Die Schattengruft & Fluch der Steine: Zwei Romantic Thriller

Alfred Bekker

Published by BEKKERpublishing, 2015.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Die Schattengruft & Fluch der Steine

Copyright

Die Schattengruft

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

FLUCH DER STEINE

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

Die Schattengruft & Fluch der Steine

2 Romantic Thriller

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 207 Taschenbuchseiten.

Dieses Buch enthält folgende zwei Romane:

Die Schattengruft

Fluch der Steine

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author / Cover: Steve Mayer

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Die Schattengruft

Ein Dämon aus dem Totenreich sucht die Lebenden heim - und eine übersinnlich begabte junge Frau muss um ihre Liebe kämpfen.

1

Ein Leuchter mit fünf Kerzen war die einzige Lichtquelle in der dunklen Gruft. Die Kerzen flackerten leicht in der kühlen Zugluft, während der dürre Mann den Leuchter auf den mittleren der fünf großen Steinsarkophage stellte, die sich in diesem gespenstischen Raum befanden.

"Die Kraft der Toten", flüsterten die blutleer wirkenden Lippen des dürren Mannes und er lächelte matt. "Was wären wir ohne sie."

"Beginnen wir!", sagte eine andere Stimme aus der Dunkelheit heraus.

Der dürre Mann drehte sich halb herum. In seinem Gesicht zuckte ein Muskel, dann bekam es einen harten, entschlossen wirkenden Zug.

Schritte hallten durch die Gruft. Dunkle Gestalten, die nach und nach in den weichen Schein des Kerzenlichts traten, bildeten einen Halbkreis um die Sarkophage.

Sie fassten sich bei den Händen und begannen seltsame Worte vor sich hinzumurmeln.

Der dürre Mann nahm indessen ein in kostbares Leder gebundenes Buch hervor, auf dessen Einband kalligraphisch verzierte Worte in arabischer Sprache aufgestickt waren. Er schlug das Buch auf und begann, eine bestimmte Wortfolge immer wieder zu sprechen. Seine Stimme klang zunächst leise und wispernd, dann wurde sie lauter und schwoll an. Das Gesicht des dürren Mannes veränderte sich. Es wurde angespannt. Die Augen traten hervor, so als würde er unter einer großen Anstrengung stehen. An seiner Schläfe war das Pulsieren einer dicken Ader zu beobachten. Sein Mund verzog sich zu einer raubtierhaften Grimasse, während er immer lauter sprach.

Schließlich schrie er fast, während der Chor der anderen kaum mehr als ein leises Summen geworden war.

Der dürre Mann hielt jetzt das Buch mit einer Hand, während er mit der anderen begann, eigentümliche Zeichen in die Luft zu malen, was an der kalten Steinwand in Form von tanzenden Schatten sichtbar war.

Fünf Kreise waren dort so in den Stein hineingeritzt worden, dass sie ihrerseits wiederum einen Kreis bildeten. Der Blick des dürren Mannes war wie gebannt auf diese Stelle gerichtet, während seine Lippen unablässig vor sich hin murmelten.

Ein phosphoreszierendes Leuchten bildete sich dann um den ersten der großen Steinsarkophage und ließ die Anwesenden schaudernd einen Schritt zurücktreten.

Nur der dürre Mann blieb ungerührt wo er war.

In seinen Augen blitzte der Triumph, denn nun wusste er, dass ihm sein Vorhaben gelingen würde.

Das leicht grünlich wirkende Leuchten breitete sich auch auf die anderen Steinsärge aus und innerhalb weniger Augenblicke war es in der Gruft derart hell, dass die Anwesenden ihre Gesichter schützen mussten.

Dies ist der Augenblick, ging es dem dürren Mann durch den Kopf. Die Energie der Totengeister war aktiviert und stand zur Verfügung. Eine der stärksten Kraftquellen, die es gibt, dachte der dürre Mann schaudernd. Aber es gibt noch stärkere Mächte... Noch viel Stärkere! Und eine dieser Mächte kenne ich beim Namen!

"Quarma'an!", rief er dann aus vollem Halse und der gespenstische Ruf hallte in dem düsteren Gemäuer wieder.

"Quarma'an!" Dann folgte noch eine Folge schier unaussprechlicher Worte in einer Sprache, die sich aus dunkler Vergangenheit in das Hier und Jetzt gerettet haben musste. Das Leuchten, das die steinernen Särge dieser Gruft umgab, ließ dann langsam nach. Es war jetzt nicht mehr grell, sondern wurde matter und matter. Schließlich wirkte der kalte Stein der Särge kaum noch beeindruckender als ein Ausstellungsstück aus einem Fluoreszenz-Kabinett, wie es jedes naturkundliche Museum enthielt.

