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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2578

 

Das mahnende Schauspiel

 

Der Maskenträger sucht ein Schwarzes Loch – und findet sich auf einer phantastischen Bühne wieder

 

Marc A. Herren

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Nach über hundert Jahren Frieden ist der Krieg nach Terra zurückgekehrt:

Ausgangspunkt sind die sogenannten Polyport-Höfe, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, mit denen sich gigantische Entfernungen überbrücken lassen. An ihnen entzündete sich der Konflikt mit der Frequenz-Monarchie, die aus einem jahrtausendelangen Ruheschlaf erwachte und die Herrschaft über mehrere Galaxien beansprucht.

Die Terraner und ihre Verbündeten wehren sich erbittert – und sie entdecken die Achillesferse der Vatrox, die als Herren der Frequenz-Monarchie gelten: Sie rauben den Vatrox ihre Hibernationswelten – und damit die Möglichkeit der »Wiedergeburt« –, ebenso fangen sie die freien Bewusstseine dieses Volkes ein. Allerdings sind damit nicht alle Gefahren beseitigt. Noch immer gibt es Vatrox und mindestens zwei rivalisierende Geisteswesen, die mit dieser fremden Zivilisation zusammenhängen. Insbesondere VATROX-VAMU scheint als Konkurrent und Widersacher eine zentrale Rolle bei der Aufgabe zu spielen, die Superintelligenz ES mittels psionischer Energien zu retten.

In der Zwischenzeit befindet sich der Maskenträger und Unsterbliche Alaska Saedelaere mit dem kobaltblauen Walzenraumschiff LEUCHTKRAFT nach wie vor auf der Suche nach Samburi Yura und dem Geheimnis der Zeitrose. Ihm bietet sich dabei DAS MAHNENDE SCHAUSPIEL …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Alaska Saedelaere – Der Maskenträger wird in ein unvergleichliches Schauspiel hineingezogen.

Eroin Blitzer – Der Commo'Dyr bestreitet einen Einsatz.

Vetri – Eine Frau von betörender Schönheit.

Orsen Tafalla und Gommrich Dranat – Die Schauspieler mahnen als Kanzler und Narr.

Prolog

 

Die Bühne zog durch das All, in sicherer Entfernung von dem Schwarzen Loch, das keine Nahrung mehr fand.

Zwei Gestalten materialisierten aus dem Nichts. Orsen Tafalla und Gommrich Dranat. Sie trugen die Kostüme von Kanzler und Hofnarr. Sie standen prall im Leben, waren voller Substanz.

Die Bühne gab den Blick frei auf die Kulissenlandschaft. Das Spiel begann.

Die Zwillingssonnen verschwanden hinter einer Wolkenbank. Der See lag da, nur leicht aufgeraut. Nachdenklich blickte der Kanzler in die Ferne. Seine Hände ruhten unverkrampft auf der steinernen Balustrade des Balkons.

KANZLER: »Das Reich der Harmonie steht am Scheidepunkt!«

HOFNARR, beipflichtend: »Von Eurer Entscheidung hängt seine Zukunft ab.«

KANZLER: »Es gibt nur einen richtigen Weg.«

HOFNARR: »Aber welcher ist das?«

Das mahnende Schauspiel vom See der Tränen, 1. Akt, 1. Szene (Auszug)

1.

Im Reservat

 

Die Sonne scheint. Immer.

Alaska Saedelaere erhebt sich, drückt sein Becken nach vorn und streckt den Rücken. Es knackt leise.

Drei gefühlte Stunden sitzt er bereits in gebeugter Haltung im Staub. Zeigefinger und Daumen der rechten Hand schmerzen von der Nadel aus Tierknochen, mit der er den groben Faden durch die Häute trieb.

Der Maskenträger besieht sein Werk. Die beiden starken Äste, die er in den Boden geschlagen und oben zusammengebunden hat, wirken stabil genug, um das Gewicht der Häute zu tragen.

