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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

Epilog

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2539

 

Schreine der Ewigkeit

 

Der Maskenträger und die Zeremonie der Lokopter – die letzten Sieben werden gesucht

 

Marc A. Herren

 

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Auf der Erde und den zahlreichen Planeten in der Milchstraße, auf denen Menschen leben, schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht in der Galaxis weitestgehend Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Die Konflikte der Vergangenheit scheinen verschwunden zu sein.

Vor allem die Liga Freier Terraner (LFT), in der Perry Rhodan das Amt des Terranischen Residenten trägt, hat sich auf Forschung und Wissenschaft konzentriert. Sogenannte Polyport-Höfe stellen eine neue, geheimnisvolle Transport-Technologie zur Verfügung. Gerade als man diese zu entschlüsseln beginnt, greift die Frequenz-Monarchie über die Polyport-Höfe nach der Milchstraße. Zum Glück kann der Angriff aufgehalten werden.

Perry Rhodan folgt einem Hilferuf der Terraner in das in unbekannter Ferne liegende Stardust-System. Dort erhält er eine Botschaft der Superintelligenz ES, deren Existenz von den gegenwärtigen Ereignissen akut bedroht scheint, und reist weiter nach Andromeda, wo sich eine Zentrale der Frequenz-Monarchie zu befinden scheint.

Doch das ist nicht alles, was die Menschen beschäftigt. Insbesondere Alaska Saedelaere, der Mann mit der Maske, wird von einer unstillbaren Sehnsucht nach den Rätseln des Kosmos getrieben.

Er bricht mit dem Kosmokratenschiff LEUCHTKRAFT auf, um dessen Kommandantin zu suchen, nach der er sich schon lange sehnt: Samburi Yura. Doch ihre Fährte ist schwierig aufzunehmen. Der einzige Hinweis auf dem Planeten der Lokopter sind die SCHREINE DER EWIGKEIT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Alaska Saedelaere – Der Maskenträger sucht nach Hinweisen auf den Verbleib von Samburi Yura, der Kommandantin der LEUCHTKRAFT.

Keffira Sötest Lokop – Die berühmte Lokopterin neigt zur Weitschweifigkeit und zum Umhalsen.

Svage Kittel Lokop – Der angesehene Wissenschaftler sieht sich mit einem Hochstapler konfrontiert.

Syrst Tykvenst Lokop – Ein Lokopter mit einem bemerkenswerten Überschuss an Talentfreiheit.

Prolog

Der Traumtänzer

 

Der Wind war aus Seelen gewoben.

Er durchdrang ihn mit ekstatischer Wucht und fegte seine Abscheu hinweg. Der Mann fiel in die begeisterten Rufe und den ergriffenen Singsang der vielen Zuschauer ein, während der Wind sich zu einem Orkan steigerte. Einem gewaltigen Orkan, der die kleine Lichtquelle, die über dem Altar schwebte, nicht erstickte, sondern nährte und anwachsen ließ.

Die Lebenskraft der mehreren hundert Wesen, die völlig bewegungslos auf dem Arenaboden lagen, strömte in die Flamme. Sie flackerte wild auf, entbrannte zu einer gleißend hellen Fackel.

Der Mann schloss geblendet seine Augen. Wie unter hypnotischem Zwang flüsterte er den Namen der Macht, die mit der vereinigten Lebenskraft der bedauernswerten Kreaturen gemästet werden sollte.

»Du irrst!«, drang eine kindlich klare Stimme in sein Bewusstsein.

Alles veränderte sich: Das Tosen des Windes, das Flüstern und Rufen der Zuschauer, die orgiastisch aufgeladene Atmosphäre – es gab sie nicht mehr.

Der Mann öffnete die Augen.

Er stand auf einer breiten Straße, die eigentlich von Leben nur so überquellen müsste. Sie war aber leer.

Der Mann begriff, dass dieser Moment keinen Bestand hatte, nicht echt war. Die Erkenntnis berührte ihn nicht, denn er sah ein Wesen von ätherischer Schönheit. Er kannte es ... kannte sie.

Aus einem engelsgleichen Gesicht blickten ihn zwei riesengroße schwarze Augen vorwurfsvoll und zugleich zärtlich an. Die Frau bewegte leicht den Kopf, worauf ihr schulterlanges schwarzes Haar der Bewegung mit fast quälender Verzögerung nachkam.

Als existiere es in einer anderen Zeit.