Dafür tat sich um so mehr an der Wand...

Etwas Dunkles - dunkler noch, als die Nacht - hatte sich dort inmitten der fünf Kreise gebildet und wurde rasch größer. Nicht lange und es überragte die Größe eines Menschen. Ein Schatten von etwa zwei Meter fünfzig war zu sehen und bewegte sich.

Jetzt wich sogar der dürre Mann ein kleines Stück zurück.

"Mein Gott", flüsterte er - und es war schon lange her, dass diese Worte über seine Lippen gegangen waren. "Quarma'an..." Der Schatten hob den Arm und eine riesenhafte Hand war als Umriss zu erkennen. Ein tierhaftes, dumpfes Geräusch erschütterte die Gruft und fuhr allen Anwesenden durch Mark und Bein. Das nur schemenhaft sichtbare Schattenwesen wandte den Kopf, an dem sich die Umrisse übergroßer, spitz zulaufender Ohren abzeichneten. Das Wesen, das aus nichts anderem als reiner Finsternis zu bestehen schien, bewegte sich abrupt. Erneut ging ein knurrender, bedrohlicher Laut von ihm aus.

"Halt, Quarma'an!", rief der dürre Mann und sein Gesicht verriet dabei äußerste Anspannung. "Halt!" Das Schattenwesen schien tatsächlich innezuhalten.

"Ich bin dein Herr!", fuhr der dürre Mann dann fort, während er seinem nichtmenschlichen Gegenüber die Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger entgegenhielt. "Und du, Quarma'an, wirst gehorchen!"

Die Antwort war ein dumpfes Knurren.

Ein Laut, der nicht schwer zu deuten war...

2

Ich hatte das Redaktionsbüro des London City Telegraphs kaum erreicht, da rief mir auch schon einer meiner Reporterkollegen mit wedelnden Armen zu: "Telefon, Jennifer!" Es war Harry Warren, ein schon etwas älterer Kollege aus der Sportredaktion.

Er kam auf mich zu und fuhr dann fort: "Es rappelt schon die ganze Zeit auf Ihrem Schreibtisch."

"Hat denn niemand abgenommen?", fragte ich.

"Doch, aber es wurde gleich wieder aufgelegt."

"Oh!"

Warren zuckte die breiten Schultern und während ich an ihm vorbeiging, meinte er noch: "Da scheint jemand nur mit Ihnen sprechen zu wollen..."

Der Tag begann also mit Stress und nicht mit einer Tasse Kaffee.

Einen Augenblick später erreichte ich meinen Schreibtisch, legte hastig die Handtasche ab und griff zum Hörer.

"Jennifer Dexter, London City Telegraph", meldete ich mich und versuchte dabei nicht so zu klingen, als sei ich völlig außer Atem.

Auf der anderen Seite der Leitung hörte ich zunächst nichts und so hielt ich mir das andere Ohr zu, um nicht durch die Geräusche im Großraumbüro der Telegraph-Redaktion abgelenkt zu werden.

Ich ließ mich in den Drehsessel gleiten, der vor dem Schreibtisch stand und horchte angestrengt.

"Hallo?", fragte ich.

Wollte sich da jemand einen üblen Scherz erlauben?

In dieser Hinsicht musste man heutzutage leider mit allem rechnen. Im Hintergrund hörte ich Straßengeräusche durch den Hörer. Der Akustik nach wurde aus einer Telefonzelle angerufen.

"Sind Sie wirklich Jennifer Dexter?", fragte dann eine ängstlich klingende Frauenstimme.

"Ja", bestätigte ich.

"Ich habe Ihre Durchwahl aus dem Impressum des Telegraphs", murmelte sie. Sie sprach sehr leise, fast so, wie jemand der Angst davor hat, dass ihm jemand zuhören könnte. "Ich habe oft Ihre Artikel gelesen, Miss Dexter... Sie beschäftigen sich darin häufig mit ungewöhnlichen Phänomenen..." Sie stockte.

"Mit dem Übersinnlichen... Ich weiß deshalb, dass Sie mich nicht für verrückt erklären werden, wenn ich Sie vor einer furchtbaren Gefahr warne... Einer Gefahr, die sonst von niemandem ernstgenommen wird!"

"Wer sind Sie?", fragte ich, bekam aber keine Antwort darauf.

"Ich habe große Angst", flüsterte die Frau in der Telefonzelle.

Ich atmete tief durch und versuchte, ganz ruhig zu werden. Derweil gingen mir die verschiedensten Möglichkeiten durch den Kopf, um wen es sich bei der Frau wohl handeln konnte. Eine Hysterikerin, die sich wichtig machen wollte und im Grunde nur jemanden brauchte, der ihr zuhörte? Jemand, der in die Zeitung wollte? Oder steckte mehr dahinter?

