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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

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8.

9.

10.

Kommentar

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PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2719

 

Enterkommando GOS'TUSSAN

 

Im Visier des Atopischen Tribunals – und auf der Schwimmenden Welt

 

Verena Themsen

 

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Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte erlebt: Die Terraner haben nicht nur seit Jahrtausenden die eigene Galaxis erkundet, sie sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen – und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Im Jahr 1514 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das nach alter Zeitrechnung dem Anfang des sechsten Jahrtausends entspricht, gehört die Erde zur Liga Freier Terraner. Tausende von Sonnensystemen, auf deren Welten Menschen siedeln, haben sich zu diesem Sternenstaat zusammengeschlossen.

Doch die Galaxis ist unruhig: Auf der einen Seite droht ein interstellarer Krieg, auf der anderen Seite ist das Atopische Tribunal in der Milchstraße aktiv. Ihre ersten Repräsentanten sind die Onryonen, die die Auslieferung Perry Rhodans und Imperator Bostichs fordern – sie sollen wegen zahlreicher Verbrechen vor Gericht gestellt werden. Das schlimmste Verbrechen liege allerdings in der Zukunft und wird als »Weltenbrand« umschrieben.

Um Bostich in seine Hand zu bekommen, besetzt der Atopische Richter Chuv das Arkon-System. Nun muss Bostich eingreifen, will er seinen Ruf retten. Es kommt zum ENTERKOMMANDO GOS'TUSSAN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Bostich I. – Der Vorsitzende des Galaktikums und Imperator von Arkon wird von den Atopen gejagt.

Ronald Tekener – Als Bostichs Leibwächter muss der Smiler alle Register ziehen.

Chuv – Ein Atope sieht sich seinem Ziel nahe.

Tormanac da Hozarius – Auf dem Vizeimperator von Arkon lastet große Verantwortung.

1.

Pfade

 

Ich spüre das Beben in meinen Füßen, während ich durch den Gang hetze. Steine prasseln ringsum aus Rissen in der Decke auf den Felsboden. In meine Lungen dringt Staub, der Reiz lässt mich husten. Ich verliere das Gleichgewicht, stolpere, falle und verschränke die Arme schützend vor dem Gesicht, während der Restimpuls meines Körpers mich über spitze Felsen und Steine rollen und rutschen lässt. Jemand hebt mich auf und trägt mich in rasender Geschwindigkeit weiter. Die Umgebung verschwimmt.

Als ich mir den Staub aus dem Gesicht reibe und die Augen wieder öffne, bin ich allein.

Ich stehe in einem Raum, dessen Inneres von waberndem rotem Licht und Hitze erfüllt ist. Ich sehe sie nicht, aber ich weiß, dass Lava unter mir aufsteigt. Vor mir ist die einzige Rettung: ein Transmitter. Ich hetze an die Kontrollen, um ihn zu aktivieren, während um mich die Hitze zunimmt. Der Geruch von verbranntem Kunststoff liegt schwer in der Luft, erschwert das Atmen und bringt meine Augen zum Tränen. Meine Fingerspitzen auf den glühenden Kontrollen bekommen Brandblasen.

Endlich leuchten die Feldanzeigen auf. Ich stoße einen Jubelschrei aus, der in meiner Kehle erstickt, als ich auf die Werte starre: Das Gerät steht auf Empfang, nicht auf Sendung. Etwas kommt zu mir. Oder jemand? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was ich erwarte. Ich weiß nur, dass ich sterben werde, wenn ich hier nicht wegkomme. Und ich weiß, dass ich auch sterben werde, wenn ich wegkomme. Irgendwann. Ich bin nicht unsterblich.

Ein Leuchten entsteht im Transmitter. Ich hetze darauf zu, obwohl ich nicht weiß, wie es mich retten soll. Es verdichtet sich zu einer ovalen Form. Mein Herz setzt einen Schlag aus, als ich es zu erkennen glaube.

Der Zellaktivator.

Leben. Auf ewig.

Ich strecke die Hand aus und greife danach, reiße ihn aus dem Feld. Er fühlt sich weich an und pulsiert gegen meine Finger. Warme Flüssigkeit rinnt aus meiner Faust. Ich öffne sie und starre auf das Ding darin.

