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Inhalt

Sri Lanka – das auferstandene Paradies
Geografie, Flora, Fauna und kulturelle Traditionen
Buddhismus: Wie Siddharta die Erleuchtung fand und der Buddhismus nach Sri Lanka kam
Hinduismus: Götter, Geister und Gurus
Chronik Sri Lankas: Daten zur Landesgeschichte
 
Die schönsten Reiseregionen Sri Lankas
toc1 Colombo und Umgebung
Metropole zwischen Wolkenkratzern, Moscheen und Tempeln
toc2 Die Nordwestküste
Im Land des Windes
toc3 Die Westküste
Von Meeresschildkröten, Mondscheinpartys und Maskenschnitzern
toc4 Die Südküste
Auf Robinsons Spuren
toc5 Die Berge und das Zentrale Hochland
Über den Wolken
toc6 Die Ostküste
Auferstanden aus Ruinen
toc7 Das Kulturelle Dreieck im nördlichen Landeszentrum
Könige, Kanäle und jahrtausendealte Kultur
toc8 Kandy und Umgebung
Zwischen Hügeln und Tälern, Schluchten und Bergen
toc9 Jaffna und der Norden
In der Heimat der Tamilen
 
Unterkünfte: Hotels, All-inclusive-Anlagen, Villen, Gästehäuser
Service von A bis Z
Orts- und Sachregister
Namenregister
Bildnachweis
Impressum
Zeichenerklärung
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Reiseführer mit topaktuellen Tipps, Fotos und Karten

Über Sri Lanka

Ein Reiseziel wie aus einem tropischen Bilderbuch: mit üppig grüner Regenwaldkulisse und traumhaften Stränden, schneeweißen Dagoba-Kuppeln und Kirchtürmen, kunterbunten Hindutempeln und Moscheen. Die Hauptstadt Colombo, eine moderne Metropole mit einigen Wolkenkratzern, hat sich ihr exotisches Ambiente bewahrt. An der Westküste wechseln sich Fischerdörfer und Kolonialstädte mit einsamen Stränden und sichelförmigen Buchten ab, an denen Mondscheinpartys und Reisende aus aller Welt Einzug gehalten haben. Spuren einer jahrtausendealten Kultur finden sich in den Ruinenstädten von Anuradhapura und Polonnaruwa oder in der letzten Königsstadt Kandy.

Über den Wolken wandert man bei abenteuerlichen Ausflügen ins Bergland, wo der weltberühmte Tee Sri Lankas herkommt. Nur der Norden und die Ostküste waren während des 26 Jahre anhaltenden und seit 2009 endlich beendeten Bürgerkriegs nicht oder nur sehr schwer zu bereisen, weil es zu gefährlich war. Heute locken hier endlose unberührte Strände und ein aufregendes Wildlife mit frei lebenden Elefanten und Krokodilen, Delfinen und Walen auf Wanderschaft.

Über das Buch

Dieser Reiseführer begleitet auf einer Entdeckungstour durch Sri Lanka. Im ersten Teil erfährt man nach Einleitung und Chronik Wissenswertes über neun Reiseregionen und deren landschaftliche, religiös-kulturelle und historische Besonderheiten. Die Autorin beschreibt die Dörfer, Städte und Ausflugsziele wie Nationalparks und Wasserfälle, Strände und Pilgerorte (in geografischer oder alphabetischer Reihenfolge und mit Ziffern versehen). Unter »Service & Tipps« finden sich zu jedem Ort die Adressen und Öffnungszeiten von Sehenswürdigkeiten, Restaurants, Bars usw. Porträts über Land und Leute sowie Themenessays ergänzen die Fakten und Informationen.

Das Kapitel Unterkünfte nennt alphabetisch nach Orten sortiert Hotels und Gästehäuser, und der Service von A bis Z liefert wichtige Informationen von Anreise bis Zoll sowie einen Sprachführer für spezielle singhalesische bzw. tamilische Begriffe.

Über die Autorin

Martina Miethig ist ausgebildete Journalistin und freiberufliche Buchautorin. Vor zwanzig Jahren reiste sie das erste Mal nach Sri Lanka und seitdem lässt sie die kleine Insel nicht mehr los. Weiteres über die Autorin unter: www.GeckoStories.com.

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Sri Lanka

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red left arrow Eine Übersichtskarte von Sri Lanka mit den eingezeichneten Reiseregionen finden Sie in der vorderen Umschlagklappe.
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Sri Lanka – das auferstandene Paradies

» Ein Tag voller Konzentration ist besser als hundert Jahre voller Ablenkungen« (Buddha über die Meditation, aus dem Dhammapada, den Lehren Buddhas, die in Sri Lanka aufgeschrieben wurden)

Bilderbuchstrände, eine üppig grüne Regenwaldkulisse und eine 2500 Jahre alte Zivilisation mit imposanten steinernen Zeitzeugen – kaum ein Land bietet so viel Kultur, Farbenpracht und so viele Wildtiere wie Sri Lanka. Und das alles auf einer Fläche von der Größe Bayerns. Wo sonst kann man an einem Tag Buddha, Shiva, Jesus und Allah begegnen? Morgens auf Leoparden-Pirsch gehen, mittags im Indischen Ozean baden und abends im nebligen Hochland am knisternden Kamin einen ceylonesischen Milchtee trinken? Sri Lanka ist religiöses Multikulti und eine Überdosis Exotik. Mit einer kleinen Prise britisch-versnobten Flairs.

Nach der Beendigung des 26 Jahre anhaltenden blutigen Bürgerkriegs im Mai 2009 setzte die New York Times die kleine Insel im Indischen Ozean auf den ersten Platz der weltweiten To-go-Liste. Und prompt strömten wieder Hunderttausende Urlauber auf das Tropeneiland, darunter auch wieder Zehntausende Deutsche, einst Stammgäste im »Leuchtenden Land«. 2012 wurde erstmals die Millionenmarke überschritten.

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Nur Wenige können dem Wohlgeruch der Frangipani-Blüten widerstehen

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Tamilische Teepflückerinnen im Hochland von Sri Lanka

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Weltrekord für Grüntöne: Reisfeld bei Ratnapura (Zentrales Hochland)

Schneeweiße Dagoba-Kuppeln leuchten im Farbenwettstreit mit knallbunten Hindutempeln, barock-verschnörkelten Kirchen und Moscheen wie aus Tausendundeiner Nacht. Palmenwälder, Dschungel, Reisfelder – gäbe es einen Weltrekord für Grüntöne, Sri Lanka wäre Spitzenreiter: Der Blick gleitet vom Hellgrün der Millionen Kokos- und Palmyrapalmen über die dunstverhangenen Grünschattierungen des Regenwalds, die fast phosphoreszierendgrünen bis gelblichen Reisfelder in der Ebene bis zu den dunkelgrünen Teesträuchern im Bergland, vom Dickicht der Mangroven und Bambuswälder an Küste und Flussufern bis hin zu den sattgrünen Gummibaumplantagen. Grün soweit das Auge schaut – bis zum türkisgrünen Ozean.