"Wovor wollen Sie mich warnen?", fragte ich. Schweres Atmen drang durch die Leitung.

Ich hoffte nur, dass die Frau nicht einfach einhängte und man am nächsten Tag vielleicht etwas von einer Selbstmörderin hörte, die sich vom Dach irgend eines Hochhauses gestürzt hatte...

"Hören Sie mich noch?", hakte ich nach. "Was ist das für eine Gefahr, von der Sie sprachen?"

Ruhig bleiben!

"Quarma'an", kam es leise wispernd über die Telefonleitung und ich war mir im ersten Moment noch nicht einmal sicher, ob ich dieses seltsame Wort überhaupt richtig verstanden hatte.

"Was ist das – Quarma'an?", fragte ich.

"Ein Wesen", kam es zurück. "Ein sehr mächtiges Wesen mächtiger, als sich die meisten Menschen das überhaupt nur vorstellen können... Quarma'an ist ein Mörder... Ein Teufel, der vor nichts halt macht."

"Wie heißen Sie?", fragte ich noch einmal.

"Pamela", sagte sie nach einigem Zögern.

"Und weiter?"

Eine Pause folgte. Dann fragte Sie: "Ich kann Ihnen vertrauen?"

"Natürlich", erwiderte ich.

"Pamela Green. Miss Dexter, ich kann jetzt nicht weiterreden... Könnten wir uns nicht irgendwo treffen? Bitte!"

Sie schien sehr verzweifelt zu sein und so stimmte ich schließlich zu. "Und wann?", fragte ich anschließend. "Jetzt gleich?"

"Nein, jetzt kann ich nicht. Morgen. Morgen früh. Kennen Sie Bewley's Restaurant in der Ladbroke Grove Road?"

"Ich werde es sicher finden."

"Um zehn."

"In Ordnung!"

Für einen kurzen Moment glaubte ich, den Klang einer zweiten, dunkleren Stimme zu hören. Aber dann klickte es und das Gespräch war zu Ende.

Quarma'an...

Der Name ging mir nicht aus dem Kopf.

3

"Hey, was machst du für ein sauertöpfisches Gesicht, Jenny?" Die Stimme, die mich abrupt aus meinen Gedanken herausriss, gehörte Joe Carmodie, der als Fotograf beim London City Telegraph angestellt war. Joe und ich hatten oft zusammengearbeitet und bildeten ein wirklich gutes Team. Genau wie ich war er sechsundzwanzig Jahre alt. Seine unkonventionelle Art hatte unseren Chefredakteur schon so manches Mal zur Weißglut gebracht. Aber er war ein guter Fotograf, daran gab es nicht den geringsten Zweifel. Joe setzte sich frech auf meinen Schreibtisch. Mit einem Seitenblick bemerkte ich, dass seine Jeans einen neuen Flicken hatte.

Das Revers seines Jacketts war ziemlich ramponiert, was durch die Kameras kam, die für gewöhnlich wie Mühlsteine an seinem Hals hingen.

Mit einer lässigen Handbewegung fegte er sich das etwas zu lange blonde Haar nach hinten und meinte dann: "Nun sag schon, welche Laus ist dir über die Leber gelaufen? Hat der Chef im Zuge von Sparmaßnahmen dein Gehalt gekürzt oder an deinem letzten Artikel so gründlich redigiert, dass du nur noch an der Namenszeile erkennen konntest, dass es deine Story war?"

Ich spürte, wie sich meine Mundwinkel fast wie automatisch hochzogen. Dem jungenhaften Charme dieses Mannes konnte man sich kaum entziehen und es war schwer, in seiner Gegenwart schlechtgelaunt zu bleiben.

Mir gelang das zumindest nur selten.

Joe sah mich an und zog die Augenbrauen hoch.

"Oder sollte es vielleicht sogar möglich sein, dass du dir ein paar ernsthafte Gedanken machst, Jenny?" Ich war verwirrt.

"Ernsthafte Gedanken?", fragte ich zurück. "Und worüber?" Joe zuckte die Achseln.

"Was weiß ich? Über die Zukunft, dein Leben, und darüber, dass da in deiner Nähe seit langem ein überaus sympathischer, gutaussehender, intelligenter Mann ist, der es wert wäre, mal genauer betrachtet zu werden ..."

"Du sprichst doch nicht etwa von dir selbst, Joe!"

"...und der außerdem in derselben Branche arbeitet wie du, was es erheblich erleichtert, sich zu verabreden. Schließlich hättet ihr in etwa dieselben Arbeitszeiten." Ich unterbrach ihn.

