Karl May



Weihnacht!



eine Reiseerzählung

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Klassiker als ebook bei RUTHeBooks, 2015


ISBN: 978-3-95923-050-6


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Kapitel 4 - Im Schnee



Es war um die Mittagszeit des nächsten Tages. Wir befanden uns zwischen dem Big Sandy Creek und dem Green River und wurden von der Fährte, welcher wir folgten, nach Nordwest in der Richtung nach dem New Fork geführt. Das erst ziemlich ebene Terrain war jetzt bergig geworden, aber man sah, daß Corner die Gegend kannte; er hatte sich überall das beste Fortkommen gesucht. Seine Spur war nicht schwer zu lesen; er schien in dieser Beziehung keine große Sorge zu haben und nur auf ein möglichst schnelles Fortkommen bedacht zu sein. Leider hatte er da mehr Erfolg, als wir wünschten; seine Pferde waren besser als die unsrigen, mein Hatatitla natürlich ausgenommen. Aber was nützte mir alle Vortrefflichkeit des Rappen, wenn ich nicht schneller reiten durfte als die andern!

Wir trabten eben über ein ausgedehntes, sehr spärlich begrastes Hochplateau, welches uns eine freie Fernsicht bot, als ich weit draußen, rechts von uns, einen Punkt bemerkte, welcher sich zu bewegen schien. Ich ließ halten, um ihn zu beobachten. Das war kein Wild; das mußten Menschen sein. Wir stiegen ab, um nicht so leicht gesehen zu werden. Nach einiger Zeit konnten wir zwei Reiter unterscheiden, welche sich uns näherten. Es waren Weiße. Um sie nicht durch den Anblick von Indianern mißtrauisch zu machen, stieg ich allein wieder auf und ritt ihnen langsam entgegen. Als sie mich kommen sahen, stutzten sie erst, dann aber ritten sie weiter, obgleich sie nun die Roten sahen. Noch waren sie mir nicht so nahe, daß ich ihre Gesichter deutlich erkennen konnte, da hörte ich den einen in freudigem Tone rufen:

"O joy! Wenn mich meine alten Augen nicht täuschen, so ist das Old Shatterhand! Drauf los, drauf los!"

Sie setzten ihre Pferde in Galopp, und nun erkannte ich das alte, liebe, bärtige Gesicht, welches hier zu sehen ich weniger als alles andere vermutet hätte.

"Sannel, Amos Sannel!" rief ich aus. "Ist es denn möglich, daß Ihr es seid?"

"Warum soll das so unmöglich sein?" fragte er lachend, indem er sein Pferd parierte und mir die Hand zum Gruße hinhielt. "Ihr wißt ja, daß hier mein Lieblingsgebiet beginnt. Oder habt Ihr mich vielleicht für tot gehalten?"

"Allerdings."

"Was? Wirklich? Warum? Ich hoffe doch nicht, daß Ihr meinem Leichenzuge begegnet seid!"

"Das nicht, aber ... hm! Zeigt doch einmal Euer Gewehr!"

"Diesen Schießprügel? An dem ist gar nichts zu sehen. Ja, wenn ich meinen alten Einläufer noch hätte! Ihr habt ihn ja gekannt. Ich bin seitdem nur noch ein halber Mann!"

"Wo ist das Gewehr denn hin?"

"Wohin? Gestohlen worden ist es mir."

"Von wem?"

"Von zwei Halunken, deren Namen Nebensache ist, weil sie doch jedenfalls falsche genannt haben. Ich traf drüben am Belle Fourche River mit ihnen zusammen und ließ mich betören, bei ihnen zu bleiben. In der zweiten Nacht machten sie sich unsichtbar und mein Gewehr mit. Ich habe bisher vergeblich nach ihnen gesucht; aber wehe ihnen, wenn ich auf ihre Spur gerate! Warum fragt Ihr nach dem Gewehre?"

"Weil ... doch, sagt erst, woher Ihr kommt und wohin Ihr wollt!"

"Ich komm dieses Mal von den Sand Hills herüber, wo ich diesen Gentleman getroffen habe, der gerade dorthin will, wohin ich auch wollte, nämlich zu Avaht-Niah, dem Schoschonen. Wir denken, ihn und seinen Stamm jetzt in der Gegend der Wasatchberge zu finden."

"Da irrt Ihr Euch. Er ist am Schwefel- und Hobacksfluß zu suchen."

"Das ist ja gar nicht weit von hier! Wir wollen ihn nämlich warnen. Dieser Gentleman weiß, daß die Krähen die Schlangen überfallen wollen; darum reiten wir, was die Pferde nur laufen können, um Avaht-Niah zu warnen."

"Das ist nicht nötig. Er weiß es schon. Winnetou ist bei ihm."

"Unser herrlicher Apatsche? Wie kommt es, daß Ihr nicht beisammen seid, Mr. Shatterhand?"

"Weil ich jetzt hinauf nach dem Fremonts Peak muß, um Euer Gewehr zu holen," antwortete ich.

"Mein ... mein ... welches denn?" fragte er erstaunt.

"Eure Rallingbüchse."

"Alle Wetter! Ich begreife Euch nicht. Das ist doch Spaß?"

"Nein, es ist Ernst. Ich habe Euer Gewehr in der Hand gehabt; ich habe draus geschossen, und der, welcher es jetzt besitzt, der Dieb, reitet da vor uns her, und wir folgen ihm, weil wir eine Rechnung mit ihm haben. Kommt nur mit, Mr. Sannel! Wenn Ihr zu den Schoschonen wollt, ist Euer Weg ja doch der unserige."

"Ist ... ist ... ist es möglich?" stieß er, vor Freude stockend, hervor. "Mein Gewehr soll in der Nähe sein?"

"Ja. Kommt nur! Ich habe nämlich keine Zeit zu verlieren und werde Euch unterwegs alles erzählen."

"Schön, schön; gut, gut! Wenn es so ist, so sei der heutige Tag tausendmal gesegnet! Ich soll mein Gewehr wieder haben! Ah! Doch, erlaubt, Mr. Shatterhand, daß ich Euch diesen Gentleman vorstelle! Werdet Euch freuen. Er ist nämlich auch ein Deutscher wie Ihr, heißt Hiller, wird aber Nana-po genannt."

Der alte Sannel sagte das so gleichmütig; er hatte keine Ahnung, wie wichtig mir diese Mitteilung war. Ich mußte förmlich an mich halten, nicht vor Freude laut aufzuschreien. Auch Rost stutzte. Ich winkte ihm, zu schweigen, und sagte in möglichst ruhigem Tone:

"Es freut mich, Mr. Hiller, Euch kennen zu lernen, denn ich habe den Namen Nana-po rühmlich nennen hören."

Er antwortete nicht sogleich. Seine Augen waren finster auf die Upsaroka's gerichtet; dann sah er mich forschend an und fragte:

"Bemerkt Ihr nicht, Mr. Shatterhand, mit was für Blicken mich diese roten Halunken betrachten? Sie befinden sich bei Euch. Haltet Ihr es mit ihnen?"

"Ich halte es mit allen braven Menschen!"

