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Ich widme dieses Buch all denen,
die von der Gesellschaft diskriminiert und ausgegrenzt werden,
sei es wegen ihrer Hautfarbe,
ihrer Herkunft oder ihrer Andersartigkeit.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Damaris Kofmehl

Prolog

1 Das Ritual

2 Sei ein Mann! Komm zum Klan!

3 Mr KKK

4 Das geheimnisvolle Mädchen

5 Wer ist sie?

6 Eine gewagte Anfrage

7 Das Treffen

8 Käsekuchen und Geschichten

9 Kein Spiel mehr

10 Begegnung mit dem Kaiserlichen Hexenmeister

11 Ganz oder gar nicht

12 Klangeheimsprache

13 Falsche Wortwahl

14 Die Garage

15 Mr Bowe kommt ins Schwitzen

16 Psychoterror und Geistergeschichten

17 Von Verbündeten und Verhassten

18 Ein neues Amt

19 Ein vermeintlicher Sieg

20 Aufstieg zur Macht

21 Unversehrt aus Chicago

22 Bomben basteln

23 Der Fluch

24 Der Anschlag

25 Enttarnung

26 Ausstieg eines Großdrachen

27 Ein letztes Mal

28 Big brother is watching you

Epilog

29 Zusatzinfos

KKK und Rechtsextremismus in Europa

KKK-Begriffe

KKK-Chronik

KKK in Deutschland

Vorwort von Damaris Kofmehl

Im Jahr 1865, lange vor den Nazis, wurde in den Südstaaten der USA ein rassistischer Geheimbund gegründet: der Ku-Klux-Klan. Ich wusste lange Zeit nicht viel über den Ku-Klux-Klan, den KKK, nur, dass sie weiße Kutten und Kapuzen tragen, Kreuze anzünden und Schwarze ermorden. Und jedes Mal, wenn ich irgendwo ein Bild vom KKK sah, wurde es mir doch etwas unheimlich zumute.

2002 lernte ich meinen Mann kennen – er ist Afroamerikaner und kommt aus den Südstaaten – und nach unserer Hochzeit sagte er etwas, das ich nie vergessen werde: »Schatz, wir könnten niemals in den Südstaaten Amerikas leben.« Als ich ihn fragte, wieso, sagte er: »Ein gemischtes Ehepaar wie wir? Die Leute würden uns dafür umbringen. Sind dir auf der Durchreise die vielen Südstaatenflaggen aufgefallen, die an den Häusern hängen? Wer eine solche Flagge aufhängt, ist entweder beim Ku-Klux-Klan oder vertritt dessen Ideologie.«

Der Ku-Klux-Klan ist noch immer aktiv? In der heutigen modernen Welt? Ich war schockiert. Und gleichzeitig wollte ich mehr darüber erfahren. Ich begann, mich intensiver mit dem Thema Rassismus und Ku-Klux-Klan auseinanderzusetzen, und der Wunsch wurde immer größer, eines Tages ein Buch darüber zu schreiben. Aber nicht irgendein Sachbuch. Ich wollte die Geschichte eines echten Mitgliedes des Klans. Ich wollte wissen, was einen Menschen dazu bewegt, einer rassistischen Organisation wie dem Ku-Klux-Klan beizutreten, wie das Leben eines Klansmannes tatsächlich aussieht und ob es möglich ist, da auch wieder rauszukommen. Ich wollte keine Legenden, sondern die Wirklichkeit, die Geschichte eines Insiders.

Mehrere Jahre stöberte ich im Internet, bis es mir endlich gelang, zu einem ehemaligen Führer des Ku-Klux-Klan Kontakt aufzunehmen. Und nachdem dieser mich von vorne bis hinten durchleuchtet hatte, um sicherzugehen, dass ich nicht beauftragt worden war, ihn umzubringen, erklärte er sich bereit, mir seine Geschichte zu erzählen.

Hier ist sie also, die unglaubliche Geschichte von Dr. Richard C. Harris, dem Mann, der in den späten 70er-Jahren als »Großdrache« den größten Ku-Klux-Klan des Mittleren Westens Amerikas anführte. Mich hat die Geschichte gefesselt. Und ich hoffe, Ihnen wird es genauso ergehen.

Damaris Kofmehl

»Ich habe einen Traum,
dass meine vier kleinen Kinder
eines Tages in einer Nation leben werden,
in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe,
sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird.«

Martin Luther King

Prolog

In den Siebzigerjahren. Knapp 200 km südöstlich von Chicago, an der South Main Street in Kokomo, Indiana

Ein lauter Schrei. »Dad!«

Pastor Larry, ein junger, leidenschaftlicher Mann Mitte dreißig, sah von der Bibel auf. Seine elfjährige Tochter Hannah kam im Nachthemd ins Arbeitszimmer gestürmt. Das blanke Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen.

»Hannah, Liebes, was ist denn los? Müsstest du nicht längst im Bett sein?«

Hannahs Lippen bebten. Mit zitternden Fingern deutete sie zum Fenster. Es war bereits tiefste Nacht. Doch draußen in der Dunkelheit leuchtete etwas hell auf. Etwas Großes. Larry war so in sein Bibelstudium vertieft gewesen, dass er es gar nicht bemerkt hatte. Erst jetzt sah er das Flackern in der Fensterscheibe und hörte das unverkennbare Knistern. Hatte etwa ein Haus in der Nachbarschaft Feuer gefangen?

»Du lieber Gott«, murmelte der Pastor. Er griff nach seiner Brille neben den Predigtnotizen, sprang aus dem Drehsessel und eilte zum Fenster, um zu sehen, was da los war. Und da traf ihn beinahe der Schlag.

Es war kein Haus, das brannte. Es war ein Kreuz! Ein brennendes Holzkreuz!

Es war mindestens vier Meter hoch, stand mitten in seinem Vorgarten und brannte lichterloh.

Für ein paar Sekunden stand Larry da wie angegossen. Ein Schauer lief ihm den Rücken hinunter.

»Der Ku-Klux-Klan …«, hauchte er tonlos.

Hannah kuschelte sich ängstlich an ihren Vater und wimmerte leise.

»Werden sie uns jetzt töten?«

Larry schluckte. »Geh, weck deine Mom auf. Schnell!«

Hannah rannte davon, und Larry hechtete zurück zum Schreibtisch. Er griff nach dem Telefon, um die Feuerwehr anzurufen. Doch die Leitung war tot.

»Das darf doch nicht …« Das Knistern und Knacken von draußen klang immer bedrohlicher. Larry schielte besorgt zum Fenster hinüber. Die hohen Flammen spiegelten sich im Glas. Fehlte nur noch, dass die Funken des brennenden Kreuzes auf das Haus übersprangen.

»Komm schon, komm schon!«

Nervös hackte der Pastor mit dem linken Zeigefinger auf der Gabel herum, den Telefonhörer am rechten Ohr, um endlich das erlösende Freisprechzeichen zu erhalten. Erfolglos. Der Summton blieb aus. Die Leitung war tot, aus welchem Grund auch immer. Larry warf den Hörer auf die Gabel zurück und ging hinüber zur Kommode, auf der sein CB-Funkgerät stand. Wenn das Telefon schon nicht funktionierte, dann wenigstens seine Funkstation. Doch schon beim Einschalten merkte er, dass auch hier etwas nicht stimmte. Kein Rauschen, kein Pfeifen war zu hören. So sehr er auch an den Knöpfen herumdrehte, die Anlage blieb genauso stumm wie das Telefon; gerade so, als hätte sich jemand absichtlich daran zu schaffen gemacht, auch wenn das eigentlich nicht möglich war. Oder etwa doch?