"Joe!", tadelte ich ihn.

Er hob beschwichtigend die Hände.

"Schon gut, Jenny! Ich weiß, dass ich mir bei dir immer wieder einen Korb abholen kann. Aber ich versuche es halt trotzdem ab und zu!"

Seit ich beim Telegraph angefangen hatte, war Joe ein bisschen verliebt in mich. Aber für mich war er einfach nur ein guter Freund und Kollege. Privat waren wir kein Paar und ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass wir irgendwann in der Zukunft eines werden würden. Er war mir einfach zu unreif und sprunghaft und entsprach so gar nicht meinen Vorstellungen von einem Traummann.

Nett war er trotzdem.

"Ich hatte einen merkwürdigen Anruf", sagte ich schließlich und fasste ihm in knappen Worten mein Gespräch mit Pamela Green zusammen.

"Ihr wurdet unterbrochen?", fragte er dann stirnrunzelnd zurück.

"Ich weiß es nicht", erwiderte ich. "Zumindest war das Gespräch ziemlich abrupt zu Ende..." Ich zuckte die Schultern. "Sie klang so verzweifelt..."

"Du glaubst, dass an dieser wirren Geschichte auch nur etwas dran ist?" Joe sah mich ziemlich verständnislos an. "Eine Verrückte, wenn du mich fragst. Sie hat sich wahrscheinlich in der Nummer geirrt und brauchte eher jemanden von der Bahnhofsmission..."

"Joe, ich weiß nicht. Ich habe schon ins Telefonbuch geschaut, aber weißt du, wie viele Eintragungen es unter Pamela Green gibt?"

"Lass mich raten: Ein Dutzend? Noch mehr? Und die meisten Frauen dieses Namens stehen vielleicht gar nicht im Telefonbuch, weil nur der Name ihrer Männer dort angegeben ist. Oder sie nennen sich P. Green, damit irgendwelche kranken Geister, die Frauen mit Telefon-Terror in den Wahnsinn treiben, nicht wissen, welches Geschlecht der Besitzer des Anschlusses hat."

Ich zuckte die Schultern.

"Morgen werde ich schlauer sein."

"Komm", sagte Joe und nahm meine Hand. Er zog mich halb aus dem Sessel heraus und ich stand einen Moment später etwas verwirrt vor ihm.

"Wohin?"

"Hör auf zu grübeln!"

"Leichter gesagt als getan!"

"Wie wär's zur Abwechslung mit Arbeiten, Jenny?" Joe grinste.

Ich ahnte schon, dass er irgendwie etwas zu wissen schien, was sich noch nicht bis zu mir herumgesprochen hatte. Einen Moment noch ließ er mich zappeln, aber dann rückte er endlich mit der Sprache heraus.

Martin T. Stanford, der leicht cholerische Chefredakteur des London City Telegraphs, hatte vor, uns beide auf eine brisante Story anzusetzen. "Es geht um diesen geheimnisvollen Killer, der seit einiger Zeit in London sein Unwesen treibt", sagte Joe.

"Gibt es denn da schon etwas Neues?", fragte ich überrascht, denn meines Wissens tappten die Ermittler in diesem Fall schon seit geraumer Zeit im Dunkeln.

Der geheimnisvolle Mörder, bei dem es sich vermutlich um einen Psychopathen handelte, war ihnen offenbar immer einen Schritt voraus.

"Abwarten, Jenny. In einer halben Stunde gibt es eine Pressekonferenz bei Scotland Yard. Und wenn wir deinen Wagen neben, anstatt meiner Rostlaube, dann kommen wir nicht nur pünktlich, sondern haben vielleicht sogar noch Chancen auf einen Sitzplatz!"

Ich lächelte.

"Okay", sagte ich. "Dann los!"

"Nach Ihnen, Ma'am!"

"Das solltest du dir nicht angewöhnen, Joe. Es passt nicht zu dir!"

"Ach, nein?"

"Nein!"

Wir lachten beide.

4

Die Pressekonferenz bei Scotland Yard war ein Reinfall. Wortreich wurde der Öffentlichkeit erklärt, dass man, was diese Reihe rätselhafter Morde anging, im Grunde noch keinen Schritt weiter war.

Das waren Augenblicke, in denen ich mir wünschte Joes Job machen zu dürfen, denn der konnte natürlich auf jeden Fall seine Bilder machen. Dabei spielte es keine Rolle, wie inhaltsleer die Verlautbarungen waren, die ich dann anschließend mühsam zu einem Artikel verarbeiten musste. Das ging natürlich dementsprechend zäh vonstatten und daher kam ich etwas später aus der Redaktion als üblich. Außerdem ging die Anruferin mir nicht aus dem Kopf. Pamela Green, die mich vor dieser mysteriösen Gefahr mit dem Namen Quarma'an gewarnt hatte. Noch immer schwankte ich zwischen Besorgnis und der Frage, ob ich diese Frau überhaupt ernst nehmen konnte.

