1. Kapitel

Ein Gußregen war herniedergerauscht. Wallend und gischend schoß das sonst so ruhige Wässerlein zwischen den zwei Hügeln dahin; auf der Höhe des einen stand ein großes, stolzes Gehöft, am Fuße des andern, längs den Ufern des Baches, lag eine Reihe von kleinen Hütten.

Die letzte dieser Hütten war gar verwahrlost, der Türstock stand fast frei in der geborstenen Mauer, die Fensterrahmen hingen schief, hie und da guckte ein nackter Stein aus dem rauhen, verwitterten Anwurfe hervor und wenn auch die ärgsten Risse und Sprünge mit Lehm verschmiert und mit Heu und Stroh verstopft waren, so machte das den Anblick nicht besser. Dahinter stieg ein schmaler Streif bearbeiteten Bodens hinan, bestellt mit etlichen Gemüsebeeten, einem Acker mit Krautköpfen und einem andern mit Kartoffelpflanzen. Die Einfriedung dieses Besitztums war mehr angedeutet als wirklich, von Schlingpflanzen umwucherte Pflöcke standen weitab von einander und quer zwischen deren gabelförmigen Enden lagen vermorschte, schlanke Baumstämme.

Wenn der Bach, in den sie allen Unrat leiteten und warfen, träge dahinfloß, dann machte er der ärmlichen Siedlung viel Unlust, dann befiel auch die Beschränktesten da unten eine unklare Empfindung, in welcher Enge, in welchem Schmutze sie dahinlebten, aber heute wuschen die Wasser dahin und in die kühlende Feuchte der Luft mischte sich frischer Erdgeruch und würziger Pflanzenduft, und auf dem Sternsteinhof dort oben konnten sie es auch nicht wohlatmiger und gesünder haben.

Auf dem Bänklein vor der letzten Hütte saß ein etwa vierzehnjähriges Mädchen, außer einem Kopftuche, einem Hemdchen von ungebleichtem Leinen und einem verwaschenen, blauen, weißgetüpfelten Röckchen, hatte es nichts am Leibe. Die Kleine hatte die Füße an sich gezogen, daß sie in der Luft baumelten, nur manchmal streckte sie den linken aus, drückte die Sohle in die feuchte Erde und sah nach dem Grübchen, bis sich dieses mit Wasser füllte, dann war der Schuh fertig. Ja, wer Schuhe hätte, der könnte unter die reichen Leute gehen, wohl auch da hinauf nach dem Sternsteinhof.

Sie hob wieder das Köpfchen. Von ihrem Gesichte war nichts zu sehen als das runde Kinn, der untere Teil der vollen Backen und die Spitze der kleinen Nase zwischen dem Spalt des Kopftuches, das sie zum Schutze der Augen tief in die Stirne gezogen hatte, denn das war auch nötig, hinter dem Hügel, ihr im Rücken, ging eben die Sonne unter, und daher flammten die Fenster des Gehöftes, nach dem sie so unverwandt hinsah, in sprühendem Feuer. Das nasse Schieferdach des Wohnhauses, das dort inmitten weitläufiger Wirtschaftsgebäude stand, verschwamm förmlich in dem tiefdunklen Grau der Wolken, die dahinter standen und nur an den Rändern einen ganz schmalen, rotgoldenen Saum zeigten, so daß es fast aussah, als reiche der Sternsteinhof bis an den Himmel.

Wunder hätte es das Kind nicht genommen! So weit der Himmel reicht – o, wie weit war das – gehört aller Boden zum Sternsteinhof und noch ein gutes Stück ebenen Landes dazu. Was die Wiesen an Vieh ernähren konnten, die Äcker zu tragen vermochten, das hatte der Sternsteinhof-Bauer in Ställen und Scheunen. Das sagten ja die Leute, daß ihm alles wie vom Himmel fiel, seit er den feurigen Stein, die Sternschneutze, die just zur Zeit, als er den neuen Hof zu bauen begann, auf seinen Grund herniederschoß, aus der Erde heben und in das Fundament einmauern ließ.

Plötzlich wirbelte inmitten des dunklen Grau ein helles, sandfarbes Wölkchen lustig empor, der Rauch, der aus einem der Schornsteine ober dem Schieferdache aufstieg. Das Mädchen starrte danach hin und seufzte leise. Von der Seite gesehen, mit dem übergebundenen Tüchelchen, dessen Zipfel hohl und spitz, das Gesicht verdeckte, mußte sich ihr Köpfchen wie das eines kurzschnäbeligen Vogels ausnehmen; und nachdem sie vorhin nach dem Goldrande der Wolken aufgeblickt hatte und nun gerade vor sich hinsah, so war es, als hätte zuerst der Vogel etwa aus der jungen Saat in die blaue Weite geguckt, und plötzlich beäugle er etwas ganz Nahes und besänne sich, ob er darauf los gehen solle.

Ganz so sah es wenigstens nach der Meinung eines halbwüchsigen Bürschchens aus, das schon längere Zeit hinter den Zweigen der mannshohen Büsche im Vorgärtchen der Nachbarhütte lauerte. Als der putzige Vogel da drüben den Schnabel senkte, übermannte den Burschen die Lustigkeit seiner Vorstellung so, daß er mit dem Knebel, den er sich aus einem seiner Hemdärmel drehen wollte, um den lauten Ausbruch seiner Heiterkeit zu ersticken, nicht mehr rechtzeitig zu Stande kam und nun in ein prustelndes, gröhlendes Lachen ausbrach, dem aber sofort ein krampfhafter, pfeifender Husten folgte.

Die Kleine schrak anfangs heftig zusammen, jetzt aber klatschte sie in die Hände und rief lachend: »Siehst, das geschieht dir recht, Muckerl, das ist die Straf dafür, daß du die Leut' so erschreckst.«

Was auch der Angeredete zu entgegnen gedachte, eine Entschuldigung oder Grobheit, für den Augenblick mußte der die eine wie die andere für sich behalten. Er lehnte an der Mauer und rang nach Luft, und in sein Gehuste klang das helle, fröhliche Lachen von drüben.

Eine dralle, behäbige Frau setzte mit einem ärgerlichen Rucke Pfanne und Topf, die sie eben zur Hand genommen, auf den Herd zurück und trat unter die Türe.

»Was gibt's denn da wieder für Dummheiten?« sagte sie. »Muckerl, du wärst wohl jetzt alt genug, um gescheit zu sein.«

»Es is ja aber weiter nix, Mutter, als a bissel a Hetz«, sagte der Bursche.

Die mütterliche Mahnung an sein Alter schien allerdings wohl angebracht. Wie er so dastand, barhäuptig und barfüßig, in Hemdärmeln, verlegen an dem einen einzigen Hosenträger zerrend, erschien er so engbrüstig, so völlig in der Entwicklung zurückgeblieben, kaum so groß wie das Dirnchen vor der Hütte nebenan, und er mag es wohl ein um das andere Mal vergessen, daß er volle drei Jahre mehr zähle, wie denn auch die Leute, denen davon gesagt wird, sich's gewöhnlich wiederholen lassen und dazu noch den Kopf schütteln.

Für Personen, die schon etliche Mal die Gelegenheit wahrnahmen, wohlangebrachte Mahnungen zu äußern, hatte es sicher nichts Überraschendes, daß Muckerl, sobald ihm die Mutter den Rücken kehrte, zum Vorgärtel hinaushuschte.

Er näherte sich dem Mädchen.