Saedelaere fragt sich, ob sie Windböen standhalten können. Allerdings hat er im Reservat bisher keine erlebt. Zu gleichmäßig wirkt alles. Es gibt keine Nächte, keine nennenswerten Temperaturschwankungen. Wie soll da Wind entstehen?

Er geht zum nächstgelegenen Zelt, rüttelt vorsichtig an der Konstruktion des Proto-Enthonen, der diese Behausung aufgestellt hat. Saedelaere findet sie nicht bedeutend solider als seinen eigenen Bau.

Der Terraner ergreift die Seile aus Pflanzenfasern, bindet sie zu Schlingen. Er hat sie genau ausgemessen.

Sie reichen bis zu den vier Pflöcken, die schräg gegen die Spannrichtung im Boden stecken. Saedelaere legt die Seile locker um die Pflöcke. Die Schlingen hakt er an leicht abstehenden Aststümpfen ein.

Dann dreht er abwechselnd die Pflöcke weiter in den Boden, sodass sich die Seile langsam spannen. Zwei, drei Schläge mit einem schweren Stein verhindern, dass sie sich wieder lösen.

Alaska Saedelaere nickt.

Die Tierfelle hat er in einem der leer stehenden Zelte gefunden. Erst hat er einige Zeit auf die Proto-Enthonen gewartet. Als aber nach – was? Tagen/Wochen/Monate? – keines der Pseudowesen wiederauftauchte, nahm er sich die Felle und begann mit dem Bau seines Zeltes.

Die Proto-Enthonen, so hat er es sich zusammengereimt, bilden mit ihrem Reservat so etwas wie Samburi Yuras Nostalgiewelt, in die sie sich zurückzog, um Kraft zu schöpfen. Die künstlichen Wesen leben in einem Teil der LEUCHTKRAFT, zu dem weder die Zwergandroiden noch der Bordrechner DAN Zutritt haben.

Die LEUCHTKRAFT. Selbst für einen Mann wie Saedelaere bildet dieses … Raumschiff ein nicht nachvollziehbares, ein nicht begreifbares Etwas.

Das Innere der Kosmokratenwalze stellt sich ihm wie eine Ansammlung terranischer Landschaften dar: trockene Grasebenen, Steinwüsten, Flusstäler und vieles mehr. Die Zentrale gleicht einer Kaverne, die Höhle, in der sich der Bordrechner DAN befindet, einer Felskathedrale mit mächtigen Stalagmiten und Stalaktiten.

Saedelaere rückt die schwarze Plastikmaske zurecht.

Fallun Vierauf, einer der Zwergandroiden, die die Besatzung stellen, hat ihm in den Fertigungsstätten der LEUCHTKRAFT ein ganzes Set an gepolsterten Plastikmasken angefertigt. Seine alte Maske war beim Einsatz in der Ultramarin-Stadt in drei Teile zerbrochen.

Saedelaere hat die neuen Masken nicht beachtet.

Stattdessen trägt er weiterhin seine alte Maske, die er mit weißem Klebeband geflickt hat. Weshalb sollte er sie wegwerfen?

Fallun Vierauf hat die Nichtanerkennung seiner Bemühung stillschweigend hingenommen.

Die Zwergandroiden haben keinen Sinn für die weichen Regeln des Universums. Aus diesem Grund hat DAN Saedelaere als zwischenzeitlichen Kommandanten der LEUCHTKRAFT auserkoren. Der Maskenträger soll die Suche nach der verlorenen Herrin der Kosmokratenwalze mit seiner Erfahrung und seinem Instinkt für kosmische Zusammenhänge vorantreiben.

Alaska Saedelaere hält die zusammengenähte Zeltplane vor sich in die Höhe und prüft seine Arbeit, indem er mehrmals ruckartig an den Fellen zerrt.

Die Nähte halten.

Er bindet die umgeschlagene Kante an den Rahmen seiner Konstruktion. Dann spannt er die Häute über die beiden hinteren Seile und schlägt mit dem flachen Stein drei weitere Pflöcke an vorgebohrten Stellen in den Boden.