Ich fuhr mit meinem roten, ziemlich altmodischen Mercedes nach Hause.

Nach Hause, das gleichbedeutend mit der verwinkelten Villa war von Tante Marge, wie ich sie nannte. Ihr eigentlicher Name war Margret Johnson und ich lebte seit dem frühen Tod meiner Eltern bei ihr. Wie eine Tochter hatte sie sich um mich gekümmert.

Ich traf Tante Marge in ihrem völlig überladenen Arbeitszimmer, dessen Regale und Büroschränke nur so überquollen.

"Schön, dass du kommst, Jenny", sagte sie ohne aufzublicken. Sie schien gerade sehr intensiv mit dem Ordnen von Zeitungsausschnitten beschäftigt zu sein.

Tante Marges Steckenpferd war die Erforschung übersinnlicher Phänomene und okkulter Erscheinungen.

Sie hatte auf diesem Gebiet eine der größten Privatsammlungen Englands. Alle möglichen seltsamen Schriften und uralten Folianten stapelten sich in ihrer Bibliothek und bildeten zusammen mit den zum Teil recht absonderlichen archäologischen Fundstücken, die ihr verschollener Mann Franklin in die Villa gebracht hatte, eine seltsame Mischung. Franklin war ein weithin anerkannter Archäologe gewesen, der von kaum einer seiner zahlreichen Reisen zurückgekehrt war, ohne diesem Kuriositätenkabinett irgend etwas hinzuzufügen. Tante Marge erweiterte das Archiv ständig. Kein Zeitungsartikel, der ihr in die Hände fiel und auch nur entfernt mit diesem Bereich zu tun hatte, konnte ihrer Sammelleidenschaft entgehen.

Tante Marge seufzte und lächelte mich an.

"Ich glaube, ich sollte für heute auch Schluss machen. Hast du Hunger, Jenny? Ich mach uns was zum Abendessen. Hattest du einen schönen Tag?"

"Es ging."

"Was heißt, es ging?"

"Naja, eine Pressekonferenz, bei der nichts herauskam und..."

"Was?"

"Ein merkwürdiger Anruf. Eine Frau wollte mich vor einem Wesen mit dem Namen Quarma'an warnen, von dem eine unglaubliche Gefahr ausginge..." Ich zuckte die Achseln. "Vermutlich nur eine Spinnerin, aber irgendwie ging mir dieser Anruf die ganze Zeit nicht aus dem Kopf...."

"Quarma'an...", murmelte Tante Marge gedehnt, Silbe für Silbe. Sie schien nachdenklich,

"Sag bloß, du hast diesen Namen schon einmal gehört?", fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf.

"Nein", meinte sie.

"Ist auch sicher nicht so wichtig", erwiderte ich, obwohl ich selbst nicht wirklich davon überzeugt war.

5

In dieser Nacht schlief ich schlecht. Zuerst glaubte ich, dass es etwas mit dem Mond zu tun hatte, der durch das Fenster in meinem Zimmer als fahles Oval hereinschien. Ich wälzte mich hin und her und konnte einfach keine Ruhe finden... Im Innersten ahnte ich längst, dass es mit etwas anderem zu tun hatte...

Dann hatte ich einen Traum und ich wusste sofort, dass es einer jener Träume war.

Auch wenn ich mich lange gesträubt hatte es anzuerkennen, aber ich besaß eine leichte übersinnliche Gabe, die sich in Ahnungen, Tagtraumvisionen oder Träumen zu äußern pflegte, die mir einen winzigen Blick auf die Zukunft gestatteten, wenn ich Glück hatte. Glück?

Manchmal empfand ich diese Gabe eher als Fluch... Ich sah eine Frau in einem roten Kleid, die Hand leicht auf etwas gestützt, das aussah wie ein steinerner Sarkophag. Sie schien sich in einer Art Mausoleum oder Totengruft zu befinden. Ihre Augen waren weit aufgerissen. An die Brust gepresst hielt sie ein Buch, auf dessen ledernem Deckel seltsame Schriftzeichen aufgestickt waren.

Arabische Schriftzeichen...

Ich war mir dessen plötzlich sicher.

Ein Leuchter mit fünf Kerzen schien die einzige Lichtquelle im Raum zu sein. Die Augen der Frau gingen erst starr an die Wand, dann wirbelte sie herum. Sie hatte Furcht. Große Furcht.