Es ist hellrot, überzogen von einem Netz roter und blauer Linien. Das Pulsieren ist zu einem Zucken geworden. Der Muskel verfärbt sich, wird fleckig und dunkel. Während das letzte Blut aus meinem Herzen rinnt, zieht es sich zuckend zu einem grauen Klumpen zusammen, der hart und leblos in meiner Hand liegt.

Schmerz jagt wie ein Speer durch meine Brust. Ich presse meine Hände dagegen, verschmiere mein Blut darauf, während ich zusammenbreche. Mein Herz –mein Herz ist tot.

So tot, wie ich es bald sein werde.

 

*

 

Ronald Tekener stöhnte auf und grub die Finger in die Armlehnen des Sessels. Wie ein Taucher, der gerade aus der Tiefe die Wasseroberfläche durchbrochen hatte, saugte er Luft in sich. Er spürte noch immer Leere dort, wo sein Herz pulsieren sollte. Völlige Stille umgab ihn.

Einen endlosen Herzschlag später stürzten unzählige Eindrücke gleichzeitig auf ihn ein. Schmerzhaft hart pochte der junge Muskel in seiner Brust, das Blut rauschte in seinen Ohren, wirre Lichtpunkte tanzten durch die Dunkelheit hinter seinen Lidern. Die sonst kaum wahrnehmbare zitronige Parfümierung der Raumschiffsluft stach ihm in die Nase. Seine Haut prickelte unter dem SERUN, die Haare aufgestellt, die Nerven überreizt unter der Berührung des Kampfanzuges. Ein Blitz schoss durch seinen Nacken, verging und zog alle Wahrnehmungen wieder auf ihr normales Maß zurück.

Tekener stieß zischend die Luft aus. Das Geräusch mischte sich mit den unterdrückten Schmerzlauten der Zentralebesatzung der GOS'TUSSAN II.

Transitionsschmerz ... Wer hätte gedacht, dass wir jemals wieder regelmäßig in diesen Genuss kommen? Aber der Schmerz ist viel geringer als in der »guten alten Zeit« und mir lieber, als zu riskieren, dass wir versehentlich in ein Linearraumtorpedo der Onryonen rasen oder sonst irgendwelchen unliebsamen Überraschungen begegnen, die sie im Zwischenraum installiert haben.

Die Nachwirkungen der Transition beunruhigten den USO-Admiral nicht; es hatte ihn bestenfalls zwei Sekunden gekostet, sie abzuschütteln. Was aber blieb, waren der metallische Geschmack von Lavagestank und Blut und die Erinnerung an Bilder, die in seine Albträume gehörten.

Tekener massierte sich die Nasenwurzel, während er mit geschlossenen Lidern dem hektischen Schlag seines neuen, nachgezüchteten Herzens lauschte.

Die Transition muss in meinem Gehirn eine Assoziation mit den Geschehnissen beim Polyport-Transfer nach ITHAFOR-5 ausgelöst haben, meldete sich der Galakto-Psychologe in ihm.

Darum konnten für kurze Zeit Projektionen des daraus resultierenden Traumas dieses Mal sogar in mein Wachbewusstsein vordringen. – Lass dich davon nicht beunruhigen, Tek. Du lebst. Immer noch. Das Schicksal hat es wieder nicht geschafft, dich vom Spielbrett zu fegen, auch wenn es dieses Mal verdammt knapp war. Fortuna ist und bleibt mit den Wagemutigen. Lebe, entspann dich und konzentrier dich auf die Gegenwart!

Tekener atmete durch, öffnete die Augen und warf einen Blick durch die Zentrale der GOS'TUSSAN II. Einige Offiziere blinzelten, rieben sich den Nacken oder die Schläfen. Tränende Augen zeugten bei dem einen oder anderen Arkoniden von Aufregung, während sie sich sekundenschnell neu orientierten.

Nur Bostich saß so entspannt auf dem Oberkommandantensessel, als hätte ihm der Sprung keinerlei Unannehmlichkeiten bereitet. Der Blick der tiefroten Augen ruhte auf dem Holorama-Schirm. Keine Regung war auf den Zügen des kantigen Gesichts jenes Mannes erkennbar, der zum einen Vorsitzender des Galaktikums und zum anderen Imperator von Arkon war.