»Larry?! Um Gottes willen!« Seine Frau Caroline stand in der Tür, im Morgenmantel, das Haar zerzaust, der Blick verstört. Hannah klammerte sich an ihren Rockzipfel und weinte.

»Hast du die Feuerwehr schon gerufen?«

Larry schüttelte den Kopf. »Geht nicht! Die Leitungen sind tot!«

»Was?!«

»Lauf hinüber zu den Nachbarn! Ich will sehen, ob ich das Feuer selbst löschen kann!«

»Larry, das ist zu gefährlich! Hast du gesehen, wie groß das Kreuz ist?«

»Ich weiß selbst, wie groß das Kreuz ist! Jetzt geh schon! Geh!«

»Na gut«, nickte Caroline hastig und knöpfte ihren Morgenmantel zu. »Hannah, du kommst mit mir!«

Doch Hannah rührte sich nicht von der Stelle. Sie schluchzte. »Ich hab Angst, Mom! Ich will nicht sterben!«

»Hey«, sagte die Mutter, so einfühlsam es ihr in der Hektik möglich war, »niemand wird hier sterben, hörst du? Es ist nur ein brennendes Kreuz. Nichts weiter. Wir gehen jetzt zu den Nachbarn und rufen die Feuerwehr, okay?«

Aber Hannah versteifte ihren Körper und weigerte sich, auch nur einen Schritt zu tun. »Sie werden uns alle erhängen!«, rief sie mit quiekender Stimme. »Genau wie damals die Ratte in meinem Spind!«

Caroline und Larry tauschten ein paar vielsagende Blicke. Nur zu gut erinnerten sie sich an den Vorfall. Hannah war tränenüberströmt von der Schule nach Hause gekommen und hatte erzählt, sie hätte in ihrem Spind eine tote Ratte gefunden, die von einem Galgenstrick baumelte. Und daneben klebte eine Visitenkarte des Ku-Klux-Klan. Das Ereignis hatte Hannah derart traumatisiert, dass sie sich tagelang nicht mehr in die Schule getraut hatte. Woher der Klan wusste, welche Schule sie besuchte und welches ihr Garderobenschrank war, blieb ein Mysterium, genauso wie das Motiv. Larry konnte sich keinen Reim darauf machen, warum der Ku- Klux-Klan es ausgerechnet auf seine Familie abgesehen hatte. Sie waren keine Bürgerrechtler, keine Schwarzen, keine Juden, keine Mexikaner und auch keine Katholiken. Sie waren protestantische, weiße amerikanische Staatsbürger. Und dennoch lagen seit gut einem halben Jahr ständig irgendwelche Hass- und Drohbotschaften in ihrem Briefkasten. Hannah hatte Angst, in die Schule zu gehen. Caroline hatte Angst, den Briefkasten zu öffnen. Und Larry hatte Angst vor dem, was als Nächstes kommen würde. Es war der reinste Albtraum.

Draußen waren aufgeregte Stimmen zu hören. Wahrscheinlich hatte das brennende Kreuz in der Zwischenzeit die halbe Nachbarschaft auf die Straße gelockt.

»Hannah!«, sagte Larry und sah seine Tochter streng an. »Du gehst jetzt mit deiner Mom!«

»Aber Dad!«

»Jetzt sofort!«

»Komm!«, sagte Caroline. Die Elfjährige zitterte noch immer am ganzen Leib, aber ihre Mutter packte sie an der Hand und zog sie mit sich fort. Während die beiden eilends das Haus verließen, stürmte Larry hinunter in die Küche, stellte einen Plastikeimer in die Spüle und drehte den Wasserhahn auf. Als der Behälter voll war, spurtete er damit nach draußen und schleuderte das Wasser gegen das Kreuz. Aber es verdunstete wie Tropfen auf einem heißen Stein, und die Flammen bleckten eifrig weiter. Es hatte keinen Sinn. Das Kreuz war zu groß. Die Feuerwehr musste her, und zwar schnell.

Larry schaute sich um. Immer mehr Schaulustige versammelten sich auf der Straße. Kopfschüttelnd standen sie da. Schockiert. Verständnislos. Beunruhigt. Einige tuschelten miteinander. Larry konnte ihre Blicke nicht deuten und er wollte es auch gar nicht. Er starrte an dem riesigen flammenden Kreuz empor, das Furcht einflößend mitten in seinem Vorgarten stand, fest verankert in einem eigens dafür geschaufelten Loch. Nie hätte Larry gedacht, dass das Symbol seines Glaubens sich von einem Moment auf den andern in ein Symbol des Grauens verwandeln könnte. Doch das war soeben geschehen und es machte ihm Angst.

Larry hörte die quietschenden Reifen eines Autos unmittelbar vor seinem Gartenzaun. Er sah auf und erkannte den Wagen sofort. Er gehörte seinem ersten Diakon, der nur ein paar Straßen weiter auf dem Gelände der evangelisch-methodistischen Kirche wohnte.

»Brad?«, stellte Larry verwundert fest und trabte zum Gartentor. Die Nachricht des brennenden Kreuzes schien sich rasend schnell verbreitet zu haben. Der Diakon stieg aus. Mit weit aufgerissenen Augen kam er Larry entgegen, so, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her.

»Großer Gott«, stammelte er mit einem Blick auf das brennende Kreuz und wandte sich dann Pastor Larry zu. »Was geht hier nur vor?«

»Das fragen wir uns alle, Brad. Danke, dass du gekommen bist.«

»Deswegen bin ich nicht hier«, sagte der Diakon atemlos. »Ich hab versucht, Sie zu erreichen, Reverend. Aber es ist niemand rangegangen.«

»Ich weiß, jemand hat die Leitung gekappt«, erklärte Larry schnell. »Was ist los?«

»Die Kirche«, sagte Brad aufgeregt. »Sie müssen mitkommen, Reverend. Jetzt gleich!«

»Brad, ich kann hier nicht weg!«

»Sie müssen aber!«

»Du siehst doch, dass hier die Hölle los ist!«

»Vor der Kirche auch!«, rief der Diakon bestimmt. »Die … die haben auch eins vor der Kirche angezündet, Reverend! Es lehnt direkt am Haupteingang und steckt bald die ganze Kirche in Brand!«

»Was?!« Larry spürte, wie seine Knie weich wurden. »Das darf doch nicht wahr sein! … Caroline!« Er winkte seine Frau zu sich, die gerade mit Hannah aus dem Haus der Nachbarn kam. Sie trafen sich auf dem frisch gemähten Rasen zwischen den beiden Häusern. Larry sah sie eindringlich an.

»Caroline, Brad sagt, die haben auch eins vor der Kirche angezündet!«

»Um Gottes willen«, flüsterte Caroline und hielt sich bestürzt die Hand vor den Mund. Sie schwankte. Ein brennendes Kreuz war schon schwer zu verdauen. Aber gleich zwei?

