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Hermann Brünjes

50 Plus und plötzlich Single

Anekdoten und Betrachtungen





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Titel

Hermann Brünjes

 

 

 

Fünfzig plus

und plötzlich

Single

 

 

Anekdoten und Betrachtungen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

BookRix April 2013

Kontakt Autor: HBruenjes@t-online.de

 

Worum es geht

Er hat es nach zwei gescheiterten Ehen wieder als Single versucht. Hermann Brünjes beschreibt seine Erfahrungen mit dem Allein leben und seine manchmal skurrilen und doch so normalen Erlebnisse. Wie ein Single über fünfzig seine Sonn- und Feiertage gestaltet, sich sozusagen weltweit auf Partnersuche begibt, seinen Urlaub und die Herausforderungen des Alltags zu meistern versucht und nicht nur in seinen Beziehungen, sondern gewissermaßen auch als Single scheitert – darum geht es in diesem unterhaltsamen Büchlein über die Liebe, das Leben, das Scheitern und den Glauben.

Der Autor reflektiert und erzählt humorvoll und mit einem guten Schuss Selbstironie, erhebt dabei jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er deutet seine eigene und die Situation anderer Singles vom christlichen Glauben her, ohne dabei moralisch oder dogmatisch zu werden. Auch ist dieses Buch weder Rezeptesammlung noch Ratgeber für´s glückliche Singledasein.

Hermann Brünjes veröffentlicht seine oft sehr persönlichen Bekenntnisse nicht nur, um zu unterhalten, sondern um vor allem älteren Singles Mut zum Leben und Lieben zu machen. Und wenn jene Leserinnen und Leser, die ihre Ehe bis jetzt hingekriegt haben, ihr Herz für Singles öffnen und ihnen offen und akzeptierend begegnen, haben sie verstanden, worum es dem Autor geht. Hermann Brünjes, geboren 1951, ist kirchlicher Mitarbeiter, Vater zweier großer Kinder, zweimal geschieden, seit April 2010 erneut und glücklich verheiratet und fröhlicher Christ.

 

 

50 Plus und plötzlich Single

Die Nacht war kurz. Wieder habe ich schlecht geschlafen. Irgendetwas klappert am Dach. Vielleicht fallen Zapfen oder Äste von der Kiefer neben meinem Haus auf die Pfannen. Tauben gurren. Einen Wecker brauche ich seit Monaten nicht mehr. Je später ich ins Bett gehe, desto eher wache ich auf. Nicht, dass mir meine Gedanken den Schlaf rauben. Das auch. Aber es ist, als stände ich unter Drogen, Aufputschmitteln. Ohne sie jedoch zu nehmen. Doch da ist eine Unruhe in mir. Ein Gefühl des Fehlenden, des Mangels. Als ob etwas Aufregendes bevorsteht, von dem ich gleichzeitig weiß, dass es nicht eintritt. Gut, anderen geht es noch schlechter. Ein Freund von mir, einige Jahre jünger, schläft kaum noch und er weiß nicht, warum. Was mich betrifft, ich weiß es.

Ich stehe auf, gehe ins Bad, dusche und rasiere mich. In der letzten Woche habe ich mir einen neuen Rasierer gegönnt. Und einen schönen, großen Flachbildschirm für meinen Computer. Für kleine Momente freue ich mich über solche selbst gemachten Geschenke. Nicht, dass ich mich in den Konsum stürze. Dazu fehlen mir das Geld und die Lust. Doch ab und zu... einer muss sich ja schließlich um mich kümmern. Zur Not ich selbst. Also genieße ich meinen Rasierer, solange er den Reiz des Neuen vermittelt. Und meinen hellen, breiten Monitor. 

Ich ziehe mich an. Ein Berg ungebügelter Hemden fordert mich heraus. Kein Problem, nur jetzt nicht. Keine Lust zum Bügeln. Zeit hätte ich schon, und etwas anderes zu tun im Moment auch nicht. Außer das Schuppendach zu erneuern, den Rasen zu mähen, ein längst auf die Fertigstellung wartendes Buch zu beenden... Ja, ich hätte doch genug zu tun. Ich könnte auch arbeiten, obwohl heute mein freier Tag ist. Vielleicht ginge es mir dann besser. Aber nein, frei ist frei – und ich will nicht vor mir selbst davon laufen. Die Arbeit in meiner Situation ist ein ganz eigenes Thema, speziell was meine Aufgaben als kirchlicher Mitarbeiter angeht. 

