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Nr. 105

 

Im Schatten der Schlange

 

von Hugh Walker

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Mythor, der Sohn des Kometen, begann seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels und des Bösen in Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt. Dann, nach einer relativ kurzen Zeit des Wirkens, in der er dennoch Großes vollbrachte, wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von den Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam.

Gegenwärtig befinden sich der Sohn des Kometen und seine Gefährten, zu denen inzwischen auch Fronja, die ehemalige Erste Frau von Vanga, und Burra, die Amazone, gehören, inmitten der Schattenzone, wohin sie mit der Luscuma gelangt sind. Mit der kleinen Phanus versuchen sie nun, gegen all die Schrecken zu bestehen, die die Dämonen und ihre Helfer gegen die Eindringlinge aufzubieten haben.

Indessen führt auch Nottr, der Barbar, im fernen Gorgan seinen Kampf gegen die Dunkelmächte weiter. Mit den ihm verbliebenen Getreuen will er das Böse an der Wurzel packen. Er zieht deshalb gen Nordwesten – und bewegt sich IM SCHATTEN DER SCHLANGE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Nottr – Der Barbar als Streiter des Lichtes.

Thonensen, Lella, Baragg und Urgat – Einige von Nottrs Freunden und Kampfgefährten.

Maer O'Braenn – Ein Heerführer der Caer.

Dilvoog – Ein Überläufer aus der Finsternis.

Barynnen – Ein Caer, der sich als Priester ausgibt.

1.

 

Es war eine für Caer-Verhältnisse völlig ungewöhnliche Versammlung von Clanführern und Heerführern. Sie fand in der Abenddämmerung statt, einen Tagesritt westlich von Darain, zwischen den bewaldeten Hügeln, wo die Lagerfeuer der über dreißig Tausendschaften, die einst unter Amorats Befehl gestanden hatten, den Eindruck einer gewaltigen Stadt erweckten.

Weit über hundert Anführer waren um das größte der Lagerfeuer versammelt, um auf die Entscheidungen der Ritter zu warten. Diese, neunzehn an der Zahl, saßen ein wenig abseits an einem kleineren Feuer. Aber nicht die große Zahl machte die Versammlung zu etwas Ungewöhnlichem, sondern die Abwesenheit von Priestern.

Zu dieser Stunde waren sie alle freie Männer. Dieser Umstand und ihre große Zahl säten Hoffnungen und Wünsche in ihre Herzen und weinschweren Köpfe.

Hoffnungen auf Heimkehr und Befreiung der alten Heimat von den Priestern und ihren Dämonen.

Selbst die alte Rivalität zwischen Hochländer-Clans und Tiefländern war vergessen. Es gab nur Caer, und sie fühlten sich stark wie in jenen Tagen, als sie auszogen, die Welt zu erobern – bevor sie wussten, dass sie es für die Hölle taten.

Der Mann, auf den sich ihre Hoffnungen richteten, war Maer O'Braenn. Er hatte gegen Priester und Dämonen gekämpft und gesiegt. Die rechte Hälfte seines Gesichtes und sein rechter Arm waren gezeichnet von den Schatten – magische Narben. Für die Caer waren sie wie Zeichen eines Banners, dem sie folgen wollten.

Die Beratung am Feuer der neunzehn war eine der ruhigsten, zu denen Caer-Führer je zusammengekommen waren. Sie tauschten ihre Erfahrungen aus, und es waren grimmige Erfahrungen, über die sie mit finsteren Gesichtern und geballten Fäusten berichteten; Erfahrungen von Ohnmacht und Grauen und Resignation; die Erfahrung, dass jeder Sieg nur eine Niederlage war.

Es war gut, darüber reden zu können.

Und es war an der Zeit, zu handeln. Das Land bot nicht mehr genug zu essen für so viele Krieger. Mit der Eroberung Darains durch die Barbaren fiel auch der gut organisierte Nachschub aus den Provinzen Tainnias nach und nach aus. Der spärlichen Karawanen wegen, die noch eintrafen, war es bereits zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Barbaren und Caer gekommen. Der Enthusiasmus darüber, dass die Vernichtung Amorats und seines Dämonenherrn Duldamuur nicht ein einziges Caer-Leben gekostet hatte, begann sich langsam zu verflüchtigen. Es sah aus, als würden sie sich aller Vernunft ihrer Anführer zum Trotz doch noch in die Haare kriegen.