"Well; diese aber sind Halunken! Ich sehe Euch heute zum ersten mal. Tausendmal habe ich gewünscht, doch einmal Euch und Winnetou zu begegnen, und nun dieser Wunsch endlich in Erfüllung geht, kann ich mich nicht darüber freuen, weil ich meine Todfeinde an Eurer Seite sehe."

"Sie sind es nicht!"

"Oh doch! Ihr wißt ja gar nicht ..."

"Ich weiß es schon! Kommt nur jetzt mit! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir werden unterwegs erzählen, was zu erzählen ist."

"Gut; Ihr werdet Euch aber wundern!"

"Ihr nicht weniger!"

Ich wollte weiter reiten, sah aber, daß die Upsaroka's halten blieben. Als ich sie nach dem Grunde fragte, antwortete einer von ihnen:

"Hier ist Nana-po, der unser Gefangener war. Er wurde zurückgelassen und hat die Flucht ergriffen, als wir fortgewesen sind. Wir dürfen nicht mit Old Shatterhand reiten, wenn Nana-po sich bei ihm befindet!"

Sie hatten von ihrem Standpunkte aus recht. Ich überlegte mir die Sache kurz. Wenn Hiller und der alte wackere Sannel bei uns waren, brauchten wir weiter keine Hilfe. Darum antwortete ich dem Roten:

"Wenn meine roten Brüder umkehren wollen, so mögen sie es tun. Das Packpferd aber müssen sie mir lassen. Yakonpi-Topa bekommt es wieder, wenn wir ihm die Pferde bringen, welche die Entflohenen mitgenommen haben."

"Uff! Es mag geschehen, wie Old Shatterhand sagt!"

Ich bat Rost, das Packpferd am Zügel zu nehmen; er tat es, und die Upsaroka's galoppierten zurück, ohne sich nur einmal umzusehen. Jetzt ritten wir weiter.

Zunächst nahm natürlich Hiller meine Aufmerksamkeit in Anspruch. Seine Gestalt war hoch und kräftig, sein Haar aber grau und sein Gesicht von tiefen Furchen durchzogen. Man sah, daß nicht bloß das Alter die Schuld an diesen Falten hatte. Dieses Gesicht wäre mir sympathisch gewesen, wenn nicht soviel Verschlossenheit und Härte darauf gelegen hätte. Seine Frau hatte gesagt, daß er seinen Glauben verloren habe. Ich nahm mir vor, ihm nicht gleich alles mitzuteilen, sondern den Versuch zu machen, auf sein Herz zu wirken.

Da wir uns auf einer freien Ebene befanden, konnten wir nebeneinander reiten und also bequem miteinander sprechen. Amos Sannel dachte nur an sein Gewehr und erkundigte sich mit großem Eifer nach der Gelegenheit, bei welcher ich es in den Händen gehabt hatte. Ich erzählte ihm von dem damaligen Wettschießen, nannte aber den Namen des Ortes nicht. Sein Gesicht strahlte bis in die Bartspitzen hinein, als er hörte, welche Schüsse ich getan hatte. Dann erzählte ich, ohne auf das Einzelne einzugehen, in kurzen Umrissen weiter, daß ich den gegenwärtigen Besitzer der Rallingbüchse am Lake Jone wieder getroffen hatte und was dann geschehen war.

"Und dieser Mensch ist also hier auf dieser Spur?" fragte er, als ich fertig war. "Ob er es von dem Diebe gekauft hat?"

"Ich möchte behaupten, daß er der Dieb selbst ist."

"So! Wenn er es ist, erkenne ich ihn sofort. Jetzt gehen mich die Schoschonen nichts mehr an; sie mögen stecken, wo sie wollen. Ich muß mein Gewehr wieder haben und werde nicht eher von dieser Fährte lassen, als bis ich mit dem Schurken abrechnen kann. Welch ein Glück ist es, daß ich Euch getroffen habe, Mr. Shatterhand! Wie aber steht es mit Euch, Mr. Hiller? Ihr müßt zu den Schoschonen, bei denen Ihr noch eine Menge Felle liegen habt, und könnt Euch also nicht um mich und mein geliebtes Schießeisen bekümmern."

"Warum nicht? Es handelt sich wohl nur um einen oder höchstens zwei Tage Zeitverlust, wenn ich mit Euch reite. Zu Avaht-Niah komme ich dann immer noch. Habe ich so lange bei den Krähen festgesteckt, so kann es jetzt auf einige Tage mehr oder weniger auch nicht ankommen."

"Danke Euch! Wenn man es mit solchen Schurken zu tun hat, ist es immer besser, man hat einige Fäuste zu viel als zu wenig. Aber sagt, Mr. Shatterhand, welcher Ort war es denn, wo Ihr diese Hauptschüsse aus meiner Büchse getan habt?"

Ich antwortete in gleichgültigem Tone, aber Hiller dabei in das Auge nehmend, ohne daß er es bemerkte:

"Ihr werdet die Stadt nicht kennen, Mr. Sannel. Es war in Weston, Missouri."

"Was? Wo? Weston in Missouri?" fragte Hiller schnell. "Dort seid Ihr gewesen, dort, Mr. Shatterhand?"

"Ja."

"Wann ist das gewesen?"

"Es kann stark in den zweiten Monat gehen."

"Das ist mir interessant. Ich wohne nämlich dort!"

"In Weston? Wirklich? Ah, da fällt mir ein: Es wurde dort von einem Pelzjäger Hiller gesprochen, der sich im Westen sehr verspätet haben soll."

"Der bin ich. Ich habe mich nicht verspätet, sondern ich war gefangen bei den Krähen."

"Das weiß ich. Yakonpi-Topa sagte mir, daß Nana-po sein Gefangener sei. Aber daß dieser Nana-po und dieser Hiller eine und dieselbe Person sind, wer hätte das gedacht!"

"Das hättet Ihr in Weston bei meiner Frau erfahren können. Sie hat oft, wie oft gewünscht, Euch oder Winnetou einmal sehen zu können, und mein Sohn ebenso. Ich habe nämlich einen Sohn. Wie sie sich wohl befinden mögen? Sie werden in schwerer Sorge um mich sein!"

"Was das betrifft, so kann ich Euch Auskunft geben, denn ich habe beide gesehen."

"Wirklich?" fragte er schnell. "Wann, wo?"

"Bei dem Schießen, von welchem ich vorhin erzählte. Sie standen dabei und sahen zu. Ich hörte, daß das Mrs. und der junge Mr. Hiller seien. Sie sahen ganz wohl aus."

"Das ist eine gute Nachricht, Sir. Aber es wundert mich sehr, daß sie nicht den Versuch gemacht haben, mit Euch zu sprechen, da sie beide doch stets den Wunsch hatten, Euch einmal zu sehen!"

"Ich verschwieg, wer ich bin. Ich wollte mich nicht als Panoramabild betrachten lassen."

"Dann ist freilich alles erklärt."

"Aber," fiel da Rost ein, um doch auch etwas zu sagen, "als dann Winnetou kam, wurde es doch offenbar, daß Ihr Old Shatterhand wart, Mylord."

"Auch Winnetou war in Weston?"

"Ja," fuhr Rost fort, ohne mich anzusehen und also meine Winke zu bemerken. "Beide, Winnetou und Mr. Shatterhand entdeckten dann, daß der Prayer-man der Nuggetdieb gewesen war."

