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Alfred Bekker, Pete Hackett

Drei Top Western #3

Nugget Jäger/ Warrington - ein Mann aus Granit/ Marshal Logan und der gefährliche Auftrag: Cassiopeiapress





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Drei Top Western #3

Alfred Bekker, Thomas West & Pete Hackett

 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 333 Taschenbuchseiten.

 

Diese Buch enthält folgende drei Romane:

Alfred Bekker: Nugget-Jäger

Thomas West: Warrington – Ein Mann aus Granit

Pete Hackett: Marshal Logan und der gefährliche Auftrag

 

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Authors

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de



Nugget-Jäger

von Alfred Bekker

 

In Montana ist der Teufel los. In den Black Mountains hat man Gold gefunden, und jetzt ziehen die Glücksritter und Halunken von überall her dorthin, um schnell reich zu werden. Aber oft genug finden sie nur den Tod. So macht sich auch Jay Parry in das gelobte Goldland zwischen den schroffen Bergen auf. Ein Cowboy und Herumtreiber, schnell mit dem Revolver und glücklos beim Spiel. Schon bald ist Jay Parry in größten Schwierigkeiten. Und er trifft Gelbe Blume, eine Blackfeet-Indianerin. Eine Frau, die er nicht vergessen kann, obwohl sie nicht für ihn bestimmt ist...

 

1

In jenen Jahren gab es unzählige Männer, die des Goldes wegen nach Montana kamen - oder auch einfach nur, um auf die eine oder andere Weise in diesem jungen Land ihr Glück zu machen.

Ich hatte mich als Cowboy, Vormann und Hilfssheriff durchgeschlagen und war zuletzt bei einer Treibmannschaft in Kansas dabei gewesen.

Immerhin hatte ich auf diese Weise ein paar Dollar in der Tasche, als mich die Abenteuerlust packte und ich nach Norden zog. Mit einem Flussschiff war ich den Missouri hinaufgefahren, dann in irgendeinem Nest an den sumpfigen Ufern des Big Muddy von Bord gegangen und hatte mir eine lange Sharps-Rifle, die ich benutzen wollte, um größere Tiere zu erlegen. Für diese Waffe ließ ich mir bei einem Sattler eigens einen zweiten, längeren Sattelschuh anfertigen. Die Sharps hatte ich also zum Jagen - meinen Colt und die Winchester hingegen brauchte ich, um mich gegen jene besondere Sorte Wölfe verteidigen zu können, die auf zwei Beinen zu gehen pflegt!

Und davon gab es jede Menge im Montana-Territorium!

Männer, die auf der Flucht vor dem Gesetz waren und genau wussten, dass sie in diesen einsamen Bergen kaum je ein Marshal aufstöbern konnte! Dazu jede Menge Banditen, die es auf Goldtransporte angesehen hatten - oder auch nur auf einsame Digger, die mit ihren Taschen voller Nuggets zur nächsten Stadt zu kommen versuchten.

Und dann waren da die Indianer, mit denen auch nicht immer zu spaßen war.

Eine Pfanne zum Goldwaschen kaufte ich mir übrigens auch.

Sie hing hinten bei mir am Sattel herunter.

Angenommen, da wäre ich zufällig einmal auf einen Creek voller Goldstaub gestoßen - es wäre einfach zu ärgerlich gewesen, dann mit leeren Händen dazustehen!

Vielleicht hatte ich mir auch durch die phantastischen Geschichten, die man sich über das Goldland erzählte, und wie ich sie dutzendweise an Bord des Flussschiffes gehört hatte, ein wenig den Kopf verdrehen lassen. Geschichten von sagenhaftem, schnellem Reichtum...

Allerdings waren da mindestens ebenso viele Geschichten von schnellem Tod in kaltem Eis oder glühender Sonne, skalpiert von den Blackfeet oder bis aufs Hemd ausgeraubt von weißen Desperados.

Ich zog also los.

Es war noch Sommer, obwohl manchmal in der Nacht schon der kalte Wind von den Bergen zu spüren war. Für den Winter hatte ich vorgesorgt, zumindest was warme Kleidung anging. Ich war zum ersten mal hier oben in diesem wilden Land, aber ich hatte genug gehört, um zu wissen, wie hart der Winter in Montana ist. Aber noch schien die Sonne warm vom Himmel.

Vor mir lag ein wunderbares, fast menschenleeres Land, dass nur darauf zu warten schien, von Menschen besiedelt zu werden.

Aber auch wenn jetzt die Menschen in Strömen hier her kamen - es war ein verdammt großes Land und man würde hier wohl noch lange tage- und wochenlang umherziehen können, ohne auch nur eine einzige Menschenseele zu treffen.



2

Einen Monat lang war ich so in der Wildnis umhergezogen.

Irgendwann, in ein paar Wochen, würde ich mich nach einem Winterlager umsehen müssen.

Aber bis dahin war noch etwas Zeit.

Ich sah Spuren unbeschlagener Hufe und die Schleifrillen von Tragestangen, mit denen die Indianer ihre Tipis und ihre Vorräte zu transportieren pflegten.