»Warum tun die das?«, flüsterte sie kraftlos. Larry gab ihr keine Antwort. Er hatte keine. Er zog seine Frau zu sich hin und schloss sie tröstend in die Arme. Mit der rechten Hand tastete er nach seiner Tochter und hielt sie ebenfalls fest. Ein paar Sekunden lang stand die Familie eng umschlungen da. Hannah zitterte noch immer am ganzen Leib. Caroline standen die Tränen in den Augen. Erst all die Hassbriefe. Dann die gelynchte Ratte in Hannahs Spind, und jetzt die beiden Kreuze. Es war einfach zu viel.

»Reverend Jones?«, fragte der Diakon.

Larry löste sich aus der Umarmung und nickte. Er kämpfte mit seinen Gefühlen, doch er versuchte, für seine Frau und seine Tochter stark zu sein. Wenigstens einer musste jetzt einen kühlen Kopf bewahren.

»Hör zu«, sagte Larry, Caroline zugewandt. »Du bleibst mit Hannah hier. Ich fahr kurz mit Brad rüber zur Kirche und seh mir das an.«

»Bitte geh nicht, Dad!«, flehte ihn Hannah mit tränenerstickter Stimme an und krallte sich an sein Hosenbein. »Bitte geh nicht!«

Larry bückte sich zu ihr hinunter und wischte ihr eine blonde Haarsträhne aus dem blassen Gesicht. »Hey, ich bin gleich zurück. Du passt hier solange auf Mom auf, okay?«

»Dad!«, schluchzte sie. Und dann platzte es einfach aus ihr heraus. »Ich will weg hier! Ich will hier nicht mehr länger wohnen, Dad! Bitte lass uns von hier wegziehen! Bitte, Dad … bitte!«

Die Verzweiflung in ihren Augen brach Larry schier das Herz. Er drückte seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn. »Wir werden eine Lösung finden, Hannah«, sagte er leise, »das versprech ich dir.«

»Kommen Sie, Reverend! Kommen Sie!«, drängte Brad.

Larry strich Hannah sanft über den Kopf, küsste seine Frau und ging los. Brad rannte voraus, und Larry folgte ihm. Sie stiegen ins Auto, der Diakon warf das Steuer herum und raste zur Kirche, die nur ein paar Häuserblocks entfernt war. Sie trafen fast gleichzeitig mit der Feuerwehr ein. Larry riss die Beifahrertür auf, noch bevor Brad den Wagen richtig gestoppt hatte, und bahnte sich zwischen den Schaulustigen einen Weg zur Kirche. Das brennende Kreuz war nicht zu übersehen. Es lehnte schräg am Vordereingang und hatte die schwere Holztür bereits angesengt. Auch wenn das Feuer rechtzeitig gelöscht werden würde, die Brandspuren des Kreuzes würden bleiben und damit auch die unmissverständliche Botschaft des Ku- Klux-Klan: »Legt euch bloß nicht mit uns an!«

Ein tiefer Schmerz ging durch die Seele des jungen Predigers. Er sank in die Knie, ließ seinen Kopf in den Nacken fallen und blickte mit feuchten Augen nach oben.

»Wann nimmt das endlich ein Ende?«, schrie er lautlos in den erleuchteten Nachthimmel hinauf. »Wann ist es endlich genug, o Herr?«

Doch der Herr antwortete ihm nicht.

1 Das Ritual

Sechs Jahre nach der Ermordung Martin Luther Kings, ebenfalls in Kokomo, Indiana

Mit verbundenen Augen saß ich neben meinem Mentor Jake auf dem Rücksitz des Wagens. Wir waren noch nicht losgefahren. Mir war speiübel. Das Blut rauschte in meinem Kopf.

»Nervös?«, fragte mich Jake.

»Nicht wirklich«, log ich, dabei hatte ich das Gefühl, als müsste ich mich jeden Moment übergeben.

»Das sagen alle«, hörte ich Jakes unbeeindruckte, fast kalte Stimme neben mir. »Dabei macht sich jeder fast in die Hosen vor Angst. War bei mir genauso. Aber keine Sorge, Richard: Du stehst das schon durch.«

Er klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. Doch beruhigen konnte er mich damit nicht. Ich war viel zu aufgeregt. Und ich hatte Angst. Und Zweifel. Und das grausame Empfinden, den größten Fehler meines jungen Lebens zu begehen.

Was zum Geier tust du hier eigentlich? Das ist eine Nummer zu groß für dich, Richie. Du bist ein gewöhnlicher Teenager, kein Terrorist. Wenn dein Vater wüsste, was du treibst, würde er dir den Hals umdrehen! – Noch gehörst du nicht dazu. Noch bist du keiner von ihnen. Noch hast du die Chance, das Ganze abzublasen, ihnen zu sagen, dass du es dir anders überlegt hast. Du musst das nicht tun! Niemand zwingt dich dazu! Nimm die Augenbinde ab und steig aus dem Wagen! Steig aus, bevor es zu spät ist!

Doch anstatt Reißaus zu nehmen, saß ich nur steif da, als hätte mich jemand auf dem Rücksitz festgenagelt, und etwas in mir drin flüsterte mir zu, dass ich genau das Richtige tat.

Ist es nicht das, was du schon immer gewollt hast? Ein Mitglied des berühmten Ku-Klux-Klan zu werden? War das nicht immer dein Wunsch?

Ich hörte, wie Don den Zündschlüssel drehte. Das Auto setzte sich in Bewegung – jetzt gab es kein Zurück mehr.

Die Fahrt ins Ungewisse begann. Ich versuchte mich anhand der Kurven und Abzweigungen zu orientieren. Mal dachte ich, wir wären bei meiner Highschool, dann wieder kam es mir so vor, als würden wir an Vaters Autohaus oder unserer Villa vorbeifahren. Kreuz und quer fuhren wir durch die nächtlichen Straßen Kokomos, bis ich nicht mehr wusste, ob wir noch im südlichen, vorwiegend von Weißen besiedelten Teil Kokomos waren oder irgendwo in einem Negerviertel im Norden der Stadt. Irgendwann fuhren wir eine kleine Rampe hoch und ich hörte das surrende Geräusch einer elektrischen Garagentür. Wir rollten in die Garage, und nachdem sich das Tor wieder hinter uns geschlossen hatte, nahm Jake mir die Augenbinde ab.

»Warte hier«, sagte er.

Er und Don verschwanden durch eine Tür. Ich sah mich um und überlegte, wem wohl das Haus gehörte, in das sie mich gebracht hatten. Nach einer Minute kam Don zurück. Er führte mich durch dieselbe Tür in einen Kellerraum, in welchem ich von zwei Männern in weißen Satinkutten und nach oben zugespitzten Kapuzen erwartet wurde. Sie sagten kein Wort und rührten sich nicht von der Stelle. Wie zwei gewaltige Wächter aus einer anderen Welt, die Hände vor dem Bauch zusammengelegt, standen sie vor mir und schauten durch die schwarzen Löcher ihrer Masken auf mich herab. Sie wirkten edel und Furcht einflößend zugleich. Mich fröstelte bei ihrem Anblick. Was auch immer auf mich zukam, ich würde besser den Mund halten und alles tun, was sie von mir verlangten.

