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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Epilog

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2531

 

Das Fanal

 

Im Blauen System bahnt sich Großes an – der Maskenträger und der Smiler ermitteln

 

Marc A. Herren

 

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Auf der Erde und den zahlreichen Planeten in der Milchstraße, auf denen Menschen leben, schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht in der Galaxis weitestgehend Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Die Konflikte der Vergangenheit scheinen verschwunden zu sein.

Vor allem die Liga Freier Terraner (LFT), in der Perry Rhodan das Amt des Terranischen Residenten trägt, hat sich auf Forschung und Wissenschaft konzentriert. Sogenannte Polyport-Höfe stellen eine neue, geheimnisvolle Transport-Technologie zur Verfügung. Gerade als man diese zu entschlüsseln beginnt, greift die Frequenz-Monarchie über die Polyport-Höfe nach der Milchstraße. Zum Glück kann der Angriff aufgehalten werden.

Perry Rhodan folgt einem Hilferuf der Terraner in das in unbekannter Ferne liegende Stardust-System. Dort erhält er eine Botschaft seines alten Mentors ES: Die Superintelligenz scheint akut bedroht. Atlan wiederum begibt sich in die Galaxis Andromeda. Dort will der Arkonide direkt gegen die Frequenz-Monarchie antreten.

In der Milchstraße scheint außerhalb der Polyport-Standorte Friede zu herrschen. Da trifft für die galaktischen Würdenträger eine Einladung ein, mit der niemand gerechnet hat: Die Akonen laden in ihr bisher streng isoliertes Heimatsystem ein. Dort entsteht DAS FANAL ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Alaska Saedelaere – Der Maskenträger hegt dunkle Vorahnungen.

Ronald Tekener – Selbst ein Smiler hat nicht nur gute Tage.

Reino tan Vitar – Der Tschanor-Gos des Energiekommandos wittert Verrat.

Narvan tan Ra-Osar – Der Ma'tam des Regierenden Rates sympathisiert mit dem Galaktikum.

Simul tan Harol – Der überführte TRAITOR-Jäger wird weiterer Machenschaften verdächtigt.

Prolog

 

Alaska Saedelaere, den man den Transmittergeschädigten nannte, glitt lautlos durch die Nacht.

Unter ihm zog die Welt vorbei, friedlich, als hätte sie niemandem etwas getan.

Eine starke Unruhe begleitete den Mann auf seinem einsamen Weg. Begleitete ihn, wie sie dies in den letzten Wochen und Monaten stets getan hatte. Allerdings hatte er sie nie so klar, so eindeutig, so offenbarend wahrgenommen wie in dieser Nacht.

Saedelaere spürte, dass etwas geschehen würde.

Bald.

1.

Die Nacht der eineinhalb Milliarden Lichter

15. März 1463 NGZ

 

Er trat stärker in die Pedale und spürte, wie sich unter der Gesichtsmaske Schweißtropfen bildeten.

Unwillkürlich verkrampften sich Saedelaeres Hände um den Lenker seines Niedrig-G-Flugrades.

Das drängende Gefühl der Unruhe verstärkte sich, je näher er Kanchenjunga kam. Alaska sog die kühle Frühlingsluft ein und blickte auf. Die sechzehn Türme der Wohnanlage ragten majestätisch in den klaren Nachthimmel empor. In vielen der Appartements brannte Licht. An die 30.000 Bewohner fasste die Anlage – ein gutes Drittel davon schien die abendlichen Stunden in den eigenen Wänden oder in den Terrassenlandschaften zu verbringen.

Dreizehn Jahre war es her, seit Saedelaere nach Terra zurückgekehrt und eine kleine Wohnung in Kanchenjunga bezogen hatte, das südlich der Baykalob Avenue zwischen Edsengol und dem Sirius-Bogen in Sirius River City lag.

Die Jahre hatten allerdings nicht gereicht, um in ihm ein einigermaßen anheimelndes Gefühl zu wecken. Die Wohnanlage blieb ihm fremd – wie auch er für die anderen Bewohner von Kanchenjunga ein Fremder blieb. Manch einer mochte sich wundern, weshalb sich dieser zwei Meter große, hagere Mann mit seiner schwarzen Plastikmaske durch die Anlage bewegte, als ginge sie ihn nichts an. Als ließen die lichtdurchfluteten Räume, die organischen Formen und großzügigen Grünzonen ihn unbeeindruckt.