Der Monsunregen gehört zu dem kleinen Eiland wie der Zucker in den Ceylon-Tee, und nur er lässt die Flora und Fauna in dieser unvergleichlichen Pracht gedeihen. Da schmücken betörend duftender Frangipani und weißer Jasmin die Tempelschreine – und abends die Hotelbetten. Im Regenwald summt, zirpt und rasselt es wie im Sägewerk zu Hause. Die landschaftliche Vielfalt und tropische Vegetation bieten auch der Tierwelt viel Platz – erstaunlich auf diesem winzigen Stückchen Erde, auf einer Insel von nur 434 Kilometern Länge und 225 Kilometern Breite.

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Berühmt: die Kobra-Masken (»Naga Raksha«) Sri Lankas

Sri Lanka ist der reinste Open-Air-Zoo – das fängt im Hotel schon am frühen Morgen mit Streifenhörnchen und Mungos als hungrige Frühstücksgesellschaften, mit Wasserbüffeln am Strand, mit züngelnden Waranen am Pool oder mit Affen auf dem Balkon. Wilde Elefanten tauchen nicht selten am Rande der Landstraße oder Dschungelpiste auf. Tausende von Meeresschildkröten legen nachts ihre Eier an die Strände. Wal- und Delfinbeobachtungen vor der Küste werden immer beliebter.

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Im Buddhismus eine sinnträchtige Pflanze –Lotos

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Die heiligste Stätte Sri-Lankas: der Tempel mit dem hochverehrten Bodhi-Baum in Anuradhapura, dem Sri Maha Bodhi

Sri Lanka lässt die Augen und Ohren des Reisenden kaum zur Ruhe kommen. Eine Rundreise durch das Land gleicht einer kulturellen Achterbahnfahrt: zwischen verträumten Fischerdörfern und antiken Königsstädten mit kolossalen Dagobas – 2000 Jahre alten architektonischen Meisterwerken aus Lehm und Backsteinen; high tea time hinter viktorianischen Fassaden im Hochland, wo sich die Engländer als Kolonialherren schon im 19. Jahrhundert wohlfühlten; Poya-Vollmondfesten mit archaischen Ritualen zu Ehren der Götter und ganz modernen Verkehrsstaus in Colombo und Kandy, durch die sich die mit Kokosnüssen beladenen Ochsenkarren mit beharrlichem Gebimmel einen Weg bahnen. Und mittendrin greise Männer mit Turban und Sarong, orange gewandete Mönche mit Aktentasche und Mobiltelefon am Ohr und SariSchönheiten mit dem rotleuchtenden Tika-Punkt auf der Stirn.

Das heutige Sri Lanka bewegt sich wie so viele asiatische Länder auf dem schmalen Grat zwischen Tradition und Moderne. Verblüffenderweise behaupten sich die seit Jahrtausenden gelebten Traditionen und Arbeitsabläufe auch im jetzigen Alltag – da können in der Hauptstadt Colombo noch so viele spiegelverglaste Türme in die Höhe schießen und Kasinos für die Neureichen eröffnen. Die meisten Sri Lanker essen wie ihre Urahnen mit den Fingern, weil es – wie sie sagen – so einfach besser schmeckt! Nicht wenige Inselbewohner stehen in Bächen und unter Wasserfällen direkt am Straßenrand und seifen sich im klatschnassen Sarong ein, weil ein eigenes Badezimmer für die meisten ein lebenslanger Traum bleiben wird. Halbnackte Männer suchen in schlammigen Minen und lebensgefährlich tiefen Schächten nach den Preziosen, die schon die Araber und Chinesen vor tausend Jahren auf die Juweleninsel lockten – ebenso alt ist die Schürfmethode.

Kaum ein Fremder bleibt unbeeindruckt von der tiefen lebendigen Religiosität: Seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. – seit 2300 Jahren! – legen die Buddhisten allabendlich am Bodhi-Baum in der alten Königsstadt Anuradhapura ihre Opfergaben nieder und entzünden Räucherstäbchen – und alle würden schwören, Buddha habe schon oft ihre Gebete erhört …

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Nationalsport Nummer eins: Kricket

Auch wenn die Mönche die Palmblatt-Manuskripte, die Olas, mit der Lehre Buddhas mittlerweile nicht mehr auf althergebrachte Weise mit Steinen, sondern mit dem Bügeleisen glätten, auch wenn Traktoren die Wasserbüffel in den Reisfeldern allmählich ersetzen und die Jugend lieber Jeans statt Sarong trägt – eine Fahrt durch Sri Lanka ist immer noch eine Zeitreise. Bei aller exotischen Ursprünglichkeit ist der koloniale, vorwiegend britische Hauch nicht zu leugnen, nicht nur in den wunderschönen Kolonialhotels mit den knarrenden Dielen oder auf den Teeplantagen im Hochland, auch in den massiven, 300 Jahre alten Festungen der Holländer. Der Fremde sollte sich nicht wundern, wenn ein Uhrturm mitten im Verkehrs-gewusel die Zeit mit Big-Ben-Melodie verkündet oder wenn die einheimischen Ausflügler am Strand die Schläger für ein Kricketspiel auspacken, den Nationalsport Nummer eins.

Wer seine Sinne in Sri Lanka öffnet, kann so viel mehr als nur die Tropensonne auf der Haut spüren. Wie wäre es mit einer Ayurveda-Kur, dieser mehr als 3000 Jahre alten Volksmedizin, die mittlerweile mehr oder weniger vertrauenerweckend in alle Kataloge und Hotels eingezogen ist. Oder einem Abstecher zum Schnuppern und Kosten in die zahllosen Kräutergärten mit anschließendem Kaufrausch, wenn man sich mit Ölen und Wässerchen eindeckt, mit Tees und Gewürzen, Pulvern und Extrakten für die Küche daheim und für das eine oder andere Wehwehchen.

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Gesichtsmasken sind Teil einer Ayurveda-Kur, dieser 3000 Jahre alten Volksmedizin

Ganz gemächlich spirituell geht es auf den Spuren Buddhas zu – in den Meditationsklöstern für Ausländer, wo so mancher gestresste Manager aus Europa zur Ruhe kommt. Aber auch für Nervenkitzel und Abenteuer ist gesorgt: Auf dem Rücken eines Elefanten schaukelt man durch die Wildnis oder durch den Hotelgarten. Wer will, hängt beim Climbing über tiefen Schluchten oder jagt im Kanu über die Stromschnellen des Kelaniya Ganga.

Seit einigen Jahren verwöhnt eine neue Generation von Hotels den derart entspannten oder erschöpften Gast: dezent dekoriert mit Kunstwerken statt Folklore-Kitsch und Kissenplüsch, man setzt auf landestypische Bauweise mit luft- und lichtdurchfluteten Lobbys zum Indischen Ozean statt auf so manche Betonklötze aus den 1970er Jahren. An einigen Orten wurden grandiose Ideen realisiert: Eine jahrzehntelang leerstehende Teefabrik in den Bergen verwandelte sich in ein Hotel mit Industrie-Ambiente, an der Küste in der kolonialen Festungsstadt Galle wirkt eine Nobelherberge heute selbst wie eine echte Trutzburg, und ein Stahlbeton-Hotel im Inselzentrum wird allmählich von der sri-lankischen Wildnis und den Tieren zurückerobert – ganz nach Plan des Architekten, keines Geringeren als Sri Lankas Star-Architekten Geoffrey Bawa (1919–2003).