Maer O'Braenn saß stumm am Feuer. Er lauschte angespannt. Er verbarg sein Gesicht nicht länger unter dem Schatten einer Kapuze oder eines Helmes. Er wollte, dass sie seine Narben gut sehen konnten. Die Nacht verlieh der dunklen Hälfte seines Gesichts etwas Gespenstisches. Die Trennungslinie verlief quer durch das Auge. Es war, als ob der halbe Schädel sich in der Schwärze der Nacht auflöste. Manchem der Männer fiel es schwer, den Blick abzuwenden. Aber O'Braenn achtete nicht darauf. Seine dunkelhäutige Hand hielt den Becher so fest umklammert, dass die Finger fast weiß wurden.

Wortführer der anderen war Ray O'Cardwell, einer der mächtigsten Clanführer der Hochländer. Ihm war das Heer gefolgt, als die dämonisierten Führer Owain O'Frankaeris und Merse Ma'Orann den Tod fanden. Er war O'Braenns treuester Verbündeter. Wie O'Braenn war er um die Vierzig. Sein Haar war rötlicher als das O'Braenns, seine Mähne nicht weniger wild. Sein bärtiges Gesicht ließ nicht viel erkennen von dem, was in ihm vorging, doch seine lebhaften Augen sprachen um so deutlicher.

»Es gibt keinen unter uns, dem dein Plan nicht gefällt, keinen, der nicht noch in dieser Stunde losziehen würde, wenn du das Zeichen gibst, Maer. Nie waren unsere Stämme einiger. Alle spüren, dass unsere alten Götter mit uns sind. Unser Kampf ist auch ihr Kampf. Noch nie zuvor waren wir so stark ... drei Dutzend Tausendschaften voller Grimm und Rachedurst. Wir werden uns unsere geliebten Berge von Caer im Handstreich zurückerobern und stong-nil-lumen unter unseren Stiefeln zertreten. Wir werden ...«

Maer O'Braenn unterbrach ihn: »Wir dürfen unsere Stärke nicht überschätzen, Ray ...«

»So hast du selbst Zweifel am Erfolg?«

O'Braenn nickte düster. »Ich weiß, was sie mit ihren Kräften vermögen, und der Weg ist weit bis Caer. Aber es mag nie wieder eine Chance wie diese geben. Unsere Söhne und Töchter, die im Antlitz der Dämonen aufwachsen, würden uns niemals vergeben, wenn wir nun nicht alles wagten ...«

»Wir würden es uns selbst niemals vergeben.« Die Männer nickten grimmig.

»Wissen eure Männer um die Gefahren, die ihnen bevorstehen?«

»Ja ...«

»Weiß jeder einzelne, welches schreckliche Schicksal ihn erwartet, wenn ihn der Mut verlässt, und dass der Tod das leichtere Los ist?«

»Ja, jeder weiß es ...«

»Der gefürchtete Dämonenkuss ist nicht das Schlimmste. Ich habe keinen Qualen leiden sehen, der besessen war. Aber wir sahen die Nils in Hughburgh. Ihr Fleisch war von der Finsternis besessen. Sie wurden zu Ungeheuern, während sie bei vollem Verstand waren ...«

Die Vorstellung ließ selbst diese starken Krieger schaudern.

Morion O'Killy, ein bärtiger, gedrungener Hochländer, sagte: »Wir haben auch von Dingen gehört, die diese Teufel auf der Insel ausbrüten. Hast du schon von den Gianten gehört?«

O'Braenn schüttelte verneinend den Kopf.

»Das sind unbesiegbare Krieger mit einer Haut aus Eisen, durch die kein Schwert dringt.«

»Hat einer sie gesehen?«, fragte O'Braenn.

Keiner hatte sie bisher gesehen, aber keiner zweifelte an ihrer Existenz.

O'Braenn nickte. »Wir wissen wenig ...«

»Wir wissen mehr als die meisten«, warf O'Cardwell ein.