Kanchenjunga war im Jahr 1283 NGZ erbaut und nur wenige Jahre später durch die Dscherro großflächig zerstört worden. In einer gemeinsamen Anstrengung hatten die Bauherren, die sich selbst »Architektengruppe 2412« nannten, und die Bewohner die Anlage repariert und neu aufgebaut, sodass sie bereits im Herbst 1289 wieder im alten Glanz erstrahlte.

Das Herzstück von Kanchenjunga bestand aus einem drei Kilometer durchmessenden und vierhundert Meter hohen Hauptgebäude von achteckigem Grundriss. Darin war ein zehnstöckiges Einkaufs- und Vergnügungszentrum untergebracht. Ausgedehnte Freizeitanlagen luden zum Verweilen und zur körperlichen Ertüchtigung ein.

Das Dach war als vielseitige Parkanlage konstruiert worden. Aus ihr erhoben sich kreisförmig die sechshundert Meter hohen Wohntürme in den Himmel Terranias.

Ihre schlanke Form erinnerte in besonderer Weise an den frühen terranisch-imperialen Stil, den die »2412« in dieser Anlage aufleben ließ. Obwohl Saedelaere gute tausend Jahre später geboren war, mochte ihn dies in seiner Wahl damals beeinflusst haben.

Kanchenjunga bot dem Maskenträger eine Welt für sich, die er nur in Ausnahmefällen verließ. Oder – wie an diesem 15. März – wenn er seinen Status als LFT-Sonderbotschafter ausnutzte, um an der Waringer-Akademie Nachforschungen anzustellen. Was eher als Zeitvertreib begonnen hatte, wurde über die Jahre zu einem Ritual, dem er zuletzt fast täglich nachkam.

Saedelaere sprach mit niemandem über seine Motive. Wenn er ehrlich war, wusste er selbst nicht so genau, wonach er suchte. Er wusste aber, dass etwas darauf wartete, von ihm erkannt und in den richtigen Zusammenhang gestellt zu werden.

Dem Maskenträger wurde nachgesagt, er habe ein kosmisches Bewusstsein und erahne Zusammenhänge lange, bevor andere es vermochten. Die quälende Frage war aber, wie viel Zeit ihm blieb, um Beziehungen zwischen Ereignissen, Beobachtungen und Informationen herzustellen und Verkettungen abzuleiten.

Alaska Saedelaere landete auf der Gemeinschaftsterrasse des 18. Stockes seines Wohnturmes und faltete das Flugrad zusammen.

Argwöhnisch blickte er sich um.

Wenn er gedacht hatte, seine Unruhe würde sich bei seiner Rückkehr nach Kanchenjunga verflüchtigen, sah er sich getäuscht.

 

*

 

Alaska Saedelaere betrat das Appartement. Ohne sein Zutun schloss sich die Tür hinter ihm. Ein Zuruf an den Zimmerservo oder ein Druck auf das entsprechende Sensorfeld hätten genügt, um die Innenbeleuchtung zu aktivieren.

Er tat weder das eine noch das andere.

Der Maskenträger betrachtete die Räumlichkeiten, die von dem künstlichen Licht Terranias vage beschienen wurden.

Alaska besaß weder ein eidetisches Gedächtnis wie Atlan noch Tekeners bis zur Perfektion geschultes Bauchgefühl eines mehrtausendjährigen Agenten. Alaska Saedelaere analysierte. Sein Gehirn nahm Informationen schnell und umfangreich auf, legte sie strukturiert ab und war dabei in der Lage, sie zielführend zu kombinieren und die richtigen Schlüsse ziehen zu lassen.

Saedelaere hätte gemerkt, wenn etwas sich in seiner Wohnung verändert hätte.

Aber alles war so, wie es sein sollte. Die ganze Welt war augenscheinlich so, wie sie sein sollte.

Trotzdem wollte das Gefühl der Unruhe nicht verebben.

Alaska hob beide Hände zu seinem Hinterkopf und löste die Arretierung des flexiblen Kopfbandes, das seine Maske an Ort und Stelle hielt. Behutsam schoben sich seine Finger vorwärts. Die Fingerkuppen kamen auf dem kühlen Plastik zu liegen.

Langsam nahm er die schwarze Plastikmaske vom Gesicht. Das Cappinfragment pulsierte kaum merklich. Sein grünlich-blaues Licht verlieh Alaskas karger Zimmereinrichtung zusätzliche Konturen.