»Alle Stationen sind wieder einsatzbereit«, meldete der Erste Offizier, dessen Uniform die drei Planeten eines Vere'athor zierten. Groß, schlank, bis über die Schulterblätter reichendes glattes Haar im typischen Knochenweiß, blassrote Augen unter einer hohen Stirn, ein Musterbild eines aufstrebenden jungen Militärs.

Das war auch schon alles, was Tekener über ihn wusste. Seit seiner Ankunft hatte er sich durchgehend mit Bostich in dessen Privatkabine aufgehalten. Vorstellungen hatte es nicht gegeben. Er hätte sich aber sehr irren müssen, wenn der Mann nicht ein »da« oder eine ähnliche Silbe zwischen seinen Namen trug.

Die einzige Person der Besatzung, deren Namen er aus ihrer Kommunikation mit Bostich kannte, war die Kommandantin. Sie hatte ihren Sessel verlassen und stand mit hinter dem Rücken verschränkten Händen vor dem Holorama, während sie die Meldungen entgegennahm. Obwohl fast zwei Meter groß, war sie ein wenig kleiner als ihr Erster Offizier und trug auch kein Adelsprädikat vor ihrem Familiennamen. Trotzdem war allein aus der Haltung klar, wo die Befehlsgewalt lag. Bostichs Aufbrechen alter Adelshörigkeit zugunsten der Förderung von Talent hatte auch auf seinem Flaggschiff ihr Beispiel.

»Der Schattenschirm steht«, fuhr der Offizier fort, während Tekener seine Gedanken wälzte. »Wir sind im vorprogrammierten Abbremsmanöver. Beim bisherigen Kurs sind in einer Zentitonta die Schiffe der Onryonen auf Minimalreichweite unseres Ortungsschutzes. Eine Millitonta danach folgt der Vorbeiflug an Vothantar Zhy.«

Nicht einmal eine Minute, bis sie uns sehen. Nicht viel Zeit für Entscheidungen.

Im Holorama schwebte ein riesiger Gesteinsbrocken, ein Zeugnis der Zerstörung des alten Kriegsplaneten Arkon III vor fast dreitausend Jahren. Seine Form erinnerte entfernt an einen überdimensionierten Folianten von elfeinhalb Kilometern Höhe, fast sechs Kilometern Breite und einer Dicke von im Mittel 2,7 Kilometern, über den sich Nager und Bücherwürmer hergemacht hatten. Abbruchkanten, Riefen und Einschlagkrater vermittelten das Bild eines ganz normalen Planetenbruchstücks, das auf einem Taumelkurs nahe den Hauptplaneten des Systems durch den Raum zog.

Das Äußere täuschte jedoch. Im Inneren dieses Brockens befand sich eine geheime Station, von der aus der wichtigste Schutzmechanismus Arkons gesteuert wurde: der Kristallschirm, der das gesamte System mit seinen 26 Planeten umschloss. Erzeugt wurde er in der weit jenseits der letzten Planetenbahn gelegenen Stoßfront des Sonnenwindes der Sonne Arkon, indem sie mit hyperenergetischen Impulsen zur Resonanz angeregt wurde. Diese Impulse stammten aus dreihundert Projektorstationen auf Arkon III. Nach außen war verbreitet worden, die Steuerung dieser Stationen erfolge von einem Komplex nahe der ebenfalls auf Arkon III gelegenen Stadt Subtorcas aus. Die wahre Zentrale war aber immer Vothantar Zhy gewesen.

Trotz der Geheimhaltung war es den Onryonen offensichtlich gelungen, die wahre Schaltstation zu finden und unter ihre Kontrolle zu bekommen. Seither gab es keine Strukturschleusen mehr im Kristallschirm. Das Arkon-System war isoliert, ein 42 Lichtstunden durchmessendes Gefängnis unter der Kontrolle eines undurchsichtigen Gegners.