»Gut'n Abend, Helen'!«

»Gut'n Abend, Muckerl. Rück' zuher.« Sie machte ihm auf dem Bänkchen Platz. »Was hast denn vorhin so gelacht, wie nit g'scheit?«

»Über dein' Vogelhauben. Geh' tu's weg.« Er löste ihr den Knoten.

Das Dirnchen griff nach dem Tuche, das ihr in den Nacken sank und legte es vor sich in den Schoß. »Was irrt dich denn das, dummer Ding?«

»Freilich irrt's mich, weil ich dein G'sicht gern säh'.«

»Na, so gaff.« Sie drehte den Kopf über die eine Schulter nach ihm und sah ihm ganz nah, ohne zu lachen, in die Augen. »Hast leicht noch kein solch's g'seh'n?«

Er schüttelte den Kopf.

Es war ein vollbäckiges Kindergesicht mit gesundem Rot auf der kaum merklich braun angehauchten Haut, umrahmt von reichen Flechten schwarzen Haares mit bläulichem Schimmer. Die Stirne war frei, wölbte sich oben etwas vor, das gerade Näschen zeigte einen fein modellierten Rücken und zierliche Nüstern, die brennend roten Lippen waren voll, die obere schien ein klein wenig aufgeworfen, die untere ein bißchen eingekniffen, unter dichten Augenbrauen und zwischen schwerbefransten Lidern funkelten ein Paar graue Augen mit merkwürdig großen, dunklen Sternen.

Nachdem das Mädchen eine Weile den bewundernden Blicken des Jungen standgehalten, sagte es spöttisch: »Wenn ich auch dir g'fall, Muckerl, so laß dir sagen, du mir gar nit.«

»Das glaub' ich«, lachte der Junge. Er hatte ja alle Morgen beim Kämmen sein Bild im Spiegel vor sich und wußte, wie er aussah mit seinem braunen, borstigen Haarschopf über der breiten Stirne, der knolligen Nase darunter, den schmalen Lippen, den fahlen, eingesunkenen Wangen; nichts war auffallend an ihm als die großen schwarzen Augen, und die waren nicht schön, denn sie traten zu stark aus den Höhlen.

»Das glaub' ich, Helen',« wiederholte er. Er nahm es von der besten Seite. Wie einer aussieht, dafür kann keiner, und dagegen kann er auch nichts machen.

»Völlig schiech bist, Muckerl«, neckte die Dirne.

»Und du rechtschaffen sauber,« sagte der Junge.

»Das ist halt jetzt,« sagte sie ernst, »denk' aber, was ich zu wachsen hab', bis ich groß bin wie andere Leut'. Meinst ich bleib' sauber?«

»Die Sauberste wirst da herum.«

»Das ist auch was.« Die Kleine rümpfte das Naschen.

»Sag' ich denn da in Zwischenbühel?« fuhr Muckerl eifrig fort. »Im ganzen Landviertel mein' ich.«

»Geh', dummer Bub, fopp ein ander's! Du wirst alle großg'wachsenen Weibsleut und uns kleine Menscherln alle vom ganzen Landviertel kennen!«

»Das hat's auch gar nit not. Hat's nit zugetroffen, was ich vor zwei Jahr' von der Reitler's Eva g'sagt hab'? daß die ihr'n langen Leib und d'kurzen Fuß' behalt'? Nun, und kommt die heut' großg'wachsen, nit daherg'schritten wie ein' Gans, die ein'm anblasen will?«

»Du hast recht, völlig hast recht, Muckerl,« lachte Helen', dann faßte sie ihn plötzlich an beiden Händen. »Sag', verstehst du leicht wahrsagen, wie ein Zigeuner?«

»Sei nit einfältig, ich versteh' nur, was 'n Leuten g'fallen mag, und schätz' wohl auch, ob, was ich heut' seh', sich darnach auswachst und das ist mir so unter'm Holzschnitzen kommen. Du weißt, mit Löffeln und Rühreln hab' ich schon – kaum aus der Schul' – ang'fangt, später hab' ich wohl auch ein'm heiklichen Bauern an einer Stuhllehn oder am Türsims was g'schnitzt, aber das g'freut mich schon lang nimmer, tragt auch nur wenig Groschen, damit erhalt' ich mein' Mutter nit und käm' selber mein' Lebtag zu nix. Weißt, zulernen will ich. Denen, die d'weltlichen Mandeln und Heiligenbilder machen, will ich's nachtun. Der Herr Pfarrer hat's auch schon meiner Mutter versprochen, den ersten Heiligen, den ich zuweg bring', nimmt er in unser Kirchen. Schon a Zeit schau' ich mir alle Sach' daraufhin an, ob's ihr Holz wert wär', wenn man's schnitzte, und dasselbe kann ich mir dann auch so leibhaftig in's Pflöckl h'neindenken, daß ich mein', ich dürft' nur mit'm Messer nachgeh'n, daß ich's herauskrieg', aber zu eilig bin ich d'rauf aus, und da fallt oft da und dort a Spahn z'viel weg und 's Ganz wird mir schief und scheelweanket; hab' ich erst a sichere Hand, dann bin ich Meister und schneid' nur G'fallsams, wofür mich's Holz nit reut.«

Die Kleine hatte die ineinander geschlungenen Hände auf die Schultern des Burschen gelegt und stützte sich so auf diese. »Gelt,« sagte sie, »mich tät'st schnitzen?«

»Wie d' dasitz'st, von Kopf bis zun Füßen, aber lieber noch, wenn d' einmal großg'wachsen bist. Verlaß' dich d'rauf, du wirst bildsauber, Helen'; um dich werden sich die Buben raufen.« »Muckerl! du Himmelsakkermenter! wo steckst denn?« rief es von nebenan. »Gleich komm'! 's Nachtmahl steht auf'm Tisch!«

»Die Mutter,« flüsterte der Junge und glitt von dem Bänkchen herab. »Gute Nacht, Helen'! 's kann wohl sein –«

»Was denn?«

»Daß ich dann auch mitrauf'.«

Er huschte davon.

Als er in dem rein und sauber gehaltenen Stübchen bei Tische saß, keifte die Mutter: »Wie oft soll ich dir's noch sagen, mach' dich da drüben nicht unnütz'. Du bist doch wahrhaftig kein Kind mehr und ein Bursch in deinen Jahr'n vergibt sich etwas und es ist auch ganz unschicksam, wenn er sich mit so ein' halbwüchsigen Menscherl umtreibt. Verträglich bin ich gern mit alle Nachbarsleut, aber vertraulich nit mit jedem und mit den Zinshoferischen wohl zur allerletzten Letzt. Die Dirn' wachst um die Alte auf und die kenn' ich noch von meiner ledigen Zeit her, die ist von der Art, die keinem ein Gut's tut, sie hätt' es denn dabei besser, und der nichts Übles zustoßt, ohne daß sich's zugleich für andere schlechter trifft.«

Muckerl hatte sehr aufmerksam zugehört, jetzt schloß er den offenen Mund hinter einem Löffel Suppe. Er aß schweigend weiter. Offenbar war ihm das Gesagte so unverständlich, daß er ihm mit keiner Frage beizukommen wußte.

Unter der Türe der verwahrlosten Hütte zeigte sich die schlanke, hagere Gestalt eines alten Weibes. Nichts als die blitzenden, großen, grauen Augen hatte die Alte mit dem Kinde gemein.