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Stelzenfischer in Ahangama (Südküste)

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Hambantota: Im Süden Sri Lankas reiht sich Traumstrand an Traumstrand

Sri Lanka ist abenteuerlich und dennoch leicht auch auf eigene Faust zu erkunden, zum Beispiel mit den klapprigen rot-silbernen Linienbussen, den billigsten Transportmitteln in der Stadt wie auf dem Land: ab zehn Rupies ist man dabei – Po an Bauch, einen Ellbogen vom Nachbarn zwischen den Rippen und den Kopf eines anderen unter der Achsel. Umfallen kann hier keiner, so abrupt und schlingernd das Bremsmanöver wegen der Herde Wasserbüffel auch ist. Und bei Klängen von Michael Jackson oder von blinden Musikanten kann man sich dann langsam zum Ausstieg nach vorne vorarbeiten. Die Busse stoppen an Haltestellen, aber auch auf Handzeichen entlang der Landstraßen.

Die Überlandbusse verkehren bis in den letzten Winkel Sri Lankas: Für ganze 100 Rupies beispielsweise wird der Fahrgast 50 bis 100 Kilometer weit mitgenommen. Am schnellsten sind die privaten Firmen mit Tausenden von teils klimatisierten Minibussen. Fahrpläne sind selten – los geht’s, wenn der Bus voll ist. Wer eine Busfahrt in Sri Lanka nicht wenigstens einmal ausprobiert, verpasst einen ganz typischen Ausschnitt aus dem sri-lankischen Alltag. Und wer erst mal drinnen ist, sollte sich nicht zu früh über die beiden freien Plätze hinter dem Fahrer freuen – sie sind reserviert bzw. freizumachen für die Mönche.

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Sri-Lanka-Tamilen sind größtenteils hinduistischen Glaubens (oben), die Singhalesen überwiegend Anhänger des Buddhismus (unten)

All dies erlebt der Reisende in einem Land, dessen Bewohner lernen mussten, mit Bombenattentaten und Politikermorden zu leben, mit dem Wegbleiben der Touristen, die so lange schon zum Unterhalt von unzähligen Familien beitragen. Lächeln in den Gesichtern und Maschinengewehre im Anschlag, Tempelbesuch nach Leibesvisitation (Mönche nicht ausgenommen!) – dies waren und sind die allgegenwärtigen Widersprüche im einstigen Bürgerkriegsland.

Für sozialen Sprengstoff sorgt die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung: Unter den sri-lankischen Volksgruppen sind die Singhalesen am stärksten vertreten (75 Prozent), die überwiegend Anhänger des Buddhismus sind. Sie betrachten ihre Ahnen, die im 5. Jahrhundert v. Chr. aus Nordindien nach Sri Lanka einwanderten, noch heute als »arisches« Volk (Sanskrit: Araya, der Edle). Die rund drei Millionen Tamilen, größtenteils Hindus, machen 18 Prozent der Bevölkerung aus und werden in zwei Gruppen unterteilt: die Sri-Lanka-Tamilen, deren Vorfahren ebenfalls schon im Altertum von Südindien aus den Norden und Osten Sri Lankas besiedelt haben, und die indischen Tamilen, die seit 1830 von den britischen Kolonialherren ins Land geholt wurden und heute fast eine Million zählen.

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Die alteingesessenen Ceylon-Tamilen leben vorwiegend im Norden und Osten – dort wo einst ein südindisches Königreich bestand und von der LTTE im Bürgerkrieg ein autonomer Tamilenstaat (Tamil Eelam) gefordert wurde. Die indischen (aber eingebürgerten) Tamilen siedeln vor allem im Hochland und den Bergen. Tamilen und Singhalesen sprechen verschiedene Sprachen und ihre Schriftzeichen unterscheiden sich: Die tamilischen Buchstaben mit dravidischer Herkunft sehen weniger schnörkelig aus als die singhalesischen.

»Paradiesisches Traumland – Alptraum im Paradies« – diese Schlagzeile beherrschte fast 30 Jahre lang das Bild von Sri Lanka, mehr noch als das Klischee von der »Perle im Indischen Ozean«, wie arabische und portugiesische Seefahrer die Insel vor langer Zeit nannten. Ein anderer Name kommt der jüngeren Geschichte näher: die »Träne Indiens«. Wie viel Tränen und Blut sind in diesem sinnlosen Bürgerkrieg zwischen den dominierenden Singhalesen und der hinduistischen Minderheit der Tamilen seit Jahren, wenn nicht seit Jahrtausenden vergossen worden. Zwischen einer Handvoll fanatischer Tamilen-Terroristen mit Kinderarmee im Norden und einer Riege starrköpfiger nationalistisch-singhalesischer Politiker, die eine Zukunft der kriegsmüden Sri Lanker als ein geeintes Volk so lange verhindert haben. Ein weiterer Albtraum war die Tsunami-Katastrophe, die Ende 2004 allein auf Sri-Lanka mindestens 30 000 Opfer forderte.

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Florale Artenvielfalt im tropischen Regenwald

Seit Mai 2009 schweigen endlich die Waffen in Sri Lanka und der 26 Jahre andauernde Bürgerkrieg mit mehr als 80 000 Toten gilt als beendet. Doch zu welchem Preis: Allein in den letzten Kriegsmonaten sollen laut UN während der Offensive bis zu 40 000 Sri Lanker getötet worden sein. Jetzt trauen sich auch die buddhistischen Singhalesen an die unberührte Ostküste ihrer einst faktisch geteilten Insel und in den Norden. Sie kommen vor allem an den Wochenenden in Scharen – als Touristen oder Investoren, als Hotelchefs oder Kellner. Denn die Infrastruktur in den unterentwickelten und kriegszerstörten Tamilen-Regionen wird jetzt im Eiltempo ausgebaut, wie die nagelneuen autobahnbreiten Nationalstraßen gen Osten. Noch besteht die Bevölkerung hier hauptsächlich aus Tamilen und Moslems, und alle hoffen auf die Touristen aus dem Ausland, die nun den norwegischen Minenräumern und den Tsunami-Aufbauhelfern aus aller Welt möglichst schnell folgen sollen. Die Tourismusmanager haben große Pläne für die Ostküste mit ihren Traumstränden, die ersten Fünf-Sterne-Herbergen stehen bereits.

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Blüten des Kanonenkugelbaums

Nicht einmal drei Jahre nach Kriegsende hat es das kleine Land geschafft aus der Riege der weltärmsten Länder laut Weltbank in die Liga der middle income countries aufzusteigen, als Land mit mittlerem Einkommen. Den liebenswerten und leidgeprüften Sri Lankern wäre von ganzem Herzen zu wünschen, dass in Zukunft auch die tamilischen Landsleute im Osten und Norden am großen Geschäft mit den Touristen teilhaben. Bis dahin treffen sich die Pilger aller Religionen jedes Jahr zu Abertausenden auf dem heiligen Berggipfel Adam’s Peak und im Dschungelnest Kataragama – singend und tanzend, betend und vollkommen friedlich – ein Sri Lanka, das alle Reisenden faszinieren wird.