Ich suche mir eines der bügelfreien Polohemden heraus. Davon habe ich viele und muss erst nach etwa zehn Tagen einen Waschtag einlegen. Und dann setze ich meine Espressomaschine in Gang und bereite mein Frühstück vor. „Guten Morgen!“ „Wie immer.“ „Drei Roggen?“ „Ja, danke! Und ein kleines Brot.“ ... die Dialoge beim Bäcker ähneln sich Tag für Tag. Was soll ich auch erzählen? Übers Wetter zu reden ist mir zu doof. Mit meinen Backwaren in der Lenkertasche des Fahrrades düse ich wieder zu meinem Haus.

Inzwischen ist die Espressomaschine warmgelaufen und ich brühe mir einen Cappuccino auf. Auch diese Maschine habe ich mir gegönnt, gleich als es anfing. Und das war eine wirklich gute Investition, trinke ich jetzt doch richtig edlen und vor allem bekömmlichen Kaffee. Mit Mitte fünfzig ist man eben nicht mehr der Jüngste. „Mit dreißig ist die Garantie vom lieben Gott abgelaufen“ hat mal ein Arzt zu einem befreundeten Pastor gesagt. Recht hat er. Und mit fünfzig schon lange! Mein Schwachpunkt ist der Magen. Cappuccino allerdings vertrage ich. Wie gut! Ich lese das Bibelwort aus der Losung. Ein kurzes Gebet. Eigentlich wollte ich ja länger beten. Meine Fürbittenliste ist enorm umfangreich. Ich kenne tausend Leute, bin in vielen Projekten involviert, habe alle möglichen Verbindungen. Aber keine Lust zum Beten. Lieber lese ich Zeitung. Es zerstreut besser als Beten, viel besser. Und inzwischen mache ich sofort wenn ich die Küche betrete, mein kleines Radio an, jeden Morgen zum Cappuccino. NDR Info. Da wird immer gesprochen. Musik macht mich eher nervös. Stimmen hören beruhigt. Und bildet. Allerdings kann ich mittags manche der Nachrichten und Reportagen beinahe auswendig, da sie dauernd wiederholt werden. Aber immerhin redet da jemand. Zwar nicht mit mir, aber doch während ich frühstücke. Und da ich das Radio einfach laufen lasse, auch wenn ich in einem der anderen Räume meines Hauses bin, kann fast der Eindruck entstehen, es sei noch jemand im Haus. Ist aber nicht. 

Ja, mein Haus. Es ist schön. Eigentlich ist es ein ganz normales, eher kleines Haus, gebaut für eine ganz normale Familie. Doch jetzt ist es ein großes Haus, ein manchmal zu großes Haus. Nicht dass ich nicht genügend Möbel hätte, es zu füllen. Nein, nein, es ist komplett eingerichtet und ich habe es richtig schön, genauso wie ich es mag. Immer wieder freue ich mich über die Räume und schaue hinein mit dem Gedanken, dass die Einrichtung okay ist. Aber...ich bin nicht okay. In den meisten dieser Räume lebe ich nicht, ich durchstreife sie eher wie eine Raubkatze ihren Käfig. Ich setze mich nicht, und wenn, dann nur kurz, nur solange mein Frühstück oder mein Mittagessen oder das Abendbrot oder die Arbeit am Schreibtisch oder das Bügeln oder das Fernsehen oder irgendeine andere Beschäftigung es erfordern. Danach bin ich sofort wieder unterwegs, unruhig und allein. 

Allein? Ja, allein. In meinem großen kleinen Häuschen, im Auto unterwegs zu Terminen, zwischen Menschen in Gruppen, auf Tagungen und am Schreibtisch. Wie ein einsames Raubtier. Der einsame Wolf? Noch nicht ganz. Aber wenn es so weitergeht auf dem besten Weg dahin.

 

Einsam - als Christ?

Ein Christ ist einsam? Das gibt es doch nicht, oder? Jesus ist doch immer da. Und Gott ist überall. Und die Schwestern und Brüder aus der Gemeinde auch. Ob mit dem was nicht stimmt, wenn er einsam ist? Vielleicht der Glaube. Wahrscheinlich, er glaubt eben nicht genug! Er hält nicht für wahr, dass Jesus an seiner Seite geht. Er hat sich die in so vielen Predigten erzählte Geschichte von den Spuren im Sand nicht zu Herzen genommen: „Jene einsame Spur im Sand, mein Freund, sie ist nicht von Dir. Es ist meine Spur. Da habe ich Dich auf meinen Schultern getragen!“ Wenn er einsam ist, jener Christ, dann hat er letztlich selbst Schuld, dann glaubt er Gott nicht. 

