los? Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Willkommen zurück in der Welt der Lebenden!“ Darauf gab Kara ihr einen lauten Schmatz auf die Wange. Astrid nickte ihr grüßend zu.

„Ich bin ja sooo gespannt auf die Fotos! Simone hat uns schon sagenhafte Dinge von eurem Shooting erzählt. Sie scheint ein Naturtalent zu sein!“

Knut nickte bestätigend. „O ja, das kann man so sagen, ihr werdet staunen!“

Simone holte Gläser aus dem Schrank, und Kara schenkte Wein ein. Sie prosteten sich zu.

„Auf die nächste Ausstellung!“, rief Kara, und Simone fragte sich, ob sie das wirklich wollte, in einer Ausstellung den Augen aller ausgeliefert zu sein.

„Nehmt mal eure Gläser vom Tisch, ich will nicht, dass ein Unglück passiert“, bat Knut jetzt und legte die Mappe darauf. Mit einem „Tatatataaaa“ klappte er sie auf.

Zum Vorschein kam das erste Foto, auf A1 vergrößert, schwarzweiß, so wie auch die anderen Fotos in der Ausstellung gewesen waren. Dort hatte Simone Knut kennengelernt, und er hatte sie angesprochen und gefragt, ob sie nicht Lust hätte, ihm einmal Modell zu stehen. Die Session war das Aufregendste gewesen, was Simone bis dahin erlebt hatte. Danach war sie sich sicher gewesen, dass sie eine exhibitionistische Ader haben musste, sonst hätte es ihr bestimmt nicht so viel Spaß gemacht.

Auf dem ersten Foto war ihr nacktes Hinterteil zu sehen, mit einem schwarzen Handabdruck darauf. Das Hochzeitskleid war über den Rücken hochgeschlagen, ihr einer Fuß in die Speichen eines Schwungrads gestellt. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie Knut seine Hand in einen Topf mit Farbe getaucht und ihr dann den Abdruck verpasst hatte.

„Geil!“, begeisterte sich Kara. „Du hast wirklich einen tollen Arsch, wenn ich das mal so direkt sagen darf.“

Astrid nickte zustimmend.

„Schaut euch doch mal die Kontraste an!“, sagte Knut begeistert. „Das reine Weiß und der Schmutz drum herum. Die Schatten, der Hintern leuchtet wie ein Mond, die Komposition, ich habe alle möglichen Ausschnittvergrößerungen probiert; mit der hier bin ich zufrieden. Diese leicht angeschnittene Linie, die den Blick des Betrachters gleich auf den Schuh lenkt. Und von dort …“