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Inhalt

Die Postkarte

Eine gute Idee

Im Hidden Valley

Fohlen in Gefahr

Die Legende vom weißen Mustang

Silvio White

Böse Überraschung

Das Rodeo

Leise Töne

Zwei Briefe

Ein lustiger Abend

Silvios Plan

Total fies!

Ein Plan mit Haken

Der Puma

Freiheit

White Horse

Leseprobe "Indianerpferde in Gefahr"

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Die Postkarte

Bibi Blocksberg und ihre Freundin Tina Martin saßen schweigend am Ufer des Gold River. Seit zwei Minuten hatte keines der Mädchen ein Wort gesagt, denn Tina hatte schlechte Laune. Bibi hatte vergeblich versucht, ihre Freundin aufzuheitern, und während sie noch überlegte, was sie tun sollte, ergriff Tina plötzlich einen großen Stein und warf ihn wütend in den Fluss. Auf der Oberfläche erschienen breite Ringe, doch schnell glättete sie sich wieder, und der Gold River floss weiter wie zuvor – dem Fluss war Tinas Wutausbruch völlig egal.

Bibi konnte ihre Freundin sehr gut verstehen. Seit beinahe drei Wochen waren sie schon in Amerika, und Tinas Freund Alex hatte sich kein einziges Mal gemeldet. Dabei waren er und sein Vater seit einer Woche wieder zurück auf Schloss Falkenstein! Das hatte Tina bei einem Telefongespräch mit ihrer Mutter erfahren. Graf Falko von Falkenstein hatte den Urlaub in Griechenland, der eigentlich die ganzen Ferien hätte dauern sollen, aus geschäftlichen Gründen vorzeitig beenden müssen. Trotzdem hatte Alex weder bei Tina angerufen noch eine Postkarte geschickt. Da war es ganz verständlich, dass Tina sauer war, oder? Sie selbst hatte einen langen Brief an Alex verfasst, mit allen Einzelheiten ihrer Abenteuer, die sie hier erlebt hatten – und keine Antwort erhalten.

Auch dass sie das Indianermädchen Lucy kennengelernt hatten, hatte Tina geschrieben. Vor zwei Tagen war Lucy zu ihrer Familie in das Reservat zurückgekehrt. Der Abschied war den Mädchen schwer gefallen, auch wenn sie sich versprochen hatten, sich bald wiederzusehen. Vielleicht würde Lucy sie schon im nächsten Sommer auf dem Martinshof besuchen! Das wäre bestimmt lustig!

Aber erst einmal war sie weg, und andere gleichaltrige Freunde hatten Bibi und Tina hier nicht.

Das war vielleicht auch ein Grund dafür, dass Tina ihren Alex auf einmal so vermisste und täglich auf Nachricht von ihm wartete, überlegte Bibi.

„Bestimmt hat Alex gute Gründe, warum er sich nicht meldet!“, versuchte sie, Tina zu trösten. „Vielleicht ist er einfach noch nicht … dazu gekommen.“ Kaum, dass sie es ausgesprochen hatte, wusste Bibi selbst, wie blöd das klang.

„Ja, und ich weiß auch genau, warum“, entgegnete Tina düster. „Bestimmt hat er in Griechenland eine andere kennengelernt!“

„Quatsch!“ Bibi schüttelte heftig den Kopf.

In Sachen Aufmunterungsversuche war sie wirklich eine Niete, dachte sie. Vielleicht wäre es besser, einfach das Thema zu wechseln?

„Wir müssen bald zur Ranch zurück“, meinte sie schließlich und blinzelte in die Sonne, die schon weit im Süden stand. „Ellie legt Wert darauf, dass wir pünktlich zum Mittagessen da sind. Bestimmt hat sie wieder etwas Leckeres gekocht.“

Die beiden Mädchen sattelten ihre Pferde, die in aller Ruhe hinter ihnen gegrast hatten. John hatte ihnen zwei seiner besten Tiere anvertraut, die braune Stute Sally und den Rappen Zorro.

Bibi und Tina ritten das Flusstal hinauf. Oben erstreckte sich die weite, ebene Prärie. Während sie in Richtung Horsehead Ranch trabten, warf Bibi ihrer Freundin hin und wieder einen Seitenblick zu. Tina schien immer noch ihren trüben Gedanken nachzuhängen. Tja, wenn Tina schlechte Laune hatte, konnte man wirklich nicht viel machen. Außer ...

Plötzlich hatte sie eine Idee.

„Unser letztes Wettreiten ist auch schon wieder 'ne Weile her ...“, meinte sie betont uninteressiert. „In deiner Stimmung hättest du natürlich sowieso keine Chance gegen mich!“

Tina tat zunächst so, als hätte sie das gar nicht gehört. Doch plötzlich schob sie ihren Cowboyhut in den Nacken. Ihre Augen blitzten.