Geografie, Flora, Fauna und kulturelle Traditionen

Geografie
Die Insel erhebt sich langsam aus dem Indischen Ozean – so allmählich, dass Haie der rund 1400 Kilometer langen Küste gar nicht erst zu nahe kommen. Sri Lanka hängt etwas verloren an der Südspitze Indiens, und es kam auch schon vor, dass ein deutscher Auslands-Fernsehsender glatt vergessen hatte, den kleinen Inselstaat auf seiner neuen Nachrichten-Weltkarte einzuzeichnen. Durch die Adam’s Bridge, einer Kette aus kleinen Inseln, Sandbänken und Korallenriffen, ist Sri Lankas Norden mit Indien verbunden – der Überrest einer einst festen, urzeitlichen Landbrücke über die ca. 30 Kilometer breite Meerenge von Palk. Nach Süden zum nächsten »Festland«, der Antarktis, sind es 8000 Kilometer schier endloser Indischer Ozean, zu den benachbarten Malediven nur eine Flugstunde gen Westen.

Zu der großen Bandbreite an Vegetation gehören die Sumpfgebiete an der Süd- und Westküste, die Trockensavanne im Norden und Nordosten, ein kleines Stück Wüste auf der Halbinsel Jaffna sowie ausgedehnte Salzseen und Grassteppen im Südosten. Aus dem weiten Tiefland im Süden und in der Mitte wachsen Hügelketten und sogenannte Inselberge (z.B. Sigiriya) auf engem Raum steil bis auf eine Höhe von 2000 Metern an, überragt vom Pidurutalagala (mit 2524 m der höchste Berg Sri Lankas) sowie dem heiligen Pilgerziel Adam’s Peak (2243 m). Die vielen Plateaus und Schluchten, Täler und Becken, die Gebirgsspitzen und die mit Teesträuchern bewachsenen Hügel machen das Zentrale Bergland zu einer der reizvollsten Landschaften in Asien, seit 2010 als Weltnaturerbe ebenso unter dem Schutz der UNESCO wie der Sinharaja Forest als eines der letzten tropischen Regenwaldgebiete (seit 1988).

25 größere Flüsse schlängeln sich vom Zentralmassiv hinab an die Küste, und viele überwinden die Steilstufen als mehr oder weniger mächtige Wasserfälle. Der längste und wichtigste Fluss ist der Mahaweli Ganga.

 

Flora
Die Flora des kleinen Sri Lanka gehört zu den artenreichsten der Ländern Asiens, mehr als 3360 blühende Pflanzenfamilien sind hier zu entdecken und zeigen sich vor allem zwischen März und Mai in voller Blüte: zum Beispiel rund hundert wildwachsende Orchideenarten, der feuerrote Flamboyant-Baum und Hibiskussträucher, der langstielige Lotos und die weißen Tempelblüten vom Kanonenkugelbaum, die betörend duftenden Frangipani-Bäume und üppige Rhododendronbüsche.

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Der Danaid-Eifalter ist nur einer von über 200 in Sri Lanka beheimateten Schmetterlingsarten

Der berühmteste Baum Sri Lankas soll auch der weltweit älteste sein: der heilige Bodhi-Baum in Anuradhapura, ein Ficus religiosa. Nicht eine, sondern etwa zehn verschiedene Palmenarten, Bambus und die Bananenstauden machen das tropische Erscheinungsbild perfekt. Allerdings verdrängten die für Sri Lanka typischen Nutzpflanzenplantagen mit Tee und Kautschuk im vergangenen Jahrhundert immer mehr den Dschungel.

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Der Buntstorch lebt in den Süßwasserseen, Sümpfen und Reisfeldern Sri Lankas

Das letzte größere Gebiet ist das Sinharaja-Regenwaldreservat, etwas kleiner ist der Udawattekele-Wald bei Kandy. Die farbenprächtigste Übersicht an sri-lankischer Flora geben die botanischen Gärten in Peradeniya bei Kandy und in Hakgala bei Nuwara Eliya. Die schönsten Naturparks sind die Adam’s Peak Wilderness, die Horton Plains und die Knuckles Mountain Range, allesamt seit 2010 zum UNESCO-Weltnaturerbe gehörend.

 

Fauna und Naturschutzgebiete
In Sri Lanka gibt es 23 Nationalparks und mehr als 90 Naturschutzgebiete, in denen Elefanten und mit Glück, Geduld und einem gutem Fernglas auch Bären und Leoparden erspäht werden können. Die Wildkatzen sind allerdings vom Aussterben bedroht einige Exemplare leben in Yala und in Wilpattu. Pfauen, Reiher, Rotwild, Makaken und andere Affenarten sowie Krokodile sind dagegen fast garantiert zu sehen.

In Sri Lanka leben ca. 450 Vogelarten (darunter rund 170 Zugvögelspezies im Winter), für Vogelfreunde am lohnendsten ist ein Ausflug nach Bundala oder Wirawila im Süden und nach Wasgamuwa nördlich von Kandy sowie in die faszinierende Gegend rund um den Adam’s Peak. Elefanten lassen sich am ehesten rund um Habarana, in den Nationalparks Yala, Udawalawe, Wasgamuwa und Minneriya blicken. Sie sind heilige Wesen in Asien. Hindus glauben an den elefantenköpfigen Gott Ganesh, den Sohn Shivas, Buddhisten halten die Dickhäuter für die Träger der Welt, wie oft in der Tempelarchitektur zu sehen ist. Elefanten haben Vorfahrt, Schwangere gehen unter ihrem Bauch hindurch – das bringt Glück und Kraft. Unzählige sri-lankische Firmen werben auf Plakaten mit den symbolträchtigen und verehrten Tieren, von der Zementfabrik bis zur Bank.

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Im Oya-Fluss nahe dem Elefantenwaisenhaus von Pinnawela nehmen die Dickhäuter zweimal täglich ein Bad

Zwar wird der Elefant noch immer als Arbeitstier stundenweise vermietet, weil er bis zu vier Tonnen schleppen kann. Doch immer häufiger dienen Elefanten stattdessen als Reittiere für Touristen (besonders an der Straße von Habarana nach Polonnaruwa, bei Sigiriya, rund um Kandy und auf der Straße nach Pinnawela). Ehrenvoller ist der Einsatz bei einer Perahera – als geschmücktes Reittier und Träger von heiligen Reliquien bei einem Vollmondfest. Gar nicht so unüblich sind die Begegnungen mit freilebenden wilden Elefanten, sogar fast an der Tagesordnung in der dschungeligen Gegend rund um Habarana im Zentrum der Insel, an der Ostküste, etwa bei Arugam Bay oder nahe Trincomalee.