Don ging in die Garage zurück und ich hörte, wie die Garagentür auf- und wieder zuging und Don mit dem Wagen davonfuhr.

Vermutlich, um Platz für den nächsten Kandidaten zu machen, dachte ich.

Etwa zehn Minuten verstrichen, ohne dass etwas geschah. Wir starrten uns einfach nur an und warteten. Ich schwieg. Die Kapuzenmänner schwiegen. Das Einzige, was sich ab und zu bewegte, waren ihre kleinen gespenstischen Augen in den dunklen Ausschnitten ihrer weißen Kegelhüte. Dann endlich passierte etwas. Eine zweite Tür, die ins Haus hineinführte, wurde geöffnet und ein Mann in einer schwarzen Robe, mit schwarzer Kapuze und einem weißen Umhang erschien in der Türöffnung.

»Würdiger Fremder«, sprach er mich theatralisch an, wobei mich der Klang seiner Stimme und die geschwollene Sprache sehr an eine Szene aus einem Ritterfilm oder einer Shakespeare-Inszenierung erinnerten. »Seine Exzellenz, der erhabene Zyklop, direkter Repräsentant Seiner Majestät, unseres Kaisers und obersten Hüters des Portals des Unsichtbaren Reiches, hat mich offiziell gebeten, Euch zu unterweisen, dass es die stetige Bereitschaft eines Klansmannes ist, diejenigen zu unterstützen, welche nach noblen Gedanken und Taten streben, und dem Würdigen die helfende Hand auszustrecken.«

Mehrere Minuten dauerte die poetische und schwer verständliche Ansprache, in der es darum ging, welch außergewöhnliche Ehre es war, dass der Klan es überhaupt in Erwägung gezogen hatte, mein Beitrittsgesuch zu beachten. Ich hörte Begriffe wie Licht, Gerechtigkeit und Ehre, Patriotismus, Treue und christliche Vollendung. Dann zog sich der schwarz gekleidete Klansmann zurück und ein Mann in rotem Gewand, roter Kapuze und grünem Umhang trat an seine Stelle. Er forderte mich auf, meine linke Hand auf mein Herz zu legen und die rechte Hand wie zu einem Schwur in die Höhe zu strecken. Dann fragte er mich:

»Ist Eure Motivation, ein Klansmann zu werden, ernst und selbstlos?«

»Ja«, antwortete ich.

»Seid Ihr ein gebürtiger, weißer und ehrenhafter Amerikaner?«

»Ja.«

»Glaubt Ihr an die Grundsätze der christlichen Religion?«

»Ja.«

»Glaubt und strebt Ihr nach der unvergänglichen Erhaltung der weißen Vorherrschaft?«

»Ja.«

»Kann man sich jederzeit auf Euch verlassen?«

»Ja.«

Der Mann drehte sich um und rauschte davon. Kurz darauf wurde die Tür weit geöffnet. Vor mir lag ein Raum, bei dem es sich wahrscheinlich um ein gewöhnliches Wohnzimmer handelte. Doch durch das gedämpfte Licht wirkte er eher wie eine Grotte oder ein Mausoleum. Bestimmt drei Dutzend Klansmänner in verschiedenfarbigen Gewändern und zugespitzten Kapuzen hatten sich darin versammelt. Sie standen in einem Kreis, Furcht einflößend wie Geister und stramm und stumm wie Soldatenfiguren aus einer frühchinesischen Grabanlage. In der Mitte des Kreises befand sich eine Art Podest, auf dem ein Altar aufgebaut war. Und hinter dem Altar stand ein erhabener, weiß gewandeter Mann mit weißer Kapuze und rotem Umhang. Er hatte eine gleichsam mystische wie machtvolle Ausstrahlung.

Plötzlich hörte ich aus der Dunkelheit ein leises Pfeifen und gleich darauf eine laute Stimme, die verkündete:

»Eure Exzellenz! Ich höre ein Zeichen aus der fremden Welt!«

»Meine Schrecken und Klansmänner, einer und alle«, sagte daraufhin der Mann hinter dem Altar, »rüstet euch!«

Ich kannte die Stimme der Exzellenz. Es war eindeutig die von Jake! Augenblicklich wurde das bereits schwache Licht auf ein Minimum reduziert. Es war jetzt fast ganz dunkel in dem Raum. Die Kapuzenmänner verschwommen zu schwarzen Schatten. Ein Klansmann in rotem Gewand, rotem Spitzhut und grünem Umhang – seiner Stimme nach derselbe Mann, der mich vor ein paar Minuten befragt hatte – löste sich aus der Gruppe und sagte, mir zugewandt:

»Sir, das Tor des Unsichtbaren Reiches ist für Euch geöffnet worden. Eure aufrichtigen Gebete wurden erhört. Ihr habt Gnade gefunden in den Augen des erhabenen Zyklopen und der Versammlung seiner Klansmänner. Folgt mir und seid bedacht!«

Ich wurde durch die Mitte des Raumes zum Altar geleitet. Mir wurde es immer mulmiger zumute. Ich wagte weder nach rechts noch nach links zu schauen, nur stur geradeaus. Mit weichen Knien blieb ich vor der Plattform stehen und blickte zu dem imposanten Kapuzenmann vor mir hoch. Dass sich Jake unter dem weißen Kos tüm befand, war nur schwer vorstellbar. Jake war nicht besonders groß. Doch mit seiner um zwei Stufen erhöhten Position und der zugespitzten Kegelkapuze auf dem Kopf kam er mir auf einmal riesig vor. Ich fühlte mich klein und hilflos, nicht wie ein Konfirmand vor seinem Pastor, sondern wie ein zum Tode Verurteilter vor seinem Henker.

Was tust du nur?, dachte ich die ganze Zeit, während mein Puls immer schneller wurde und die Hitze sich in meinem Körper staute. Was zum Teufel tust du nur?!

Mein Blick wanderte zum Altar. Er war geschmückt mit einer amerikanischen Flagge und einer Südstaatenflagge (die bekannte Kriegsflagge mit den 13 weißen Sternen auf einem blauen Kreuz mit rotem Hintergrund, welche für den Klan die Vorherrschaft der weißen Rasse symbolisiert). Verschiedene Gegenstände waren auf dem Altar ausgebreitet: ein Schwert, eine offene Bibel und ein paar silberne Schalen.

Aber der mit Abstand eindrücklichste Gegenstand war das Kreuz. Es war so groß wie ein Schwert, stand aufrecht auf dem Opfertisch und brannte lichterloh. Im ersten Moment wunderte ich mich, warum es mir nicht sofort ins Auge gestochen war, als ich den Raum betreten hatte.

Aber im Verlauf der Zeremonie merkte ich, dass die Flammen sich regulieren ließen. Das Feuer wurde offenbar mit Gas gespeist wie bei einem Herd, und je nach gewünschter Atmosphäre drehte jemand die Flammen höher oder niedriger.

Manchmal dröhnte Jakes Stimme gewaltig und Furcht einflößend durch den Raum, und die Flammen loderten dabei gefährlich in alle Richtungen. Dann wieder senkte Jake seine Stimme zu einem raunenden Flüstern, und das Kreuz glomm nur noch schwach.