An der kalten Steinwand dieses grauen Gemäuers sah ich dann eine Bewegung. Namenloses Entsetzen stieg in mir hoch und griff nach meinem Herzen.

Ein düsterer Schatten erschien an der Steinwand und der Umriss einer geradezu monströsen Hand wurde sichtbar. Ein drohendes, tierisch klingendes Knurren ging von dem schattenhaften Wesen oder Ding aus. Die riesenhafte Hand schnellte blitzartig vor und legte sich um den Hals der Frau...

Schweißgebadet erwachte ich und saß schon einen Augenblick später kerzengerade im Bett.

Ich schluckte und atmete tief durch.

Mit der Hand kämmte ich mir dann das Haar zurück und stand auf. Barfuß ging ich zum Fenster und blickte hinaus. Wolken waren aufgezogen und verdunkelten den Mond, der nur noch wie ein verwaschener Fleck wirkte. Langsam beruhigte sich mein Puls. Ich wusste, dass dieser Traum etwas zu bedeuten hatte... Fragte sich nur, was.

Ein Name lag mir auf der Zunge.

Ein Name, den ich am vergangenen Tag zum ersten Mal gehört hatte und der mir seitdem einfach nicht aus den Ohren gehen wollte.

Quarma'an...

6

Ich fand einen Vorwand, um am nächsten Morgen um zehn in Bewley's Restaurant sein zu können.

Offiziell recherchierte ich auf eigene Faust in dem Fall des rätselhaften Serientäters, der zur Zeit die Londoner erschauern ließ. Ich wartete vergebens auf Pamela Green.

Sie tauchte nicht auf.

Als ich in die Redaktion des London City Telegraphs zurückkehrte, wurde ich gleich ins Büro von Martin T. Stanford, unserem Chefredakteur gerufen. Joe Carmodie hatte bereits in einem der breiten Sessel platzgenommen, die dort zu finden waren. Stanford erhob sich hinter seinem völlig überladenen Schreibtisch, auf dem sich die Manuskripte nur so stapelten. Er lockerte sich die ziemlich grelle Krawatte so, dass sie Ähnlichkeit mit einem Strick bekam und krempelte sich die Ärmel hoch.

"Schön, dass Sie kommen, Jennifer. Haben Sie schon etwas herausgefunden?"

"Nein", musste ich kleinlaut zugeben.

Stanford zuckte die Achseln. "Naja, warum sollen Sie besser sein, als Scotland Yard?"

"Sie sagen es!"

Heute schien er seinen gnädigen Tag zu haben, denn für gewöhnlich verlangte er genau das von uns. Die Crew des Telegraphs hatte besser zu sein, als jede andere.

"Um es kurz zu machen", sagte Stanford. "Es gibt wieder eine Tote, die vermutlich in die Reihe des geheimnisvollen Serienmörders gehört, vor der zur Zeit ganz London zittert. Sie wurde erwürgt und heute morgen am Themseufer gefunden. Jedenfalls meldet das eine Agentur..."

Unter seinen Manuskripten holte Stanford ein Foto hervor und hielt es mir unter die Nase. Joe stand auf und blickte mir über die Schulter.

Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen.

Die Frau erkannte ich sofort wieder.

Ich hatte sie in meinem Traum gesehen!

"Ist Ihnen nicht gut?", fragte Stanford besorgt. "Sie sehen so blass aus, Jennifer..."

"Nein, schon gut", murmelte ich.

"Ja, an den Anblick von Toten - auch wenn es nur auf Fotos ist - kann ich mich auch nicht gewöhnen, Jenny. Auch nach den vielen Jahren, die ich schon im Geschäft nicht. Und ich will es auch gar nicht!"

"Ich frage mich, wie viele Menschen noch sterben müssen, ehe dieser kranken Seele endlich das Handwerk gelegt ist!", hörte ich Joe wütend sagen.

Stanfords Blick ging von einem zum anderen. Seine Miene war sehr ernst, fast feierlich.

"Ich weiß, dass Sie beide ein gutes Team sind und nur deswegen habe ich Sie an so eine Sache überhaupt herangelassen! Sehen Sie zu, dass Sie etwas herauskriegen!" Dann holte er noch einen Zettel hervor, auf dem noch ein paar Einzelheiten standen und reichte ihn mir.

Es überraschte mich kaum noch, als ich den Namen der Toten dort las: Pamela Green!

7

Inspektor Gregory Barnes von Scotland Yard war ein ziemlich massiger Hüne. Ich hatte Glück, dass er den Fall bearbeitete, den ich kannte ihn ganz gut und daher war er auch bereit, ohne große Umstände mit mir zu sprechen.