Das Haar wallte bedächtig über die beiden Fibeln, die ihr Kleid an den Schultern zusammenhielten. Aus den spiralförmigen, von innen heraus geheimnisvoll glimmenden Fibeln ragte je ein blauweiß funkelnder, reich facettierter Sternensaphir.

Im Gewand der Frau meinte er die Unendlichkeit des Alls zu sehen. Um die Leibesmitte gegürtet, fiel der seidig fließende Stoff bis zu den Fußknöcheln. Die Falten waren nicht nur solche des Gewandes, sondern auch welche in Zeit und Raum.

Der Blick des Mannes stieg an ihrem Kleid empor, das weder ein akzentuiertes Becken noch die sanften Rundungen von Brüsten erahnen ließ. Trotzdem gab es für ihn keinen Zweifel daran, dass das Wesen vor ihm weiblich war. Ihr geheimnisvoller Duft stieg ihm in die Nase, und er ertappte sich dabei, wie er ihn sanft und tief einsog.

Alaska Saedelaere nahm die Maske von seinem Gesicht. Er wünschte sich, dass sie ihn wieder berührte. Sehnte sich nach ihren Fingerkuppen, danach, wie sie sanft über sein Gesicht mit dem pulsierenden Cappinfragment strichen.

»Erkenne die Wahrheit!«, holte ihn Samburi Yura mit ihrer kindlich rein klingenden Stimme zurück. »Deine mindere Reife versperrt dir den Blick auf das wahre Sein.«

Die Worte schmerzten Alaska. Wenn ihm die Kosmokratenbeauftragte eine mindere Reife attestierte, so vergrößerte dies die Distanz zwischen ihren Existenzen um eine weitere, vielleicht unüberwindbare Dimension.

»Weshalb wurden diese Kreaturen getötet?«, hörte er sich fragen, obwohl er die Antwort kannte. »Nur um dem Überwesen Lebensenergie zu beschaffen?«

Trauer verzerrte Samburi Yuras edel geschnittene Gesichtszüge. »Du lässt dich vom Schein leiten, Alaska. Dränge diese Leichtgläubigkeit aus deinem Erkennen. Nur so wirst du fähig sein, dich zu entwickeln.«

Plötzlich umringten zwergenhaft kleine Wesen mit verknitterten Gesichtern und riesigen Kinderaugen die Kosmokratenbeauftragte. Sie drängten sich an sie wie verängstigte, Schutz suchende Welpen. Alaska fühlte Eifersucht in sich aufsteigen.

»Mindere Reife«, wiederholte Frau Samburi mit kalter Stimme. »Lasse dich nicht vom Schein leiten, sondern vom Sein!«

»Ich ... ich werde mich bemühen ...«

»Bemühe dich nicht – tu es!«

Alaska blickte in ihre Augen. Sie verwandelten sich in endlose Schächte. In die unfassbaren Eingänge der Zeitbrunnen.

Plötzlich regte sich Hoffnung in ihm. »Ist das mein Weg zu dir?«, wollte er wissen. »Denn ich soll dich angeblich suchen.«

Ein leichter Anflug von Spott strich über die Züge ihrer makellosen, alabasterweißen Gesichtshaut.

»Angeblich sollst du mich suchen? Wer hat dir denn diese Angabe gemacht?«

»Es ist schwierig«, antwortete er. »Wir folgen einer Spur, doch ich weiß nicht einmal, wann wir sind; welches Datum geschrieben wird.«

»Ich habe es dir erklärt, Alraska!«, stieß einer der Zwerge vorwurfsvoll aus. Erst jetzt erkannte Saedelaere in ihm den Commo'Dyr Eroin Blitzer, der seinen Vornamen stets mit einem zusätzlichen »r« aussprach. »Weil die LEUCHTKRAFT in einem eigenen Bezugssystem operiert ...«

»Deine Diener halten mich nicht für würdig, die LEUCHTKRAFT zu befehligen«, sagte Alaska zu Samburi Yura. Seine Stimme klang blechern.

»Weshalb sollte diese Information für dich überhaupt so wichtig sein?«

»Weil ...« Alaska brach ab.

»Weshalb sollte ein Wesen wie du auf solch profane Denkhilfen wie eine Zeitrechnung verzichten?«

»Weil ...«

»Sag es mir!«, hauchte Samburi Yura.

Damit verschwand sie.

Und Alaska Saedelaere erwachte.