„Wie bitte? Keine Chance?“, wiederholte sie. „Willst du mich herausfordern, Bibi Blocksberg?“

„Und wenn es so wäre, Tina Martin?“, erwiderte Bibi so cool wie ein Revolverheld vor dem Duell.

„Dann hättest du keine Chance!“, gab Tina zurück.

„Das werden wir gleich sehen“, meinte Bibi, immer noch mit ihrer Revolverheldenstimme. Plötzlich rief sie laut: „Wer als Erster bei der Horsehead Ranch ist! Auf die Plätze, fertig, los! Hüa!“

„Na warte!“, hörte sie Tina, die ihren Zorro ebenfalls antrieb.

Noch hatte Bibi einen klaren Vorsprung. In vollem Galopp drehte sie sich zu ihrer Freundin um: „Wo bleibst du?“, rief sie. „Machst du ein Nickerchen?“

Tina wollte jetzt nur noch das Wettreiten gewinnen! Ihre Wangen waren gerötet und ihre Probleme mit Alex völlig vergessen.

„Das mache ich, wenn ich am Ziel auf dich warte!“, gab sie zurück. Tatsächlich kämpfte Tina sich heran. Kopf an Kopf jagten die beiden auf die Horsehead Ranch zu, die jetzt vor ihnen auftauchte.

„Gewonnen!“, schrie Tina kurz darauf und brachte ihren Rappen zum Stehen. Sie hatte Bibi um eine ganze Pferdelänge geschlagen.

„Nicht schlecht!“ Bibi klopfte ihrer Freundin auf die Schulter. „Hätte ich dir nicht zugetraut.“

Tina lachte nur. „Gib‘s zu, Bibi. Du hast dich nicht richtig angestrengt.“

Bibi grinste. Tatsächlich hatte sie Sally ein wenig zurückgehalten. Sie hatte gedacht, es würde Tinas Laune heben, wenn sie das Wettrennen gewann.

Und auch wenn Tina Bibi durchschaut hatte – bessere Laune hatte sie jetzt trotzdem. So ein Wettreiten war eben eindeutig das beste Mittel gegen Liebeskummer!


Als sie ihre Pferde um das Ranchgebäude herumführten, kam ihnen John entgegen. Der Rancher trug seinen rechten Arm immer noch in Gips. Bei einem Sturz vom Pferd hatte er sich vor einigen Wochen den Arm gebrochen. Der ehemals weiße Gips war inzwischen ziemlich schmutzig geworden, weil John einfach nicht untätig herumsitzen konnte. Irgendetwas gab es für ihn immer zu arbeiten. Da konnte seine Frau Ellie noch so schimpfen. Zum Glück würde der Gips morgen endlich abgenommen werden.

„Beeilt euch, Kinder!“, rief er gut gelaunt. „Mittagessen ist fertig.“

Nachdem Bibi und Tina Sättel und Zaumzeug in dem kleinen Holzschuppen verstaut hatten, ließen sie Zorro und Sally auf die Weide. Die Pferde der Browns waren das ganze Jahr über draußen, sie hatten noch nie einen Stall von innen gesehen.

Als Bibi und Tina die Stufen der Veranda hochstiegen, blieb Tina wie angewurzelt stehen. Sie blickte unverwandt auf den Briefkasten neben der Haustür: Es war eine typisch amerikanische Mailbox mit einem roten Fähnchen, das jetzt nach oben zeigte. Das bedeutete: Der Postbote war da gewesen und hatte Post gebracht!

„Alex! Er hat mir geschrieben“, rief Tina überglücklich. Sie öffnete sofort den Briefkasten und griff hinein. Als ihre Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie eine Postkarte zwischen den Fingern.

„Guck mal, Bibi! Wie süß! Alex hat mir eine Cowboy-Postkarte geschickt!“, rief sie.

Tatsächlich: Ein junger Cowboy war auf der Karte abgebildet. Er saß auf einem weißen Pferd, und auch er selbst war ganz in Weiß gekleidet. Der Cowboy trug ein strahlendes Lächeln im Gesicht und sah sehr gut aus.

Als Tina die Karte umdrehte, erstarb ihr Lächeln, als hätte jemand einen Schalter ausgeknipst.

„Die Karte ist gar nicht für mich!“, sagte sie tonlos. „Sondern für Ellie und John. Sie ist auch nicht von Alex, sondern von einem gewissen … Silvio White.“

Tina versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen, aber Bibi kannte sie. Ihre Freundin war den Tränen nah. Arme Tina, dachte Bibi und seufzte. Plötzlich fiel ihr etwas ein: Silvio White – diesen Namen hatte sie schon einmal gehört, oder? Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Auch den Cowboy auf der Karte hatte sie schon einmal gesehen.

