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Wurde Dionysos erst in der Moderne dionysisch? Dionysos, Sohn des Zeus, Gott der Ekstase, wurden viele Eigenschaften zugeschrieben. Aber nur eine unterscheidet ihn von allen anderen Göttern: sein plötzliches »Erscheinen«, jene mysteriöse Ereignishaftigkeit, die mit seinem Auftreten verbunden war und schon in den griechischen Texten thematisch wurde. Karl Heinz Bohrer begibt sich in seinem neuen Buch auf die Spuren dieser Eigenschaft des Dionysos und zeigt, wie sie sich sukzessive vom Mythos abgelöst hat und nach 1800 zum Signum der romantisch-modernen Literatur und Philosophie wurde.

Hölderlins dionysischer Augenblick, Nietzsches dionysische Ästhetik und die mythopoetische Metapher der modernen Lyrik bei Pound, T. S. Eliot, Rilke und Paul Valéry sind die wichtigsten Stationen, an denen das Dionysische des modernen Dionysos erkennbar wird: als Ausdrucksform des »Ereignisses« und des »Erscheinens«, die zu zentralen Kategorien der zeitgenössischen Kunst- und Literaturtheorien werden. Die Diskussion der Theorie des Ereignisses im Surrealismus sowie prominent bei Martin Heidegger und Jean-François Lyo-tard schließt diese fesselnde Studie zum dionysischen Diskurs der Moderne ab.

Karl Heinz Bohrer, geboren 1932, war von 1968 bis 1974 verantwortlicher Redakteur des Literaturblatts der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie ab 1975 für sechs Jahre ihr Korrespondent in London. Von 1982 bis zu seiner Emeritierung 1997 war er Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte und Ästhetik an der Universität Bielefeld. Seit 2003 lehrt er als Visiting Professor an der Stanford University. Von 1984 bis 2011 war er Herausgeber des Merkur. Karl Heinz Bohrer lebt in London.

Im Suhrkamp Verlag sind zuletzt von ihm erschienen: Der Abschied. Theorie der Trauer: Baudelaire, Goethe, Nietzsche, Benjamin (stw 2102), Das absolute Präsens. Die Semantik ästhetischer Zeit (stw 1055) und Die Kritik der Romantik. Der Verdacht der Philosophie gegen die literarische Moderne (es 1551).

Karl Heinz Bohrer

Das Erscheinen des Dionysos

Antike Mythologie und moderne Metapher

Suhrkamp

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2015

Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe, 2015.

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eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2015

© Suhrkamp Verlag Berlin 2015

© Karl Heinz Bohrer

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Umschlaggestaltung: Hermann Michels und Regina Göllner

eISBN 978-3-518-74018-7

www.suhrkamp.de

Inhalt

Vorwort

Siglenverzeichnis und Hinweis zur Zitierweise

Prolog: Wie dionysisch war, wie dionysisch wurde Dionysos?

I. Poetische Erfindung im dionysischen Feuer: Hölderlin

1. Der dionysische Augenblick

2. Die poetologische Identifikation

3. »Das Heilige sei mein Wort«

4. Mythologie, Mythos, Metapher

5. Götterferne Mythologeme: Keats, Shelley, Kleist

II. Ästhetik des dionysischen Affekts: Nietzsche

1. Schrecken, Schein, Maske

2. Das »Wunder« des »aesthetischen Zuschauers«

3. Die neue Maske des Dionysos

4. Das Dionysische nach der Tragödie

5. Mythisch-Machen statt Mythos

III. Avantgarde mit dionysischen Wörtern: Pound, Eliot, Valéry

1. Das Ereignis dionysischer Wörter bei Pound

2. Eliots melancholische Aktualisierung der Mythologie

3. Valérys mythopoetische »Erregung«

4. Kanonisierung des Mythos bei Rainer Maria Rilke

5. Fazit: Neue Sichtweisen brauchen ästhetische Argumente

Epilog: Warum Ereignis?

Namenregister

Vorwort

Das Thema »Dionysos und die Ästhetik der Moderne« ist aus einem Seminar der Universität Stanford im Herbst 2012 hervorgegangen. Die schon früher erörterte Kategorie des Scheins ist nunmehr unter dem Kriterium seines Scheinens ins Zentrum gerückt. Die Frage nach der Entwicklung des dionysischen Motivs in den Werken Friedrich Hölderlins und Friedrich Nietzsches, die ich in verschiedenen Aufsätzen stellte (etwa in »Die Stile des Dionysos«), ist hier unter Einbeziehung der modernen europäischen Lyrik zu beantworten versucht worden. Vor allem auch die damit zusammenhängende Frage nach der Differenz von Mythologie und Metaphorik, von theologischer Bedeutung und poetischem Ausdruck.

Ohne die Gespräche mit Jürgen Paul Schwindt und seiner Lektüre des Manuskripts wäre die Veröffentlichung in dieser Form nicht möglich gewesen. Dankbar bin ich Ina Andrae für das umsichtige Erfassen des komplexen Diktats und ihre zusätzliche redaktionelle Hilfe. Für das nachdrückliche Interesse, das Eva Gilmer und Philipp Hölzing dem Thema entgegengebracht haben, sowie für den kritischen Dialog danke ich beiden. Eva Gilmer danke ich für die Durchsicht des Manuskripts.

Karl Heinz Bohrer im Mai 2015

Siglenverzeichnis und Hinweis zur Zitierweise

Eliot CP T. S. Eliot, Collected Poems (1909-1934). New York 1936 (1934).

Eliot WL T. S. Eliot, The Waste Land. Das öde Land. Englisch u. Deutsch. Übertragen und mit einem Nachwort versehen von Norbert Hummelt. Frankfurt/M. 2008.

Hölderlin Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke und Briefe. Drei Bände. Herausgegeben von Jochen Schmidt. Frankfurt/M. 1992.

Nietzsche Friedrich Nietzsche, Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. München 1980.

Pound C Ezra Pound, The Cantos. New York 1998.

Pound C (H) Ezra Pound, Die Cantos. In der Übersetzung von Eva Hesse. Zweisprachige Ausgabe. München 2014.

Pound PM Ezra Pound, Personae. Masken. Der ausgewählten Werke erster Teil. Englisch/Deutsch. Autorisierte Übertragung von Eva Hesse. Zürich 1959.

Pound SP Ezra Pound, Selected Poems 1908-1969. London 1975.

Rilke Rainer Maria Rilke, Sämtliche Werke. Herausgegeben vom Rilke-Archiv. In Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke. Besorgt durch Ernst Zinn. Frankfurt/M. 1955.

Valéry Paul Valéry, Œuvres I/II. Edition établie et annotée par Jean Hietier. Paris 1957.

Valéry W Paul Valéry, Werke. Frankfurter Ausgabe in 7 Bänden. Herausgegeben von Karl Alfred Blüher und Jürgen Schmidt-Radefeldt. Frankfurt/M., Leipzig 1992.

Den Siglen folgen in den Fußnoten die jeweilige Bandzahl (bei mehrbändigen Ausgaben) sowie die Seitenzahl. Die Hervorhebungen, die in der Kritischen Studienausgabe der Werke Nietzsches gesperrt gegeben werden, sind hier kursiv.