Vor rund hundert Jahren bevölkerten noch 10 000 bis 12 000 graue Riesen die Insel, seit Jahrzehnten wird ihre Zahl offiziell mit 2000 bis maximal 4000 angegeben. Doch der sri-lankische Elephas maximus maximus wird mehr und mehr aus seinem natürlichen Lebensraum in die Nationalparks verdrängt. Vor allem in Yala und Udawalawe im Südosten und in Minneria, Wasgamuwa und Kaudulla im Inselzentrum bestehen gute Chancen, einige der dort lebenden Exemplare oder gar eine Herde zu Gesicht zu bekommen.

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Makaken (Ceylon-Hutaffen) genießen die Aussicht von der Felsenfestung Sigiriya

Weil sie trotzdem weiterhin auf traditionellen Routen zu ihren Wasser- und Futterstellen über die Insel wandern, dabei durch Dörfer und Zuckerrohrplantagen trampeln, vor allem in der Nähe von Anuradhapura, kommt es immer wieder zu Todesfällen bei der Begegnung mit den Menschen – auf beiden Seiten: 150 bis 200 Dickhäuter sterben pro Jahr. Doch seit dem Ende der 1990er wollen die Sri Lanker nicht weiter tatenlos zusehen, gilt es doch auch eine (lukrative) Touristenattraktion zu schützen. Den Wilddieben drohen endlich drastisch erhöhte Geldstrafen und Gefängnis. Die Tierschutzverbände setzten sich für Dschungel- und Elefantenkorridore ein, die durch zivilisiertes Gebiet führen und Elefant und Mensch schützen sollen.

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Domestiziert und wildlebend: Wasserbüffel trifft man als Arbeitstiere auf den Reisfeldern, entlang den Straßen oder an den Wasserstellen in den Nationalparks

Rund um Sri Lanka tummeln sich viele Blau- und Pottwale. Blauwale (Balenoptera musculus) sind die größten Säugetiere und können zu unterschiedlichen Zeiten entlang den Küsten beobachtet werden auf ihrem Weg zwischen Arabischem Meer und der Bucht von Bengal. Besondere Hotspots sind die Nordostküste oberhalb Trincomalees und der südlichste Küstenabschnitt zwischen Galle und Mirissa, hier besonders Dondra Head, wo der Indische Ozean am tiefsten ist und die Wale schon sechs Kilometer vor der Küste vorbeiziehen (Saison an der Ostküste: etwa Mitte Mai bis Anfang November; West- und Südküste: November bis April, mit höchster »Trefferquote« im Dezember/Januar und im April). Einige Exemplare werden bis zu 30 Meter lang und wiegen bis zu hundert Tonnen. Sie erreichen ein Alter von durchschnittlich 80 bis 90 Jahren und zählen damit zu den am längsten lebenden Lebewesen. Beim Atmen stoßen Blauwale eine bis zu zwölf Meter hohe Wasserfontäne aus und ragen beim Einatmen weiter als andere Artgenossen mit ihrem Oberkörper aus dem Wasser – sehr zur Freude der Fotografen.

Pottwale (Physeter macrocephanlus) haben Zähne und können ihre Luft bis zu eine Stunde beim Tieftauchen (zwei Kilometer tief) anhalten, also Geduld! Wer Glück hat sieht bei seiner Exkursion ganze Herden von Blau- und Pottwalen, begleitet von Delfinen (Stenella longirostris), die hauptsächlich vor Kalpitiya an der Nordwestküste gesichtet werden.

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Der Sri-Lanka-Leopard ist nur auf der Insel Sri Lanka heimisch

In Sri Lanka gehören Lippenbären zu den Big Five neben Elefanten, Leoparden, Wasserbüffeln, Blauwalen. Es soll nur noch rund tausend Exemplare in sehr isolierten Gegenden in den sri-lankischen Nationalparks geben, und daher steht der Melursus ursinus auf der Liste der bedrohten Tierarten der IUCN, vor allem wegen der fortschreitenden Zerstörung der Trockenzonen, die zu seiner bevorzugten Habitat gehören. So niedlich er auch aussieht, der Bär gilt als gefährlich, lässt sich aber ohnehin eher selten blicken.

 

Meeresschildkröten
Von den weltweit sieben existierenden Arten von MeeresSchildkröten legen fünf in der Brutzeit vor allem zwischen März und Juli (die Grüne Schildkröte ganzjährig) besonders an der West- und Südküste Sri Lankas ihre Eier ab und kehren immer wieder an denselben Strand ihrer eigenen Geburt zurück: die Grüne Schildkröte (Chelonia mydas), die Pazifische Bastardschildkröte (Lepidochelys olivacea), die Lederschildkröte (Dermochelys coriacea), die Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) und die Echte Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata).

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Der Lippenbär zählt neben Elefanten, Leoparden, Wasserbüffeln und Blauwalen zu den Big Five Sri Lankas

Doch Experten schätzen, dass von tausend gelegten Eiern höchstens zehn der geschlüpften Babys nach 20 bis 30 Jahren zu geschlechtsreifen Schildkröten heranwachsen. Bedroht werden sie nicht nur von menschlichem Aberglauben und industriellem Fischfang, Raubtieren oder Plastiktüten im Meer (die sie mit ihrer Lieblingsspeise verwechseln: Quallen), auch der Hotelbau und ahnungslose Touristen gefährden die Brutstätten an den Stränden.

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Echte Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata)

Fast 200 Millionen Jahre haben die Meeresschildkröten auf der Erde überlebt. Doch gerade ihre Langlebigkeit – mehr als 80 Jahre, manche sprechen sogar von bis zu 150 Jahren! – wird der Ur-Spe-zies immer mehr zum Verhängnis. In asiatischen Breitengraden gelten die Tiere als Symbol für ein langes, Glück bringendes Leben: »Die Fischer hier glauben, dass auch sie lange leben werden, wenn sie nur regelmäßig die Eier der Schildkröten essen«, sagt Kithsiri Kannangara, Leiter der Seaturtle-Aufzuchtstation südlich von Bentota (Sea Turtle Protecting Association and Research Project, vgl. S. 72 f.). »Gegen eine Erkältung helfen rohe Schildkröteneier am besten«, verkündet auch ein Hotelangestellter den seit Generationen weitergegebenen Glauben. Viele sri-lankische Männer vertrauen außerdem auf die angeblich potenzsteigernde Wirkung der Eier. Ein Mythos, der sich offenbar hartnäckig hält, weil der Paarungsakt bei den Schildkröten bis zu zwölf Stunden andauern kann. Noch bis vor einigen Jahren musste das Turtle Conservation Project (TCP) in Colombo feststellen, dass die Eier in Sri Lanka zu 100 Prozent aus den Nestern geklaut und dann verkauft wurden.

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Schildkröte als Reisesouvenir

Seit rund zehn Jahren machen Tierschutzorganisationen und Hotels den sri-lankischen Eierhändlern jedoch Konkurrenz: Der Robinson Club (heute Club Bentota) in Aluthgama hatte in den 1990ern angefangen, den Eierräubern damals unschlagbare vier Rupies pro Ei zu zahlen – aber sie wurden nicht etwa potenzschwachen Hotelgästen als exotische Delikatesse serviert, sondern in der hoteleigenen Hatchery zum Ausbrüten eingebuddelt. Leider wurde diese Anlage beim Tsunami zerstört.