"Nuggetdieb? Prayer-man? Ich habe, als ich zum letzten mal daheim war, einen Prayer-man gesehen. Er kam zu uns. Meine Frau kaufte ihm einige Sachen ab, und er schrieb sich ein Gedicht auf, ein deutsches Weihnachtsgedicht, welches meine Frau mit aus dem alten Lande herübergebracht hat."

"Ja, ja," nickte Rost sehr eifrig. "Es beginnt mit der Strophe:

Ich verkünde große Freude,
Die Euch widerfahren ist,
Denn geboren wurde heute
Euer Heiland Jesus Christ.

Wißt Ihr, wer dieses Lied gedichtet hat, Mr. Hiller?"

Der unvorsichtige frühere Oberkellner stand im Begriffe, Dinge zu verraten, welche jetzt noch Geheimnis bleiben mußten. Ich ließ mein Pferd einen Seitensprung machen, welcher den Schwätzer zwang, mich anzusehen, und warf ihm einen so drohenden Blick zu, daß er endlich einsah, daß er schweigen solle.

"Ja, ich weiß, wer es gedichtet hat," antwortete Hiller harmlos; "ein unreifer Knabe, der noch voller Ammenmärchen steckte. Diese Redereien vom heiligen Christ, von Sünde und Vergebung, vom Heiland und sonstigen himmlischen Dingen sind doch nur geistige Jungenstreiche. Kein vernünftiger Mensch kann daran glauben!"

"Wirklich?" fragte ich. "Ich denke, daß ich so ziemlich vernünftig bin, glaube aber doch daran."

"Ihr, Mr. Shatterhand?"

"Ja."

"Das sagt Ihr doch nur im Scherze!"

"Oh nein; es ist mein heiligster Ernst. Ich kann den Menschen, dem der Glaube an Gott fehlt, nur tief bedauern!"

"An Gott? Hört, sprecht mir doch nicht von Eurem sogenannten Gott! Mag ich das schon aus jedem andern Munde nicht hören, so noch viel weniger aus dem Eurigen. Ein Mann wie Old Shatterhand, von dem man weiß, daß er sich selbst vor dem Teufel nicht fürchtet, sollte doch wahrhaftig vernünftiger reden!"

"Die höchste Vernunft ist Gott, und nur allein deshalb, weil ich Gott fürchte, habe ich den Teufel nicht zu fürchten!"

"Dann, bitte, wollen wir nicht mehr davon sprechen. Wenn Ihr das erfahren und durchgemacht hättet, was ich alles hinter mir habe, würdet Ihr ganz anders sprechen. Ich kann und mag das fromme Wimmern nicht hören. Es paßt sich das für Knaben und alte Weiber, aber nicht für erwachsene, verständige Männer!"

"Danke für die Zurechtweisung, Mr. Hiller! In dieser Beziehung bin ich Kind geblieben und will es ewig bleiben!"

"Bleibt es in Gottes Namen, oder vielmehr, in wessen Namen Ihr wollt, nur nicht in Gottes Namen, denn es gibt keinen Gott! Wenn ich da nicht recht habe, so mag mir der erste, beste Grizzlybär das Gehirn ausfressen! Ihr wißt doch, Sir, daß der Grizzly stets zuerst nach dem Gehirn zu kommen trachtet? Es ist ihm der Lieblingsbissen von jeder Beute, die er geschlagen hat."

Diese lästerliche Vermessenheit klang so entsetzlich und empörte mich in der Weise, daß ich ganz rücksichtslos antwortete:

"Hört, Mr. Hiller, ich bin kein Bär, der sich um Euer Gehirn bekümmert; bekümmert Euch also auch nicht um das meinige und die Gedanken und Ansichten, welche es hegt! Ihr habt mich unvernünftig genannt, weil ich an Gott glaube. Es ist noch keine halbe Stunde her, seit wir uns zum ersten mal im Leben gesehen haben; da kann ich es nur, gelinde ausgedrückt, eine Voreiligkeit nennen, wenn Ihr schon in dieser Weise an mir herummeistern wollt. Mit Knaben und alten Weibern läßt sich Old Shatterhand nicht kommen. Ihr mögt erfahren und durchgemacht haben, was es sei, ich bin auch nicht auf Rosen gebettet gewesen. Ihr habt dabei verloren; ich habe gewonnen; ich lasse Euch Euern Verlust und muß also bitten, mir meinen Gewinn auch nicht anzutasten!"

"Well!" lachte er. "Vorhin wart Ihr es, jetzt nun bin ich es, der für die Zurechtweisung dankt! Wir sind also quitt! Doch, schaut da links hinüber! Das ist ein Reiter!"

Ja, es war ein einzelner Reiter, der wahrscheinlich erst eine andere Richtung gehabt, uns aber gesehen hatte und nun in schlankem Galopp gerade auf uns zukam. Da wir ihn nicht von der Seite, sondern von vorn sahen, war er in so weiter Entfernung nicht zu erkennen, aber die fliegende Pferde- und Menschenmähne sagte mir dennoch, wer da kam.

"Winnetou!"

Als die andern den Namen hörten, hielten sie an. Ich ritt einige Schritte weiter und blieb dann auch halten; er sah also meine Gestalt allein, erkannte mich, richtete sich im Sattel hoch auf, warf den Arm empor und rief meinen Namen. Er kam wie ein Sturm dahergeflogen. Als er uns erreichte, gab es einen einzigen Ruck, da stand sein Pferd und er saß darauf, beide wie aus Erz gegossen.

"Scharlih!" sagte er, mich mit frohen Augen betrachtend, denn ich war ja frei.

"Winnetou, mein Bruder!" antwortete ich, ihm die Hand hinstreckend, welche er drückte.

Mein Blick suchte natürlich nach meinen beiden Gewehren. Er hatte den Bärentöter über der Schulter, den Henrystutzen und die Silberbüchse am Sattel hängen.

"Uff! Amos Sannel!" lächelte er. "Da ist von dem Wettschießen in Weston gesprochen worden. Wer ist das andre Bleichgesicht?"

"Nana-po," antwortete ich.

"Uff!"

Sein Auge flog prüfend über Hillers Gestalt, doch sagte er nichts; dann wendete er sich wieder an mich:

"Mein Bruder befindet sich nicht mehr bei den Upsaroka's? Ich sehe hier eine Fährte, welcher er folgt. Carpio fehlt? Sind die gefangenen Bleichgesichter entflohen?"

"Ja, und Carpio fiel ihnen in die Hände; sie haben ihn mitgenommen."

"So sind sie hinauf nach dem Finding-hole. Wie alt ist diese Spur?"

Er bog sich herab um sie zu betrachten, und fuhr dann fort:

"Wir brauchen noch Leute; ich werde welche holen. Avaht-Niah, der Häuptling der Schoschonen, ist selbst auch bei seinen Kriegern. Sie ziehen drüben am Marsh Creek herab. Meine Brüder mögen jetzt dieser Fährte weiterfolgen! Halten sie heute Abend da an, wo der Silver Creek in den New Fork mündet, werde ich sie einholen. Mein Bruder Scharlih bekommt seine Gewehre wieder."

Er gab sie mir, wendete sein Pferd und jagte wieder fort.

