Autor und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.
IMPRESSUM
Copyright © 2014 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek
Gestaltung und Satz: www.ravenstein2.de Coverfoto: Shana Ritter
Fotos im Innenteil: Andreas Evertz, Maresa Mader, Shana Ritter, Dr. Thomas Ritter, Sandra Schneider
Grafiken: Alexandra Gaugl
Lektorat der Originalausgabe: Claudia Weingand
Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services
Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten.
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eISBN: 978-3-8404-6195-8
INHALT
Danksagung
Einleitung
Unterschied zum Einfahren
Unterschied zur Doppellongenarbeit
Warum Langzügelarbeit?
Vorteile,Gefahren, Problemgebiete
Ergänzung zum Reiten
Die Beine mit dem Boden verbinden
Langzügelarbeit bei Korrekturpferden
Weitere Vor- und Nachteile der Langzügelarbeit
Voraussetzungen für die Langzügelarbeit
Der richtige Zeitpunkt
Das Pferd
Das Größenverhaltnis
Die Reitbahn
Das Aufwärmen
Die Ausrüstung des Pferdes
Die Ausrüstung des Reiters
Haltung und Position des Reiters
Immer in Balance bleiben
Die Position des Reiters
Die Hilfen
Unterschiede zur Arbeit unterm Sattel
Die Stimmhilfen
Die Gertenhilfen
Die Zügelhilfen
Zusammenfassung
Wie fängt man an?
Verschiedene Wege
Die portugiesische Handarbeit
Langer Zügel mit Assistent
Sequenzen von Übergängen
Die Dauer der Ausbildung
Die Reihenfolge der Ausbildungsschritte
Häufige Fehler
Gang und Körperhaltung des Reiters
Unerwünschte Reaktionen des Pferdes
Erste Hufschlagfiguren
Von der Ecke zur Schlangenlinie
Die Ecke
Zirkel und Volte
Schlangenlinien und Rechtecke
Gerade Linien ohne Anlehnung an die Bande
Handwechsel
Die Lektionen
(Fast) alles ist möglich
Die Seitengänge
Hinterhandwendung und Passade
Die Galopparbeit
Die Voraussetzungen
Missverständnisse nutzen
Das Angaloppieren
Die Reiterposition im Galopp
Die fliegenden Wechsel
Der Kontergalopp
Die Pirouette
Die hohe Schule
Die Piaffe
Die Passage
Die Levade
Schlusswort
Nicht aufgeben
Anhang
DANKE
Ich möchte mich an dieser Stelle kurz bei all denen bedanken, die an der Verwirklichung des vorliegenden Buches beteiligt waren. Allen voran bei meiner Frau Shana, die mir seit vielen Jahren mit ihrer unermüdlichen Unterstützung zur Seite steht. In der gemeinsamen Arbeit mit den Pferden haben wir im Lauf der Jahre die in meinen Büchern beschriebene Ausbildungsmethode entwickelt. Shana hat im vorliegenden Buch vor allem den Kapiteln über Piaffe, Passage und Levade entscheidende Anstöße gegeben.
Saskia und Andreas Evertz, die Besitzer des Aischbachhofes, haben ihre wunderbare Reitanlage für viele der Fotos in diesem Buch zur Verfügung gestellt und uns auch sonst trotz ihrer großen Arbeitsauslastung immer in jeder Hinsicht tatkräftig unterstützt. Darüber hinaus sind ihre PRE Hengste Amigo, Mulan, Kabul, der PRE Wallach Furia sowie ihr Friesenhengst Richold auf den Fotos abgebildet.
EINLEITUNG
Ich beschäftige mich mittlerweile seit fast drei Jahrzehnten mit der Arbeit am Langen Zügel. Ich hatte das Glück, dass meine Lehrer ausgesprochene Könner in diesem Metier waren und mir sowohl ihr Wissen als auch ihre Leidenschaft dafür mitgegeben haben. Im Lauf der Jahre habe ich sehr viele Pferde der verschiedensten Typen und Rassen am Langen Zügel gearbeitet und einige davon bis in die höchsten Klassen ausgebildet. Ich habe dabei sehr viel über die individuellen Pferde und über die Dressurausbildung im Allgemeinen gelernt. Auch meine Fertigkeiten im Sattel haben durch diese Arbeit über die Jahre und Jahrzehnte hinweg wichtige Impulse erhalten. Die Arbeit am Langen Zügel wurde nach und nach zu einer meiner Spezialitäten, die ich auch immer wieder in Schaunummern vor Publikum vorgestellt habe. Alle meine Erfahrungen und Beobachtungen habe ich jetzt in dem vorliegenden Buch verarbeitet, welches schon seit Langem geplant war und sich jetzt endlich realisieren ließ.