Den Rest der Kanten beschwert er mit flachen Steinen, die vom Ufer des nahe gelegenen Flusses stammen.

Dabei hat er tunlichst vermieden, dem Flusslauf zu weit zu folgen. Den Anzug der Vernichtung, der hinter der Flussbiegung an einem einsamen Baum hängt, will er nicht sehen. Zu schmerzlich hallen die Erlebnisse auf dem Planetoiden in ihm nach.

Saedelaere weiß, dass er den Anzug wieder besuchen wird – und wenn es nur zu dem Zweck wäre, den in einem der klobigen Handschuhe versteckten Sternsaphir zu holen.

Der Terraner ergreift den Rahmen seines Zeltes, zieht zuerst sanft, dann ruppiger daran. Die Konstruktion hält.

Um die Haut, die er vor den Eingang seiner neuen Behausung hängen will, wird er sich später kümmern.

Sein Werk erfüllt ihn mit Stolz.

Wann hat er zuletzt etwas mit seinen eigenen Händen hergestellt? Etwas Reales, wie ein Zelt aus Tierhäuten, Faserseilen und Ästen?

Alaska Saedelaere muss unter seiner Maske schmunzeln.

Etwas Reales?

Nichts, was er im Reservat sieht, spürt, schmeckt, hört oder riecht, ist existent – jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne.

»Aber ist es das je?«, murmelt er.

Alaska Saedelaere wischt den Gedanken beiseite.

Er nimmt das Hemd, das er auf den zusammengefalteten SERUN gelegt hat, und wischt sich den Schweiß von der nackten Brust.

Dann setzt er sich hin, lehnt sich vorsichtig an den Rahmen seines Zeltes.

Die Sonne scheint wie immer.

Alaska Saedelaere wartet auf die Rückkehr der Enthonen, die er seit dem Begräbnis ihrer Schwestern nicht mehr gesehen hat.

Zum ersten Mal fühlt er sich dabei zufrieden.

Zufrieden mit sich und der Welt.

 

*

 

»Alraska?«

Die Stimmen dringen so leise an sein Ohr, dass er sie einige Dutzend Herzschläge lang als Produkt seiner Fantasie abtut.

»Alraska?«

Saedelaere öffnet die Augen. Sie sind verklebt.

Verwirrt hebt er die Maske an und wischt sich über die Augen.

»Alraska?«

Saedelaere richtet sich auf. Die Sonne steht unverrückt an dem ihr zugewiesenen Platz in dieser zeitlosen Welt.

Er sieht sich um.

Das Nomadendorf liegt verlassen da. Woher kommen die Stimmen?

Erst in diesem Augenblick bemerkt er die Ungeheuerlichkeit, die sich in ihnen verbirgt. Es gibt nur eine Person, die ihn kontinuierlich »Alraska« nennt: Eroin Blitzer, der Commo'Dyr des LEUCHTKRAFT-Beibootes ROTOR-G, der ebenfalls federführendes Besatzungsmitglied des Mutterschiffes ist.

Aber kein Zwergandroide – jedenfalls wenn es nach Saedelaeres Theorie geht – hat die Möglichkeit, in das Enthonen-Reservat zu gelangen.

Dazu kommt, dass Saedelaere nicht eine, sondern mehrere Stimmen hört. Wenn er sich nicht täuscht, sind es deren drei.

Blitzer, Vierauf und Lind?

Der Maskenträger dreht sich um seine Achse. Woher kommen die Stimmen?

Er nimmt das Hemd, streift es sich über den Kopf. Den schweren SERUN legt er sich erst einmal über die Schulter. Dann geht er in die Richtung, die ihm logisch erscheint.

»Alraska! Hier drüben!«

Der Terraner verlässt die Zeltsiedlung. In der staubigen Ebene erblickt er drei weiße Punkte, die sich bewegen. Der zaghafte Wind führt einen leisen Duft nach Pfeffer und Zwiebeln mit sich.