"Was für ein Mann!" rief Hiller bewundernd aus.

Da glaubt man nicht an Gott und hat doch sein herrlichstes Ebenbild vor Augen! So dachte ich, sagte aber nichts. Wir setzten unsern Ritt fort, doch blieben unsere Augen an dem Apatschen haften, bis er ganz draußen am Horizont verschwand.

Wie oft in meinem Leben habe ich jene große Potenz bewundern müssen, welche aus uns unbekannten Gründen und Ursachen Folgen und Ereignisse zieht, die uns überraschend kommen, weil wir eben nichts von der Veranlassung dazu wußten! Diese Macht wird von dem gewöhnlich denkenden Menschen Zufall genannt. Man macht es sich da leicht; man braucht keine geistige Anstrengung dazu; man hat keine Verantwortung; man riskiert nicht, wegen des "Ammenmärchens" von Gottes Weisheit ausgelacht zu werden; man sagt eben von jeder auf unerwartete und unerklärliche Weise eingetretenen Tatsache, daß sie dem Zufalle zu verdanken sei. Ich beneide die Anhänger der Zufallslehre nicht. Sie beugen ihre Häupter vor dem bloßen, aller Intelligenz baren Ohngefähr, vor einem seelen- und willenlosen Etwas, welches ihnen keinen Halt bieten kann, sondern ihnen denselben nur zu rauben vermag. Wieviel glücklicher ist da doch derjenige, welcher glaubt, daß Gottes Auge ihn bewacht und Gottes Vaterhand ihn durch das Leben leitet! Für ihn sinken die in sein Leben eingreifenden Ereignisse nicht zu unmotivierten Vorgängen herab, welche sich auch ganz anders hätten gestalten können, sondern alles, was geschieht, trägt einen zurückgreifenden Grund und eine weise, in die Zukunft blickende Absicht in sich, der man sich mit beruhigendem Vertrauen hingeben kann, obgleich man sie nicht zu begreifen vermag.

So fiel es mir auch gar nicht ein, meine Begegnung mit Hiller und dem alten Amos Sannel für Zufall zu halten; Gott hatte es gewollt, daß wir uns treffen sollten. Der Weg, welchen sie zurückgelegt hatten, wäre von keinem nur einigermaßen erfahrenen Westmanne eingeschlagen worden; er war so außerordentlich beschwerlich, daß es ein außer ihnen liegender Wille gewesen sein mußte, der sie veranlaßt hatte, vom Poison- und Agir-Creek so schnurgerade über das vollständig pfadlose Gebirge herüberzukommen. Die Verhältnisse lagen so, daß sie gerade in diesem Augenblicke und gerade auf diesem Wege hatten kommen müssen, um da zu sein, wo sie gebraucht wurden. Es war ja geradezu, als ob sie uns auf eine besondere Bestellung zugeschickt worden seien!

Da Hiller jetzt nicht gleich alles erfahren sollte, was ich ihm eigentlich zu sagen hatte, führte ich eine Gelegenheit herbei, mit Rost unbeobachtet sprechen zu können, um ihm zu sagen, wie er sich in dieser Beziehung zu verhalten habe. Er versprach mir, das von mir gewünschte Schweigen streng zu beobachten.

Ich hielt mich im weitern Verlaufe des Nachmittages meist zu Sannel, welcher mir erzählte, was er seit unserm letzten Beisammensein alles erlebt hatte. Darüber verging die Zeit sehr schnell, und es wollte Abend werden, als wir die Höhen von Fremonts Butte rechts von uns auftauchen sahen und uns also in der Nähe unseres heutigen Zieles befanden. Wir erreichten den Zusammenfluß des Silver Creek mit dem New Fork gerade beim letzten Tageslicht und hatten einen passenden Lagerplatz gefunden, als es vollständig finster geworden war.

Nirgends unterhält es sich wohl besser, als in der Einsamkeit der Wildnis, wenn einige Männer beisammensitzen, welche etwas erlebt haben. Solche Lagerplätze sind für den Westmann das, was für bewohnte Gegenden die Zeitungen sind, und er versäumt nur höchst ungern eine solche Gelegenheit, Unbekanntes zu erfahren und sich selbst auch gehörig auszusprechen. Heute aber ging es sehr still bei uns zu. Sannel hatte mir gesagt, was er mir zu sagen hatte, und Hiller zeigte sich außerordentlich zurückhaltend; er ließ nur dann ein Wort hören, wenn dies unumgänglich nötig war. Er hatte mir die Zurechtweisung übelgenommen, mit welcher ich geglaubt hatte, nicht zurückhalten zu dürfen. Er schien ein Charakter zu sein, dem man nicht widersprechen darf, weil er nicht leicht verzeihen kann. Vielleicht war diese Eigenschaft nicht ohne Einfluß auf die unglückliche Gestaltung seiner Vergangenheit gewesen. Wer sich nicht belehren läßt und sich gegen andere Meinungen gern nachtragend zeigt, dem entgeht die Elastizität, welche zum Parieren schwerer Schicksalsstöße nötig ist. Wenn es wirklich ein so großer Herzenswunsch von ihm gewesen war, Winnetou und mich einmal zu sehen, so hätte er sich jetzt, wo er ihm in Erfüllung gegangen war, versöhnlich zeigen sollen! Vielleicht hätte ich etwas weniger schroff mit ihm sprechen sollen; ich gebe das zu; aber ich lasse mir nun einmal gegen meinen Herrgott nichts sagen und hatte ihm gleich beim ersten Versuche klarmachen wollen, daß er damit bei mir an eine vollständig falsche Adresse kam. Ich hielt und halte das noch jetzt für meine Pflicht.

So saßen wir also ziemlich schweigsam beisammen und warteten auf die Ankunft des Apatschen. Wir hatten ein Feuer angebrannt, welches auf den Weg, den wir gekommen waren, zurückleuchtete. Das war von mir angeordnet worden, damit Winnetou nicht lange in der Finsternis nach uns zu suchen brauchte. Freilich hatte ich dabei vermieden, dieselbe Unvorsichtigkeit wie die Begleiter Lachners am Lake Jone zu begehen. Ich hatte erst die Umgebung des Platzes genau abgesucht und dann das Feuer nicht da anbrennen lassen, wo wir saßen, sondern ziemlich entfernt davon an einer Stelle, welche wir überblicken konnten. Es ging nur zuweilen einer von uns hin, um neues Holz nachzulesen. Auf diese Weise konnten wir nicht entdeckt werden, aber selbst jede Person sehen, welche sich etwa heranschleichen wollte.

Es mochten, seit wir hier angekommen waren, vielleicht zwei Stunden vergangen sein, als ich bemerkte, daß sich in dem Gebüsch, neben welchem das Feuer brannte, einige Zweige leise bewegten. Das konnte nicht eine Folge des Windes sein, weil sich da die benachbarten, ebenso leichten Zweige mitbewegt hätten. War das Winnetou oder eine Person, welche nicht zu uns gehörte? Wenn er es war, so bedurfte es nur jenes Plätscherns, durch welches er mich abends am Lager der Upsaroka's, als ich mit Yakonpi-Topa den Umgang machte, auf sich aufmerksam gemacht hatte. Ich flüsterte also meinen Gefährten zu, sich ganz ruhig zu verhalten, und kroch nach dem Wasser, welches sich nur einige Schritte hinter uns befand. Dort schöpfte ich den Hut voll, hielt ihn hoch und ließ den Inhalt laut in den still dahinfließenden Creek fallen. Es bedurfte nicht vieler Wiederholungen dieses Experimentes, denn schon beim zweitenmale erklang die Stimme des Apatschen:

"Winnetou hört das Zeichen seines Bruders Scharlih. Wo ist Old Shatterhand?"

