Linda Chapman

Sternenfohlen

Die geheime Flaschenpost

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KOSMOS

Umschlag- und Innenillustrationen: Carolin Ina Schröter, Berlin

Umschlaggestaltung: Carmen Oberzaucher, Wien

Sternenfohlen – Die geheime Flaschenpost,
erzählt von Cordula Setsman

Based on the characters created by Working Partners Ltd.

© Working Partners Ltd. 2012

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© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-14004-8

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Karte

1

Sterne

Nanu, was ist das denn?, überlegte Wolke und schob das Gras an der Stelle mit dem Maul auseinander, an der sie eben ein Funkeln wahrgenommen hatte. Tatsächlich, da hatte sich eine kleine Kristallflasche am Ufer zwischen den Pflanzen verfangen. Neugierig reckte sie den Hals und angelte mit den Zähnen nach der Flasche. Das war gar nicht so einfach, denn an dieser Stelle war das Flussufer recht steil, und sie musste sich vorsehen, um nicht ins Wasser zu fallen.

Ihre Lehrerin Sirona hatte die Heilkundestunde an diesem Tag ins Freie verlegt, damit die ganze Klasse wilde Heilkräuter für einen neuen Zaubertrank sammeln konnte. Wolke war auf der Suche nach Najadenkraut, das ausschließlich am Ufer von Bächen und Flüssen wuchs. Aber diese Flasche war viel interessanter als das Kräutersammeln. Irgendetwas befand sich nämlich in ihrem Inneren, das konnte Wolke erkennen. Außerdem war der Flaschenhals oben mit rotem Wachs verschlossen. Wenn sie sich nur noch ein wenig mehr streckte und die Lippen etwas spitzte, könnte sie das geheimnisvolle Objekt erreichen.

„Wolke, was machst du denn da?“, wollte die Heilkundelehrerin plötzlich wissen. Wolke zuckte zusammen und wäre vor Schreck fast doch noch in den Bach gefallen.

„Ach, äh ... nichts. Ich wollte nur ... die Pflanzen genauer anschauen“, schwindelte sie. Eigentlich mochte sie das gar nicht, aber trotzdem hatte sie jetzt das Gefühl, dass sie ihre Entdeckung erst einmal für sich behalten wollte.

„Aber pass auf, dass du nicht abrutschst“, ermahnte Sirona sie.

Wolke nickte eifrig. Als sie sicher war, dass die Lehrerin sie nicht mehr beobachtete, schnappte Wolke sich die Flasche und ließ sie unauffällig in ihrem Sammelbeutel verschwinden. Dann sah sie sich nach ihren Freunden um. Sturmwind und Saphira waren ganz in ihrer Nähe, aber Stella und Mondstrahl suchten ziemlich abseits am Rande der Wiese. Beiläufig trabte sie zu Saphira und Sturmwind hinüber.

„Kommt mit zu Stella und Mondstrahl“, flüsterte sie den beiden zu. „Aber unauffällig.“

„Wiescho? Wasch isch ’n losch?“, nuschelte Sturmwind, der bei all den köstlichen Kräutern und dem saftigen Klee auf der Wiese nicht hatte widerstehen können.

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„Wie willst du nur genug Kräuter für deinen Zaubertrank zusammenbekommen, wenn du alles auffrisst?“, kicherte Saphira.

„Psssst! Unauffällig hab ich gesagt“, zischte Wolke. „Ich muss euch was zeigen, aber Sirona darf davon nichts mitbekommen.“

Überrascht schauten Sturmwind und Saphira ihre Freundin an, nickten dann gewichtig und folgten ihr zu den anderen beiden hinüber.

„Seid ihr schon fertig?“, rief Stella ihnen entgegen, doch Wolke schüttelte nur den Kopf.

„Hey, sucht euch ein anderes Stück Wiese, auf dem ihr sammeln könnt“, empörte sich Mondstrahl.

„Ist ja gut, wir nehmen euch schon nichts weg.“ Saphira schüttelte den Kopf. Mondstrahl konnte mit seinem Ehrgeiz wirklich nerven. „Wolke will uns etwas zeigen“, fügte sie im Flüsterton hinzu.

„Was denn?“, wollte Stella wissen.

Vorsichtig schaute Wolke sich nach Sirona um, doch diese war ganz damit beschäftigt, einigen Schülern am Flussufer etwas zu erklären. Dann zog Wolke die Kristallflasche aus ihrem Beutel hervor.