Saedelaere weiß nun, was ihn erwartet.

Mit ruhigen Schritten geht er auf sie zu. Seine improvisierten Ledersandalen wirbeln kleine Staubwölkchen auf.

Drei Spielkarten sind es, die ihn erwarten.

Herz-Neun, Herz-Zehn und Herz-Sieben.

Mit zahnstocherdünnen Beinchen hüpfen sie auf und nieder, während sie ihm mit ihren ebenso fragilen Ärmchen zuwinken.

Auf der oberen Kante jeder Spielkarte sitzt ein faustgroßer runder Kopf, den im Falle der Zehn ein zusammengefalteter Papierhut schmückt.

Die kleinen Gesichter drücken Freude, Leid und Gelassenheit aus.

»Endlich«, sagt Herz-Neun gequält.

»Endlich!«, jubelt Herz-Zehn.

»Wir hätten auch länger gewartet«, meint Herz-Sieben.

»Eroin Blitzer sendet euch?«, sagt Alaska Saedelaere. Es ist mehr eine Feststellung als eine Frage.

»Oh ja!«, blubbert Zehn überglücklich. Die Karte nickt so heftig, dass ihr der Hut fast vom Kopf fällt.

Neun verzieht das Gesicht. »Weshalb immer diese überzogene Fröhlichkeit?«, nörgelt sie.

»Wenn es sie beglückt?«, sagt die Sieben.

»Wie lautet die Botschaft?«

»Nicht acht ist die Botschaft«, ächzt Neun.

»Wir drei sind es!«, stößt Zehn glücklich aus.

»Aber nur, wenn du zwischen den Zeilen liest.« Sieben brummt missmutig.

Saedelaere überlegt. »Das war noch nicht die Botschaft«, stellt er dann fest.

»Unsäglich lange hat er dafür gebraucht!«

»Aber er hat es herausgefunden!«

»Die Geschwindigkeit ist nicht so wichtig.«

»Und wie lautet die Botschaft?«, fragt der Maskenträger.

»Sind zur ein den«, ächzt Neun.

»Erreicht Zentrale Problem Weg!«, jubiliert Zehn.

»Die komm wir Kaninchen …«, meint die Sieben gelassen.

Der Terraner seufzt. Die LEUCHTKRAFT hat die drei Spielkarten offenbar seiner Erinnerung an das Carrollsche Wunderland entnommen. Nun folgen sie dessen Gesetzmäßigkeiten und äußern sich in Rätselform.

Er lässt sich die Botschaft von den drei Spielkarten nochmals vorsagen.

»Nicht acht ist die Botschaft«, wiederholt er den ersten Teil des Rätsels nachdenklich. »Ihr drei seid es. Aber nur, wenn ich zwischen den Zeilen lesen kann.« Er überlegt kurz. »Stellt euch erst einmal der Reihe nach hin. Sieben, stell dich auf die andere Seite!«

Ergeben trottet die Spielkarte von der rechten auf die linke Seite.

Der Maskenträger lässt sich die Botschaft ein weiteres Mal vortragen.

»Die komm wir Kaninchen …«

»Sind zur ein den.«

»Erreicht Zentrale Problem Weg!«

Alaska Saedelaere beißt sich in die Unterlippe. »Ihr drei seid die Botschaft«, murmelt er. »Nicht die Acht …«

Herz-Acht fehlt.

»Aber nur … wenn ich zwischen den Zeilen lesen kann.«

Der Maskenträger schnippt mit den Fingern. »Eigentlich wärt ihr vier Boten, aber die Herz-Acht fehlt – und damit auch ihr Teil der Botschaft!«

Saedelaere rückt sich die Maske zurecht. »Es sind vier Sätze, nicht wahr? Und von jedem Satz kennt ihr je ein Wort.«

»Fragen!«, stöhnt Neun. »So viele Fragen!«

»Aber er stellt die richtigen«, ruft Zehn begeistert.