"Hier. Wir kommen," antwortete ich.

Wir gingen nach dem Feuer, an welchem zu gleicher Zeit Winnetou erschien. Er ließ einen lauten, scharfen Pfiff hören, worauf fünf Indianer kamen, welche den Iltschi des Apatschen und auch mehrere Packpferde an den Leitzügeln führten.

"Es ist niemand in der Nähe," sagte er. "Wir können nun an einer bessern Stelle ein größeres Feuer machen und uns an demselben niedersetzen, um uns zu wärmen, denn es wird in dieser Nacht sehr kalt werden."

Die Indsmen zerstreuten sich, um Holz zu suchen; sie brachten trotz der Dunkelheit eine solche Menge zusammen, daß sie für die ganze Nacht reichte. Es wurde an einer rundum von Büschen verdeckten Stelle ein neues Feuer angebrannt, um welches wir uns lagerten, nachdem die neu angekommenen Pferde gut versorgt worden waren. Dann warf mir Winnetou einen fragenden Blick zu. Ich verstand ihn und erzählte in kurzen Worten, was geschehen war, seit ich das Unglück gehabt hatte, mit Carpio und Rost am Fleischwasser in die Hände der Blutindianer zu geraten. Sie hörten mir alle mit Spannung zu, besonders auch Hiller, welcher, als ich geendet hatte, sein bisheriges Schweigen brach und mich fragte:

"Aber, Sir, da hat sich ja herausgestellt, daß wir ganz unschuldig an dem Tode der sechs Krähen gewesen sind?"

"Noch nicht ganz," antwortete ich. "Winnetou hat es entdeckt, Yakonpi-Topa aber will sich erst überzeugen; darum hat er Boten nach der betreffenden Stelle geschickt."

"Die werden ihm schon die Überzeugung bringen, daß die Blutindianer die Schuldigen gewesen sind. Hoffentlich ist man in St. Louis nicht so dumm, ihm die verlangten 365 Gewehre zu schicken!"

"Welche Gewehre?" erkundigte ich mich, indem ich mich unwissend stellte.

"Er hat einen Brief an meine Frau geschrieben, den ich unterzeichnen mußte. Er schrieb darin, daß er mich nur gegen die Zusendung von soviel Gewehren, wie das Jahr Tage hat, ausliefern werde."

"Wird sie ihn lesen können?"

"Nein, und auch in St. Louis wird sich wohl niemand gefunden haben, der es konnte. Darum habe ich ihn unterschrieben. Er hätte die Gewehre genommen und mich doch am Marterpfahle sterben lassen wie die vier unschuldigen Schoschonen. Ich weigerte mich nur deshalb nicht, meine Unterschrift zu geben, weil ich dadurch die Wachsamkeit meiner Wächter einzuschläfern hoffte. Das ist mir auch gelungen. Ich bin glücklich entkommen und nicht etwa nach Hause geritten, sondern durch dick und dünn direkt über die Berge gegangen, um die Schoschonen zur Rache aufzufordern."

"Rache? Hm!"

"Das gefällt Euch wohl nicht?"

"Ich habe das Wort Rache nicht gern."

"Weil es Euch noch nicht so ergangen ist wie mir!"

"Nicht? Ich glaube, ich bin öfter gefangen gewesen und habe mehr Unrecht erlitten als Ihr. Aber ich habe mich nie selbst gerächt, sondern die Bestrafung Gott überlassen."

"Das fällt aber mir nicht ein! Wenn Raub und Mord und Totschlag ungeahndet bleiben sollen, so hört auf Erden alles auf, und wenn man die Bestrafung jemandem überlassen soll, den es gar nicht gibt, so mögen die roten und weißen Halunken nur immer drauflos sündigen, weil ihnen nichts geschehen wird. Wie verhält sich denn aber diese Eure christliche Barmherzigkeit damit, daß Ihr jetzt hinauf nach dem Fremonts Peak wollt, Mr. Shatterhand?"

"Ich will dort ein Verbrechen verhüten, weiter nichts."

"Nicht auch es bestrafen?"

"Kann ich es bestrafen, wenn ich es verhütet habe und es also gar nicht geschehen ist?"

"Das sind Wortdrehereien, auf die ich nicht eingehe. Ich bin hierher gekommen, um den Schoschonen zu sagen, daß die Kikatsa vier Leute von ihnen am Marterpfahle ermordet haben; sie sollen sich dafür rächen., Dadurch wird diesen roten Schuften zugleich meine Gefangenschaft vergolten, und ich bekomme vielleicht die Felle wieder, die sie mir abgenommen haben."

"Die bekommt Ihr auch ohne Blutvergießen wieder."

"Wieso?"

"Yakonpi-Topa hat mir versprochen, Euch freizugeben und Euch die Felle auszuliefern; ich soll nur kommen und Euch holen, falls sich herausstellt, daß die Blutindianer die Schuldigen sind."

"Und Ihr seid so dumm, an dieses Versprechen zu glauben?"

"Ja, ich bin so dumm!"

"Da tut Ihr mir leid. Ich habe Euch bisher für klüger gehalten. Ihr scheint zu derjenigen Art berühmter Leute zu gehören, welche verlieren, sobald man sie persönlich kennen lernt!"

"Möglich; ich weiß das natürlich nicht!"

"Ja; Eure fromme Denkungsart paßt ganz und gar nicht zu dem Bilde, welches man sich von Euch macht, wenn man Euch noch nicht gesehen hat. Dieses gefühlvolle ..."

Er wurde unterbrochen: Winnetou hatte eine Rute vom nächsten Strauch gerissen und schlug damit ins Feuer, daß die Funken hoch aufstoben.

"Uff!" sagte er. "Mein Bruder Scharlih ist ganz genau so, wie er sein muß, um Old Shatterhand zu sein. Howgh!"

Er warf Hiller die Rute ins Gesicht und wendete sich dann von ihm ab. Der in dieser Weise Zurechtgewiesene nahm das nicht etwa ruhig hin, sondern er fuhr den Häuptling der Apatschen an:

"Mit Ruten werfen ist Beleidigung! Ich werde Nana-po genannt; das ist wohl Beweis genug, daß ich eine eigene Meinung haben darf! Ich weiß nicht, was Old Shatterhand drüben in seinem Vaterland gewesen ist, jedenfalls aber das nicht, was ich war! Und ich bin auch heute noch nicht gewöhnt, mir in Beziehung auf das, was ich zu tun oder nicht zu tun habe, Vorschriften machen zu lassen!"

Er sah sich auffordernd im Kreise um. Kein Mensch sagte ein Wort.

"Ich muß um Antwort bitten!" sagte er gebieterisch.

Alles schwieg.