Die Tatsache, dass es auf die Umgebung nicht reagierte, war vordergründig ebenfalls ein gutes Zeichen: Geriet es in den Einflussbereich hyperphysikalischer Phänomene, konnten Lichtemissionen im gesamten Farbenspektrum aus dem Fragment herausbrechen.

Erneut ließ der relativ unsterbliche Terraner seinen Blick durch den Wohnraum schweifen. Die Robotküche, der Arbeitsplatz mit dem Positronikterminal und die Sitzecke, auf der stapelweise Lesefolien lagen – alles schien an seinem Platz. Alles schien korrekt.

Ohne Eile durchquerte Alaska das Wohnzimmer. Die Maske baumelte am Kopfband in seiner rechten Hand.

Der Zimmerservo entriegelte die Tür zur Terrasse, und Alaska trat hinaus. Die kühle Luft strich wie eine barmherzige Hand über sein ungeschütztes Gesicht.

Ein Versehen, ein Zufall nur, und ein Lebewesen sähe sein Gesicht – es würde dem Irrsinn verfallen und kurz danach sterben. Niemand – außer Alaska selbst – überstand den Anblick des Cappinfragmentes, das beide Wangen, Kinn, den Nasenrücken und große Teile der Stirn bedeckte.

Aus diesem Grund hatte der Maskenträger den Zimmerservo dahingehend programmiert, dass er um die Terrasse des Appartements einen von außen sichtundurchlässigen Schleier projizierte, sobald er die Maske vom Kopf nahm.

Die dünne Schicht schwarzen Plastiks schützte nicht ihn. Sie schützte seine Umwelt.

Drei Atemzüge lang genoss er die nackte Kühle auf seinem unbedeckten Gesicht. Es war ein Segen, den er sich nicht oft gönnte.

Alaska Saedelaere hatte sich damit abgefunden, einen Weg zu gehen, wie er sonst keinem Menschen vergönnt war. Oder zu dem er verdammt worden war. Obwohl das Cappinfragment ihn zur Einsamkeit verurteilte, benötigte er es doch, um er selbst zu sein. Lag darin das Geheimnis des Geschenks, das ihm das Fräulein Samburi gemacht hatte?

Seine Schritte hatten ihn an den Wundern des Multiversums vorbeigeführt. Er hatte die Gestade der Zeit beobachtet, war in der Hülle des Anzugs der Vernichtung zu einem kosmischen Wesen gereift.

Er konnte und wollte nicht verleugnen, wer und was er war.

Sinnierend betrachtete er seine Umgebung.

Die Terrasse war von den Erbauern als eigentlicher Lebensmittelpunkt geschaffen worden. Der moosbewachsene Boden senkte sich leicht zur Mitte hin. Neben einer Sitzbank wuchsen Büsche und Sträucher – auf der rechten Seite bewegten sich junge Bambustriebe sacht im Wind. Gegenüber vermittelte eine optische Täuschung den Eindruck eines Birkenwaldes. Zwischen mehreren mit Flechten bewachsenen Duftsteinen rann ein Bächlein und verlieh der Szenerie den Hauch echter Lebendigkeit.

Alaska trat zu der aus Holzimitat gefertigten Sitzbank und ließ sich darauf nieder.

»Servo?« Seine Stimme klang belegt. Er hatte sie in den letzten Tagen kaum benutzt. »Trivid-Nachrichten.«

Unsichtbare Projektoren bauten vor Alaska einen Holoschirm auf. In einem Dutzend diamantförmigen Kuben erschienen die aktuellen Nachrichtensendungen der verschiedenen Netzwerke.

Sofort erkannte Alaska, dass in zehn davon ein und dasselbe Objekt gezeigt wurde. Wahllos fixierte er einen der Kuben und blinzelte zweimal.

Das gewählte Programm blies sich auf und verdrängte die restlichen Kuben an den rechten Rand des Holoschirmes. Das Logo von Terra-TV rotierte golden in der rechten Unterkante des dreidimensionalen Bildes.

Die Übertragung zeigte ein Objekt, das wie ein der Länge nach halbiertes Ei aussah. Stumm und majestätisch glitt es vor der beeindruckenden Kulisse eines Sternenmeeres durch das All. Dutzende kleinerer Schiffe umkreisten es wie lästige Insekten. Beim näheren Hinschauen erkannte Alaska zahlreiche Kleinstraumschiffe, wie sie hauptsächlich von Nachrichtensendern eingesetzt wurden.