Er lag in einer moosbewachsenen Kuhle am Rand der steinernen Ebene. Die rote Abendsonne streichelte sein nacktes Gesicht mit wärmenden Strahlen.

Nichts deutete darauf hin, dass er sich an Bord des Raumschiffs LEUCHTKRAFT befand.

Der Traum ließ ihn nicht mehr los.

»Weshalb sollte ein Wesen wie du auf solch profane Denkhilfen wie eine Zeitrechnung verzichten?«, hörte er in seinem Innern die Stimme Samburi Yuras nachhallen.

Er seufzte.

»Weil ...«, murmelte er schwerfällig, »die vierte Dimension für das Verstehen der höheren Wahrheiten eher hinderlich sein kann? Weil sie mehr dem Schein zuspielt als dem Erkennen des wahren Seins? Kann ich dich nur finden, wenn ich zeitlos werde? Bin ich deiner Meinung nach bestimmt dazu, ein Zeitloser zu sein?«

Die Fragen verhallten ungehört. Frau Samburi Yura weilte nicht länger an Bord der LEUCHTKRAFT. Die Begegnung mit ihr war nicht wirklich gewesen. Alaskas Unterbewusstsein hatte ihm frühere Treffen mit der Kosmokratenbeauftragten, eigene Ängste und den Konflikt mit der Besatzung der LEUCHTKRAFT im Traum wild zusammengewürfelt.

Nichts war wirklich.

Er blickte in die Abendsonne, die das ferne Gebirge in warme Farben tauchte.

Saedelaere fragte sich, ob er tatsächlich aufgewacht war oder ob er nach wie vor träumte.

1.

Die Früchte des Wissens

 

Er war ein Niemand, ein Nichts.

Seine Lehrer hatten sich immer wieder darin gefallen, ihm zu erklären, dass er über keinerlei herausragende Fähigkeiten verfügte. Dass er wohl nie etwas zum kulturellen, sozialen oder wissenschaftlichen Reichtum seines Nestes beitragen würde. Dass er deshalb auch nie in den Genuss der Privilegien kommen würde, die jene genossen, welche im Gegensatz zu ihm mit Genie, Können und Begabung gesegnet waren.

Er war – und würde es immer bleiben – ein Niemand, ein Nichts. Was eigentlich kein Problem darstellte, solange keiner von diesem Umstand wusste.

Zudem sich die Lehrer geirrt hatten. Zumindest ein Talent besaß Syrst Tykvenst Lokop: Er war ein begnadeter Lügner, Aufschneider, Hochstapler.

Und dieses, sein einziges Talent spielte er mit der ihm eigenen Frechheit aus, um sich all jene Dinge zu besorgen, die ihm Lehrer und Nesthüter so glaubhaft abgesprochen hatten.

Wie an diesem Tag, an dem er als Gastdozent an einem Symposium über die Philosophie des Ur-Lokopters teilnahm. Gewiss – er hatte die Materie weder studiert, noch hatte er die Zeit gefunden, sich durch einschlägige Medien und Hypnoschulungen damit vertraut zu machen. Als er sich aber vor wenigen Tagen im Erfrischungsraum eines Konferenzgebäudes aufgehalten und gesehen hatte, mit welch außergewöhnlichen Speisen und Getränken die Teilnehmer eines Symposiums bewirtet wurden, war es für ihn völlig klar gewesen, dass er an einem solchen teilnehmen musste – unabhängig von dessen Thema.

Nun saß er da und blickte auf den Dünnfedrigen, der einen unmöglich verhurrschten Eindruck machte und versuchte, sich krampfhaft an die damaligen Gegebenheiten zu erinnern.

Syrsts Gedanken reisten zurück zu jenem Unterweisungshof, auf dem er im Alter von zehn Jahren gestanden hatte. Damals hatte ihm gedämmert, dass er im Grunde ein völlig uninteressanter und talentloser Lokopter war.

Aus einer Laune heraus hatte er den anderen Jugendlichen daraufhin erzählt, dass sein Nesthüter im Ruf aufgegangen sei und deswegen im Schrein der Ewigkeit leben würde.

Die Wirkung seiner Worte hatte ihn über alle Maßen erst erstaunt und dann entzückt.

Die jungen Lokopter hatten ihn mit ehrfürchtig aufgerissenen Augen umstelzt und immer weitere Fragen gestellt, die er mit der blinden Sicherheit eines Wasserspürkäfers beantworten konnte.