Die rund 50-tägige Brutzeit ist eine äußerst sensible Angelegenheit, wenn den kleinen Schildkröten kein Schaden zugefügt werden soll. Selbst das Geschlecht der Tiere kann durch Unwissen manipuliert werden: Liegt das Nest in der prallen Sonne, werden wegen der höheren Temperatur dort nur Weibchen heranwachsen. Die Babys schlüpfen unter einem kugelförmigen Gittergestell aus den Eiern – zum Schutz vor Schlangen, Echsen, Krabben, Vögeln, streunenden Hunden oder anderen tierischen Nesträubern, die ungeschützte Nester zu fast 100 Prozent plündern. Danach kommen die Babys zuerst in ein Meereswasserbecken, in dem sie allerdings nicht länger als einen halben bis maximal drei Tage aufbewahrt werden sollten: Denn dann verlieren die Babys ihren Instinkt für das Paddeln und somit fürs Überleben im Ozean. Und wenn ihr Fressinstinkt nach einigen Tagen in den Becken einsetzt, fangen sie schließlich mangels Nahrung an, sich gegenseitig anzuknabbern. Der Sand in den Hatcherys sollte regelmäßig ausgewechselt werden, ebenso das Wasser. Die kleinen Schildkröten dürfen nur im Dunkeln freigelassen werden, um nicht den Raubvögeln zum Opfer zu fallen.

Viele der derzeit zwölf Schildkrötenbrutstationen in Sri Lanka erfüllen diese wissenschaftlich optimalen Bedingungen ganz und gar nicht. Die meisten sind reine Touristenfallen: Als Touristenattraktionen kassieren sie Eintrittsgelder und entlassen die Babys oftmals erst nach mehreren Wochen – nicht selten gegen ein kleines Zusatzentgeld (!) sogar in der Tageshitze, damit die Urlauber ein Foto schießen oder vor der Videokamera mit den Babys posieren können. Für die Raubvögel sind sie dann eine Beute wie auf dem Präsentierteller. Im guten Glauben, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht, geben die meisten Urlauber eine Spende für den guten Zweck – ist ja alles so niedlich und tierfreundlich hier.

Wenn Hatcherys rein kommerziellen Zwecken dienen, sollte man sie meiden, etwa bei folgenden Anzeichen: In vollkommen überfüllten Becken mit dreckigem Wasser paddeln die Babys immer wieder gegen die Betonwände oder treiben regungslos in der Menge. Es stinkt, einige haben angefressene Gliedmaßen, andere weiße Flecken – untrügliches Zeichen für eine Infektion. »Wir behalten die Babys so lange hier, bis sie groß genug sind, damit sie nicht mehr von Angreifern, wie großen Fischen, gefressen werden können.« Wer seinen Gästen solchen Unsinn erzählt, lügt, auch wenn der Name der Anlage großspurig Forschungszentrum lautet. Nach zwei Wochen oder länger im Becken ist die Überlebenschance der Babys laut TCP gleich Null.

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Musikanten im Zahntempel in Kandy (oben und unten)

Zwar sind aus Sri Lanka keine Massenschlachtungen von Meeresschildkröten bekannt, wie aus Bali, wo bis 2001 jährlich auf legale Weise etwa 5000 der Reptilien getötet wurden. Trotzdem beobachtet Thushan Kapurusinghe, Leiter der TCP in Colombo, seit drei Jahrzehnten mit steigenden Touristenzahlen einen stetigen Rückgang der Schildkrötenpopulation an Sri Lankas Küste. »Noch immer werden viele Tiere geschlachtet, besonders die Echte Karettschildkröte mit ihrem schönen Panzer.«

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Mit Postern der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ, jetzt GIZ), Vorträgen in Hotels und speziellen Kursen in srilankischen Schulen wurde die Bevölkerung und die vorwiegend deutschen Touristen auf die Bedrohung der Reptilien aufmerksam gemacht. Doch damit ist die Armut der Fischer nicht beseitigt. Und so hat es die TCP geschafft, viele der ehemaligen Nesträuber als gut ausgebildete und über Spenden bezahlte Tierschützer zu beschäftigen. Thushan: »Wir müssen ihnen Alternativen bieten und derzeit tun wir das in verschiedenen Projekten in Rekawa, Kosgoda und Kalpitiya für insgesamt 70 Dorfbewohner.« 2006 erklärte das Department of Wildlife Conservation den Rekawa-Strand östlich von Tangalla als erstes Marine Turtle Sanctuary (Meeresschildkrötenschutzgebiet) in Sri Lanka. Heute gehen hier die Touristen nachts mit den 17 Tierschützern auf ihre nächtlichen Patrouillen (vgl. Südküste, S. 105).

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Kokosöllampen im Tempel des heiligen Zahns in der alten Königsstadt Kandy

 

Kulturelle Traditionen: Tanz, Musik und rituelles Theater
Die meisten Kunstformen in Sri Lanka sind aus religiös-sozialen Gründen entstanden. Oft ging es bei den Tanzdramen mit den furchterregenden Masken um das Wohl der Dorfgemeinschaft: Es sollte eine drohende Epidemie abgewendet oder eine reichhaltige Ernte herbeigewünscht werden. Dazu wandte sich das gesamte Dorf mithilfe von Astrologen und Ritualspezialisten an die Götter und Dämonen. Die Südwestküste ist bis heute das Zentrum für volkstümliches Tanztheater, Puppenspiel und Maskenschnitzerei.

Die bekanntesten Tänze unterscheiden sich in Hochund Tieflandtänze. Die berühmten Tempeltänze aus dem Bergland werden in Kandy heute noch täglich aufgeführt, mit dem spektakulären Feuerlaufen zum Schluss. Diese Darbietungen hatten ursprünglich religiöse Bedeutung, zum Beispiel bei rituellen Opferzeremonien. Heutzutage sind die Tänze mit folkloristischen Elementen vermischt und stehen selbst bei Staudamm-Einweihungen auf dem Programm. Einen guten Eindruck bekommt man bei der Perahera, dem großen, rituellen Umzug in Kandy im Juli/August, wenn zumeist männliche Tänzer mit aufwendigem Kopf-, Brust- und Hüftschmuck sowie silbernem Geschmeide an Armen und Füßen an den Passanten vorbeitanzen: Sie stampfen mit den Füßen, verdrehen die Augen, um im nächsten Augenblick durch die Luft zu wirbeln und dann wieder anmutig mit gespreizten Fingern innezuhalten. Begleitet werden die Tänzer vom tiefen Trommeln der ebenfalls in rot-weiß-silber kostümierten Musiker. Bemerkenswert ist die Vielzahl von Trommeln, etwa die Getaberaya, die vor der Hüfte hängt und rhythmisch mit Händen oder Stöcken bearbeitet wird. Bei den Blasinstrumenten fällt besonders die Kombu auf, ein S-förmiges Messinghorn.