Das halbierte Ei musste mehrere Kilometer groß sein, wenn man die parkähnliche Landschaft auf seiner Schnittfläche als Vergleichsgröße nahm. Darüber spannte sich ein nur erahnbarer Prallfeldschirm, der neben Bäumen und Pavillons eine unüberschaubare Anzahl von Lichtpunkten barg.

»Audiowiedergabe!«, befahl Alaska. Er spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte und seine Handflächen feucht wurden.

»... nähert sich das Objekt dem Akon-System, das bis 1345 Drorah, die Heimatwelt der Akonen, barg«, verkündete die professionell aufgeregt wirkende Stimme einer Terranerin aus dem Off. »Selbst wenn sich die Akonen zuletzt dem Gedanken eines vereinten Galaktikums aufgeschlossen wie nie zeigten, dürfen wir nicht vergessen, dass die alte Maxime totaler Isolation für das Blaue System nach wie vor Gültigkeit hat. Diese Bilder, die ihr in diesen Sekunden erhaltet, stellen eine kleinere Sensation dar: Es sind die ersten Aufnahmen aus dem Akon-System seit fast 120 Jahren – oder besser gesagt: seit der Kabinettisierung von Drorah in diesem verhängnisvollen August anno 1345 NGZ!«

Alaska wählte einen anderen Kanal. Ein reserviert wirkender Ferrone mit kupferfarbener Bürstenhaarfrisur erschien.

»Der halbellipsoide Tender besitzt eine Länge von 5200 Meter und eine Breite von 3600 Meter. Zu der Höhe von 1800 Meter addiert sich der 250 Meter aufragende Prallschirm, in dessen Innern sich die Biosphäre und die frei schwebenden Lichter befinden. Unser wissenschaftlicher Experte, Salan Pelok, hat sich näher mit dieser Biosphäre befasst – Salan, bitte!«

Das Bild des Nachrichtensprechers verschwand. Die plastische Darstellung eines Halbferronen wurde vor dem riesigen Tender eingeblendet.

»Danke, Remcha!«, sagte er mit leicht nervös klingender Stimme. Es war offensichtlich, dass Salan Pelok nicht oft für Direktsendungen hinzugezogen wurde. »In der Biosphäre des Tenders haben wir bisher fünf unterschiedliche Pflanzenarten bestimmen können: die Boyena, die Komcholch-Palme, die Sanqueza-Orchidee, die Borro'Cha und die Tarun'Cha.«

Der Nachrichtensprecher erschien und strich sich affektiert über seinen Bürstenschnitt. »Schön und gut, Salan. Die Namen sagen mir jetzt gerade nichts, und vielen Zuschauern könnte es ähnlich gehen ...«

»Verzeih!«, stieß Salan Pelok hastig aus und deutete hektisch auf das imposante Raumschiff. »Was ich damit sagen wollte, ist, dass alle diese Pflanzenarten ursprünglich von Sphinx ... ich meine natürlich von der akonischen Heimatwelt Drorah stammten.«

»Ein weiterer Hinweis darauf, dass wir es mit einem akonischen Tender zu tun haben!«, schaltete sich der Nachrichtensprecher wieder ein. »Was kannst du uns über die Anzahl und den Zweck der Lichtpunkte im Innern des Prallschirms sagen?«

»Nicht viel, Remcha!«, kam es von dem wissenschaftlichen Experten. »Bisherige Berechnungen gehen von 1,4 bis 1,7 Milliarden Lichtpunkten aus. Wir sind ...«

Saedelaere schaltete durch die anderen Trivid-Sender. Auch dort wurde analysiert und Zahlen wurden hin- und hergeschoben. Die Schätzungen und Berechnungen der verschiedenen Redaktionen erwiesen sich als fast identisch.

Keine einzige vermochte aber die Symbolik zu entschlüsseln, die dieses Bild in sich barg.

»Es sind eineinhalb Milliarden Lichter«, flüsterte Alaska Saedelaere. Seine Stimme zitterte. »Ein Licht für jeden bei der Kabinettisierung Umgekommenen – eine Milliarde auf Drorah, 500 Millionen auf Xölyar.«

Ein einzelner Schweißtropfen blieb an seiner Nasenspitze hängen. Fahrig schüttelte er ihn ab.

War dies das Zeichen, auf das er gewartet hatte? Das Ereignis, das alle anderen anstoßen würde?