»Das stimmt. Und wir sind vorsichtiger, als je Menschen zuvor waren, die Dämonen gegenüberstanden. Wir kennen deine Erfahrungen, O'Braenn. Wir kennen die Art ihrer magischen Fallen. Wir wissen von ihren geflügelten Spähern und ihren mörderischen Kriegern. Und unsere beste Waffe ist die Überraschung ...«

»Diese Waffe wird rasch stumpf werden, Morion ...«

»Wenn die Götter mit uns sind, wie wir glauben, erreichen wir Caer, bevor sie zu stumpf ist.«

»Mag sein«, erwiderte O'Braenn. »Aber wenn es stimmt, was Dilvoog sagte, und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dann sitzt ein Dämonenpriester mit Namen Ondhin in Elvinon ...«

»Ja. An seinen Altären beten sie zu einem schwarzen Ungeheuer, das sie Tarthuum nennen.«

»Elvinon ist nah«, stellte O'Braenn fest.

»Die Barbaren lassen keinen mehr aus der Stadt, der sie einmal betreten hat«, wandte O'Cardwell ein. »Und durch unsere Reihen konnte keiner schlüpfen, um die Kunde von der Eroberung Darains nach Elvinon zu tragen ...«

»Sie haben ihre geflügelten Boten«, warf einer ein.

»Wir hätten sie gesehen ...« O'Cardwell schüttelte den Kopf. »Denkst du, dass sie es bereits wissen, Maer?«

O'Braenn nickte zustimmend. »Es sollte mich wundern, wenn diese Teufelspriester nicht auch noch andere Mittel und Wege hätten, um miteinander in Verbindung zu bleiben. Und es sollte mich noch mehr wundern, wenn es der Finsternis lange verborgen bliebe, dass ein Dämon sein Ende gefunden hat. Aber wenn die Götter wirklich auf unserer Seite sind, dann weiß Ondhin vielleicht noch nicht, was wir zum Untergang Darains beigetragen haben. Er wähnt uns vielleicht geschlagen, und er wird eine Weile mit den Barbaren zu tun haben. Bis er sich ernsthafte Gedanken über den Verbleib der Armee von Darain machen wird, haben wir unsere Spuren vielleicht schon verwischt. Wir werden in kleinen Gruppen aufbrechen. Wer immer unsere Männer zu Gesicht bekommt, soll nicht erkennen, dass wir eine ganze Armee sind. Auch dieser Nottr kam mit seinen Barbaren solcherart gut voran ...«

»Barbaren!«, warf O'Killy ein.

»Es gibt einiges, das wir von ihnen lernen können«, sagte O'Braenn ruhig. »Wir werden weit nach Westen gehen ... bis an die Küste bei Akinlay ...«

»Akinlay?«, entfuhr es O'Cardwell. Auch die anderen starrten überrascht. »Was wollen wir so weit im Westen? Weshalb brechen wir nicht nach Elvinon auf? Bevor sie herausfinden, dass wir als Feinde kommen, haben wir die Stadt schon überrannt ...!«

»Elvinon ist nicht Darain, keine Stadt für einen Handstreich, hast du das vergessen, Ray? Sind die Tage Coerl O'Marns so rasch vergessen?« O'Braenn schüttelte den Kopf. »Nein, wir würden zuviel unserer Kraft opfern für eine Stadt, die uns nichts bedeutet. Und wenn sie erst wissen, welche Richtung wir eingeschlagen haben, werden alle Dämonen der Finsternis auf unserem Weg lauern. Deshalb sage ich Akinlay ... in aller Stille. Dort vermutet uns niemand. Und dort finden wir auch Schiffe, um die Straße der Nebel zu überqueren.«

Die Männer nickten, zögernd erst, aber sie begannen sich rasch für den Plan zu erwärmen. Der Weg führte durch Gebiete, die längst nicht so ausgeplündert waren wie das Land um Darain und Elvinon. Die Versorgung der Armee, noch dazu in kleinen Gruppen, würde wesentlich leichter sein. Und der Hunger ließ bereits manchen murren.