Seine liturgischen Worte und das flackernde Kreuz versetzten mich in eine Art Trancezustand. Ich hatte alle Mühe, mich zu konzentrieren. Der Schweiß trat mir aus allen Poren. Taumelnd starrte ich in die züngelnden Flammen, während endlose Reden in schwulstiger Sprache auf mich herabrieselten, um mir den Treueschwur zu erklären, den ich im Begriff war zu leisten.

Ist dir überhaupt klar, was dieser Eid bedeutet? Du gelobst dem Klan und dem Kaiserlichen Hexenmeister bedingungslose Treue! Du schwörst absolute Verschwiegenheit und dass du lieber sterben würdest, als geheime Informationen preiszugeben! Du bist gerade mal sechzehn! Das ist doch Wahnsinn!

»Gott, gib uns Männer!«, hallte es über meinem Kopf hinweg. »Männer mit starkem Verstand und einem Willen. Männer mit einem wahrhaften Glauben und bereitwilligen Händen. Männer, die Ehre haben und Charakter. Männer, die nicht lügen. Männer, die vor einem Politiker stehen können und ihn ohne Augenzwinkern für seine betrügerischen Schmeicheleien verdammen können. Dann wird das Unrecht beseitigt und das Recht wird die Welt regieren. Gott gib uns Männer!«

Bei diesen Worten durchflutete es mich plötzlich wie ein heißer Strom.

Du bist der Mann!, hörte ich eine Stimme in mir flüstern. Es ist deine Bestimmung, dem Klan beizutreten! Es ist kein Wahnsinn, was du hier tust! Es ist deine Bestimmung, Richard! Deine Bestimmung!

Ich wusste nicht, woher die Gedanken in meinem Kopf kamen. Ich glaubte nicht wirklich an so etwas wie Schicksal. Ich hatte mich selbst dafür entschieden, diesen Schritt zu wagen, aus freiem Willen. Es konnte also keine Bestimmung sein, dass ich hier war. Oder etwa doch?

Jake blickte durch die runden Löcher seiner weißen Maske auf mich herab. »Sir, wollt Ihr in Eurem täglichen Leben als Klansmann ernsthaft bestrebt sein, eine Antwort auf dieses Gebet zu sein?«

»Ja!«, hörte ich mich mit geschwellter Brust antworten.

»Es gibt keinen stärker bindenden Eid, den ein sterblicher Mensch ablegen könnte«, mahnte mich Jake. Seine Stimme klang bedrohlich und andachtsvoll zugleich. »Nur Charakter und Mut werden Euch befähigen, ihn zu halten. Erinnert Euch immer daran, dass die Erfüllung dieses Schwurs Ehre, Glück und Leben bedeuten. Aber ihn zu brechen bedeutet Schande, Unehre und Tod!«

O Gott, du bist verloren!, dachte ich.

»Kniet nieder!«

Im selben Moment drückten mich zwei starke Hände von hinten auf den Boden, und mehrere Männer – es klang wie ein Quartett – begannen leise eine Hymne zu singen:

»Zu dir, o Gott, ich rufe zu dir – treu zu meinem Eid, oh, hilf mir zu sein! Ich habe meine Liebe, mein Blut, mein Alles versprochen; oh, gib mir Gnade, damit ich nicht falle.«

Ein Klansmann in weißer Robe trat von der Seite hinzu. Auf seinen ausgestreckten Händen lag ein Messer. Von der anderen Seite kam ein Klansmann in schwarzer Kutte. Er nahm das Messer, trat zum Altar und wärmte die Klinge an dem flammenden Kreuz. Mir war gar nicht mehr wohl in meiner Haut.

»O Gott!«, betete Jake laut. »Wir flehen dich an, ihn mit der Fülle deines Geistes zu segnen. Hilf ihm, den heiligen Schwur unseres edlen Anliegens zu halten, zur Ehre deines großen Namens. Amen!«

»Amen!«, antworteten alle im Chor.

Feierlichkeit lag in der Luft. Die ganze Atmosphäre triefte geradezu vor Mystik und Magie. Das Ritual näherte sich eindeutig seinem Höhepunkt. Zwei Männer traten aus der Masse heraus und packten meinen rechten Arm. Der schwarz gekleidete Klansmann näherte sich mir ohne Eile mit dem Messer, setzte die scharfe Klinge unterhalb meines Handballens an und zog das Messer quer über mein Handgelenk. Ein kurzer, stechender Schmerz ging durch meinen Körper. Rasch begann die Schnittwunde zu bluten. Der Mann drehte meine Handfläche nach unten und führte sie über eine der silbernen Schalen, die er vom Altar genommen hatte. Ich sah, wie mein Blut hineintropfte. Mir wurde auf einmal ein wenig schwindlig.

Nachdem der gesamte Boden der Schale mit meinem Blut bedeckt war, brachten die Männer, die bislang meinen Arm gehalten hatten, Gazen und weiße Bandagen und verbanden die Wunde. Jake legte die Urkunde mit dem geschriebenen Treueschwur auf den Altar und reichte mir einen Federkiel.

»Unterzeichne!«, befahl er mir.

Mit zittriger Hand tauchte ich die Federspitze in mein eigenes Blut und unterzeichnete. Dann trat ich einen Schritt zurück und der Mann mit dem schwarzen Gewand nahm das Dokument und hielt es so lange gegen das flammende Kreuz, bis es vollständig verbrannt und zu Asche zerfallen war.

Es war vollbracht. Und ich konnte noch immer nicht ganz fassen, dass ich es wirklich getan hatte: Ich war dem Ku-Klux-Klan beigetreten!

2 Sei ein Mann! Komm zum Klan!

Ich erinnere mich noch sehr genau an jenen Abend, als ich zum allerersten Mal offiziell mit dem Ku-Klux-Klan in Berührung kam. Es war ein Dienstagabend im August 1969, ich war elf. Ich lag auf meinem Bett und las in einem Science-Fiction-Roman, als mein siebzehnjähriger Bruder Steve in mein Zimmer kam und sagte:

»Richi, komm mit, ich muss dir was zeigen.«

Ich sah von meinem Buch auf und brauchte erst ein paar Sekunden, um von der dramatischen Schlacht der Moniten gegen die finsteren Kreaturen des Planeten Auron zurück auf die Erde zu kommen. Ich betrachtete Steve durch meine Brille, die einen breiten schwarzen Rand und Gläser so dick wie Flaschenböden hatte. »Tschuldigung, was hast du gesagt?«

Steve grinste verheißungsvoll. »Ich sagte, ich muss dir was zeigen, Brüderchen. Etwas, das dein Buch bei Weitem in den Schatten stellt.«

Damit hatte er mein Interesse definitiv geweckt. »Was ist es denn? Werden wir deswegen Ärger kriegen?«

Mein Bruder lachte. »Bestimmt nicht. Komm!«

Ich klappte das Buch zu und folgte Steve in sein Zimmer. Ein süßlicher Geruch hing in der Luft. Ich dachte, es wäre Zigarettenrauch. Steve schloss die Tür hinter sich zu, was die ganze Sache noch geheimnisvoller machte. Wir setzten uns auf sein Bett. Ich platzte schier vor Neugier.

»Rate mal, wem ich heute begegnet bin«, sagte mein Bruder.