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Rot-weiß-silbern kostümiert: die Musiker der Tempeltänze in Kandy

So harmonisch und anmutig die Kandy-Tänze aussehen, so wild, ohrenbetäubend und ekstatisch sind die sogenannten Teufelstänze (Thovil, Mahason Samayama), Rituale zur Bannung von krankmachenden Dämonen im Tiefland, die an einen Exorzismus erinnern. Im Sanni Yakuma befreit ein Ritualspezialist mit seiner Truppe einen Kranken von Krankheitsdämonen, also vom dämonischen Prinzen Maha Kola und seinen 18 bösen Gefährten, den Sanni, die 18 Krankheiten verursachen können. Das Ritual dauert eine ganze Nacht lang, Nachbarn und Verwandte nehmen teil.

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» Garuda«-Masken-Tänzer der Kandy Dance Show

Bei Sonnenuntergang beginnt die Zeremonie mit Gebeten und Einladungen an den Buddha, die Götter und die Dämonen selbst vor dem Haus des Kranken oder des von Dämonen »Besessenen« – das kann auch ein Fischer sein, dessen Netze immer leer bleiben. Der Ober-Exorzist und Dämonenspezialist beschwört den Ober-Dämon, zieht Grimassen, feilscht um den Kranken, lockt den Schwarzen Prinzen mit einem Opferhahn oder einer Kokosnuss und wildem Trommelwirbel an. Meist wird im nächsten Akt tänzerisch erklärt, warum Prinz Maha Kola so böse geworden ist – Soziologen würden ihn als Kind aus zerrütteten Familienverhältnissen beschreiben: Seine Mutter wurde vom Vater umgebracht, was der Königssohn zu rächen wusste, als er vom Schicksal seiner Mutter hörte.

Nachdem die großen und gefährlichen Dämonen aufgetreten und mit Gaben beschenkt weggesandt wurden, treten als nächste die Pali auf, die Vorläufer der Sanni-Dämonen. Sie sollen das Publikum und den Kranken mit oftmals derben Witzen zum Lachen bringen, auch wenn sie nicht weniger grimmig aussehen als die Sanni. Das ganze Spektakel ist ohnehin mehr lustig als angsteinflößend, aber deswegen nicht weniger wirksam: Am Ende verlässt Prinz Maha Kola widerwillig, aber reich beschenkt den Kranken, der wie in Trance seinen Peiniger abschüttelt. Ein Feuerschlucker steckt sich schließlich eine brennende Fackel in den Mund, um die böse Energie ein für alle Mal zu schlucken. Bei der abschließenden Reini- gungszeremonie für Haus und Hof schaut die Sonne schon zu« und das Publikum schläft.

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Kandy Dance Show: Ein Feuerschlucker steckt sich eine brennende Fackel in den Mund

Aufpassen muss man in Sri Lanka vor allem vor den Yakksha. Diese kleinen Teufel mit den gefletschten Zähnen gehören auch zu des Prinzen Gefolge und sind besonders hinterhältig: Allein durch ihren Blick ergreifen sie Besitz vom Menschen und verursachen Cholera, Lähmungen, Vergiftungen, Geistesschwäche, Tod und ganz teuflisch: erotische Träume bei Frauen.

Heute werden nur ganz wenige solcher Heilrituale aufgeführt, etwa in der Gegend zwischen Ambalangoda und Mirissa. Der

Grund für das Aussterben der Sanni, Yakksha und Ritualspezialisten liegt wohl auch im schnöden Mammon: Mindestens 10 000 bis 20 000 Rupien verlangt der moderne Exorzist für sich und seine Tänzer. Einzelne Charaktere aus diesen Heilritualen treten auch bei den Peraheras in den Dörfern in Erscheinung.

Hotels bieten regelmäßig folkloristische Veranstaltungen mit einer Mischung aus bunter Kandy-Tanz-Show, maskenreichem Teufelstanz und klassischem Kolam-Volkstheater mit Masken und akrobatischen Einlagen. Das Kolam Maduwa wird ebenfalls heute kaum noch aufgeführt und ist eine Art der Satire, mit der das Dorfleben auf die Schippe genommen wird. Die Schauspieler tragen Masken und stellen verschiedene Charaktere dar, den Polizisten oder Dorfbeamten, Angehörige des Könighauses oder manchmal sogar den Fremden aus Europa mit gelbem Gesicht und Schnurbart. Einen Überblick über die Tänze gibt die rund einstündige Kultur-Show in Kandy (vgl. S. 185).

 

Buddhismus: Wie Siddharta die Erleuchtung fand und der Buddhismus nach Sri Lanka kam
Vor rund 2500 Jahren entstand die Lehre Buddhas in Indien. Als Religionsbegründer gilt der Legende nach ein junger indischer Prinz mit dem Namen Siddharta, der im Alter von 29 Jahren sein Heim verließ, um als Asket einen Ausweg aus dem ewigen Leiden des Lebens zu suchen. Die Wahrheit und Erleuchtung fand er schließlich mit 35 Jahren in einer Vollmondnacht im Mai unter einem Feigenbaum in Bodh Gaya im Osten Indiens sitzend. Fortan wanderte er als Buddha durch die Lande, predigend und segnend, bis er im Alter von 80 Jahren starb. Der Vollmondtag im Mai ist bis heute Feiertag für die drei wichtigsten Ereignisse im Leben Buddhas: Geburt, Erleuchtung und Tod. Buddha soll drei Mal in Sri Lanka gewesen sein: in den heutigen Wallfahrtsstätten Kelaniya bei Colombo, auf dem Adam’s Peak, in Mahiyangana und in Nainativu bei Jaffna.

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Buddha soll drei Mal in Sri Lanka gewesen sein, unter anderen in der heutigen Wallfahrtsstätte Kelaniya

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Ruhender Buddha von Isurumuniya Vihara südlich von Anuradhapura

Nach Buddhas Tod brachte der indische Prinz Mahinda die buddhistische Lehre, das Dhamma, im Jahre 250 v. Chr. nach Sri Lanka, die sich hier schnell als Staatsreligion etablierte und bis heute in ihrer ursprünglichen Form, dem Theravada-Buddhismus, bewahrt hat. Wenig später wurde ein Ableger des Baums aus dem ostindischen Bodh Gaya, unter dem Buddha die Erleuchtung erlangte, nach Sri Lanka gebracht und in Anuradhapura eingepflanzt: der Bodhi-Baum. Sri Lanka bezeichnet sich als Land des Buddhismus: Erst nachdem singhalesische Mönche Buddhas mündliche Lehren in einer ersten Schriftensammlung, der Tripitaka, im Kloster Aluvihara zusammengefasst hatten, fand die Religion ihre Verbreitung in ganz Asien mit heute Millionen von Gläubigen und Anhängern Buddhas weltweit.