Am frühen Nachmittag saßen Joe und ich in seinem spartanisch eingerichteten Büro. Der Kaffee, der uns angeboten wurde, war so dünn, dass man ihn schon kosten musste, um ihn nicht für Tee zu halten.

Barnes lehnte sich in seinem Rollsessel zurück und sah mich prüfend an.

"Diese Pamela Green hat also bei Ihnen in der Redaktion angerufen", murmelte er gedehnt, nachdem ich ihm einen knappen Bericht gegeben hatte. "Und was ist das für eine Gefahr, vor der diese Dame so eindringlich warnen wollte?"

"Ich habe keine Ahnung", erwiderte ich. "Da ist nur dieser Name, den sie nannte..."

"Quarma'an", brummte Barnes. "Ich hoffe, ich habe das richtig ausgesprochen."

"Als ich mich heute Morgen mit Pamela Green treffen wollte, wartete ich vergebens..."

"Da war sie schon längst tot", erklärte Barnes. "Der Gerichtsmediziner nimmt an, dass sie am Abend umgebracht wurde."

"Todesursache?", fragte ich.

"Sie wurde erwürgt", erklärte Barnes und beugte sich dann etwas vor. Er trank seine Kaffeetasse leer und fügte dann hinzu: "Und zwar durch jemanden mit abnorm großen Händen!" Ich horchte auf und musste unwillkürlich an die schattenhafte Gestalt aus meinem Traum denken...

"Ist das sicher?", murmelte ich.

Er zuckte die breiten Schultern.

"Was ist schon sicher?", erwiderte Barnes. "Der Gerichtsmediziner ist jedenfalls der Ansicht, dass man das aus den Würgemalen herauslesen könnte..."

"Waren Sie schon in der Wohnung der Ermordeten?", fragte ich.

"Ich persönlich noch nicht, aber ein Team der Spurensicherung ist gerade dort."

"Können Sie mir die Adresse geben, Inspektor Barnes?" Er grinste mich ziemlich unverschämt an. "Sie können eine zweite Tasse Kaffee bekommen, wenn Sie wollen. Aber ich will nicht, dass die Fotos von dieser Wohnung morgen schon die Seiten des London City Telegraphs zieren..."

"Das heißt also nein", stellte ich etwas ärgerlich fest.

"So ist es. Aus fahndungstaktischen Gründen!" Ich atmete tief durch und musste mich sehr beherrschen, um mir den Ärger nicht anmerken zu lassen. Schließlich würde ich sicher nicht zum letzten Mal mit ihm zusammenarbeiten müssen.

"Sie könnten ruhig etwas entgegenkommender sein", meinte ich säuerlich, aber Joe fasste mich leicht am Arm.

"Scheint, als müssten wir uns dem Inspektor beugen", meinte er.

Ich glaubte schon, mich verhört zu haben und sah ihn erstaunt an.

"Was?"

"Komm, Jenny, wir haben 'ne Menge zu tun!" Indessen sagte Barnes: "Schade, dass Sie meinen Kaffee so wenig zu schätzen wissen!

"Wir kommen bestimmt wieder, wenn Sie gelernt haben, wie man ihn kocht", erwiderte Joe spitz und zog mich ziemlich fassungslos mit sich.

Draußen auf dem Flur stellte ich ihn zur Rede. "Ich hätte nie gedacht, dass du mir so in den Rücken fallen könntest, Joe!", fuhr ich ihn an, aber er legte nur den Zeigefinger an die Lippen und bedeutete mir zu schweigen.

"Psst!"

"Ich bin sofort still, wenn du mir jetzt sagst, wie wir in der Sache weiterkommen - ohne Barnes' Hilfe!" Ich stemmte die Arme in die Hüften.

Joe lächelte überlegen. Er beugte sich zu mir herüber und flüsterte mir dann zu: "Wie wär's, wenn wir einfach in deinen wunderbaren Oldtimer steigen und uns zu Pamela Greens Adresse fährst? Ich glaube, das wäre das einfachste."

"Und wie sollen wir diese Adresse herausfinden, wenn ich fragen darf?"

"Du bekommst sogar eine Antwort - und zwar sobald wir im Wagen sind!"

Jetzt war ich ziemlich perplex.

8

"Woher weißt du Pamela Greens Adresse?", fragte ich Joe, während ich mich in den dichten Londoner Verkehr einzufädeln versuchte, was mir schließlich auch gelang.

Joe lachte.

"Vielleicht habe ich parapsychische Kräfte", witzelte er. "Telepathie oder so etwas..."

"Ich kann darüber nicht lachen Joe", erwiderte ich.