"Nun, so kann ich ja gehen! Ich habe nicht Lust, bei Leuten zu sein, die nur ihren eigenen Willen kennen. Ich beabsichtige, die Schoschonen aufzusuchen. Wo sind sie jetzt?"

Er richtete diese Frage an die Roten, welche mit am Feuer saßen. Bei ihnen befand sich Teeh, der Kundschafter, den wir kurz vor dem Fleischwasser getroffen hatten. Als Hiller von ihnen keine Silbe zu hören bekam, stand er auf.

"Bleibt Ihr hier, oder reitet Ihr mit mir?" fragte er Amos Sannel, seinen bisherigen Gefährten.

"Ich bleibe," antwortete dieser. "Bin froh genug, Old Shatterhand und Winnetou getroffen zu haben, und werde mich hüten, mir dieses Vergnügen verderben zu lassen!"

"So bleibt in Gottes ... wollte sagen, in drei Teufels Namen! Werde mich auch ohne Euch zurechtzufinden wissen!"

Er ging zu den Pferden, und einige Augenblicke später hörten wir ihn fortreiten.

"Fürchterlicher Hartkopf!" meinte Sannel. "Habe mich verschieden über ihn zu ärgern gehabt und bin ganz zufrieden damit, daß er sich davongemacht hat!"

Das konnte er wohl sagen, aber wie stand es da mit mir? Ich hatte Aufträge an Hiller. Durfte ich es zugeben, daß er sich entfernte, ohne daß ich sie ausgerichtet hatte? Winnetou mochte ahnen, was für Gedanken ich hegte; er legte seine Hand einen Augenblick auf die meinige und sagte:

"Mein Bruder mag ihn reiten lassen! Wir wollten ihn befreien; er ist frei. Wir sind fertig mit ihm. Howgh!"

Ich mußte ihm recht geben, wenn ich daran dachte, daß ich beleidigt worden war; sah ich aber von dieser Beleidigung ab, so hätte ich ihn doch lieber zurückgerufen, denn es war doch wohl trotz allem meine Schuldigkeit, ihm mitzuteilen, was mir an ihn aufgetragen worden war. Wohin wollte er, jetzt mitten in der Nacht? Er hatte zwar heute Nachmittag von Winnetou gehört, daß die Schoschonen am Marsh Creek herunterkämen, aber da waren sie doch jetzt nicht mehr! Er kam mir wie ein erwachsener Knabe vor, der seinen Kopf aufsetzt, mag er biegen oder brechen!

Wir saßen unter dem Eindrucke der unangenehmen Szene noch eine ganze Weile am Feuer, ohne etwas zu sagen; dann wurden die Wachen ausgelost. Als dies geschehen war, sagte Amos Sannel:

"Aber, Mesch'schurs, so können wir uns doch nicht schlafen legen! Ich wenigstens könnte kein Auge zutun, ohne zu wissen, woran ich für morgen bin."

"Wieso für morgen?" fragte ich.

"Ich reite natürlich mit euch. Wohin wollen wir? Warum sind diese fünf Schoschonen geholt worden, und aus welchem Grunde haben sie die beladenen Packpferde mitgebracht?"

Da antwortete Winnetou:

"Amos Sannel soll das alles kurz erfahren. Wir reiten nach dem Fremonts Peak und wissen nicht, wie lange wir da oben zu bleiben haben. Wenn uns der Schnee überfällt, können wir nicht herab. Darum hat Winnetou dafür gesorgt, daß wir für alles gerüstet sind. Die Packpferde sind mit Decken und Nahrung für uns beladen. Sobald wir oben sind, werden diese fünf Schoschonen zurückkehren und unsere Pferde in Sicherheit bringen, welche verhungern müßten, wenn die Decke des Schnees vom Himmel stürzt."

"Schöne Aussicht! Aber sehr klug gehandelt! Gut nur, daß es nicht genau so zu kommen braucht! Wir können ja in viel kürzerer Zeit, als wir denken, oben fertig sein. Ich bin bereit, alles mitzutun; lieber wäre es mir aber, wenn wir nicht gezwungen wären, einiger Schurken wegen uns da oben einschneien lassen zu müssen. Einen ganzen, langen Winter im Eise zuzubringen, das ist nur für einen Eisbären angenehm! Wollen es beschlafen. Gute Nacht, Mesch'schurs!"

Er wickelte sich in seine Decke und war nach einigen Minuten eingeschlafen; die andern außer mir und Rost folgten diesem löblichen Beispiele. Die erste Wache war auf mich gefallen; darum durfte ich nicht schlafen, und Rost blieb noch sitzen, weil er etwas auf dem Herzen hatte.

"Mylord, ist das wahr, was Winnetou sagte?" fragte er mich leise, um die Schläfer nicht aufzuwecken. "Müssen wir den ganzen Winter im Gebirge bleiben?"

"Möglich ist es, aber gewiß noch lange nicht," antwortete ich. "Winnetou hat sich als vorsichtiger Mann für alles vorgesehen; damit ist aber nicht gesagt, daß gerade nur die schlimmste Befürchtung einzutreffen hat."

"Wäre es da nicht besser, wir kehrten um?"

"Umkehren? Wollen Sie Carpio im Stiche lassen?"

"Nein, nein! Daran dachte ich gar nicht. Den müssen wir natürlich auf alle Fälle wieder haben!"

"Schön! Und das Gold dazu!"

"Welches Gold?"

"Haben Sie vergessen, daß die Gesellschaft Corners ein Finding-hole ausnehmen will?"

"Ja, richtig! Aber wir wissen doch nicht, wo das liegt!"

"Die Spuren Corners werden uns draufführen."

"Und dann gehört es uns?"

"Hm! Eigentlich nicht. Jedes Placer gehört dem Entdecker. Wir werden natürlich nur tun, was wir vor unserm Gewissen verantworten können; aber da diese Mörder das Gold auf keinen Fall bekommen dürfen, so wird sich wohl eine Art und Weise finden lassen, es in ehrliche Hände zu bringen, ohne dabei ein Unrecht zu begehen."

"Hm! Wissen Sie, Mylord, was mir eine innere Stimme sagt?"

"Nun, was?"

"Daß mir ein Teil von diesem Gelde sehr willkommen wäre."

"Wirklich?"

"Ja. Ich bin ein so blutarmer Teufel gewesen und habe mich bis zum heutigen Tage immer vorwärtshungern und -kummern müssen. Und meine Verwandten sind gar noch ärmer als ich. Welch ein Glück und welch eine Wonne, wenn man da einmal eine Tasche hätte, in welche man nur zu greifen braucht, um all dieser Not ein Ende zu machen! Meinen Sie nicht, daß so etwas doch vielleicht möglich wäre?"

"Möglich wohl. Hm! Ich will Ihnen den Rat geben: Bilden Sie sich nichts ein! Wenn man nichts hat, so ist es besser, man behält nur dieses Nichts, als daß man sich noch eine Enttäuschung dazu holt. Legen Sie sich schlafen!"

"Das werde ich; aber ich will doch versuchen, ob ich es fertig bringe, von Gold zu träumen, wenn auch nur von einem ganz kleinen Bißchen. Dann hätte ich mich doch wenigstens einmal im Schlaf gefreut!"