»Keine Ahnung, wem denn?«

Steve zog seine Brieftasche aus der hinteren Hosentasche und klaubte eine Postkarte hervor. »Weißt du, was das ist?«, fragte er mich und reichte mir die Karte.

Ich drehte sie zwischen den Fingern, und mein Herz begann auf einmal höher zu schlagen: »Ritter des Ku-Klux-Klan« stand auf der Vorderseite geschrieben. Auf der Rückseite war ein Mann in weißer Kutte und konischer Kapuze abgebildet. Er saß auf einem sich aufbäumenden Pferd, das wie die Pferde in Ritterfilmen einen Überwurf trug, der alles außer den Beinen, dem Schwanz und den Augen des Tieres bedeckte. Seitlich an dem weißen Überwurf war das Emblem eines Kreuzes aufgedruckt. Dasselbe Emblem trug der Mann auf seiner Brust. Außerdem hielt er ein brennendes Kreuz in Händen, das er wie ein Schwert in die Luft hielt. Die Schwarz-Weiß-Abbildung wirkte so dynamisch, dass ich beinahe das Wiehern des Pferdes und den Siegesschrei seines Reiters hören konnte. Und darunter stand mit großen schwarzen Buchstaben geschrieben: »Be a man, join the Klan!« Sei ein Mann, komm zum Klan!

Eine Karte des Ku-Klux-Klan!, dachte ich. Wie cool ist das denn?!

Ich wusste nicht viel über den Ku-Klux-Klan, außer, dass er in den vergangenen Jahren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hatte. Den weißen Kapuzenmännern wurden verschiedene Bombenanschläge und Morde zur Last gelegt. Seit Beginn der Bürgerrechtsbewegung Ende der 50er-Jahre und den damit verbundenen Rassenunruhen gingen zahlreiche gewaltsame Angriffe gegen Schwarze und Bürgerrechtler auf das Konto des Klans. Manche endeten tödlich. Wo der Klan auftauchte, floss Blut, und das nicht zu wenig. Der KKK war definitiv nichts für kleine Jungs. Doch ich war ja kein kleiner Junge mehr (das war jedenfalls meine Meinung!), und als ich diese Karte mit dem weißen Ritter des Ku-Klux-Klan in meinen Händen hielt, geschah etwas Merkwürdiges: Eine wohlige Wärme durchströmte meinen Körper. Ich konnte es mir nicht wirklich erklären. Es war, als ob eine Saite in mir zum Schwingen kam, von der ich bis zu dieser Stunde nicht einmal gewusst hatte. All die Jahre hatte etwas in meinem Innern geschlummert und nur darauf gewartet, zum Leben erweckt zu werden. Der Aufruf schien sich regelrecht aus der Karte herauszulösen. Ich wusste, er galt mir. Mir ganz persönlich.

Sei ein Mann! Komm zum Klan!

Sei ein Mann! Komm zum Klan!

»Na, was denkst du?«, fragte Steve und riss mich aus meiner Gedankenwelt.

»Äh, cool«, sagte ich. »Echt cool. Wer hat dir die Karte gegeben?«

»Ein Klansmann«, sagte Steve und nahm mir die Karte wieder aus der Hand.

»Echt jetzt?«, fragte ich mit großen Augen. »Du bist einem begegnet? Einem echten Mitglied des KKK?«

»Ja«, nickte Steve. »Vor dem Supermarkt. Er wollte mich anwerben, schätze ich. Hat irgendwas von White Power und Gottes Gerechtigkeit und Kampf gegen die Aufhebung der Rassentrennung gequasselt und mir die Karte in die Hand gedrückt.«

»Trug er eine Kutte?«

Mein Bruder lachte. »Nein. Er war ganz normal gekleidet. Jeans und ein Hemd. Sah aus wie ein Student oder so.«

»Wow«, murmelte ich fasziniert. »Du bist einem echten Klansmann begegnet. Ich fass es nicht. Abgefahren.«

Ich war beinahe ein wenig neidisch auf meinen Bruder. Schließlich war der Ku-Klux-Klan keine harmlose Pfadfindergruppe, die an Haustüren klingelte und Kekse verkaufte. Es war eine mysteriöse und gefährliche Gruppe, und die Chance, einmal jemanden persönlich kennenzulernen, der dazugehörte, war praktisch gleich null. Aber Steve war einem begegnet, einem echten Klansmann. Das war in meinen Augen der absolute Hammer.

»Darf ich die Karte noch mal sehen?«, fragte ich meinen Bruder.

»Jungs! Essen ist fertig!«, erklang in diesem Moment Mutters Stimme aus dem Erdgeschoss.

»Vielleicht ein andermal«, sagte Steve und steckte die Karte zurück in seine Brieftasche. Doch auch ohne sie noch einmal betrachten zu können, sah ich den Geisterreiter auf der Rückseite noch immer deutlich vor mir. Und die Worte hallten wie ein Schlachtruf in meinem Kopf wider:

Sei ein Mann! Komm zum Klan!

Sei ein Mann! Komm zum Klan!

Steve und ich stürmten die Treppe hinunter ins Wohnzimmer. Meine Mutter brachte gerade eine Schüssel mit dampfenden Spiralnudeln aus der Küche und stellte sie auf den Tisch. Es war für drei Personen gedeckt. Vater war wohl noch bei der Arbeit, und David besuchte bestimmt irgendeinen Abendkurs am College. David war der älteste von uns drei Brüdern. Er war neunzehn Jahre alt und hatte begonnen, Medizin zu studieren. Seitdem er an der Uni war, war er nur noch selten zu Hause, was ich sehr bedauerte. Ich mochte David sehr, ja, ich bewunderte ihn. Er war einer von jenen Menschen, denen einfach alles gelingt, was sie anpacken.

Wenn ich groß bin, will ich einmal genau so werden wie er, dachte ich öfter, auch wenn ich wusste, dass dieser Traum sich nie erfüllen würde. Ich war in jeder Beziehung völlig anders als mein Bruder. David war ein selbstbewusster, attraktiver Bursche, der von allen geliebt wurde. Ich war weder selbstbewusst noch attraktiv noch beliebt. Na ja, meine Eltern liebten mich natürlich schon, aber in der Schule wurde ich andauernd gehänselt. Kein Wunder: Ich war spindeldürr und im Sport eine absolute Niete. Mann, ich hasste den Sportunterricht. Es war jedes Mal eine einzige Tortur. Ich konnte weder Bälle fangen noch schnell laufen oder klettern noch war ich gut in Fußball oder Basketball. Ich war immer der Letzte, der für ein Mannschaftsspiel gewählt wurde. Es ist einfach nur demütigend, wenn einer nach dem andern gewählt wird und du bist der Einzige, der bis zum Schluss übrig bleibt, weil keine Mannschaft dich haben will. Ich war eben der typische Nerd, der Sportbanause, der Streber, der viel zu intelligent für sein Alter war. Und dann trug ich noch diese blöde dicke Brille mit dem schwarzen Rand, die mir den Spitznamen »Vier-Auge« einbrachte, weil die Gläser so dick waren, dass meine Augen riesig aussahen.