»Ist das Leben selbst nicht eine beinahe endlose Abfolge von Fragen?«, sinniert Sieben.

Saedelaere geht nicht auf ihre Bemerkungen ein. Er lässt die Karten jeweils nur ihr erstes, dann ihr zweites, ihr drittes und schließlich ihr viertes Wort aufsagen.

»Die.«

»Sind.«

»Erreicht.«

»Komm.«

»Zur.«

»Zentrale.«

»Wir.«

»Ein.«

»Problem.«

»Kaninchen.«

»Den.«

»Weg.«

»Die Koordinaten sind erreicht«, murmelt Alaska Saedelaere. »Komm … sofort zur Zentrale. Wir haben ein Problem. Kaninchen … kennt den Weg!«

»Eine Zangengeburt!«, jammert Neun.

»Brillant!«, frohlockt Zehn.

»Was erwartet man von einem Logiker?«, kommentiert Sieben.

Alaska Saedelaere faltet den SERUN auseinander, öffnet den Magnetverschluss. »Wo ist Kaninchen?« Der Maskenträger steigt in den Schutz- und Kampfanzug.

Er hat nach wie vor Mühe, den Weg aus dem Reservat in die Zentrale der LEUCHTKRAFT zu finden. Das liegt in erster Linie daran, dass sich das Innere des Kosmokratenraumers stetig verändert. In zweiter Instanz ist es der Verbindungstür geschuldet, die es sich zum Spaß gemacht hat, kräftige Füßchen auszubilden, auf denen sie den Standort wechselt, wann immer sie sich unbeobachtet fühlt.

»Hier bin ich!«, erklingt eine wohlbekannte Stimme in Saedelaeres Rücken.

Alaska dreht sich um. »Hallo, mein Freund!«

Er freut sich ehrlich, das kleine Wesen im weißen Pelz zu sehen, das wie immer einen adretten Sakko trägt.

»Hallo … oh!«, sagt das Kaninchen. Einen Moment lang starrt es den Terraner mit erschrockenem Gesichtsausdruck an. Die aufgeklappte goldene Taschenuhr in seiner linken Pfote blitzt in der Sonne. Der Mund mit den beiden großen, nicht mehr ganz so weißen Schneidezähnen öffnet und schließt sich dreimal, ohne dass ein Laut daraus hervorkommt.

»Du wolltest dich gerade darüber beschweren, dass du wieder einmal zu spät bist? Und du wolltest mir den Weg zeigen?«, hilft Alaska aus.

»Ja, ja!«, antwortet das Kaninchen hastig. Es scheint seine Fassung wiedergewonnen zu haben. »Komm … Kommen Sie schnell mit. Ich weiß, wohin die Tür gewandert ist!«

Kaninchen rennt davon. Mit weit ausholenden Schritten folgt ihm der Maskenträger.

Die drei Spielkarten bleiben zurück.

»Alles hat sich zum Guten gewandelt«, sagt Zehn zufrieden.

Neun blinzelt in die Sonne. »Zum Guten? Merkt ihr nicht, wie wir langsam vergilben?«

»Man wird uns mischen und zurück in den Stapel stecken«, meint Sieben besonnen. »Irgendwann.«

 

*

 

KANZLER: »Er ist es! Er ist es!«

HOFNARR, gelangweilt: »Wer?«

KANZLER, ergriffen: »Der Bote der Hohen Mächte!«

HOFNARR, springt auf: »Ein Bote des Unheils! Entreißt dem Felde seinen ungekeimten Samen! Schließt alle Tore! Sperrt die Kinder in fensterlose Kammern! Nichts Gutes ist je von den Hohen Mächten gekommen!«

Das mahnende Schauspiel vom See der Tränen, 1. Akt, 2. Szene (Auszug)

2.