Wo konnte das bloß gewesen sein?

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Eine gute Idee

„Da seid ihr ja!“ rief Ellie, als Bibi und Tina in die Küche kamen. John und Tom waren gerade dabei, den Tisch zu decken. Bibi nahm Tina die Karte aus der Hand und hielt sie Ellie hin. „Wir haben Post mitgebracht“, sagte sie.

Ellie wischte sich die Hände sorgfältig an der Schürze ab, ehe sie die Karte nahm. „Das ist ja Silvio!“, rief sie.

Offenbar war der Cowboy auf der Karte also Silvio White, überlegte Bibi. Silvio White hatte eine Karte geschickt, auf der er selbst abgebildet war? Ganz schön seltsam!

Ellie hatte die Karte inzwischen umgedreht, um sie zu lesen „John, stell dir vor: Silvio kommt uns besuchen!“, rief sie.

„Wird auch langsam Zeit!“, brummte ihr Mann: „Der Bursche hat sich seit über zehn Jahren nicht blicken lassen.“

Während Ellie Cheeseburger mit Pommes Frites und selbst gemachtem Ketchup servierte, meinte Bibi: „Wer ist dieser Silvio White eigentlich? Irgendwie kommt er mir bekannt vor. Kann es sein, dass ich ihn schon mal gesehen habe?“

„Natürlich!“, sagte Ellie. „Silvio ist sehr berühmt.“

War er mal!“, warf John ein.

Doch Ellie achtete gar nicht auf ihn. Während sie aßen, erzählte sie von Silvio White. „Der Cowboy auf der Karte, das ist Silvio als junger Mann“, erklärte sie. Silvio habe in zahlreichen Western die Hauptrolle gespielt und sei in ganz Amerika als „der singende Cowboy“ bekannt, berichtete Ellie weiter.

„In seinen Filmen hat er nicht nur eine Menge Heldentaten vollbracht, sondern auch immer schöne Lieder dazu gesungen“, ergänzte John etwas spöttisch.

Auf einmal fiel Bibi ein, wo sie diesen Mann schon einmal gesehen hatte. Ihr Vater liebte Western, und in einem dieser Filme hatte Silvio White mitgespielt. Allerdings fiel Bibi der Titel nicht ein.

„Und woher kennt ihr ihn?“, fragte sie Ellie und John. Schließlich waren die wenigsten Leute mit berühmten Schauspielern bekannt.

Silvio White stammte, genau wie John und Ellie, aus dem nahe gelegenen Western Town, erfuhr sie.

„Er und John waren sehr gute Freunde“, sagte Ellie. Sie selbst habe die beiden vor vielen Jahren bei einem Rodeo in Western Town kennengelernt, an dem sie teilgenommen hätten. Auch ein Filmproduzent war bei diesem Rodeo anwesend, der einen Darsteller für einen Western suchte. Und kurz darauf hatte Silvio seine erste Filmrolle in der Tasche: „Er war ein sehr guter Reiter, sah toll aus und konnte gut singen und Gitarre spielen“, erklärte Ellie.

Wie sich herausstellte, besaß Silvio White sogar schauspielerisches Talent. Jedenfalls machte er eine atemberaubende Karriere in Hollywood. Über Nacht war aus dem armen Cowboy ein berühmter Filmstar geworden.

„Das Dumme war bloß, dass singende Cowboys irgendwann aus der Mode kamen“, fuhr John fort. Silvio wurden in den kommenden Jahren immer weniger Filmrollen angeboten, und in der letzten Zeit war es sehr still um ihn geworden.

Tina hatte sich an dem Gespräch überhaupt nicht beteiligt.

„Was ist denn mit dir los, Mädchen?“, fragte John sie jetzt. „Stimmt etwas nicht?“

Tina zögerte: „Na ja, es ist … ähm … nichts.“

Bibi wusste, dass es Tina peinlich war, darüber zu sprechen. Also übernahm sie das: „Tina wartet auf Nachricht von ihrem Freund Alex. Aber der meldet sich einfach nicht, obwohl er schon seit einer Woche zurück auf Falkenstein ist und Tina ihm einen richtig langen Brief geschrieben hat.“

Tina nickte bedrückt: „Ja, ich glaube, Alex hat mich vergessen.“

„Unsinn!“, brummte John. „Ein Mädchen wie dich vergisst man nicht.“

Der alte Rancher war nicht gerade jemand, der besonders freizügig Komplimente verteilte. Also musste etwas dran sein an dem, was er sagte.

„Glaubst du wirklich?“, fragte Tina ihn hoffnungsvoll.

John nickte ernsthaft. „Natürlich! Du kannst gut reiten und ausgezeichnet mit Pferden umgehen. So jemanden findet man nicht so leicht.“

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