Im Nachhinein hatte er sich darüber gewundert, woher all die Antworten stammten, die ihm so locker und leicht aus dem Schnabel gesprungen waren. Doch weshalb sich über solche Nebensächlichkeiten das Gefieder zerzausen? Man konnte schließlich die Affäre stattdessen als das betrachten, was sie war – Syrsts Aufstieg in der Hofhierarchie um mindestens drei Nestgrößen, und dies innerhalb weniger Minuten!

Der junge Lokopter hatte sofort seine Schlüsse daraus gezogen und sich von seinen Bewunderern distanziert. Schließlich benötigte eine frisch geschlüpfte Persönlichkeit wie er einen gewissen Abstand zum normalen Volk – zudem hatte er schon drei Minuten später keine Ahnung mehr, mit welchen Details er seine Geschichte ausgeschmückt hatte, und wollte vermeiden, sich in Widersprüche zu verstricken.

So war er an der mit Schlingpflanzen bewachsenen Mauer entlangstolziert und hatte die scheuen Blicke der anderen Jugendlichen genossen, die sie ihm aus der Ferne zugeworfen hatten.

Einzig ein ausgehurrschter, dünnfedriger Nesthocker, der von den anderen Jugendlichen meist übersehen wurde, hatte sich ihm misstrauisch genähert und ihm auf den Schnabel zugesagt, dass Syrsts Geschichte gar nicht stimmen konnte: Die letzte Klausur der Mächtigen habe nämlich vor genau achtzig Jahren begonnen – und so alt sähe Syrst nun nicht gerade aus.

Syrst Tykvenst Lokop war nie ein Kämpfer gewesen. Seine Arme glichen eher knorrigen Ästen denn kraftstrotzenden Hebe- und Arbeitswerkzeugen. Der Schnabel sah zwar kräftig und gesund aus, doch damit auf einen Gegner einzuhacken, darauf wäre Syrst nie gekommen; ihn ekelte schon die bloße Vorstellung an, seinen Kopf in fremdem Gefieder wiederzufinden.

Zu jenem Zeitpunkt wäre Syrst aber gerne ein Kämpfer gewesen, um dem Dünnfederling so lange einzuheizen, bis dieser die Anschuldigungen wieder vergessen hätte. So musste er ihm eine Geschichte über schockgefrorenen Samen seines Vaters ins Nest legen und ihn anschließend so schnell wie möglich stehen lassen.

Svage Kittel Lokop hatte er geheißen, das wusste Syrst noch gut, und er hatte die nächsten Jahre damit verbracht, einen möglichst großen Bogen um den unangenehmen Einzelgänger zu machen.

Und nun stand ausgerechnet dieser schrecklich verhurrschte Dünnfedrige vor ihm, als er es gerade überhaupt nicht brauchen konnte, und er las den Namen »Svage« auf dem Halsreifen, den alle Besucher des Symposiums erhalten hatten.

Svage.

Wie viele Svages laufen in Lokops Nest herum?, fragte er sich.

Der Name war seit Generationen veraltet und wurde nur selten verliehen – mehr als zwei Dutzend Svages würden aber mit Sicherheit in seinem Großnest wohnen.

Der Dünnfedrige ruckte mit dem Kopf vor und zurück, kniff die Augen halb zusammen und scharrte unruhig im Bodennebel herum.

»Du bist Sonte Tyrgal Takell?«, fragte er.

»Gewiss«, sagte er mit fester Stimme und deutete auf seinen Halsreifen.

Der Reifen gehörte dem – an diesem Tag leider verhinderten – öffentlich nicht sehr bekannten Philosophen aus Takells Nest, das Syrst als Tarnung diente. Wer zu Symposien nicht auftrat, der durfte sich auch nicht wundern, wenn der eigene Namensreifen einen anderen zu Ruhm und Apérohäppchen verhalf.

Das fand jedenfalls Syrst Tykvenst Lokop, und bis vor kurzer Zeit hatte es wie eine überaus clevere Idee ausgesehen. Dann war der Verhurrschte vor ihn getreten.

»Ich habe mit Sonte studiert«, krächzte sein Gegenüber heiser. »Du gleichst ihm nicht einmal ansatzweise. Dafür kommst du mir sonst ziemlich bekannt vor.«

Syrsts Hals verschloss sich, als hätte sich ein Wurm in seiner Kehle festgehakt. Zu allem Überfluss bemerkte er, dass sein Gegenüber aus den Federn muffelte – stinkende Lokopter konnte er auf die Mauser nicht ausstehen.