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Ganesh, der Gott der Weisheit mit seinem Elefantenkopf, im Tempel Kelaniya Raja Maha Vihara

Buddha wird nicht als Gott, sondern als Mensch verehrt. Er zeigte lediglich den Weg, auf dem die Erleuchtung durch Weisheit gelungen ist, wie es anderen Normalsterblichen auch möglich ist. Vorausgesetzt, dass die »Vier edlen Wahrheiten« beachtet werden: 1. Am Anfang steht die Erkenntnis, dass Leid in der Welt existiert. 2. Die Ursache allen Leidens sind Egoismus und Begierde. 3. Das Leiden kann überwunden werden, wenn die Begierde aufhört, d. h. wenn auch die Vergänglichkeit des Daseins akzeptiert wird. 4. Dies kann auf dem »achtfachen Pfad« durch Meditation und die Einhaltung der rechten Lebensregeln erreicht werden. Auf dem Weg ins Nirvana, der endgültigen Erlösung vom Kreislauf der Wiedergeburten, spielen Barmherzigkeit, Gleichmut, Güte, Toleranz und Mitleid gegenüber allen Lebewesen eine zentrale Rolle. Nur so kann das Karma, das Lebenskonto aller guten und schlechten Taten, beeinflusst und die nächste Existenz eine bessere werden.

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Sri Lanka in Zahlen und Fakten

Ländername: Demokratische Sozialistische Republik Sri Lanka (Democratic Socialist Republic of Sri Lanka)

Fläche: 65 610 km2

Lage: zwischen 80. und 82. Grad östlicher Länge, 5. und 10. Grad nördlicher Breite

Hauptstadt: Colombo (700 000 Einwohner, Provinz: ca. 1,3 Mio. Einwohner)

Parlamentssitz: Kotte

Einwohner: ca. 20,2 Mio., davon 74,9 % Singhalesen, 18, 1% Tamilen (12,6 % Sri Lanka-Tamilen, 5,5 % Tamilen indischer Herkunft), 7,1 % Araber, 0,8 % andere (Malaien, Burgher, usw.)

Bevölkerungswachstum: 0,7 % pro Jahr

Pro-Kopf-Einkommen (BIP): 2923 US$ im Jahr = € 185 im Monat

Offizielle Arbeitslosigkeit: 4 % (Jugendliche: 19 %)

Lebenserwartung: 75 Jahre

Analphabetenrate: 9 %

Landbevölkerung: 85 %

Anteil am Bruttoinlandsprodukt:

Landwirtschaft: 12,6 %

Dienstleistung (und Handel): 57,6 %

Industrie: 29,8 %

Hauptanbauprodukte: Reis, Zuckerrohr, Tee, Tabak, Kaffee, Kokospalmen

Wichtigste Exportartikel: Tee, Kautschuk, Textilien und weltweit größter Zimt-Exporteur Touristenzahl 2012:1 Mio.

Dierund 15 000 Mönche in Sri Lanka haben 227 Regeln zu beachten (etwa das Zölibat), der Alltags-Buddhist mindestens fünf (zum Beispiel keine Gewalt und Drogen), ehe nach mehrfacher Wiedergeburt das Stadium des grenzenlosen Friedens erreicht werden. Buddha selbst soll der Legende nach mehr als 550 Leben gehabt haben. Die Träger der orangefarbenen Roben verpflichten sich zu einem Leben im Mönchsorden oder sie verbringen eine begrenzte Zeitlang als Buddhas Schüler und Novizen im Kloster. Dies hielt buddhistische Mönche in Sri Lanka allerdings nicht davon ab, bei politischen Demonstrationen in erster Reihe zu gehen, Gewalt zu predigen und einen großen Einfluss auf die Politik auszuüben. 1959 erschoss ein Mönch den Präsidenten Solomon Bandaranaike.

 

Hinduismus: Götter, Geister und Gurus
Der Hinduismus ist eine sehr offene Religion, in der hinduistischen Mythologie findet sich selbst Buddha als eine Inkarnation des Hindugottes Vishnu wieder. Auch Hindus versuchen, nach dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburt die Erleuchtung zu erlangen: Diese Erlösung kann durch Götter- und Geisterverehrung, Askese, Meditation oder reichlich masochistische Rituale und bis heute sogar mit Tieropfern erreicht werden. Die am häufigsten in Sri Lanka verehrten und dargestellten Gottheiten sind Skanda (auch: Murugan, Kataragama), der Kriegsgott, der auf einem Pfau reitet; Ganesh, der Gott der Weisheit mit seinem Elefantenkopf; Vishnu, der Welterhalter und Shiva, der Weltzerstörer und Erneuerer.

Die Tempel sind eine wahre Augenweide mit ihren unzähligen bunten Skulpturen von Göttern, Geistern, Dämonen und Menschen. Das Hakenkreuz am Eingang von Kovils und vielen sri-lankischen Wohnhäusern hat nichts mit nationalsozialistischem Gedankengut zu tun, sondern gilt in vielen asiatischen Ländern als ein jahrtausendealtes, Glück bringendes Runenzeichen, das Sonne und Fruchtbarkeit darstellen soll.

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Knallbunt: der hinduistische Murugan-Tempel im Slave-Island- Viertel von Colombo

Chronik Sri Lankas
Daten zur Landesgeschichte

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Buddhistisches Fresko in Anuradhapura

I. Kämpfe um das Königreich

483 v. Chr.
Die ersten Singhalesen (»Löwensöhne«) wandern aus dem Norden Indiens unter König Vijaya ein und besiegen die Ureinwohner, die Yaksas – ein Volk aus Dämonen, wie die Legende erzählt. Rund ein Jahrhundert später wird Anuradhapura zur Königsstadt für die nächsten 1400 Jahre.

 

250 v. Chr.
Der indische Prinz Mahinda kommt nach Sri Lanka und verbreitet die Lehre Buddhas, die bald zur Staatsreligion wird. In den folgenden hundert Jahren fallen die ersten Tamilen-Invasoren aus Südindien ein und erobern Anuradhapura.

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Ruinen der Königlichen Ratshalle aus dem 12. Jahrhundert in Polonnaruwa

 

161 v. Chr.
König Dutthagamani gewinnt seinen Feldzug gegen die Tamilen aus dem südindischen Reich der Cholas. Als geeintes Königreich erlebt Sri Lanka in den folgen Jahrhunderten seine erste kulturelle und städtebauliche Blütezeit, vor allem mit der Schaffung von gigantischen Stauseen (Wewas) und Kanälen, Palästen und imposanten Dagobas, die in dieser Zeit zu den höchsten Bauwerken der Welt zählen (nach den Pyramiden in Ägypten)!

 

Bis 1000
Es kommt immer wieder zu Invasionen der Tamilen und wechselnder Herrschaft auf der Insel. Dabei wird Anuradhapura im Jahre 993 von tamilischen Truppen niedergebrannt und der Regierungssitz nach Polonnaruwa verlegt. Um die Jahrtausendwende beginnt von dort aus für rund 80 Jahre die längste Herrschaft der Tamilen in Sri Lanka.

 

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Marco Polo gelangt 1292 nach Ceylon: Karawane des Marco Polo aus einem katalanischen Atlas (1375)

1153–86
Unter König Parakramabahu I. entsteht eine der mächtigsten srilankischen Dynastien in Polonnaruwa mit dem Bau von weiteren Riesen-Stauseen.

 

1292
Marco Polo gelangt nach Ceylon.

 

13. Jh.