Manchmal fragte ich mich, ob etwas mit mir nicht stimmte. Wieso war ich so? Wieso konnte ich nicht sein wie alle andern Jungen in meinem Alter? Wieso hatte ausgerechnet ich alle schlechten Karten gezogen? Wieso musste ausgerechnet ich der Außenseiter sein? Es machte mich wütend. Und es schmerzte. Während die normalen Jungs sich auf dem Pausenplatz prügelten – wie es sich meiner Meinung nach für richtige Jungs gehört –, verkroch ich mich meistens mit einem Fantasy- oder Science-Fiction-Roman in eine einsame Ecke und tauchte in meine eigene Welt ab. Ich stellte mir dann vor, ich wäre der Held der Geschichte, würde gegen Drachen und Bösewichte kämpfen und wäre all das, was ich im wirklichen Leben nicht war: stark, mutig und von allen respektiert.

»Setzt euch«, sagte meine Mutter, während sie bereits damit begann, uns eine gehäufte Portion Nudeln auf die Teller zu laden.

Steve und ich setzten uns. Meine Mutter – sie war eine schlanke Frau mit hochtoupiertem Haar und dezent geschminkten Lippen – sprach ein Tischgebet, und wir machten uns wie hungrige Wölfe über unsere Teller her.

»Meinst du, Dad kommt heute etwas früher nach Hause?«, stellte ich die Frage, die ich fast jeden Abend stellte, obwohl die Antwort eigentlich immer gleich ausfiel.

»Ich glaube nicht«, antwortete meine Mutter und rückte ihre Brille zurecht. »Du weißt doch, er hat viel zu tun.«

»Ja, ich weiß«, nickte ich enttäuscht und zuckte die Achseln. »Hätt ja sein können.«

Mein Vater aß äußerst selten mit der ganzen Familie. Er kam häufig erst spät von der Arbeit nach Hause, manchmal sogar, wenn ich längst im Bett lag. Natürlich hätte ich mir gewünscht, mein Vater würde etwas mehr Zeit für mich haben. Aber ich verstand auch, dass das nicht so leicht für ihn war. Er arbeitete fast rund um die Uhr, tagsüber im Autohaus, das er vor ein paar Jahren gegründet hatte, und abends im familieneigenen Restaurant. Mein Vater war ein einflussreicher und angesehener Geschäftsmann. Man kannte ihn in der ganzen Gegend – nicht nur ihn, sondern eigentlich unsere ganze Familie. Die Harris’ waren seit Generationen in der Stadt Kokomo verwurzelt. Es gab sogar eine Straße, die nach uns benannt worden war. Das ganze Gebiet um die »Harris Road« herum hatte einst zum Familienbesitz gehört.

Auch heute noch gehörten uns viele Ländereien. Im Süden des Staates Indiana besaßen wir eine Viehranch und im Norden eine ganze Insel mit dazugehörigem Seehaus, wo wir manchmal die Ferien verbrachten. (Da war mein Vater auch immer dabei; wir gingen zusammen angeln und ich hatte ihn ganz für mich allein!) Außerdem waren wir stolze Besitzer einer Pferderanch und eines Schlosses mit zwanzig Zimmern, der imposanten »Harris-Villa«. Ich hatte mein eigenes Zimmer in der Villa, obwohl wir fast nie dort waren. Wir wohnten in einer etwas bescheideneren Residenz, die aber immer noch sehr großzügig gebaut war. Außerdem hatten wir einen eigenen Gärtner, ein Zimmermädchen und sogar einen eigenen Chauffeur, der mich jeden Morgen zur Schule fuhr.

Für mich war es absolut normal, in einer Limousine vor dem Schultor abgesetzt und nach dem Unterricht wieder in der Limousine nach Hause gefahren zu werden. Mein Vater hatte schon immer eine Schwäche für große, teure Autos gehabt, und als Inhaber eines Autohauses saß er natürlich direkt an der Quelle. Das kleinste Fahrzeug, das wir je besessen hatten, war ein Cadillac, natürlich das neueste Modell, und sobald ein neueres Modell auf den Markt kam, war mein Vater der Erste, der es kaufte. Aber am meisten liebte er Limousinen, weil sie so schön geräumig und komfortabel waren, und die ganze Familie wunderbar Platz darin hatte.

Ja, wir waren Millionäre. Trotzdem wäre es mir nie in den Sinn gekommen, meine Familie als reich zu bezeichnen. Ich war mit dem ganzen Luxus aufgewachsen. Ich kannte nichts anderes. Natürlich wusste ich, dass es auch Menschen gab, die nicht so wohlhabend waren wie wir. Aber erstens war ich noch nie wirklich mit Armut konfrontiert worden und zweitens gab es ja auch noch andere Kinder, die mit Limousinen zur Schule gebracht wurden. Es gab sogar welche, die zu Hause einen Butler hatten! Wir hatten zwar auch Angestellte, aber einen Butler hatten wir nicht. Und das war in meinen Augen der kleine, aber feine Unterschied zwischen einer Familie der oberen Mittelklasse wie der unseren und den wirklich Reichen.

»Reichst du mir mal die Bohnen, Richard?«

Ich gab meiner Mutter die Schüssel mit den Bohnen und schöpfte mir Nudeln nach. Plötzlich flog die Eingangstür auf und mein Vater kam hereingeplatzt.

»Dad!«, rief ich hocherfreut. Ich sprang vom Stuhl und rannte meinem Vater entgegen. »Ich hab gewusst, dass du heute früher kommst!«

»Hi, Richard«, sagte mein Vater trocken und lief an mir vorbei ins Wohnzimmer. Er schien es eilig zu haben.

Ich setzte mich auf meinen Platz zurück und plapperte fröhlich drauflos: »Dad, wir haben heute die Matheprüfung zurückgekriegt! Rate mal, wie ich abgeschnitten habe!« Ich strahlte durch meine dicken Brillengläser wie ein Honigkuchenpferd, und als mein Vater nicht reagierte, beantwortete ich die Frage eben selbst. »Ich hab ‘ne glatte Eins geschrieben! Dabei hab ich nicht mal auf die Prüfung gelernt. Ist das nicht toll, Dad?«

Mein Vater gab mir keine Antwort. Etwas schien ihn zu belasten. Er begrüßte Steve und meine Mutter flüchtig und kam unverzüglich zur Sache: »Wir haben ein Problem. Die Neger planen, unser Autohaus in die Luft zu jagen.«

Meine Freude über das frühe Nachhausekommen meines Vaters war mit einem Schlag wie weggeblasen. Meine Mutter ließ die Gabel in den Teller fallen. »Wie bitte?«

»Ich hab es erst vor Kurzem erfahren. Das FBI war da, um uns zu warnen«, schilderte mein Vater die Situation.

»Das FBI?«, fragte Steve interessiert.

»Ja. Ihnen ist offenbar eine Liste zugespielt worden. Darauf sind mehrere Gebäude und Geschäfte von Weißen vermerkt, auf die die Neger anscheinend in den nächsten Tagen Brandanschläge planen.«

»Um Gottes willen«, murmelte meine Mutter. »Und was willst du dagegen unternehmen, Liebling?«

»Wir sind dabei, die Wagen vom Verkaufsgelände zu holen. Bis heute Abend müssen alle weg sein. Sollten die tatsächlich angreifen und ihre Molotowcocktails auf unsere Autos schleudern, könnt ihr euch ja selbst ausmalen, was passiert. Der erste Tank explodiert, das Feuer springt rüber auf das nächste Auto, und innerhalb von Sekunden fliegt uns das ganze Autohaus in die Luft. So weit darf es nicht kommen.«

»Mein Gott«, flüsterte meine Mutter.