„Die habe ich gerade gefunden, sie hatte sich in den Pflanzen am Ufer verfangen.“

„Eine alte Flasche. Na und?“ Mondstrahl sah sie verständnislos an.

„Ja, aber sieh doch: Da steckt ein Zettel drin“, erklärte Wolke.

Neugierig beäugten die fünf Freunde das Fundstück. Jetzt, wo die Flasche getrocknet war, hatte sich ihre Oberfläche milchig verfärbt, und man konnte nicht mehr so gut hindurchschauen. Die Flasche musste schon eine Weile im Fluss geschwommen sein, so matt und trübe wie sie jetzt war. Und unten am Boden hatten sich schon Algen angesetzt.

„Wolke hat recht, jetzt erkenne ich es auch. Da steckt wirklich was drin“, meinte Stella schließlich.

„Außerdem ist sie oben am Hals mit Wachs versiegelt“, stellte Sturmwind fest.

„Bestimmt ist das eine geheime Flaschenpost!“, jubelte Wolke so leise und unauffällig es ging.

„Genial! Los, mach sie auf“, drängte Mondstrahl.

Unschlüssig sah Wolke sich um. Sie waren schon eine ganze Weile unterwegs, und bestimmt war die Heilkundestunde bald zu Ende.

„Lieber nicht“, erwiderte sie. „Wir müssen bald zur Schule zurück, und ich habe noch nicht alle Kräuter gefunden. Außerdem möchte ich nicht, dass jemand etwas davon mitbekommt. Das ist unser Abenteuer!“

„Richtig, es ist besser, wir halten das geheim“, stimmte Stella zu, und die anderen nickten.

Eilig schob Wolke die Flasche in ihren Sammelbeutel zurück. „Nachher in der Pause suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen und holen die geheime Botschaft raus.“

„Vielleicht ist es sogar eine Schatzkarte!“, meinte Sturmwind begeistert. „Stellt euch nur vor, wir finden einen wertvollen Schatz und werden berühmt.“

„Dann lasse ich mir daraus einen wunderschönen Stirnschmuck anfertigen, so einen, wie ihn die Königin hat“, schwärmte Saphira.

Wolke musste kichern. „Ich kann es kaum erwarten! Aber jetzt lasst uns schnell die letzten Kräuter suchen, bevor die Stunde zu Ende ist. Was habt ihr denn schon?“

Bereitwillig zeigten alle ihre Kräutersammelbeutel vor.

„Wow, das ist ja richtig viel. Und von allen Pflanzen, die wir brauchen, ist etwas dabei“, staunte Wolke.

„Was meint ihr, ob das für uns alle reicht?“, wollte Stella wissen.

„Auf jeden Fall“, stellte Wolke fachmännisch fest. Sie war in Heilkunde die Klassenbeste und musste es schließlich wissen.

„Sehr gut“, meinte Sturmwind. „Dann können wir ja aufhören mit Suchen. Da drüben gibt es hervorragenden Klee. Habt ihr Hunger?“

Doch bevor seine Freunde ihm noch antworten konnten, rief Sirona die Klasse zu sich: Es war an der Zeit, zur Schule zurückzukehren.

Sturmwind warf noch einen sehnsüchtigen Blick auf den köstlichen Klee, bevor er seinen Freunden zurück zum Schloss folgte.

2

Sterne

„Nun macht schon“, drängte Stella.

„Das sagst du so leicht“, gab Wolke zurück. „Der Korken sitzt ganz schön fest.“

„Lass mich noch mal probieren“, meinte Mondstrahl und richtete sein Horn auf den Verschluss. Mit fest zugekniffenen Augen stand er da und konzentrierte sich darauf, den Korken samt Wachssiegel mit einem Zauber herauszuziehen. „Ich geb’s auf“, stöhnte er schließlich.

„Vielleicht, wenn wir die Flasche zerschlagen?“, schlug Sturmwind vor.

„Auf keinen Fall! Ich möchte nicht, dass einer der Hauselfen auf uns aufmerksam wird und dem Oberelf meldet. Es muss doch auch so gehen ...“, meinte Wolke. Den ganzen Tag über war es den Freunden nicht gelungen, ihren Fund in Ruhe zu untersuchen.

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