»Komm' h'rein essen.«

»Essen?« fragte die Kleine gedehnt. »Wieder ein Schmalzbrot?«

»Sei du froh, wenn wir Schmalz darauf haben, es schmeckt doch weniger hart, wie trocken.«

Gähnend trat das Kind in die Stube, schloß aber hastig den Mund und zog tief die Nase kraus vor der moderigen Feuchte, die in dem engen Raum gärte und ihn noch unfreundlicher machte, als er es in seiner Unwohnlichkeit ohnehin schon war.

»Die Kleebinderin ärgert's wohl groß,« sagte die Alte, »daß dir ihr Muckerl nachschleicht?«

»Kann ja sein,« antwortete die Kleine, indem sie den Kopf zurückwarf und die Schultern hob, als wollte sie andeuten, der große Ärger der Kleebinderin sei ihr ganz gleichgültig.

»Du fängst aber bissel früh an,« fuhr die Alte mit gutmütigem Spotte fort, »dir sagen zu lassen, daß du schön bist.«

»Ich hab' ihn nit g'rufen, und kein' Anlaß zur Red' geben,« entgegnete schnippisch das Mädchen, nahm mit unwilliger Gebärde das dargereichte, mit triefendem Fett beschmierte Brot an sich und ging zur Hütte hinaus. An großen, harten Brocken kauend, stand sie dort und sah nach dem Sternsteinhof hinauf, der dort oben lag wie ein Schloß.

Alle Märchen, von denen sie gehört oder gelesen hatte, vermischten sich in ihrem Kinderkopfe. – – – Da war einmal eine blutjunge, bettelarme Dirne. Wohl war sie bildsauber, aber das merkte ihr niemand an, denn sie hatte nur schlechte Kleider und mit denen lag sie nachts in der Herdasche; der war es aufgegeben, auf einer glühenden Pflugschar über ein Wasser zu schreiten, einen gläsernen Berg hinanzuklettern und in dem Schlosse dort oben einem bösen, alten Weibe, das den Schlüsselbund nicht ausfolgen wollte, den Kopf zwischen Deckel und Rand einer eisernen Truhe abzukneipen. Dann aber war das Schloß entzaubert, gehörte mit allem Hab und Gut innen und allem Grund und Boden außen der armen Dirne, die nun bis an das Ende ihrer Tage herrlich und in Freuden lebte.

Wahrhaftig, die kleine Zinshofer Helene war ein weltkluges, entschlossenes Kind. Sie schätzte ganz richtig, daß viel Anstrengung, Mühsal und Pein auf dem Wege nach solch' einem verzauberten Schlosse liegen müsse, auf die Hilfeleistung gütiger Feen machte sie sich keine Rechnung, »schöne Prinzen« schienen ihr kein dringliches Erfordernis, und »alte Weiber« mochten sich vorsehen.

2. Kapitel

Helene erfüllte die Vorhersagung des Kleebinder Muckerl. Ja, sie übertraf, wie er sich selbst gestehen mußte, seine Erwartungen. Freilich, einige Zeit war darüber vergangen, aber wer fragte nach, wo die hingekommen? Der Muckerl wenigstens tat es nicht, dem war sie kurzweilig genug geschwunden. Was sie gebracht hatte, war gut, was sie noch bringen konnte, wird besser sein, und dem sah er freudig und geduldig entgegen.

Er verstand sich jetzt aufs Holzschnitzen. Er erhielt seine Mutter und kam für das ganze Hauswesen auf. Das erste, was er vornahm, als er seine Hand sicher fühlte, war kein leichtes Stück und bezeugte guten Mut und Selbstvertrauen; ein ganzes »Krippel« stellte er fertig. Die heilige Familie im Stalle zu Bethlehem, Öchslein und Esel fehlten nicht, nur die Hirten ließ er weg, an deren Stelle dachte er sich eben die fromme Gemeinde von Zwischenbühel, denn die war ja da, um anzubeten, und darum schnitzte er keine hölzerne Andacht hinzu. Der Pfarrer stellte, versprochenermaßen, das Bildwerk in der Kirche auf, da er es aber doch nicht für ein Kunstwerk halten mochte, auf dessen Besitz man gegen einen umherstreifenden Touristen, oder sei es auch nur gegen einen Confrater stolz tun konnte, so beschloß er, es der Geschmackseinrichtung seiner Pfarrkinder näher zu bringen, und ließ von einem durchreisenden Künstler, der sich Flächenmaler nannte, weil er Fensterläden, Türbalken und Haustore behandelte, die Figuren mit schreienden Ölfarben anstreichen.

Die Gemeinde fand das über alle Maßen schön, und einige versetzte allein der Geruch des frischen Anstriches in eine andächtige Stimmung. Als Muckerl sein Werk mit Farbe überdeckt fand, geriet er in eine sehr geteilte Stimmung. Die Farbe, ja, die Farbe macht sich ganz gut, es schaut das Ganze wie lebendig her, und der Pfarrer mochte wohl recht haben, als er sie dazutun ließ, aber Fleisch, Gewand und Haare waren immer ein Klecks und da glänzte es an Stellen, wo es nicht gehörig war. Muckerl sah mit Befremden, wie manche Falte, die er geschnitten hatte, unschöne Buckeln machte, und wieder, wie eine andere vom Leibe abstand, wo sie sich schmiegen sollte; womit er es versehen hatte, das trat nun auffällig hervor, dagegen verschwanden die Gesichtszüge seiner Heiligen, von denen er überzeugt war, sie wären ihm aufs beste geraten, ganz unter einem dicht aufgetragenen Anstriche. Wahre Puppenköpfe hatten sie auf den Schultern sitzen. Plötzlich entsann er sich des kleinen, hölzernen, bunten Türken, der ober dem Krämerladen als Zeichen des Tabaksverschleißes angebracht war.

»Der Himmelherrgottssakkermenter,« murmelte er ziemlich laut, »hat mir's Ganze verschänd't.« Erschrocken fuhr er zusammen und bekreuzte sich.

Das war aber doch nicht recht vom hochwürdigen Herrn, daß er einen solchen hat über die Sach' lassen! Hält' er nit dazu ein' andern finden können? War es nit ganz unaufrichtig, daß er überhaupt gar nit hat verlauten lassen, daß eine Farbe dazu soll, und daß er sie darauf haben will? Die Farb' mag der Muckerl nit verreden, sie mag ja 'm Messer nachhelfen, aber decken darf sie nicht, was das gut gemacht. Wer aber soll das machen? Wer kann sich wohl besser dazu anschicken, als der, dem 's selbe Schnitzwerk von der Hand 'gangen ist? Das Lernen wird keine Hexerei sein, und der Muckerl will's erlernen.

Er erlernte es. Bald wunderte sich das ganze Dorf über die bunten Holzstatuetten, die er zwischen den Fenstern zur Schau stellte, kein Heiliger des Kalenders brachte ihn in Verlegenheit, denn da er mit der himmlischen Familie fertig geworden, wird er doch Aposteln, Nothelfern, Märtyrern, heiligen Frauen und Jungfrauen beizukommen wissen.

Nicht lang', so hatte man es auch in der Umgegend Rede, was für ein Geschickter da drüben in Zwischenbühel sitze, und wenn einer ein' Herrgott, eine Gnadenmutter oder ein' Heiligen brauche, so dürfe er nur zu dem gehen. Aber nur wenige kamen, und die feilschten rechtschaffen, am meisten ängstigten den Muckerl die sogenannten Herrgottlkramer, die mit solcher frommen Ware das Land abliefen, sie dachten ihn als billige Bezugsquelle auszunützen und verhielten sich ihm gegenüber wie Kunsthändler in einer Großstadt gegen einen talentierten Anfänger in der Malerei.