Eine erstickende Stille legte sich über den Raum. Meine Eltern tauschten besorgte Blicke aus. Ich wusste, dass die Lage ernst war. Schon seit Monaten brodelte es auf den Straßen. Und das nicht nur in Kokomo. Es machte den Anschein, als stünde das ganze Land in Flammen, seitdem die Bürgerrechtler darauf plädierten, dass Schwarze und Weiße gleichgestellt werden sollten. Überall gab es Krawalle und Verwüstungen. Die schlimmsten Rassenunruhen waren 1965 in Watts und 1967 in Detroit gewesen. In Watts hatte es innerhalb von sechs Tagen 34 Tote gegeben. In Detroit waren es sogar 43 Tote gewesen, sowie 1100 Verletzte, 7000 Verhaftungen und über 2000 zerstörte Gebäude. Die Polizei war hoffnungslos überfordert gewesen. Der Präsident der Vereinigten Staaten musste schließlich sogar die Nationalgardisten in die Stadt schicken. Und die brauchten immer noch fünf Tage, um den Aufstand niederzuschlagen. Es waren die zweitbrutalsten Rassenunruhen in der amerikanischen Geschichte gewesen.

Ein Jahr später wurde Martin Luther King ermordet, woraufhin es erneut in Hunderten von Städten zu Ausschreitungen kam. Diesmal war auch Kokomo davon betroffen. Es herrschten beinahe kriegsähnliche Zustände in unserer einst so friedlichen Stadt. Nachts waren Schüsse zu hören, Gebäude wurden in Brand gesteckt, Geschäfte geplündert. Es wurde so schlimm, dass die Staatspolizei von Indiana anrücken musste, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Gott sei Dank war unsere Familie bisher immer von Vandalismus und Brandbombenanschlägen verschont geblieben. Aber wie es aussah, waren diese Zeiten nun vorbei. Die Neger hatten es auf uns abgesehen. Dabei hatten wir ihnen überhaupt nichts getan. Ich verabscheute sie dafür.

»Wir haben begonnen, die Autos in der ganzen Stadt zu verteilen«, berichtete mein Vater. »Ich hab sämtliche Verwandten und Freunde um Hilfe gebeten, damit wir die Wagen in ihren Garagen und Ställen abstellen können, bis die Bedrohung vorüber ist.«

»Und was ist mit den Scheunen?«, fragte meine Mutter besorgt. Unser Autohaus bestand aus mehreren umgebauten Scheunen und Lagerhallen, die sich auf einem Familiengelände im südlichen Stadtteil von Kokomo befanden. »Was ist, wenn sie versuchen, sie niederzubrennen?«

»Daran hab ich auch schon gedacht«, sagte mein Vater. »Es bleibt uns nichts anderes übrig, als nachts Wache zu schieben und das Gelände zu verteidigen, notfalls mit Waffengewalt. Ein paar der Angestellten haben sich freiwillig gemeldet und werden uns dabei helfen. Wir brauchen alle Männer, die wir kriegen können.«

Mein Vater schritt hinüber zu einem Wandschrank und holte zwei Schrotflinten heraus. Mir wurde es auf einmal mulmig zumute. Ich wusste, dass mein Vater Gewehre besaß und auch, wo er sie aufbewahrte. Aber es war meines Wissens das erste Mal, dass er es für nötig hielt, sie zu benutzen. Mein Vater kam zurück zum Esstisch und hielt Steve eines der Gewehre hin.

»Hier. Nimm. Und dann komm. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Steve grinste unternehmungslustig, schnappte sich die Flinte und erhob sich. Gefährliche Aktionen wie diese waren ganz nach seinem Geschmack. Mutter schien darüber nicht sehr erfreut zu sein. Aber sie sagte nichts.

»Wenn David von der Uni kommt«, sagte mein Vater, »schick ihn gleich ins Geschäft. Je mehr Leute wir sind, desto besser.«

»Was ist mit mir?«, warf ich ungeduldig dazwischen. »Ich könnte mich oben auf den Heuboden stellen und Ausschau halten.«

Mein Bruder unterdrückte ein Prusten, und meine Mutter legte sofort ihr Veto ein: »Kommt überhaupt nicht in Frage! Du bleibst hier, Richard!«

»Aber Mom!«

»Das ist was für Männer, Richie«, sagte Steven und zwinkerte mir provozierend zu. Er wusste genau, wie allergisch ich darauf war, immer nur als der kleine, lästige Bruder abgetan zu werden, der überall im Weg stand.

»Ich bin elf!«, protestierte ich beleidigt und blickte zurück zu meiner Mutter. Aber sie sah mich mit diesem gewissen Blick an, der keine Widerrede duldete.

»Mom, bitte!«, flehte ich sie an und wandte mich Hilfe suchend an meinen Vater. »Dad?«

»Du hast deine Mom gehört«, sagte er knapp und winkte Steve. »Gehen wir.«

Steve stolzierte wie ein Cowboyheld um den Tisch herum und streifte mich im Vorbeigehen absichtlich mit dem Gewehr. Er kam sich unheimlich wichtig vor mit der Schrotflinte, und auch wenn er nichts sagte, hätte ich ihm für sein arrogantes Getue am liebsten den Hals umgedreht.

Mein Vater und mein Bruder verabschiedeten sich von uns und gingen. Ich aß zu Ende und half meiner Mutter, den Tisch abzuräumen. Dann ging ich in mein Zimmer hoch, um mein Buch weiterzulesen. Ich las zwei Seiten, aber so spannend die Schlacht der Sterne auch beschrieben war, sie packte mich nicht mehr. Immerzu musste ich daran denken, dass vielleicht noch in dieser Nacht die Neger unser Geschäft in Brand stecken würden. Und ich konnte nichts tun, um sie daran zu hindern. Es war einfach nicht fair! Keiner traute mir etwas zu! Alle dachten, ich sei ein Schwächling, nur weil ich aussah wie einer. Und das Tragische dabei war: sie hatten recht. Ich war ein Schwächling. Ich war ein Niemand, ein Versager, eine absolute Katastrophe. Warum konnte ich nicht so sein wie die Helden in meinen Büchern? Warum konnte ich nicht mutig und entschlossen sein, ein Gewehr in die Hand nehmen und kämpfen wie ein Mann?

Unwillkürlich musste ich an die Karte denken, die mir mein Bruder vor dem Abendessen gezeigt hatte. Wieder sah ich den maskierten Reiter vor mir, das sich aufbäumende Pferd, das brennende Kreuz.

Wenn ich im Klan wäre, würde mich niemand mehr für ein Weichei halten, dachte ich. Niemand würde mich mehr wie ein unmündiges Kind behandeln oder blöde Sprüche über mich reißen wegen meiner Brille oder meiner Figur. Wenn ich im Klan wäre, dann wäre alles anders.

Sei ein Mann! Komm zum Klan!

eines