Unterschied zum Einfahren
Die Arbeit am Langen Zügel ist traditionell eine Form des Reitens, nicht des Fahrens, wie mancherorts fälschlich angenommen wird. Daher sagt man zum Beispiel auch, dass man eine Wendung oder eine Lektion am Langen Zügel reitet. Die Arbeit am Langen Zügel wirkt versammelnd und wird vorwiegend im versammelten Trab und Galopp ausgeführt. Daher eignet sie sich im Unterschied zur Fahrschule vom Boden auch nicht für sehr junge Pferde.
Fahrpferde werden beim Einfahren vom Boden aus mit den Fahrleinen geführt, wobei der Fahrer einen relativ großen Abstand zum Pferd hält. Im Unterschied zum Langen Zügel wird beim Einfahren sehr viel im Schritt gearbeitet. Das Pferd trägt das Fahrgeschirr und den Fahrzaum. Es werden nur gerade Linien und einfache Wendungen geübt.
Am Langen Zügel dagegen geht der Reiter auf Tuchfühlung mit dem Pferd, das nur auf Trense gezäumt ist. Der Lange Zügel ist kürzer als die Fahrleinen. Das Pferd kann alle Gänge und Bahnfiguren der hohen Schule, einschließlich der Seitengänge, fliegenden Wechsel, Pirouetten, Piaffe und Passage am Langen Zügel erlernen.
Unterschied zur Doppellongenarbeit
Die Arbeit am Langen Zügel unterscheidet sich auch von der Doppellongenarbeit, bei der das Pferd in der Regel einen Longiergurt trägt, durch dessen Ringe die beiden Longen geführt werden. An der Doppellonge befindet sich der Ausbilder meist auf der Mittellinie neben dem Pferd, das auf dem Zirkel um ihn herumgeht. Der Zirkel kann dann an der langen Seite entlang auf und ab verschoben werden. Das Pferd wird hier wie am Langen Zügel meist im Trab und Galopp gearbeitet.
Der Versammlungsgrad ist jedoch in der Regel geringer als am Langen Zügel. Man kann allerdings sehr leicht einen fließenden Übergang von der Doppellonge zum Langen Zügel finden, indem man sich hinter das Pferd setzt und den Abstand verringert. Daher eignet sich die Doppellonge sehr gut als Vorbereitung und Einstieg in die Langzügelarbeit.
WARUM
LANGZÜGELARBEIT?
Vorteile, Gefahren, Problemgebiete
Mancher Reiter wird sich fragen, warum er eine körperlich so anstrengende Beschäftigung auf sich nehmen sollte. Für mich selbst stand am Anfang die Faszination, dass man mit einem Pferd alle Dressurlektionen ausführen kann, ohne auf ihm zu sitzen. Wie der Zufall es wollte, war mein Lehrer ein ausgesprochener Fachmann auf diesem Gebiet und ermöglichte mir den Einstieg.
Es gibt aber über die Liebhaberei und die Traditionspflege hinaus auch praktische Gründe, die die Arbeit am Langen Zügel lohnenswert machen. Ich habe immer wieder festgestellt, dass Pferde diese Arbeit sehr gerne verrichten. Sie schafft eine engere Beziehung zwischen Mensch und Pferd, da man wortwörtlich „Seite an Seite” miteinander arbeitet und der Mensch mindestens genauso viel Energie aufwenden muss wie das Pferd.
Der Reiter kann hier sehr viel über die technischen, biomechanischen Aspekte der Pferdeausbildung lernen, da er den ganzen Pferdekörper und vor allem die Pferdebeine immer im Blickfeld hat. Indem er genau sieht, wo sich jedes Bein gerade befindet und was es tut, kann er sich das Gefühl für die richtigen Augenblicke der Hilfengebung aneignen, was ihm dann auch im Sattel zugutekommt. Da er nicht auf dem Pferd sitzt, kann er sich auf die Einwirkung mit dem Zügel konzentrieren, ohne sich um seinen Sitz sorgen zu müssen.