Schwere Sorge beschlich oft den Muckerl. Selten, gar selten war es, daß ein Bäuerlein, ein altes Mütterchen, eine junge Dirne Nachfrage hielt, noch seltener, daß er nach stundenlangem Feilschen einen Herrgott, der nicht genug blutig sein konnte, einen Namenspatron, der nie »andächtig« genug schien, verkaufte; die Herrgottlkrämer bekam er öfter zu Gesichte, die aber machten ihn mit ihren Ausstellungen schwitzen, mit ihren Angeboten ganz verzagt, und oft rief er sie unter Tränen in den Augen zurück, wenn sie an der Türe in wegwerfendster Weise fragten: »Na, gibst mir's diesmal mit oder nit? Noch ein' Gang her, is mir der ganze« – folgte ein sehr derber Ausdruck – »nit wert!«

Aber da fand sich mit einmal ein Absatz. Eines Abends trat ein Mann in Muckerl's Hütte, nannte sich einen Handels-Agenten für religiösen Hausrat, hätte das Beste sagen hören über den Heiligenschnitzer zu Zwischenbühel und wäre gekommen, dessen Ware zu sehen. Er äußerte sich über die vorgelegten Proben sehr freundlich, lächelte mitleidig, als er den Preis erfuhr, um den bisher diese Arbeiten abgegeben wurden, bot sofort das Fünffache, gab Vorschuß und bestellte nach Dutzenden. In der Stadt, beteuerte der Herr Agent, hätte man derlei nötiger als im Lande, dort wäre mehr Geld, aber auch mehr Gottlosigkeit. Darum gehe man jetzt daran, den religiösen Sinn zu heben, was am Besten durch massenhaften Umsatz von billigem und gefälligem religiösen Hausrat zu bewerkstelligen sein dürfte, wofür denn eine Handelsgesellschaft aufkommen wolle. Der Herr Kleebinder möge nur darauf achten, immer gleich gute Ware zu liefern, so würde ein lohnender Absatz für längere Zeit gewiß sein.

Muckerl schwamm in Seligkeit, fast hätte er sich vergessen und wäre dem kleinen, säbelbeinigen Männlein um den Hals gefallen, aber ein leider in den unteren Volkskreisen eingewurzeltes Vorurteil ließ ihn davon abstehen, denn der Mann, der sich mit der Hebung des christlich-religiösen Sinnes befaßte, war, beschämenderweise, ein Jude.

Nun rückte gute Zeit in's Haus, mit ihr aber auch manches, das die alte Kleebinderin derselben nicht recht froh werden ließ und sie ihr endlich gar verleidete.

Es war an einem Samstagsabende, als Muckerl den Hügel hinter den Hütten herabkam. Er trug seine kurze Jacke mit blanken Knöpfen, seinen saubern Brustfleck, seine guten Schuhe, kurz, sein Feiertagsgewand, seine bestaubten Füße, sein erhitztes Gesicht ließen schließen, daß er nicht von nah, wohl gar von der Kreisstadt, heimkehrte.

Er trug ein kleines Päckchen, es war in sein rotes geblümtes Taschentuch eingeschlagen und kam in keiner seiner Hände, noch sonst zur Ruhe; er faßte es bald in die Rechte, bald in die Linke, drückte es gegen seine Brust, barg es im Rücken, schob es unter die eine oder die andere Achsel und holte es sofort wieder hervor.

Vorsichtig lugte er durch die Zweige des lebenden Zaunes in seinen Garten, und als er seine Mutter nicht um die Wege sah, war er mit einem Sprunge auf Nachbarboden und trat durch die rückwärtige Tür in die Zinshofer'sche Hütte.

Er fand Helene mit der Alten zusammensitzen, Rüben schälen und in einen Topf schneiden.

»Guten Abend, miteinander,« sagte er.

»Guten Abend,« sagten die beiden.

»Wie geht's?« fragte er. »Wie geht's? So weit ich's euch abzusehen vermag, nit übel, denk' ich. In der Stadt bin ich g'wesen. Halt ja. Müd' bin ich, erlaubt's schon, daß ich mich setz'.«

Das Mädchen wies mit der Hand, in der es das Messer hielt, nach der Gewandtruhe, die in der nahen Ecke stand.

Muckerl setzte sich. Er hielt das Paket an beiden Enden angefaßt und drehte es zwischen den zehn Fingern fortwährend herum.

Nach einer Weile sah die Alte auf, wobei ein finsterer Blick die Tochter streifte, und sagte: »Na, wie schaut's denn aus in der Stadt?«

»Ich dank' der Nachfrag',« entgegnete Muckerl, »es ist völlig schön dort und so gangbare Wege haben's, ganze Steinplatten. Ja, Helen', wie ich da drauf gleichen Schritt's getrabt bin, hab' ich an dich gedacht.«

»An mich? Ich wüßt' nit, was ich mit'm Stadtleuten ihren Pflaster zu schaffen hätt'.«

»Dort tritt sich nit leicht ein's ein' Scherbe, ein' Nagel oder solch's Teufelszeug' ein, wie da bei uns schnell g'schehen is und erst neulich dir.«

»Ach, ja so. Das ist längst wieder heil. Schau mal.« Die Dirne streckte vom niedern Schemel, auf dem sie saß, den rechten Fuß dem Burschen hin.

»Mein Seel',« sagte der, »ganz sauber verheilt. War auch schad' um die fein' Füß', wann's ein' Narbe verschandeln möcht'.«

»Is dir Leid d'rum, so breit' mir halt, wo ich geh' und steh', eine Strohdecken d'runter.«

»Da weiß ich mir eine bessere Abhilf'. Ich gib ein Futteral d'rüber.« Der Bursche sagte das mit kurzem, wie Husten klingendem Lachen und ward darnach rot bis unter die Haare. »Das heißt,« fuhr er stotternd fort, »das heißt, wenn halt d'Zinshofer Mutter damit einverstanden wär', so wären da ein Paar Schuh'.«

Die Dirne blickte ihn von der Seite an. »Nur der Mutter Einverständnis braucht's, meinst du? Ich denk', es ist die Frag', ob ich's tragen will?«

»Du wollt'st sie nit?« stammelte Muckerl.

»Dir, seh' ich, muß mer schon z'Hilf kommen,« sagte die Alte. »Du mußt auch erst bei jungen Weibsleuten aufhorchen lernen, die verreden oft, wonach ihnen Herz und Hand giert.«

»Was du alles weißt,« höhnte die Dirne, dann wandte sie sich an Muckerl. »Wirst wohl auch was recht's eingekauft haben? Laß' mal schau'n, daß ich ein' Ung'schickten auslach'. Werd dir wohl für'n guten Willen danken müssen, passen werd'ns mer eh' nit.«

»Wird sich ja weisen,« schrie Muckerl, der plötzlich wieder in scherzhafte Laune geriet, in hochgehobener Hand das Bündel schwang, als ziele er in bedrohlicher Weise nach dem Kopfe der Dirne. »Gleich kommt's.«

»Na, sei so gut,« kreischte Helene, fuhr vom Sitze empor und entrang ihm das Tuch. Nachdem sie dasselbe aufgeknüpft hatte, betrachtete sie die Schuhe. Sie stützte das rechte Bein auf den Schemel und hielt die Sohle des Schuhs an die des Fußes. »Schau',« sagte sie, »wahrhaftig, die könnten mir recht sein und schön sein's auch, recht schön.« Sie drehte sie eine Weile in den Händen, bot sie ihm dann zurück. »Da nimm's wieder,« seufzte sie.