»Keine größeren Formationen als fünf Hundertschaften«, fuhr O'Braenn fort. »Besser kleiner. Und lasst nicht jeden Mann wissen, was das Ziel ist. Sie sollen Burgen und Dörfer in weitem Bogen umgehen und Zusammentreffen mit Priestern und Magiern vermeiden. Wenn es dennoch geschieht, muss unter allen Umständen das Geheimnis gewahrt werden, dass das gesamte Heer nach Westen zieht. Wir können nur Erfolg haben, wenn unser Verbleib möglichst lange geheim bleibt, am besten, bis wir tief in Caer sind. Jede Gruppe ist daher völlig auf sich allein gestellt und muss mit ihren Mitteln allein versuchen, nach Akinlay zu gelangen. Erst wenn wir die Straße der Nebel überquert haben, werden wir uns formieren. Einverstanden?«

Eine Weile war Schweigen, dann erklärte O'Cardwell: »Ein guter Plan, obwohl ich glaube, dass wir einige Tausendschaften einbüßen werden ...«

»Vielleicht nicht, wenn wir vorsichtig sind. Aber ein oder zwei Tausendschaften wären ein geringer Preis, um aus dem Blickfeld Ondhins zu verschwinden. Zudem sollte unsere Zahl wachsen auf dem Weg. Überall sind die Krieger unseres Volkes die Besatzungstruppen in Tainnia. Wenn unsere Krieger auf sie stoßen, dürfen sie keinen zurücklassen ...«

O'Killy grinste. »Wir werden sie mit allen Mitteln überzeugen!«

»Die Tainnianer ...«

»Sie werden nicht viel davon halten, wenn wir sie nach Caer schleppen, damit sie dort für uns kämpfen, nach allem, was geschehen ist ...«

O'Braenn nickte. »Sie sollen erkennen, dass wir gegen einen gemeinsamen Feind ziehen. Es wäre unklug, sie zu erschlagen, denn in diesem Kampf sind sie uns gute Verbündete. Jedes lebende Wesen ist mit uns verbündet. Es ist noch kein halbes Dutzend Jahre her, da war Tainnia ein blühendes Reich ... und wir ein Teil davon. Jetzt sind Tod und Chaos überall. In einem weiteren halben Dutzend Jahren ...« Er überließ es der Phantasie jedes einzelnen, sich die Zukunft auszumalen.

»Ihr wartet auf das Zeichen, um loszuziehen«, fuhr Maer O'Braenn fort. »Jetzt ist der Augenblick für die ersten, aufzubrechen. Lasst das Los entscheiden. Bis zum Mittag kann das ganze Heer auf dem Weg sein ...«

»Bei Nacht willst du losziehen?«, fragte O'Cardwell skeptisch.

»Der Mond ist hell genug. Es sind nur wenige Stunden bis zum Morgen. Wenn wir bis zum Morgen warten, werden die letzten nicht vor Anbruch der Nacht aufbrechen können, und ich halte es nicht für ratsam, noch eine Nacht hier zu verbringen. Ich bin von Unruhe erfüllt. Ich sehe Schatten, wenn ich die Augen schließe, und in meinem Kopf sind Echos von Stimmen. Es ist wie der Schmerz in alten Wunden, wenn das Wetter umschlägt ...« Er schauderte merklich und erhob sich vom Feuer. »Habt Vertrauen zu mir, Clans von Caer. Die Barbaren hatten gute Waffen gegen Amorat und Duldamuur. Diese Waffen werden noch in dieser Nacht in unserer Hand sein. Und nun bereitet alles zum Aufbruch vor.« Er trat zu O'Cardwell und hob dessen Arm. »Dieses Heer braucht mehr als einen Führer. Und ich sagte, es gilt O'Cardwells Wort, wenn es nicht gegen meines steht! Godh und Erain mit uns!«

Langsam begann sich das Lager aufzulösen. Da und dort erloschen Feuer, und Fackelreihen verschwanden im Meer der nächtlichen tainnianischen Wälder.

Maer O'Braenn kehrte an die Feuer seiner Freischärler zurück. Es gab keinen Clan der Braenns mehr. Der alte Corwyn war der letzte der Sippschaft gewesen, und ihn hatten die Barbaren am Broudan-See erschlagen. Die Caer, die sich auf seinem Ritt durch Ugalien um ihn geschart hatten, sie waren nun sein Clan, fast dreihundert an der Zahl.