»Dreiunddreißig Schiffe riegeln die Station ab«, meldete der untersetzte Tharg'athor an der Ortungsleitstelle. Sein Haarknoten war in Unordnung gekommen, und er zupfte unwillkürlich daran herum, während er sprach. »Das Schiff des Atopen ist dabei. Es überwacht die Oberseite mit der Einstiegsebene. Die anderen zweiunddreißig sind onryonische Kugelraumer. Sie sind gleichmäßig um die Station verteilt. Ein 2100 Meter durchmessender Kugelraumer steht über der Unterseite.«

Zweiunddreißig rötlich schimmernde Perlen, die wie Knoten eines Netzes um den Großteil des Gesteinsbrockens standen und ihn schon mit ihren Schiffskörpern weitgehend abdeckten. Jedes der Schiffe verfügte über eine Nut von Pol zu Pol, in der ein kegelförmiges Unterlicht-Antriebsmodul von etwa einem Fünftel der Größe des Schiffes so positioniert werden konnte, wie es für die gewünschte Flugrichtung günstig war. Ein großer dunkler Fleck, vage oval und größtenteils flach, dominierte den Rest der Station – das Schiff des Atopen.

»Kurs so anpassen, dass Vothantar Zhy beim Erreichen des Minimalabstandes des Ortungsschutzes zwischen uns und dem Schiff des Atopen liegt!«, befahl Has'athor Famai. »Damit kommen wir zwar dem großen Kugelraumer näher, aber dieser Schiffstyp hat bislang nur Bewaffnung gezeigt, mit der wir fertig werden. Falls wir einen Angriff fliegen müssen, ist es vor allem wichtig, das Risiko zu minimieren, dass wir mit dem Blender beschossen werden.« Kurz warf sie einen Blick zu Bostich, der bestätigend nickte.

Tekener vermied es geflissentlich, das Gesicht der Kommandantin anzusehen, um seine Gedanken nicht von dem ablenken zu lassen, was ihn dort irritierte. Er beugte sich stattdessen in Richtung des Galaktikumsvorsitzenden. »Du ziehst ernsthaft einen Angriff auf die Station in Erwägung?«, fragte er leise.

»Falls das Überrangsignal keine Wirkung zeigt: ja«, antwortete Bostich ohne Zögern. »Tormanac hat fast die gesamte Robotflotte vor den Schirm geschickt. Solange sie nicht zurückkehren kann, sind die Planeten der Willkür des Atopen ausgeliefert. Keinerlei Gütertransporte sind ohne seine Zustimmung möglich. Das Herz des Imperiums liegt in seiner Hand. Im Vergleich zu dem, was er damit an Leid anrichten kann, ist der Verlust einiger Leben auf Vothantar Zhy zwar schmerzlich, aber muss in Kauf genommen werden.«

Bostichs Argumentation gefiel Tekener nicht. Aber er konnte sie auch nicht widerlegen. Es gab nur einen anderen Weg, das Arkon-System möglicherweise aus dem Griff des atopischen Richters und seiner Helfer zu befreien: Bostichs Auslieferung. Das aber stand nicht zur Diskussion, schon weil es keinerlei Gewähr dafür gab, dass sich dadurch irgendetwas an der Lage des Arkon-Systems ändern würde. Warum sollte Richter Chuv diese einmal gewonnene Macht wieder aufgeben?

»In Reichweite für Abstrahlung des Überrangkodes«, meldete der Erste Offizier.

»Kontrollen auf meine Konsole!«, forderte Bostich. Im nächsten Moment machte er bereits mehrere Eingaben und schickte sie mit einer wischenden Bewegung ab. »Statusmeldung Kristallschirm?«

»Unverändert«, kam die Antwort von der Ortung.

Der Galaktikumsvorsitzende runzelte die Stirn. »Sendung dreimal wiederholen.«

Die gespannte Stille in der Zentrale wurde nur von den Geräuschen unterbrochen, die entstanden, wenn sich ein Mannschaftsmitglied in seinem SERUN bewegte. Noch hoffte jeder, dass diese Vorkehrung sich als überflüssig herausstellen würde. Die CHUVANC verfügte offenbar – so viel hatten die Funker der GOS'TUSSAN II herausbekommen – über eine bislang noch nicht zum Einsatz gekommene Waffe, mit der sie angreifende Schiffe trotz Schutzschirm durch Unterbrechung der Kommunikation kampfunfähig machen konnte.