»Ja, warum denn?« fragte ganz ratlos der Bursche. »Warum denn, Helen'?«

»Nein, Muckerl, ich muß dir danken, wirklich muß ich dir recht schön danken. Ich sag's, wie's wahr is. Da dazu g'hören Zwickelstrümpf, die hab' ich nit, und mit bloßen Füßen tret' ich lieber auch auf d' bloße Erd' als auf Leder. Auslachen mag ich mich nit lassen.«

»Du Närrisch,« sagte mit triumphierender Miene der Bursche, »meinst du, ich denk nur vom Gründonnerstag auf Karfreitag? Ah, mein', nein.« Er zerrte ein kleines Päckchen hervor, das er in eine Jackentasche gezwängt hatte. »Da schau', was da d'rein is.«

Es waren Zwickelstrümpfe und hochrote Strumpfbänder mit Seidenbandschleifen.

»Muckerl,« schrie die Dirne, vor Freude die Hände zusammenschlagend. »Du bist doch ein guter Bub'.«

»Ja, gut is er, der Muckerl,« sagte die Alte.

Helen' setzte sich neben den Burschen. »Na, därfst auch zuschau'n, wie ich's anleg'.« Ohne sich im mindesten durch seine Nähe beirrt zu fühlen, probierte sie Strümpfe und Schuhe an. »Wie das paßt,« lachte sie, »du dürft'st von mein' Füßen 's Maß g'nommen haben.«

»Das hab' ich auch mit'n Augen; drauf muß ich mich ja verstehen, von welcher Größ' Hand, Fuß und Kopf zu eines Menschen sein'm Leib paßt.«

Die Dirne hielt den Saum des Rockes in der Höhe, wo die Strumpfbänder saßen, um die Beine geschlagen und betrachtete selbstgefällig ihre Füße. »Bis daher,« sagte sie lächelnd, »ist die Prinzessin fertig, von da ab fangt 's Bettelweib an, und das ist weitaus 's größere Stück.«

Muckerl erhob sich. »Nur nit verzagt. Kommt Zeit, kommt Rat. Noch is nit aller Tage Abend. Gut' Nacht, 's ist jetzt Zeit, daß ich geh', sonst ängstet sich d'Mutter oder schilt gar. Gute Nacht, miteinander.«

Schon am andern Morgen hatte er Ursache, zu bereuen, daß er an seine Gutmütigkeit so gar keinen Vorbehalt geknüpft. Helene kam vorbeigelaufen, als sie aber ihn und die alte Kleebinderin in der Küche stehen sah, verweilte sie sich ein wenig. »Guten Morgen,« rief sie und rasch einen Fuß nach dem andern vorstreckend, fuhr sie fort, »eine närrische Freud' hab' ich mit den Schuhen und Strümpfen, 's is gleich ein anderes Gehen. Dank' dir schön dafür, Muckerl.«

Die alte Frau sah ihren Sohn mit einem Blicke an, vor dem er sich verlegen zur Seite krümmte.

Die Dirne wies die glänzenden Zähne, warf beiden einen boshaft lachenden Blick zu und lief weiter.

Die Kleebinderin faltete die Hände ineinander und ließ sie in den Schoß fallen. »Muckerl!« Mehr war sie außerstande hervorzubringen, die Überraschung verschlug ihr die Rede, über welchen Umstand der gewissenhafte Bursche sich jedes heuchlerischen Bedauerns enthielt, dagegen fand er es sehr unbehaglich, daß sie diesen Tag über, so oft sie seiner ansichtig wurde, mit dem Kopfe schüttelte.

Etwa eine Woche darnach kam Muckerl wieder einmal aus der Stadt zurück, aber diesmal umging er das Dorf nicht, er hielt sich auf der geraden Straße und schlenkerte auffällig mit den Armen, als wollte er die Leute, die eben um die Wege waren, sehen lassen, daß er mit leeren Händen käme.

Gleichen Weges war eine gute Weile zuvor Helene mit flinken Füßen durch das Dorf gerannt, sie hielt dabei ein schweres Bündel mit beiden Armen gegen die Brust gepreßt. Jetzt kniete sie inmitten ihrer Stube, vor ihr auf dem Boden lagen Wäschestücke, Latzschürzen, Röcke und ein Sammetspenser ausgebreitet, und sie sah unter den langen Wimpern auf all' die Herrlichkeiten herab, ein Lächeln innerster Zufriedenheit in den Winkeln der aufeinandergepreßten Lippen.

Die alte Zinshoferin schlug ein über das andere Mal die Hände zusammen. Endlich fragte sie: »Vom Muckerl?«

Das Mädchen nickte.

»Wofür hat er dir's gegeben?« fragte die Alte mit scharfem Tone, der jedoch bei ihrem lauernden Blick und gemeinen Lächeln nicht nach mütterlicher Strenge klang, sondern nach rüder Neugierde, die zu wissen verlangt, woran man sei, und Herrischkeit, die bestimmen will, wohin es weiter solle.

Die Dirne sah stirnrunzelnd empor. »Wofür? Dafür, daß ich ihm auf der Straßen nit 'n Weg und daheim nit d'Tür weis'. Für weiter nix.« Sie lachte höhnisch auf. »Du mußt wohl dein' Zeit a dankbar's Gemüt g'habt haben, weil d' so fragen magst!«

Als Muckerl der weit außerm Ort, im Busche, ihn erwartenden Dirne das Bündel einhändigte, ließ er sich von ihr zwei Dinge in die Hand versprechen, daß sie in ihrem neuen Putz seiner Mutter nicht unter die Augen gehe und daß sie sich nächsten Sonntag von ihm in's Wirtshaus führen lasse. Ob er auch nur einen Augenblick daran dachte, wie ungereimt es war, der Mutter verheimlichen zu wollen, was sonntags jeder als Neuigkeit von der Schenke mit heimtragen wird? Ach, der Bursche dachte wohl an gar nichts, als wie schön, wie gar aus der Weis' schön, die Dirne war!