Er legte sich um und war auch bald eingeschlafen. Ob und wovon er träumte, das konnte ich ihn leider nicht fragen, ohne ihn aufzuwecken. Als meine Zeit um war, weckte ich Teeh, der nach mir kam; dann warf ich mich auch in die weltbekannten Morpheusarme, welche mich erst losließen, als es Tag geworden war.

Als wir unser Morgenbrot verzehrt hatten, welches aber nicht aus Brot, sondern aus Trockenfleisch bestand, stiegen wir auf und suchten eine Furt im New-Fork, welche Winnetou kannte. Hiller schien sie auch zu kennen, denn seine Spur führte gerade auf sie zu und dann hinüber. Der New-Fork machte einen großen Bogen nach Fremonts Butte und dem Bouldersee hin; wir schnitten ihn ab, indem wir jetzt an das andere Ufer gingen, um später wieder an das erste zurückzukehren.

Der Ritt ging über ein weites, sich stets aufwärts ziehendes Grasland, welches hie und da von einem Wäldchen unterbrochen wurde. Die Luft war kalt und trübe; das Gras hatte ein halberfrorenes Aussehen; die Höhen trugen Schnee. Wir ritten den halben Vormittag durch eine feuchte Spätherbstlichkeit und dann gar in Wintersanfang hinein.

Es war eine grandiose Natur um uns her. Wenn es nicht für manchen lächerlich klänge, würde ich von einer Shakespeare-Landschaft sprechen. Links drohten die finsterbewaldeten Vorberge der Salt River Range über den nordsüdlich fließenden Green River herüber; hinter uns schienen die dunklen Black- und Tabernacle-Bluffs die Last des schweren Himmels zu tragen; weit draußen, rechts, versammelten sich die Sweet-water-Giganten einer nach dem andern, der Atlantik-, Wind-river- und Temple-Peak, der Chauvenet, Hooker, Bonneville und Golkie, um sich dann in geschlossener Kolonne vom New-Fork-Peak aus über die stolze und unüberwindliche Wind River Range bis hinauf zum Union Paß zu ziehen. Sie blickten, Haupt an Haupt, mit schwerem Eis und Schnee bedeckt, bald tiefernst, bald vorwurfsvoll, bald hohnlächelnd auf uns nieder, daß wir lächerlichen Pygmäen es wagen wollten, in eine Welt einzudringen, wo nur das Große, Erhabene Platz zu finden, die alles Kleine, Gewöhnliche zu erdrücken, zu zermalmen schien.

Ich habe an anderer Stelle den Eindruck der Rocky-Mountains zu schildern versucht; das war, wenn man sie von weitem erblickt. Hier aber befanden wir uns nicht nur mitten drin, sondern hoch oben zwischen ihren höchsten Höhen. Da gab es nicht jenes hochinteressante Farbenspiel der Felswände, jene stimmungsvolle Abtönung der sich übereinander aufbauenden und hintereinander zurücktretenden Bergeskuppen, sondern da saßen oder lagen die finsteren, drohenden Hünen des Gebirges lang ausgestreckt und weiß bedeckt von Butte zu Butte, von Paß zu Paß und hauchten ihre eisigen, erbarmungslosen Atemstöße durch die Täler, daß sie sich in dichte Nebel ballten oder als glitzernder Reif den Hochwald und das starre, fühllose Gestein überzogen. Da gab es keine Spur von Freude und Scherz, von Frohsinn und Heiterkeit, auch keine Spur von Wehmut, der stillen, stummen Klage war zu entdecken; keine sanfte Höhe weinte ihre Tränen heimlich in das Tal. Nein, hier in dieser sprachtoten, stummen Einsamkeit hatte sich eine erschütternde, unheilvolle Tragödie abgespielt, deren Schauer noch nicht gewichen waren, sondern sich an die hingesunkenen Riesenleiber für immer festgeklammert zu haben schienen. Hier stiegen versteinerte und doch noch gellende Hilferufe aus den Zwischenklüften; hier lagen die zerschmetterten Intervalle niedergerungener Todesschreie rings umher; hier war das Ächzen und Stöhnen eines unendlichen, entsetzlichen Schmerzes zu Fels geworden; hier hatte das Fauchen und Zischen eines unsäglich grausamen Hasses eine unzerstörbare, granitne Gestalt angenommen, und selbst die Sonne, die überall so frohe, lebenswarme, schien hier vor Schreck zu erbleichen und zu erkalten, denn ihre farblosen Strahlen verloren hier ihre Kraft und berührten uns, ohne von uns empfunden zu werden.

Wir hatten eine Doppelfährte vor uns, nämlich die von Corner und seiner Gesellschaft und sodann auch Hillers Spur, welche mit der ersteren zugleich nach Norden lief. Hiller wollte zu den Schoschonen. Da er von Winnetou gehört hatte, daß diese den Marsh Creek herabgekommen waren, welcher sich in den Green River ergießt, so erwarteten wir jeden Augenblick, daß die Stapfen seines Pferdes nach Westen abbiegen würden; er hatte ja im Norden, wohin wir wollten, nichts zu suchen. Aber sonderbarer Weise geschah das nicht; es geschah selbst dann nicht, als wir, um mich eines seemännischen Ausdruckes zu bedienen, den Zusammenfluß des Marsh Creek mit dem Green River doublierten. Entweder war er sich selbst nicht klar, oder er hatte einen neuen Entschluss gefaßt, der unsern Gedanken so fern lag, daß wir ihn nicht erraten konnten.

Indem wir also die Gründe seines unerklärlichen Verhaltens vergeblich zu entdecken suchten, bemerkten wir eine neue Fährte, welche von rechts herüberkam und dann der alten folgte, nachdem sie mit ihr zusammengetroffen war. Wir stiegen ab, um sie zu lesen. Sie deutete auf zwei Reiter, welche auch halten geblieben waren, um die vorherigen Spuren sehr genau zu betrachten. Hier galt es, uns über die Reihenfolge klar zu werden, also über die Zeit, in welcher sich die einzelnen Gruppen, deren drei waren, vor uns bewegt hatten. Wir sahen, daß erst Corner gekommen, dann Hiller gefolgt und dann das uns unbekannte Reiterpaar hinterhergeritten war. Corner hatte einen so großen Vorsprung, daß wir ihn heute nicht einholen konnten, zumal da er bessere Pferde besaß als wir; die andern Drei aber waren weniger gut beritten, und wir sahen, daß wir uns gar nicht anzustrengen brauchten, um noch vor Abend mit ihnen zusammenzutreffen. Die Fährte sagte uns nämlich nach einiger Zeit ganz deutlich, daß die zwei Unbekannten auf Hiller gestoßen waren. Sie hatten eine Weile mit ihm an der Stelle des Zusammentreffens gesprochen und dann mit ihm den Ritt fortgesetzt.

Die Sonne hatte eben ihren Scheitelpunkt verlassen, als wir den New-Fork wieder erreichten und hinüber nach seinem linken Ufer ritten. Hier trennten sich die Spuren. Hiller war mit den zwei Unbekannten an dem Flüßchen aufwärts geritten, welches aus dem Fremontsee kommt; Corner aber hatte den New-Fork als Wegweiser beibehalten. Natürlich folgten wir dem letzteren. Es war ja unsere ursprüngliche Aufgabe, Carpio zu retten; Hiller und seine zwei Begleiter gingen uns jetzt nichts an. Wir zerbrachen uns auch gar nicht die Köpfe darüber, wer sie waren und was sie oben am Fremontsee eigentlich wollten.