"Schon gut, Jenny! Ich sehe schon, du hast heute nicht deinen humorvollen Tag!"

Ich seufzte. "Jemand war in schrecklicher Bedrängnis und hat mich angerufen, so als sei ich eine Art letzter Ausweg... Wenig später wird diese Person ermordet, aber der zuständige Inspektor ist überhaupt nicht an meinen Angaben interessiert! Das ist ein Skandal, Joe!"

"Jenny..."

"Ist doch wahr! Der Kerl hat sich seine Theorie bereits zurechtgelegt, noch bevor er sich überhaupt auch nur die Wohnung der Toten persönlich angesehen hat!"

"Du hast ja recht, Jenny."

Wir schwiegen eine Weile.

Und dann sagte mir Joe doch noch, woher er die Adresse hatte. Sie hatte auf einem Zettel gestanden, der auf Barnes Schreibtisch gelegen hatte.

Als er mir das erzählte, überfuhr ich beinahe eine rote Ampel.

"Joe!", fuhr ich ihn an. "Du hast doch nicht..." Joe lachte.

"Einen Scotland Yard-Inspektor bestohlen?"

"Du bist unmöglich!"

"Ach, ja?" Er erzählte mir dann, wie es gewesen war. Bei der Begrüßung hatte Joe sich so ungeschickt darüber gebeugt, dass der Zettel hinuntergefallen war. "Ich habe dann in aller Ruhe abgewartet, bis sich eine Gelegenheit ergab, ihn aufzuheben! Aber da ich ein ganz gutes Gedächtnis habe, brauchte ich ihn nicht mitzunehmen..."

Wenig später erreichten wir das Mietshaus, in dem Pamela Green eine schmucke Eigentumswohnung besaß.

Sie lag im obersten Stock und als wir dort anlangten, stand die Tür offen. Wir gingen einfach hinein. Joe machte ein paar Fotos von den mit recht eigentümlichen Zeichen bemalten Wänden... Einige dieser Zeichen kannte ich.

Es waren okkultistische Zeichen, magische Symbole. Pentagramme und umgedrehte Kreuze waren darunter, aber auch Zeichen, deren Bedeutung mir völlig unbekannt war.

"Was machen Sie da?", fragte eine barsche Männerstimme. Ein untersetzt wirkender Mann, an dessen Händen sich Latexhandschuhe befanden, trat auf uns zu. Offenbar gehörte er der Spurensicherung an, und wir hatten ihn gerade bei der Arbeit gestört.

"Das ist schon in Ordnung", erwiderte ich. Der Mann von der Spurensicherung runzelte die Stirn und im nächsten Moment tauchte auch noch ein recht großer und schlaksiger Kollege auf, der uns gleich seine Dienstmarke entgegenhielt.

Dem Ausweis nach hieß er Smith.

"Wieso soll das in Ordnung sein", meinte Smith gallig. "Sie dringen hier einfach ein und..."

"Die Tür war offen!", warf Joe ein, aber die beiden Spurensicherer beeindruckte das nicht.

"Sie sind sicher von der Presse", stellte dann der Untersetzte fest.

"Inspektor Barnes hat uns hier her geschickt!", meinte Joe. "Sie können ihn ja gerne anrufen, wenn Sie ihn bei seiner Unterredung mit dem Staatsanwalt ihrer Majestät stören wollen... Er meinte, Sie seien ein unkomplizierter Mann, Mr. Smith!"

"So, meinte er das...", brummte dieser. Die beiden wechselten einen kurzen Blick miteinander. "Von den Vorschriften hat er wohl noch nichts gehört..."

"Ich bin wahrscheinlich einer der letzten Zeugen, die Pamela Green lebend gesprochen haben", kam ich Joe dann zu Hilfe und berichtete von dem Anruf.

Smith wurde dann etwas zugänglicher. "Sie sehen ja selbst, wie die Wohnung aussieht", meinte er. "Sie gehörte offenbar irgend einer okkulten Gruppe an und wenn nicht alle anderen Umstände auf diesen geheimnisvollen Serienmörder deuten würden, dann..."

"Dann was?", hakte ich nach.

Smith sah mich an.

"Dann würde ich auf Selbstmord tippen."

"Wieso das?"

"Na, wegen der Literatur, die die junge Dame bevorzugte. Alles so düstere Sachen voller Todessehnsucht..."

"Können wir uns vielleicht noch ein bisschen umsehen?" Smith schien unschlüssig, aber sein untersetzter Kollege schüttelte energisch den Kopf. "Nein, kommt nicht in Frage!", knurrte er. "Bitte gehen Sie jetzt und lassen Sie uns in Ruhe unsere Arbeit zu Ende machen!"

9

I