In der Samstag-Nacht, vor dem Einschlafen, drehte sich Helen' im Bette nach der Mutter um. »Hörst? Ich hab vergessen dir zu sagen, morgen führt mich der Muckerl in's Wirtshaus.«

»Und du geh'st?«

»Warum nit? Wozu hätt' ich mein' Putz? Jetzt, wo ich unter d'Leut gehen kann, hab' ich kein' Ursach' mehr, ihnen fern z'bleiben.«

»Na, da heißt d' aber auch schon vom Montag 's Kleebinder Muckerls sein Schatz.«

»Mein'twegen, mir schadt's nit, und ihm macht's ein' Freud', und die gönn' ich ihm.«

»Die gönnst ihm?« murrte die Alte. »Spiel du dich nit auf die Erkenntliche hinaus! War' dir so um's Herz, so ging wohl dein' Mutter allen andern voraus! Nit? Aber wann nur du dich z'zammstatzen kannst, so mag ich nebenherrennen wie ein' Hadernkönigin. Der Muckerl würd' mich auch bedenken, wenn du ihm nur ein gut' Wort gäbest.«

»Ich hab' um mein' Sach' keins an ihn verlor'n, werd' ich doch nit um fremde betteln.«

»Ja, das stund' dir nit an, du hochfahrig's Ding? Halt'st dich 'leicht schon vor'm Bettelngehen sicher? Nimm nur dein' Holzschneider. Fahrt ihm einmal unversehens der Schnitzer in d'Hand und bleiben ihm die Finger verkrümmt, is 's mit der ganzen Herrlichkeit vorbei. Hätt'st wohl auch auf was G'scheiter's warten können.«

In selbstgefälliger Eitelkeit, die Worte dehnend und singend, entgegnete die Dirne: »Zuwarten und aufdringen ist nit mein' Sach'.« Sie befühlte ihre vollen Arme, die sie vor sich über der Bettdecke liegen hatte, den einen mit dem andern. »Mit solche Arm' braucht mer nur festz'halten, was einem taugt, unter dö, was darnach greifen.«

»Freilich wohl, dalkete Gredl! Aber laßt mer sich einmal d'rauf ein, dann halt't mer nit nur, mer wird auch g'halten und mag nit loskommen.«

Das Mädchen kehrte sich gegen die Wand und gähnte. »Pah, wär' mir d'rum, riskieret ich halt ein blaues Fleckel.«

11. Kapitel

Zwei fanden sich in ihren Voraussetzungen getäuscht; der Kleebinder Muckerl, welcher erwartete, daß Helene schon am nächsten Tage an sein Krankenlager eilen, ihn beklagen und sich entschuldigen würde, und der Toni vom Sternsteinhof, der einer Fortsetzung des Streites am Mittagstisch noch für den Abend des gleichen Tages entgegensah. Das Mädchen blieb fern und der Alte stumm.

In der Hütte des Herrgottlmachers sprach die Matzner Sepherl ein, so oft sie Zeit hatte abzukommen, und teilte sich mit der alten Kleebinderin in der Pflege des Kranken. Auf dem Sternsteinhof ging alles seinen gewohnten Gang. Darüber verflossen Tage und wurden zu Wochen, in der vierten durfte Muckerl das Bett verlassen. Er hatte alle Bezeigungen von Freundlichkeit und Sorge seitens der Sepherl gleichmütig hingenommen und litt es auch jetzt, daß diese seiner Mutter behilflich war, ihn wie ein Kind, das erst das Gehen gewöhnen müsse, nach dem Werktische zu leiten.

Tiefaufatmend saß er dort, Sepherl zog einen Stuhl herzu und setzte sich an seine Seite. Die alte Kleebinderin stand mit gefalteten Händen, sah ihren Buben lange nachdenklich an und nickte mit dem Kopfe wie jemand, der sich in etwas schickt, das nun einmal vorüber sei und weit übler hätte ablaufen können. Dann ging sie aus der Stube und ließ die beiden allein.

Sepherl faßte Muckerls Hand. »Wie froh bin ich,« sagte sie, »daß wir dich wieder so weit haben.«

Er starrte vor sich hin, zog sachte seine Hand zurück und begann unter seinen Schnitzmessern und Werkgeräten zu kramen.

»Schau'« – schwätzte die Dirne weiter – »nun hätt' ich an dich eine große Bitt'. Nämlich, ich hab' ein Gelöbnis getan für den Fall, daß alles gut ablaufen tat; aber dasselbe zu halten, war' ich allein nit im Stand' und hab' schon zum vorhinein d'rauf gerechnet, daß du das deine dazu tun würd'st, und das is eigentlich 's allermeiste, wie ich dir frei sagen muß. Gelt, ich bin dreist?«

Er blickte auf. »Gar nit,« sagte er, »ich bin dir viel Dank schuldig.«

»Deswegen doch nit; Dank's halber verlang' ich mir nixl Hör' mich an. Ich hab' der allerheiligsten Jungfrau ein Bildnis versprochen für unser' Kirchen; denk' dir, wie ich kindisch bin, schnitzten müßt's freilich du, ledig' 's Aufstellen war' mein' Sach'. In Gedanken hab' ich's g'habt, weißt, als die Allerreinste, af der Weltkugel stehend, die Schlang' untern Füßen; 's Jesuskind tat wegbleib'n, daß dir's weniger Arbeit macht und billiger kommt. Verstehst?«

Sie sah auf ihre Schürze nieder, die sie glatt strich, und flüsterte: »Was d' dafür kriegst, das zahlet ich dir schon kleinweis, so nach und nach, wann d' mer d'Freundscfaaft erweist.«

»Bist g'scheit?« fragte der Bursche. »Von dir werd' ich noch ein Geld nehmen! Ganz umsonst mach' ich dir's, wie ja auch du umsonst meiner Mutter beig'standen bist in der schweren Zeit.«

»Das geht nit, Muckerl, das darf ich nit annehmen! Ah, wenn ich mir's schenken ließ, da kam' ich freilich leicht davon! Fremde gute Werk' und anderer Eigentum könnt' jeder Narr 'm Himmel geloben, da war' weiter kein Verdienst dabei! Nein, nein, g'schenkt nehm' ich's nit, das war' g'rad so viel, als ob ich unserer lieben Frau nit Wort hielt', wenn ich all's ein'm andern zuschieb', und gar nix dazu tun tat'.«

»Is a Unsinn,« brummte der Bursche ärgerlich, dann blinzte er die Dirne von der Seite an und sagte ernst: »No, weißt was, zahl' mir halt d'Farb, die ich für'n Anstrich brauch'.«

»Wird dös wohl viel ausmachen?« fragte die Dirne rasch. Muckerl hielt die Hand vor den Mund und hustete, dann antwortete er kurz: »Für ein's, was so wenig hat wie du, allweil noch g'nug.«

»Ich dank' dir aber schon recht vielmal, Muckerl.« Sepherl blickte ihn dabei zärtlich an. »Ich kann sagen, da hast mir wohl ein' schweren Stein vom Herzen g'nommen! Und weißt, aufstellen wollen wir dann das Bild nach der Zeit, wo du von der Stellung heimkommst, denn ich denk', dich werden s' doch nit zum Soldaten nehmen.«

Der Bursche schüttelte den Kopf und sah wehmütig lächelnd an seinem abgezehrten Körper hinab. Dann begann er mit der Dirne zu akkordieren, – gleich als hätte er es mit einer 'häbigen Bäuerin zu tun, – wie hoch, welcher Weis' sie wohl das Bildnis haben wolle, und schmunzelte nur verstohlen über ihre redseligen Erklärungen. Zuletzt hieß er sie aus dem Vorrate einen ziemlich schweren Block auf den Arbeitstisch schaffen. Die Figur sollte aber ein Drittel Lebensgröße haben. Von dem Tage an beschäftigte er sich mit dieser Arbeit.

An einem Abende der sechsten Woche war es, daß in der letzten Hütte des Ortes zwei Gesichter sich anstarrten, aus denen jeder Tropfen Blutes gewichen war.

Nach langem peinlichen Schweigen löste sich der Krampf des einen, und wie unter Fieberfrostschütteln fielen die Worte: »Du darfst mich nit in der Schand' lassen.«

Das löste auch die andere Zunge, sie mochte am trockenen Gaumen geklebt haben, so heiser klang es: »Ich weiß mir da kein' Rat, als ihr müßt's h'nauf af'n Hof, 'm Alten unter die Augen.«

Nun folgte erst ein verstörtes, zielloses Hin- und Widerreden und zuletzt eine in angstvoller Hast sich überstürzende Einigung.