»Du ... du musst dich ganz bestimmt täuschen!«

»So, muss ich das? Weißt du denn, wer ich bin? Der richtige Sonte kennt meine Federzeichnung ebenso gut wie meine Arbeit.«

Der Dünnfedrige plusterte sich auf, und ein Schwall schlechter Luft erreichte Syrst. Unwillkürlich wich er ein paar Schnabellängen zurück.

Federzeichnung!«, dachte Syrst angeekelt. Bei dir ist der Geruch einprägsamer als die Musterung! Er sprach seine Gedanken aber nicht aus, um seinen Gegner nicht unnötig zu provozieren.

»Svage, ich weiß nicht, für wen du dich hältst«, sagte er stattdessen, »aber weder kenne ich dich, noch denke ich, dass du mich so lange in Beschlag nehmen solltest. Die anderen Besucher ...«

»Ich bin Svage Kittel Lokop«, unterbrach ihn der Dünnfedrige in gewichtigem Tonfall. »Und ich denke, dass du alles andere als ein Philosoph, sondern vielmehr mit einem Aufschneider identisch bist, den ich schon vor Jahren auf dem Unterweisungshof der Hochstapelei überführt habe!«

»Du hast mich gar nicht überführt,ich ...«

Syrst klappte den Schnabel geräuschvoll zu. Um einen Flaum hätte ich mich verraten!

Svage Kittel Lokop hob den Schnabel zur Decke und krähte vor Lachen. Sofort erstarben im Konferenzraum sämtliche Gespräche, und Hunderte von Augenpaaren richteten sich auf die beiden Lokopter.

Syrst erstarrte.

Eine Blaufeder, die für die Organisation des Anlasses zuständig war, kam eilig auf sie zugestakst. »Sonte, wirst du von diesem ... diesem ...« Ihr Blick wanderte von Svages Kopf bis zu seinen krummen Beinen hinunter, die im Bodennebel verschwanden.

»Mein Name ist Svage Kittel Lokop«, keckerte der Dünnfedrige. »Wenn du hier arbeitest, solltest du mich kennen!«

Die Blaufeder wich unwillkürlich zwei Schrittlängen zurück.

»Professor Svage!«, gackerte sie. »Ich habe dich ... Es tut mir ... Wir wollten dich ...«

»Ihr habt mich eingeladen«, unterbrach Svage sie ruhig. »Ich wollte aber sehen, wie sich die Kollegen in meiner Abwesenheit schlagen und habe dem Symposium deshalb als einfacher Besucher beigewohnt.«

»Aha«, ächzte die Blaufeder. Es stand ihr quer über den sorgfältig bemalten Schnabel geschrieben, dass sie überhaupt nichts verstand.

»Ganz besonders intensiv habe ich meinem alten Brutbruder Sonte gelauscht, der während des Symposiums nicht nur seine rhetorische Brillanz vermissen ließ, sondern Sonte auch im Federkleid nicht im Entferntesten gleicht. Wahrscheinlich hat es dieses fremde Ei nicht geschafft, ein Bild Sontes aufzutreiben, da er die Öffentlichkeit aus gutem Grund meidet!«

Syrst begriff, dass er sofort eingreifen musste, wenn er nicht wollte, dass alle Läuse auf ihn übersprangen.

»Das ist eine Frechheit sondergleichen!«, rief er mit aufgeplusterten Brustfedern. »Ich bin Sonte Tyrgal Takell! Ich verlange, dass dieses verhurrschte Geschöpf sofort aus meiner Schnabelreichweite entfernt wird!«

Herrisch sah er sich um. Die anderen Teilnehmer und Besucher traten fußscharrend heran, um den unerwarteten Streit bei dem Philosophen-Symposium aus der Nähe erleben zu können.

Die Blaufeder blickte hilflos von ihm zu Svage, der nicht nur mit dem Außenseiter von damals identisch war, sondern obendrein, wie es schien, einen Professortitel in Philosophie innehatte.

»Was ... wem ...?«, stotterte sie.

»Mir scheint«, sagte Svage, »dass wir vor einem Problem der äußeren wie inneren Identität eines Individuums stehen, das durch einen simplen Test aus der Welt geschafft werden kann.«

»Ich verbitte mir ...«

»Einen Test, den die interessierte Zuhörerschaft ...«, Svage blickte kurz in die Runde der andächtig lauschenden Lokopter, »... ohne Probleme nachvollziehen kann.«

Test