Das Schwarze Loch, das singt

 

Die Tür kommt auf ihren vier Füßchen, die den Hinterbeinen von Schildkröten gleichen, erstaunlich schnell voran. Als sie die beiden ungleichen Wesen bemerkt, die sich ihr rasch nähern, bleibt sie stehen und tut so, als wäre sie eine normale Tür und stünde rein zufällig inmitten einer Prärielandschaft.

Kaninchen – so nennt sich das Kaninchen – hat Alaska Saedelaere erneut punktgenau zu der Verbindung zwischen dem Randgebiet des Enthonen-Reservats und der Zentrale der LEUCHTKRAFT gebracht.

»Wann kommen Sie zurück?«, fragt Kaninchen. Manchmal siezt, manchmal duzt es ihn, als habe es beschlossen, sich an ihn zu gewöhnen und zugleich Distanz zu wahren.

Es nestelt an der goldenen Kette seiner Taschenuhr.

»Bald«, sagt Alaska nur.

»Es ist eine verflixte Sache mit der Zeit«, sinniert das Kaninchen. »Ein Bald gibt es nicht, und hier drin laufen die Uhren anders.«

»Deshalb hat deine Uhr auch keine Zeiger.«

Kaninchen nickt. Dann zieht es die Uhr aus seiner Westentasche und löst die Kette von dem Knopfloch, in das sie normalerweise eingehakt ist.

»Da«, sagt es. Das possierliche Wesen stellt sich auf die Spitzen seiner Hinterpfoten, streckt Alaska die goldene Uhr entgegen. »Damit du von der Zeit nicht zum Narren gehalten wirst!«

Mit einem eigenartigen Gefühl in der Magengrube nimmt Alaska Saedelaere das goldglänzende Geschenk entgegen.

»Danke!«

»Nichts zu danken, mein Herr«, beeilt sich das Kaninchen zu sagen. Dann dreht es sich um und rennt davon, als wäre ihm die Angelegenheit furchtbar peinlich.

Saedelaere sieht dem Kaninchen lange nach. Erst als das karierte Sakko und die langen weißen Ohren hinter einem Hügel verschwinden, dreht er sich um, öffnet die Tür und betritt die Zentrale der LEUCHTKRAFT.

 

*

 

Der Maskenträger bemerkte sofort, dass etwas in der Zentrale anders war als sonst. Normalerweise blickten die Zwergandroiden kaum auf, wenn er sie betrat, gaben ihm damit zu verstehen, dass er nach wie vor nichts weiter als ein geduldeter Temporärkommandant war. Schweigend arbeiteten sie an ihren Terminals, gingen ungerührt ihren Pflichten nach.

Diesmal war alles anders.

Nervosität hing greifbar in der Luft, als hätten sich irgendwelche Erzadern in den Wänden der steinernen Kaverne elektrisch aufgeladen und warteten nur darauf, die Anwesenden mit Lichtbögen niederzustrecken.

Saedelaere hatte Blitzers Botschaft als übertrieben eingestuft. In welche Art Probleme sollte ein Gebilde wie die Kosmokratenwalze LEUCHTKRAFT geraten?

Er trat vor das Terminal, an dem der Commo'Dyr saß und mit hastigen Bewegungen auf die Sensorfelder drückte, Zahlen und Symbole von den Monitoren ablas und weitere Schaltungen vornahm.

»Was gibt es?«

»Diese Verzögerung hätte es nicht gegeben, wenn du in der Nähe der Zentrale geblieben wärst, Alraska«, sagte die kleine Gestalt ohne Begrüßung – ohne auch nur aufzuschauen. »Es hat wertvolle Zeit gekostet, diese Botschaft zu verfassen.«

»Die einzige unnötige Zeitverschwendung findet bei dieser Diskussion statt«, erwiderte Saedelaere ungerührt.

Er sah sich nach einer Holosphäre um. Als hätte einer der Androiden seinen Blick bemerkt, entstand einer der schwebenden Bildschirme keinen halben Meter von ihm entfernt.