Er gab Aechyn, seinem Unterführer, Anweisung, einen Tag und eine Nacht auf ihn zu warten und dann dem Heer zu folgen. Er suchte ein halbes Hundert Gefährten aus, die ihn begleiten sollten.

»Herr, wenn du nach Darain reitest, wäre es dann nicht besser, wenn wir alle mitkämen? Die Barbaren sind nicht mehr allzu freundlich, seit wir ihnen die letzten Karawanen weggeschnappt haben. Die Vorratskammern in der Stadt sind leer. Hungrige Krieger wie sie sind unberechenbar ...«

»Nein, Aechyn. Wenn alles nach Plan läuft, werde ich Darain nicht betreten. Wenn nicht, dann können auch dreihundert nicht mehr ausrichten als fünfzig.«

Mit Daelin und den fünfzig seiner Getreuen ritt er in der Morgendämmerung ostwärts, auf Darain zu.

2.

 

Nottr starrte schweigend aus dem Fenster des Tempelturms über die Dächer der toten Stadt. Sein narbengezeichnetes Gesicht war verschlossen. Hilfloser Grimm ließ ihn die Fäuste ballen.

Thonensen stand nicht weit von ihm. Sein bleiches Gesicht und das weiße Haar schimmerten in der Düsternis des Raumes. Seine Miene war abwesend, sein Kopf leicht geneigt, so als lauschte er in sich hinein.

Calutt, der Schamane, kauerte auf dem Boden – in sich selbst versunken.

Lella, die Tigerin, stand an der Tür mit der Axt in der Faust und lauschte. Die Tür war weit offen, und über die dunklen Treppen herauf erklangen die leisen, scharrenden Schritte von Baragg und Keir. Die beiden Krieger aus Nottrs Viererschaft tauchten bald darauf aus der Dunkelheit auf. Nottr wandte sich ihnen mit fragender Miene zu.

Baragg schüttelte den Kopf. »Zwanzig Männer könnten diese Steintür nicht bewegen, wenn sie Platz hätten.«

Nottr unterdrückte einen Fluch. Lella sagte beruhigend: »Mein Bruder und seine Quaren werden diesen Narren Einhalt gebieten ...«

»Es ist Ottans Werk!«, rief Nottr grimmig. »Er hat sie alle aufgewiegelt und diesem Wahnsinn ...!«

Thonensen erwachte aus seiner Entrücktheit. Er schüttelte den Kopf. »Nein, Hordenführer. Diesen Einfluss hat der Kirguisi nicht. Sein Beutezug in Ugalien hat allen gut gezeigt, dass er nur ein Großmaul ist. Du hast die Sympathien der Stammesführer verloren. Schon lange vor Darain. Der Urojenhäuptling hat schmerzlich genug die Wunde berührt: Noch nie zuvor sind so viele Lorvaner so weit gewandert für so wenig Beute. Gewiss, das ist nicht deine Schuld, Nottr. Die Caer und ihre Teufelspriester hatten das ganze Land längst ausgeplündert. Und Darain war die größte Enttäuschung. Unter Amorats Herrschaft besaßen die Menschen nichts mehr. Amorats Macht war Duldamuur, sein Dämon. Und Duldamuurs Macht und Reichtum war das Leben – nichts, was die Barbaren besonders interessierte. Nicht nur, dass sie untätig in diesen Mauern hocken und sich nach ihren geliebten Wildländern sehnen, hast du ihnen auch noch untersagt, sich mit den gefangenen Darainern zu amüsieren.« Er schüttelte den Kopf. »Als Hordenführer musst du ein Albtraum für sie gewesen sein!«

»Die Vernunft sollte ihnen sagen ...«, begann Nottr heftig.

»Pah, die Vernunft«, wiederholte Thonensen wegwerfend. »Wann ließ je ein Lorvaner Vernunft walten, wenn er auf Kampf und Beute aus war?«

»Die Schamanen waren auf meiner Seite ...«

»Nur Calutt war wirklich auf deiner Seite. Für die anderen zählte die Horde und die Zeichen ihrer Geister in ihren vom Alppilz umnebelten Köpfen. Sie wissen, dass die Horde auseinanderbricht, wenn sie nicht einen starken Führer hat, für den alle Zeichen sprechen ...«

»War ich das nicht?«