Darum konnten – falls sie den Angriff fliegen mussten – die Kampfanzüge mit ihren HÜ-Schirmen ihr wichtigster Schutz gegen den »Babylonischen Blender« werden, wie sie diese Waffe getauft hatten.

Der Babylonische Blender unterbrach wahrscheinlich selbst durch einen Paratronschirm hindurch sämtliche schiffsinterne Kommunikation. Auf den Schiffen der arkonidischen Robotflotte waren die Folgen verheerend gewesen. Immerhin hatte aber später eine Warnung mit Beschreibungen der Effekte abgestrahlt werden können. Dadurch war klar geworden, dass gerade der Paratronschirm es war, den die Waffe nutzte, um über noch nicht genauer untersuchte Rückkopplungen die Effekte auf dem Zielschiff zu erzielen. Trotzdem konnte man schlecht auf den Schirm und insbesondere den damit gekoppelten Ortungsschutz verzichten.

Anhand des erlangten Wissens waren auf der GOS'TUSSAN II Vorbereitungen getroffen worden. Das Tragen der SERUNS war eine davon, Tekeners und Bostichs Anwesenheit in der Zentrale anstatt in Bostichs Privaträumen eine andere. Ein nur von Bostichs Oberkommandantensessel aus ansteuerbares Prallfeld trennte sie unauffällig vom Rest der Mannschaft, um weiter Bostichs Sicherheit zu gewährleisten.

Tekener war die einzige auf dem Schiff anwesende Person, der Bostich weit genug traute, um ihn ohne Schutzschirm in der Nähe zu haben. Das Misstrauen hatte gute Gründe, da vom Atopischen Tribunal ein Zellaktivator für Bostichs Ergreifung ausgelobt worden war. Seither konnte der Imperator nur Leuten trauen, die bereits einen Zellaktivatorschip trugen.

Zur Vorsicht waren mehrere Bereiche in dem GWALON-Doppelraumer komplett stillgelegt worden, und sämtliche internen HÜ-Schirme standen, um den Blendimpuls abzuschwächen, falls er kam. Auch Tekeners auf dem Landefeld von Kelch I verankerte ARGO war in ihren Schirm gehüllt, ebenso sämtliche Beiboote des Flaggschiffs.

»Keine Reaktion«, stellte die Kommandantin fest. »Entweder wird die Übertragung blockiert, oder der Kode ist bereits aufgespürt und ausgehebelt worden.«

Mit zur Seite geneigtem Kopf starrte Bostich auf die Eingabekontrollen. Wie schon häufiger in den letzten Tagen wirkte er, als lausche er auf seinen Extrasinn oder führe eine ausgedehnte innere Diskussion. Dass es um den Kern des Imperiums ging, machte ihm die Entscheidungen wohl nicht gerade leichter. Schließlich wandte er den Blick mit einem Ruck des Kopfes zu der Has'athor.

»Wir fliegen den Angriff auf die Station. Wir müssen dicht ran, um die Geschosse sicher ins Ziel zu bringen. Wenn wir den Mindestabstand für die Tarnung durch das Schattenfeld unterschreiten, müssen wir so schnell sein, wie es die Zielausrichtungsautomatiken erlauben. Alle Waffensysteme sollen sorgfältig für ihren jeweiligen Einsatz programmiert werden. Sie müssen während unserer Passage so oft und so lange wie möglich schießen und dabei keine Feuerkraft auf die Schiffe verschwenden. Alles muss in Punktbeschuss auf kritische Stellen direkt auf Vothantar Zhy gezielt werden.«

Tekener hörte die Anspannung in der Stimme des Imperators. In einem Augenwinkel des Arkoniden schimmerte Feuchtigkeit. Die Entscheidung war nicht leichtfertig gefällt. Mehrere Hundert Leben hingen daran.

Die Kommandantin setzte Bostichs Anweisungen in knappe Befehle um. Im Anschluss senkte sich wieder Stille über die Zentrale. Jeder arbeitete konzentriert. Schließlich gingen die Klarmeldungen ein.