Zwischen dem Boulder Lake und dem Gros Ventre Peak, in dessen Nähe der Green River entspringt, ziehen sich am Fuße der Windriverberge viele höchst interessante Seebecken hin, von denen man sagen kann, daß sie und ihre Umgebung auf die Schönheiten und Eigentümlichkeiten des nördlich von ihnen liegenden Yellowstone-National-Park vorbereiten, der nirgends seinesgleichen findet. Die Becken dieser Seen sind teils vulkanischen Ursprunges, teils von den Wasserläufen ausgefressen; fast immer aber deutet ihre Umgegend an, daß unter der hier dünnen Erdrinde die vulkanischen Gewalten, welche einst die Bergmassen hier emportrieben, sich noch immer in Tätigkeit befinden. Schon hier gibt es kalte Wasserbecken, in denen stetig oder von Zeit zu Zeit heiße Quellen emporsteigen; man trifft auf Stellen, wo die Mächte der Unterwelt plötzlich den Boden gehoben und auseinander gesprengt haben, um einen glühenden Wasserstrahl oder eine heiße Schlammfontäne hoch emporzuwerfen. Es finden sich abgelegene Talwinkel, die keinen Winter kennen, weil der stets erwärmte Boden den Schnee verzehrt und einer üppigen Vegetation das Leben gibt, die selbst dann nicht ruht und schläft, wenn rings herum alles Pflanzenleben im Frost erstarrt und erstorben ist.

Solche warme und von den Felswänden vor Wind und Wetter geschützte Stellen suchen die Indianer, besonders die dort hausenden Schoschonen, gern auf, um dort für den Winter die wenigen Gemüsearten mühelos zu ziehen, deren Behandlung sie von ihren Vätern überkommen haben. Sie legen dort sogar zuweilen Vorratskammern an, zu denen sie im Winter auf Schneeschuhen kommen, um ihnen ihre Bedürfnisse zu entnehmen.

Zu den größten dieser Seen gehört der schon genannte Fremont Lake und dann der Lake Amalia, welcher durch den Hauptarm des New-Fork gebildet wird. Es hatte den Anschein, als ob dieses letztere Wasserbecken das Ziel Corners sei, denn seine Fährte blieb dem New-Fork bis zum Spätnachmittag treu, wo sie sich aber plötzlich nach rechts wendete, um einem schmalen aber sehr lebhaften Wasserlaufe aufwärts zu folgen.

"Uff!" rief Winnetou überrascht aus, als er das bemerkte.

Er blieb halten, hob den Kopf und schloß die Augen halb, als ob er über etwas Unangenehmes nachzudenken habe. Wenn bei ihm, der sich doch wie kein anderer zu beherrschen verstand, ein solches Mienenspiel zu bemerken war, so konnte man überzeugt sein, daß es sich um etwas nicht Unwichtiges handele.

"Uff!" wiederholte er, und damit kein anderer ihn verstehen solle, fügte er in der Mundart der Mescalero-Apatschen hinzu: "Wenn ich recht vermute so kenne ich das Finding-hole dieser Bleichgesichter; es gehört nicht ihnen, sondern mir. Mein Vater hat es mir gezeigt, als ich fast noch ein Knabe war und von ihm zum erstenmale mit nach den Brüchen des heiligen Pfeifentones genommen wurde. Er hat das Geheimnis von einem Krieger des Panackstammes erfahren, der ihm dankbar sein wollte, weil mein Vater ihm die Medizin gerettet hatte."

"Könnte es nicht ein anderes Placer sein?" fragte ich.

"Möglich, denn da oben liegt an vielen Stellen Gold; aber" ... und dabei ging ein wunderliebes Lächeln über sein schönes Angesicht ... "mir sagt eine innere Stimme, daß es kein anderes als mein Finding-hole ist. Ich werde voran reiten, und mein Bruder Scharlih mag mit den andern meiner Spur folgen, bis dieses Wasser hier aus einer hohen Felsenspalte tritt und es den Anschein hat, als ob man ihm nicht weiterfolgen könne. Wer die Gegend nicht kennt, der reitet aufwärts weiter, wohl eine Stunde lang; dann kommt er an die Stelle, wo dieser Bach, vom hohen Berge kommend, sich jäh in eine tiefe Kluft hinunterstürzt, wohin man ihm nicht folgen kann. Dort hinauf werde ich reiten. Mein Bruder aber reitet bloß bis unten zu der Felsenspalte und in diese hinein. Es scheint, als ob dies unmöglich sei, aber er wird bald bemerken, daß dies geht. Später komme ich nach."

Er gab seinem Hengst die Fersen und ritt im Galoppe fort, obgleich das jetzt bergansteigende Terrain dieser schnellen Gangart so ungünstig war, daß ein anderer sich wohl gehütet hätte, anders als im Schritte zu reiten. Wir folgten langsam hinter ihm her.

Wir hatten die Region des Hochwaldes hinter uns, waren aber bisher immer noch von einzelnen Bäumen begleitet worden; das hörte nun aber auf. Die Bäume verschwanden, und es traten niedrigere Formen auf; das ging so schnell, daß wir uns nach einer Stunde, allerdings immer steil ansteigend, schon oberhalb des Pflanzenwuchses befanden; gar nicht weit über uns lag Schnee, und es war so kalt, daß unser Atem dampfte. Das gab freilich kein gutes Prognostikon in Beziehung auf unser Nachtquartier.

Es war alles öde ringsumher. Man sah keinen Vogel, kein anderes Tier, keinen Käfer, keine Fliege. Außer dem Plätschern des Wassers war das Hufgestampf unserer Pferde das einzige Geräusch, welches wir hörten. Es wurde den Tieren schwer, vorwärts zu kommen, des schwierigen Terrains und auch der dünnen Luft wegen. Auf die einsam großartige Gebirgswelt konnten wir nicht achten; wir hatten unsere ganze Aufmerksamkeit auf den schlimmen Weg zu richten.

Da plötzlich hatte der Bach ein Ende, oder vielmehr sein Anfang fehlte; er kam aus einer schmalen Felsspalte hervor, wo er über die in seinem Bette liegenden Steine hoch aufschäumte. Ich stieg ab, um einen Blick hineinzuwerfen. Wie ich vermutet hatte, so war es: die Steine waren mit Absicht hineingeworfen worden, um den Anschein zu erwecken, daß das Passieren der Spalte ganz unmöglich sei. Wir stiegen in das Wasser und wälzten sie heraus; dann konnte die Passage probiert werden. Es war anfänglich gerade genug Platz für einen Reiter vorhanden; darum mußten die Saumpferde anders gepackt werden; dann aber wurde die Spalte breiter und bequemer, bis sie sich zu unserer Überraschung zu einem großen, länglich runden Felsenkessel verbreiterte, durch den das Wasser ruhig und wie ein silberheller Faden floß; es kam hinten aus einem so niedrigen Spalt, daß kaum ein Mensch Platz zum Hineinkriechen hatte. Es schien hier ein ganzes System von Spalten, Klüften und Kesseln vorhanden zu sein.