Genau! Vielleicht ist dies das richtige Stichwort: Schuld. Einsamkeit ist Schuld! Da glaube ich den Gott an meiner Seite nicht, den Immanuel, den Gott mit uns, den Auferstandenen, den Gott, der mich auf seinen starken Schultern trägt wie ein guter Hirte sein geliebtes Schaf. Einsamkeit ist Ausdruck von Verlorenheit, von Gottesferne, oder zumindest von leblosem, sich nur theoretisch aber nicht praktisch verstandenem Glauben. Christus macht glücklich! Das zu erleben war ja gerade Grund meines Glaubens, damals auf der Jugendfreizeit und den Offenen Abenden, und während des Glaubenskurses. Ein tiefes Glücksgefühl hatte mich erfasst. Er war da, für mich! Nichts mit Einsamkeit! 

Und nun sollte derselbe Christ einsam und unglücklich sein? Was ist passiert? Ist er von Glauben abgekommen, vielleicht nicht theoretisch, aber praktisch? Ein richtiger Christ wird doch nicht unglücklich – und wenn, dann gibt er es sich selbst gegenüber natürlich nicht zu. Das stellt doch alles in Frage!

 

„Sich outen verboten!“

Nein, es geht hier nicht um Homosexualität. Sich darin zu „outen“ (auf deutsch: „offenbaren“) birgt zwar Gefahren, vor allem in christlicher Szene, es kann jedoch inzwischen getrost gewagt werden. Vielleicht nicht in gewissen Kreisen evangelikaler und fundamentalistischer Glaubensüberzeugungen. Dort darf man sich ohnehin kaum „outen“, weder mit seiner Sexualität, noch mit seinen Zweifeln, noch mit den heimlichen Leidenschaften und Sehnsüchten. „Fromm ist, wer sich besonders gut versteckt,“ oder eben „wer sich selbst verleugnet“. Wo solche heimlichen Regeln gelten, findet ein „sich outen“ natürlich nie oder nur selten statt – und wenn, dann mit verheerenden Folgen. Kompromisslos wird ausgegrenzt und in die wie auch immer geartete Ecke gestellt.

Zum Glück nicht bei uns in der evangelischen Kirche. Wer bei uns schwul oder lesbisch ist, sollte das zwar nicht ständig herumposaunen, muss jedoch kaum mehr Angst vor Diskriminierung haben. Auch wer geschieden ist, darf das sagen. Mit der Scheidung der einstigen hannoverschen Landesbischöfin Frau Dr. Käßmann scheint auch der letzte Bann gebrochen. Zwar gibt es Widerspruch. Doch zum Glück wird nicht mehr ohne wenn und aber „rausschmeißen!“ gefordert, sondern es geht „nur“ noch darum, ob sie im Amt bleiben kann oder nicht. Wir Evangelischen haben wohl weit gehend begriffen, dass  Ehe ein irdisch Gut ist und damit auch vergänglich sein kann. Also, hier geht es nicht vor allem um das Thema Scheidung, wenn auch indirekt. Es geht um die Einsamkeit, und besonders um die Einsamkeit von Christen. Und sich darin zu outen ist durchaus riskant, zumindest außerhalb geschützter Räume. Solche Offenbarung wird oft nicht ohne Folgen bleiben. Und es geht auch um jene Erfahrung, die sich mit dem Titel im ersten Teil dieses Büchleins verbindet: „Fünfzig plus und plötzlich Single“. Ich habe den Eindruck, ein Tabu-Thema anzusprechen. Und genau deshalb riskiere ich diese Zeilen. Sollte ich sie jemals veröffentlichen, dann deshalb, um jene zu unterstützen, die auch durch ihr eigenes aber auch durch unser Verschweigen einsam geworden sind. Und sollte ich sie nicht veröffentlichen, dann deshalb, weil dieses Thema entweder für die angefragten Verlage ein Tabu darstellt und aus Marketinggründen kein Interesse daran besteht – oder weil ich mich denn doch nicht traue, diese Bekenntnisse preiszugeben.