Eine bange Nacht ging dem kommenden Morgen vorauf. Der Reif lag noch auf den jungen Gräsern und Blättern, als sich zwei Frauenzimmer durch das Dorf schlichen, sachte, als scheuten sie den Hall ihrer eigenen Tritte, über die Brücke huschten und den Weg nach dem Sternsteinhofe einschlugen.

Das Gesinde machte große Augen, als es so in aller Früh' morgens die Zinshofer mit ihrer Dirn' heransteigen sah. Die Junge schritt aufrecht an Knechten und Mägden vorüber und gab ihnen nicht Gruß, noch Wort; die Alte folgte duchsig nach, sie nickte jedem und jeder zu und grüßte mit einschmeichelnder Freundlichkeit.

Man achselzuckte und lachte hinter den beiden her. Was der Aufzug wohl zu bedeuten hatte?

Der Sternsteinhofbauer saß mit Toni beim Frühstück. Er blickte verwundert auf, als es an der Türe pochte. Toni schrak zusammen, er legte seine Pfeife auf den Tisch, erhob sich und öffnete die Türe.

»Vader,« sagte er bedeutsam.

Die beiden Hereintretenden stammelten ihren Gruß und blieben an der Schwelle stehen. Hier senkte das Mädchen tief den Kopf, während es die Alte für passend hielt, eine so steife Haltung anzunehmen, als sich mit dem Respekte vor dem großen Bauern und ihren müden Knochen vertrug. Sie fand es da ganz am Platze, die beleidigte Mutter hervorzukehren, beileibe aber nicht die in ihrem Kinde, sondern die durch dasselbe beleidigte; sie fixierte mit finstern Blicken den Aufsteckkamm und die zusammengerollten Zöpfe ihrer Tochter; eine strenge Mutter, die gewillt ist, ihre Verzeihung von der Nachsicht und Verzeihung anderer abhängig zu machen.

Der Bauer schmauchte seine Pfeife ruhig fort, tat einen flüchtigen Blick nach den beiden Frauenzimmern, sah dann eine gute Weile seinem Sohne boshaft in das Gesicht, ehe er ihn barsch fragte: »Was soll denn dös?«

»Das is sie, Vader,« begann der Bursche mit stockendem Atem. »Ich wollt', – daß du sie seh'n sollt'st, – weil du sie ja gar noch nit kenn'st. –«

»War ein ganz unnötig Herbemühen,« murrte der Bauer. »Dö Katz' kauf' ich auch nit außer'm Sack.«

»Hab' doch ein Erbarmnis mit den armen, verschreckten Weibsleuten,« bat Toni. »Hör' eher an, was sie zu sagen haben; du weißt gar nit, wie du dich versündigst, wann d' jetzt noch alles im Vorhinein verred'st.«

Der Alte zog die Brauen in die Höhe. »Oho! Willst du mich vor einer Versündigung fürchten machen? Von einer mein' kann da kein' Red' sein, und für a fremde hab' doch ich nit aufz'kommen! Übrigens mög'n d'Weibsleut' sag'n, was s' z'sagen haben, aber du meng' dich mit kein' Wörtl d'rein, das beding' ich mir aus, sonst sein wir gleich fertig!«

»Gut, Vader, ich werd' mich mit kein' Wörtl einmengen,« beteuerte Toni. »Bei allem, was d' angibst und tust, will ich an mich halten! Aber das laß' dir auch g'sagt sein und merk' dir's gut, wie du dich heut' nimmst und gibst, das entscheid't zwischen uns zwei für alle künftige Zeit, –«

»Schau, Bub', droh'n mußt nit,« fiel ihm der Bauer mit anscheinender Gutmütigkeit in die Rede, »'s Drohen führt zu nix; d'rum hab' ich mir's auch geg'n dich ganz abg'wöhnt. Laß' du dö Weibsleut' ihnen Sach' vorbringen, wer weiß, vielleicht komm ich mit ihnen besser auseinander, wie d' denkst.« Er wandte sich nach der Türe. »Na, so redt's.« Als die so geradezu Aufgeforderten lange keine Worte zu finden vermochten, trat er ganz nahe an die Dirne heran. »Dich hätt' ich wohl für kecker gehalten, wo du doch da aufm Sternsteinhof Bäu'rin werd'n willst!«

»Dein Sohn hat mir's so versprochen,« sprach leise die Dirne und unter der Rede räuspernd, »und du wirst ihm wohl daraus kein Vorwurf machen, Sternsteinhofbauer, daß er auf Ehr' halt't!«

»Gar nit, 's Versprechen is recht ehrbar, aber was's Halten angeht, da hab' ich eb'n auch ein Word d'rein z'reden, –«

»Das is vor Gott und Menschen dein Recht.«

»Daran hätt' er eben denken soll'n, bevor er verspricht.«

»Ich hätt' mich nit hergetraut, wenn ich mir nit gewiß war, daß ich dir einmal da herob'n kein' Schand' machen würd'; weil ich mir aber des' g'wiß bin, daß ich dir in kein'm Weg eine machen tat', so bin ich gekommen, dich mit aufgehobenen Händen zu bitten, laß du ihn sein Wort halten!«

Der Bauer kniff die Augen zusammen.

Dreister werdend, fuhr die Dirne fort: »All's Vertrauen hab' ich zu dir. Schau', was ich schriftlich von ihm hab', –«

»'s hat kein' Giltigkeit,« schaltete der Alte ein.

»Du sag'st's, und dir muß ich glauben. Aber in deine Hand' leg' ich's z'rück,« sie drückte ihm das zerknitterte Papier in die Rechte, welche sie dabei mit beiden Händen anfaßte und nicht mehr losließ. »Sein mündlich' Wort auch, mein ganz's Glück und Leben, mein' Ehr' und Hoffen leg' ich in deine Hand, von dir allein erwart' ich's wieder!« Sie sah ihn mit großen, flehenden Augen an, die sich langsam mit Tränen füllten, so daß jetzt Tropfen auf Tropfen über ihr Wangen rollte.

Der Bauer trat einen Schritt zurück und sagte, die Achsel lüpfend, zur Alten: »Zinshoferin, du wirst einseh'n, all' das sein Kindereien, das kann nit sein und geht nit an! Mich dauert's junge Blut, aber das ganze jammerige Getu' wär' uns allz'samm erspart 'blieben, hätt'st du, wie sich's g'hört, dein' Dirn bewacht.«

Die Alte blickte mit verdrehten Augen nach der Stubendecke auf, die sollte Zeuge sein, wie hart und ungerecht sie da angeklagt wurde.

Der Bauer hatte das Heiratsversprechen Tonis entfaltet. Helenen zuckten die Finger, es wieder an sich zu nehmen. Der Alte sagte, über die Achsel hinweg, rauh zu Toni. »Da sieht man, was dabei h'rauskommt, wenn Bub'n, kaum aus der Schul', sich in solche Sachen einlassen. Laß' dir dein Lehrgeld z'ruckgeb'n. Schreibst da ›seinzeit‹ und sollt'st doch wissen, daß's nach der Schrift ›seiner Zeit‹ heißen muß.« Er zerriß das Blatt in kleine Stücke, die auf die Diele niederstoben.