Alaska sprang in regelmäßigen Abständen von einem Nachrichtensender zum anderen. Mehr als zehn Minuten vergingen, bis der Hintergrund der Lichtpunkte erstmals erkannt wurde – bezeichnenderweise von einem arkonidischen Sportmoderator, der sich in das Gespräch zweier Experten eingemischt hatte. Ansonsten wurden keine neuen Informationen aufgedeckt.

Der Unsterbliche hörte nur noch mit verminderter Konzentration hin, als die verschiedenen Moderatoren wie auf Kommando plötzlich ihre Körperhaltung veränderten.

»Ich erhielt soeben die Information«, sagte die Moderatorin von Terrania-TV, »dass der Regierende Rat des akonischen Reiches exakt um Mitternacht nach Galaktikum-Standard-Zeit eine offizielle Verlautbarung abgeben wird. Der Ma'tam Narvan tan Ra-Osar wird dabei persönlich ...«

Alaska blickte auf die Zeiteinblendung am unteren Rand des Trivid-Schirmes. Es war kurz nach 22 Uhr. Im Galaktikum hielten sich die Uhren an die LFT-Zeit, die sich ebenso wie die Neue Galaktische Zeitrechnung als gemeinsamer Bezugspunkt eingebürgert hatte.

»Wasser!«, flüsterte der hagere Mann.

Keine zehn Sekunden später brachte ihm die Mobileinheit des Servos ein Glas Mineralwasser. Er nahm es entgegen und stürzte den Inhalt in einem Zug hinunter.

Dann lehnte er sich auf der Sitzbank zurück, schaltete die Trivid-Übertragung auf »stumm« und ließ die Einblendungen auf sich wirken.

 

*

 

Ein akustisches Signal erklang, und Alaska Saedelaere fuhr hoch.

»Verzeih«, sagte die Wohnungspositronik höflich. »Ich wollte dich nicht erschrecken.«

Er räusperte sich und blickte auf die Zeitanzeige. Es war kurz vor Mitternacht.

»Was gibt es?«, fragte er mit belegter Stimme.

»Du hast einen Besucher.«

»Einen ...?!«, stieß er überrascht aus.

Es war Jahre her, seit er zuletzt Besuch erhalten hatte. Nicht nur die Bewohner von Kanchenjunga, auch der Rest der terranischen Bevölkerung schien den Maskenträger vergessen oder zumindest aus ihrer kollektiven Wahrnehmung verdrängt zu haben.

»Wer ist es?«

»Er heißt Munar tan Esar. Ein Kurier des Ma'tam, des Regierenden Rats der Akonen.«

»Ist er legitimiert?«

»Er trägt einen gültigen diplomatischen Ausweis, der mit seiner Zellkernstrahlung übereinstimmt. Er ist zudem unbewaffnet und trägt weder Gas- noch Flüssigkeitsbehälter bei sich.«

»Gut«, murmelte Saedelaere.

Er erhob sich ungelenk und strich sich mit dem Handrücken über die Stirn. Kalter Schweiß stand darauf. Mit einer fahrigen Bewegung griff er nach der Maske, welche die ganze Zeit neben ihm auf der Bank gelegen hatte. Erst als sie korrekt saß und er sich vergewissert hatte, dass der Verschluss des Kopfbandes richtig eingerastet war, sagte der Maskenträger: »Du kannst ihn hereinbitten und hierher führen.«

Es widerstrebte ihm, den späten Gast auf dem Flur oder in seiner Wohnung zu begrüßen.

Der Servo bestätigte.

Alaska blickte durch das Panoramafenster in seine Wohnung. Mehrere indirekte Leuchtquellen wurden aktiviert und warfen ein diskret gedämpftes Licht. Unmittelbar darauf öffnete sich die Tür. Ein Mann in einem schlichten weißen Anzug betrat die Wohnung. Er folgte den optischen Leithinweisen des Servos, sodass er wenige Sekunden später vor Alaska Saedelaere auf der Terrasse stand.

Der Akone mochte an die hundert Jahre alt sein. Die straff zurückgekämmten schwarzen Haare schimmerten im Schein des Trivid-Monitors. Das Gesicht wirkte schmal, fast asketisch, mit scharfen Linien und dünnen Lippen. Die dunklen Augen blickten pflichtbewusst und emotionslos.

Bevor der Maskenträger etwas sagen konnte, berührte der Kurier mit den Fingerspitzen der rechten Hand seine Stirn und sagte: »Ich bringe dir die Grüße von Ma'tam Narvan tan Ra-Osar.«

Alaska nickte verhalten. »Ich danke«, sagte er steif. »Was ... verschafft mir die Ehre?«