Ergänzung zum Reiten
Die Langzügelarbeit ist auch ein sehr gutes diagnostisches Hilfsmittel, da sich Ursache- Wirkungs-Beziehungen direkt vor den Augen des Reiters abspielen. Kommt ein Problem unter dem Sattel auf, kann man die Ursache am Langen Zügel oft schneller identifizieren. Man hat die Mechanik der Hinterhand unmittelbar vor Augen und kann Fehler nicht durch Gewichts- und Schenkelhilfen überspielen. Alle Probleme, die unter dem Sattel auftauchen, treten am Langen Zügel daher noch deutlicher zutage. Kommt es dagegen vor, dass das Pferd eine Lektion am Langen Zügel besser ausführt als unter dem Reiter, ist das möglicherweise ein Hinweis darauf, dass der Reiter im Sattel das Pferd stört.
Das Pferd verbessert sich unter dem Reiter als direktes Resultat der Arbeit am Langen Zügel und umgekehrt. Man kann ihm bestimmte Dinge am Langen Zügel besser erklären, während andere im Sattel effektiver behandelt werden können. Analog dazu verbessert sich der Reiter im Sattel, da er am Langen Zügel sehen kann, was er unter dem Sattel fühlt. Sitzt er wieder auf dem Pferd, kann er dem Gefühl in Sitz, Schenkel und Zügel das Bild zuordnen, das er am Langen Zügel gewonnen hat. Auf diese Weise befruchten sich beide Arbeitsweisen gegenseitig und der Reiter entwickelt eine vollständigere und differenziertere Fühlpalette.
Alle Fehler und Probleme, die unter dem Sattel auftauchen, treten am Langen Zügel meist noch deutlicher zutage.
Ganz grundsätzlich sollte die Arbeit unter dem Sattel diejenige am Langen Zügel immer sinnvoll ergänzen und umgekehrt. Es ist möglich, dem Pferd bestimmte Lektionen ohne Reitergewicht erst am Langen Zügel beizubringen, bevor man sie unter dem Sattel nachreitet. Am Langen Zügel kann man schon Erlerntes verbessern, sodass das Pferd die Lektion unter dem Sattel korrekter ausführt. Umgekehrt lassen sich bestimmte Aspekte sinnvoller vom Sattel aus erarbeiten, sodass das Pferd anschließend am Langen Zügel besser geht.
Die Langzügelarbeit unterliegt genau denselben Gesetzmäßigkeiten und folgt denselben Prinzipien wie die Dressur unter dem Sattel. Daher beschränke ich mich in diesem Buch aus Platzgründen auf die Darstellung der speziellen technischen Aspekte der Arbeit am Langen Zügel und verweise für allgemeine Ausbildungsfragen auf mein Buch „Klassisches Reiten auf Grundlage der Biomechanik” (Cadmos, 2010).
Die Beine mit dem Boden verbinden
Ein Vorteil der Arbeit am Langen Zügel besteht darin, dass die Beine des Pferdes noch effektiver mit dem Boden verbunden werden können als im Sattel. Einerseits ist der Pferderücken nicht durch das Reitergewicht belastet und der Mensch steht andererseits mit seinen eigenen Beinen auf dem Boden. Dazu finden Sie detaillierte Ausführungen in meinem Buch „Klassisches Reiten auf Grundlage der Biomechanik”. Ich möchte daher an dieser Stelle nur ganz kurz zusammenfassen: Der Ausbilder stellt Verbindungen zwischen den verschiedenen Körperteilen des Pferdes, den Hilfen und dem Boden her.