Da warf sich Helene vor ihm auf die Knie. »Sternsteinhofbauer,« kreischte sie, »so wahr du af a glückselige Sterbstund' hoffst, beug' nit aus, red' nit herum, erbarm' dich meiner Not! Ich hab' ganz af'm Toni sein Wort vertraut, – sei du nit dawider, daß er mir gibt, was er mir g'nommen, mein' Ehr'!« Sie rang, laut aufschluchzend, die Hände.

»Lump, elendiger!« schrie der Alte. »So weit is's schon mit dir, daß d'r kein G'wissen d'raus machst, eine in's Elend z'bringen?! – Steh auf, Dirn'! Steh' auf, sag' ich!«

»Nit eher, Sternsteinhofbauer, um die Welt nit eher und müßt' ich ein' Ewigkeit dalieg'n, bis du verzeihst und mich mit ihm z'sammengibst!«

»No, no, fein g'scheit! Weil du unvernünftig warst, kannst nit verlangen, daß's andere auch sein sollen! 's G'schehene laßt sich – leider Gott's – nimmer ung'schehen machen, aber was mir in dem Fall z'tun obliegt, das werd' ich auch tun, vielleicht über Erwarten, denn Kargerei und Schmutzerei laßt sich der Sternsteinhofbauer nit nachsagen.« – Er kehrte sich ab und ging nach einem Schrank, an welchem er eine Lade herauszog.

Helene sah ihm mit glühenden, nun trockenen Augen nach, und hinter den geöffneten Lippen schlugen ihr die Zähne zusammen.

Der Alte fuhr fort: »Wie sich's weiter schicken wird, das is dermal nur Gott allein bewußt, aber wann's nottut, so will ich auch für künftighin meine Hand nit von dir abzieh'n. Für's erste, nimm das!« Er drückte dem Mädchen einen Pack Banknoten in die Hand.

Mit einem Ruck stand Helene aufrecht und warf ihm das Geld vor die Füße. »Geld? Geld biet'st du mir?« schrie sie. »Geld für meine Ehr'?! Für die reicht mer just dein Sternsteinhof – weniger nit! –« Sie preßte beide Hände gegen die Brust, und die Sprache versagte ihr.

Der Bauer zog den Mund breit und starrte ihr mit pfiffigem Blinzeln in die zornsprühenden Augen. »Und auf'n Hof war's alleinig abg'seh'n, wie ich hitzt wohl merk',« höhnte er. »Bist a Überschlaue, du! Wär' der Bub' nit der Toni vom Sternsteinhof g'west, er hätt' dir nie in d'Näh' kommen dürfen; find's auch begreiflich, wüßt nit, wie sich eine sonst in ihn verschauen könnt'. Aber fein hast's eing'fädelt, das muß mer sagen! Nit umsonst hast dir Wort und Schrift geben lassen, und auch dein Leichtsinn war nit unüberlegt; denn hitzt schaut's völlig darnach aus, als wär' von deiner Seit' der Handel ehrlich und die War' echt, während mer dir vorenthalten tät', was mer nur versprochen hat, um dich d'ran z'kriegen! Du siehst, ich kenn' mich aus. Es is eb'n leichter ein' jungen Gimpel fangen, als ein'm alten Fuchs Eisen stellen. Sei lieber fein vernünftig,« – er wies nach den auf dem Boden liegenden Bankzetteln, – »und laß' nit liegen, was allein für dich da z'holen is, um das, was d' nie kriegst.«

Immer verzerrter war das Gesicht der Dirne geworden, immer krampfhafter arbeiteten ihre Züge, jetzt ballte sie die Faust gegen den Alten und taumelte zur Türe hinaus. Sie hatte keinen Blick für Toni, der trotzig beistimmend ihrem Abgange zunickte, keinen für die Mutter, die nicht ermüdete, stumm die Hände gegen den Bauern auszustrecken und dann beteuernd an die Brust zu legen; nur ein Gefühl beherrschte ihr Sinne und Seele, das des erbittertsten Hasses, verschärft durch die quälende Empfindung ihrer Ohnmacht, und während sie Stufe um Stufe, Fuß vor Fuß die Treppe hinunterwankte, tat sie das Stoßgebet: Gott möge sie den Tag erleben lassen, an dem sie dem protzigen Bauern all' das Heutige heimzahlen könne!

»Was willst du noch?« herrschte der Alte die Zinshofer an, die noch immer an der Türe stand.

Sie blickte verlegen und begehrlich nach den auf der Diele liegenden Scheinen.

»Ah, dir tut's Geld leid?« lachte er. »No, so nimm's! Aber sorg' dafür, daß die Dirn' Dummheiten und Aufhebensmachen sein laßt! Je weniger davon unter d'Leut kommt, desto g'scheiter is's für sie selber.« Er schob ihr die Banknoten mit dem Fuße zu.

Das Weib lächelte dankbar, raffte das Geld auf und schlich mit einem »Vergelt's Gott« davon.

»Vader,« sagte Toni, ganz nahe an den Bauern herantretend, »ich hab' mein Wort g'halten, ich hab' mich nit eing'mengt, aber jetzt reden wir zwei miteinander.«

Der Alte maß ihn mit einem geringschätzigen Blicke. »Na, so red zu.«

»Solang' ich noch minderjährig bin, darf ich ohne dein' Einwilligung nit heiraten, –«

»Das steht.«

»Darum werd' ich halt d'Großjährigkeit abwarten. Bis dahin aber zieh' ich mich mit der Dirn' zusamm'.«

»Wohin denn?«

»Das weiß ich selber noch nit. Kommt drauf an, wo ich ein' Platz find'. Von morgen an verding' ich mich als Knecht.«

»'s wird dich niemand nehmen.«

»Oho! Da d'rauf hoff du nur nit. Ich kann arbeiten.«

»Dummer Bub', wie d' daherred'st! Was is da meinseits z'hoffen oder z'fürchten? Dich wird kein Bauer nehmen: weil d' Stellung vor der Tür is.«

»D'Stellung?«

»No ja. Mer nimmt doch kein' Knecht, der ein'm etwa in vierzehn Tag'n mit'm Sträußel af'm Hut von der Arbeit davongeht.«

»Du ließ'st mich zu'n Soldaten?« »G'wiß.

»Du willst mich nur schrecken. Ich hör' ja schon lang' von ein'm Abreden mit'm Käsbiermartel, –«

»Da war noch a andere Abred' dabei, und is hitzt die eine mit der andern hinfällig word'n.«

»Vader, da d'rein schick' ich mich niemal, so unter wildfremde Leut' in ein' anderm Weltteil! Da mach's kürzer, schlag' mich lieber gleich tot.«

»Dös werd' ich mir überleg'n; kein' Schad' wär wohl nit um dich, aber ich müßt' dich für ein' Guten zahl'n.«

»Tu' ich mir halt selber was an!«

»Larifari, Dö's tut, sag'ns nit, und dö's sag'n, tun's nit!«

»No und wann ich auf und davon renn'?!«

»So bringen s' dich halt ein, und du kannst in Handschell'n, 'n Schandarm hinter deiner, durch ein paar Ortschaften spazier'n.«

»Und just nit gib ich mich! Allz'samm Verderb' ich euch 's Spiel! Was denn nachher, wann ich mir zufällig ein' Finger von der Hand hack'?!«

»Dös tu'! Dann nehmen s' dich erst recht, stecken dich af a Festung wohin zu einer Strafkompanie, und da kannst dir karren und schaufeln g'nug. Jo, mein Bürschel!«