»Kurs liegt an.«

»Waffensysteme programmiert.«

»Energieweichen angepasst.«

»Situation im Zielgebiet unverändert. Kein Schutzschirm um die Station.«

Sie rechnen nicht mit einem Angriff auf die Station. Wohl aber bestimmt mit einem auf die Schiffe. Sie werden die in der Strukturschneise auf das Atopenschiff abgegebenen Schüsse nicht vergessen haben. Vermutlich lauern sie darauf, dass wir wieder die CHUVANC angreifen, und schauen in die falsche Richtung. Dadurch könnte die Sache eine reelle Chance bekommen.

Aber selbst wenn es gelingen sollte, die Station zu beschädigen oder sogar zu zerstören, musste man damit rechnen, dass die GOS'TUSSAN II dabei unter schweren Beschuss geriet. Auch das war offensichtlich ein Preis, den Bostich für den Schutz des Arkon-Systems zu zahlen bereit war. Es ging nicht nur um die Leben auf der Station.

»Erreichen Mindestreichweite in drei Millitontas. Zwei ... eins ...«

»Geschütze schussbereit. Schussfolge beginnt ... jetzt.«

Im Holo erblühten Feuerrosen auf dem pockennarbigen Gestein. Die Paratronwerfer brachen eine Ecke aus dem Felsbrocken, die torkelnd in der ewigen Nacht verschwand. Rings um die Wunde materialisierten Transformbomben und lösten weiteres Gestein. Freigelegtes Metall schimmerte und glühte unter Impulsstrahlen.

Unvermittelt sperrte ein rötliches Wabern sie aus.

»Sie haben den Paratronschirm aktiviert!«, rief der Ortungsoffizier. »Er umschließt Station und Schiffe!«

»Abbrechen und abdrehen! Schneller Rückzug!« Der scharfe Befehl der Kommandantin kam ohne weiteren Blickwechsel mit Bostich.

»Das Richterschiff hat sich in Bewegung gesetzt.«

»SERUN-Schirme aktivieren.«

Um alle Anwesenden flackerten die HÜ-Schirme der Kampfanzüge auf.

Gebannt starrte Tekener im Holo auf das Schiff des Atopen. Es erinnerte den USO-Admiral an einen schwarzblauen Einzeller mit einem verdickten, ellipsoiden Kern, um den herum ein etwa ebenso großer flacherer Wulst lag. Am Bug wirkte er wie durch Stauchung verdickt und lief am Heck spitz aus. Auch die sechs gekrümmten Dorne an der Heckspitze passten zu dem Eindruck, es mit einer Art Wimperntierchen zu tun zu haben, das sich nun mit zunehmender Geschwindigkeit durch den Raum schob, auf die Kante der Station zu, um die GOS'TUSSAN II ins Visier nehmen zu können.

Die onryonischen Einheiten hatten bereits mit dem Gegenfeuer begonnen. Tekener wusste allerdings aus eigener Erfahrung, dass sie das Flaggschiff trotz Unterschreitung der Mindestreichweite für vollständigen Ortungsschutz in dieser Entfernung immer noch nur verschwommen in ihrer Ortung erfassen konnten. Mehrere Hundert Kilometer lagen zwischen der GOS'TUSSAN II und Vothantar Zhy, und unter dem bis an die Obergrenzen getriebenen Einsatz der gravomechanischen Unterlichttriebwerke war die weitere Annäherung bereits aufgehoben worden. Es war nur noch eine Sache von Sekunden, bis die GOS'TUSSAN II auf den Ortungsschirmen der Gegner wieder zu einem Schatten werden und schließlich verschwinden würde.

Trotzdem kam es Tekener vor, als beschleunigten sie viel zu langsam in die Gegenrichtung. Schon kam die Raumamöbe dem Rand der Station bedrohlich nahe. Niemand wusste, wo genau auf dem Schiff der Babylonische Blender installiert war. Damit war unsicher, wie viel Zeit ihnen blieb, um sich der Ortung zu entziehen, ehe der andere schießen konnte. Die Onryonenschiffe machten keine Anstalten, die Verfolgung aufzunehmen.

»Erreichen Mindestreichweite des Schattenschirms in einer Millitonta.«

Fünf Sekunden also noch.

»Zufällige Kursänderung innerhalb der vorderen Quadranten vorbereiten. Auslösen, sobald wir sicher aus der feindlichen Ortung sind.«