Eine funktionierende Verbindung erkennt man daran, dass Energieimpulse frei und ungehindert in alle Richtungen fließen können: von hinten nach vorn, von vorn nach hinten, von rechts nach links und von links nach rechts. Die Impulse werden von den Hinterbeinen erzeugt und durch die Muskulatur und die Wirbelreihe nach vorne zum Maul weitergeleitet (siehe Foto links). Die Reiterhilfen formen und dirigieren die Bewegungsenergie des Pferdes. Sie können beispielsweise das Pferd wie einen Basketball in den Boden drücken, indem sie einem Stützbein den Hauptteil des Körpergewichts zuweisen. Der Boden federt dann das Pferd wie ein Trampolin wieder nach oben. Es ist für den Glanz der Bewegungen, die Versammlung und die Durchlässigkeit unabdingbar, dass der Reiter den Boden jederzeit durch alle Pferdebeine mit seinen Hilfen erreichen kann. Eine Verbindung kommt nicht zustande, wenn ein Muskel verspannt ist (Blockade) oder nicht genug Tonus, also Spannung, besitzt (falscher Knick). Im ersten Fall wird der Bewegungsspielraum des betroffenen Gelenks eingeschränkt.
Der Boden ist das wichtigste Hilfsmittel des Reiters, da er die Hilfen verankert und dem Reiter erlaubt, das Pferd wie ein Bildhauer zu modellieren.
Die Hinterbeine erzeugen Energieimpulse, die durch die Muskulatur und die Wirbelreihe nach vorn weitergeleitet werden.
Die Reiterhilfen greifen diese Impulse auf und schicken sie gezielt durch die Pferdebeine in den Boden, der dann wie ein Trampolin das Pferd wieder nach oben federt.
Im zweiten Fall ist das Gelenk instabil und schwer kontrollierbar. In beiden Fällen geht die Hilfe nicht durch den Pferdekörper bis in den Boden, sondern bleibt stecken, und somit kann der Gang nicht elastisch federnd werden.
Es ist also die Aufgabe des Reiters, sowohl die Muskelverspannungen als auch die falschen Knicke aufzuspüren und zu korrigieren, damit alle theoretisch denkbaren Verbindungen in der Praxis auch tatsächlich zustande kommen.
Langzügelarbeit bei Korrekturpferden
Bei der Korrektur verrittener Pferde kann der Lange Zügel neben dem Longieren, der Handarbeit und der Doppellongenarbeit gute Dienste leisten. Er eignet sich dabei am besten für Pferde, die gut vorwärtsgehen und große Steifheiten im Körper aufweisen. Bei Pferden, die sich verhalten, ist er das falsche Hilfsmittel, weil sie sich dann meist noch mehr verhalten und unter Umständen gefährlich werden können. Der Ausbilder kann den Reiter zudem mit dem Langen Zügel in bestimmten Situationen sehr effektiv von unten unterstützen, insbesondere wenn ein Pferd die Paraden nicht respektiert oder sich nicht biegen lässt.
Weitere Vor- und Nachteile der Langzügelarbeit
Im Unterricht kann der Schüler das Gefühl für das Gleichgewicht und den schwingenden Rücken kennenlernen, wenn der Ausbilder das Pferd am Langen Zügel führt. Er fühlt dabei die Zügelhilfen des Lehrers im eigenen Oberschenkel. Das ist auch eine sehr gute Methode, dem Schüler Dressurlektionen näherzubringen und die Hilfengebung erfühlbar zu machen.
Pferde, die von einer Verletzung in die Arbeit zurückkehren und nur sehr vorsichtig belastet werden dürfen, profitieren ebenfalls von der Arbeit am Langen Zügel. Manchmal sage ich auch, nur halb im Scherz, dass die Langzügelarbeit ein sehr gutes Fitnessprogramm für den Reiter darstellt. Wer sie regelmäßig intensiv betreibt, verbrennt eine Menge Kalorien und eignet sich Ausdauer an.
Alle Formen der Arbeit sollten einander grundsätzlich sinnvoll unterstützen.
Ein gewisser Nachteil der Arbeit am Langen Zügel besteht darin, dass es schwieriger ist, eine gute Seitenbiegung auszuarbeiten als unter dem Sattel. Und da dem abgesessenen Reiter gewisse Geschwindigkeitsgrenzen gesetzt sind, besteht die Gefahr, dass das Pferd anfängt sich zu verhalten und steifer zu werden. Daher sollte die Langzügelarbeit nicht ausschließlich betrieben, sondern das Pferd auch regelmäßig unter dem Sattel gearbeitet werden, damit die Seitenbiegung und der Vorwärtsdrang nicht verloren gehen und sich beide Methoden sinnvoll ergänzen können.