Soweit ich konnte, wich ich den Indianern aus. Ich hatte keine Ahnung, um welche Stämme es sich handelte. Vielleicht waren es die kriegerischen Blackfeet, die mit diesen verfeindeten Assiniboines oder die Crows, die zumindest bei den Weißen noch den besten Ruf genossen...

Es war mir gleichgültig.

Mit keiner dieser Gruppen wollte ich im Augenblick Bekanntschaft machen.

Einmal sah ich von einem steilen Hang hinunter einen Stamm, der gerade auf Wanderschaft war - vielleicht auf der Fährte des Wildes, vielleicht auch auf der Flucht vor Feinden...

Jedenfalls passte ich höllisch auf, dass man mich nicht bemerkte.

Eine Woche später war ich dann einem Hirsch auf der Spur.

Wenn ich den erlegen könnte, so war mein Gedanke, dann hätte ich für eine ganze Weile ausgesorgt - zumindest, was die Nahrung anging.

Ich hetzte meinen Gaul - einen wunderbaren Fuchs - hinter dem Tier her, die lange Sharps in der einen, die Zügel in der anderen Hand.

Aber das Tier war geschickt.

Ich kam nicht in eine Position von der aus sich ein Schuss gelohnt hätte.

Und ich hatte nur einen höchstens zwei Schüsse, denn wenn ich hier draußen eine große Ballerei veranstaltete, dann würde das nur beutegieriges Gesindel anlocken.

Es ging durch ein Waldstück mit ziemlich dichtem Unterholz.

Mein Fuchs hatte es schwer, die Äste rissen dem Tier Striemen in den Pferderücken und peitschten mir ins Gesicht.

Der Hirsch rannte um sein Leben - und verdammt nochmal, er schien genau zu wissen, wie man mit einem Jäger umzugehen hat, wenn man ihn möglichst wirkungsvoll abhängen will!

Ich trieb den Fuchs unbarmherzig vorwärts, schlug mit dem Lauf der Sharps-Rifles die Äste zur Seite und dann lichtete sich das Gestrüpp auf einmal wieder.

Ich hörte Wasser sprudeln und war wenige Augenblicke später an einem engen Wasserlauf.

Irgendeiner der verästelten Nebenarme des Big Muddy musste das sein. Ich hatte keine gute Karte und wusste es daher nicht genau.

Mein Blick ging herum und suchte nach dem Hirsch, aber von dem war nirgends etwas zu sehen. Stattdessen sah ich etwas anderes.

Da war eine blauschwarze, fast hüftlange Haarmähne und zwei weit aufgerissene, dunkle Augen, in denen Furcht stand.

Es war eine junge Indianerin, die da am Wasser hockte und ihr langes Haar zu Zöpfen flechtete. Die Wasseroberfläche diente ihr dabei wohl als Spiegel.

Sie drehte sich halb zu mir herum und dann sah ich ein hölzernes Amulett um ihren Hals hängen.

Neben ihr auf dem Boden stand eine Art Korb. Vielleicht war in der Nähe ein Lager und die Frauen waren ausgeschwärmt, um Beeren und Wurzeln zu sammeln.

In dem Fall konnte ich den Hirsch abschreiben.

Die junge Frau war mitten in der Bewegung erstarrt. Sie rührte sich nicht einen Millimeter von der Stelle.

Glücklicherweise hatte sie bisher auch noch keinen Laut von sich gegeben.

Wenn ihr jetzt einfiel, einen spitzen Schrei zwischen den Lippen hindurchzulassen, musste ich damit rechnen, binnen kurzem eine Meute von wilden Indianern auf den Fersen zu haben!

Aber sie schwieg.

Erst hatte sie gezittert, aber jetzt legte sich das. Ich hatte Verständnis für ihre Furcht. Sie konnte ja nicht wissen, welche Absichten ich hatte!

Wir wechselten einen Blick miteinander. Ich sah ihre Augen, ihre Lippen, ihre ebenmäßigen Züge und dachte, dass sie eine sehr schöne Frau war.

Es gibt Weiße, die behaupten, dass alle Indianer gleich aussehen. Vielleicht haben die sich nie ein rotes Gesicht wirklich angesehen.

Es war mir in diesem Moment noch nicht bewusst - aber dieses Gesicht würde mir nicht mehr aus dem Sinn gehen.

Ich machte ein paar Handzeichen in der Zeichensprache, die die die Prärie-Indianer von Alberta bis New Mexico miteinander verbindet. Unbeholfen zwar, aber ich hoffte, dass ihr klar wurde, was ich meinte.

Jeder Viehtreiber, der seine Herde halbwegs vollzählig durch Indianerland hindurchbringen will, muss wenigstens ein paar dieser Zeichen kennen... Ich kannte etwas mehr als nur ein paar Zeichen, und deshalb war das Verhandeln mit den Roten auch meistens meine Aufgabe gewesen.

Ich signalisierte, dass ich ihr nichts tun würde und friedliche Absichten hätte.

Ihr Blick blieb weiterhin auf mich gerichtet, sie hatte sich noch immer nicht gerührt.

Vielleicht traute sie dem Braten nicht.

Unterdessen steckte ich das Sharps-Gewehr in den Sattelschuh. Den Hirsch hatte ich endgültig aufgegeben.

Jetzt endlich erhob sie sich.

In der Zeichensprache bedeutete sie mir, dass sie mich verstanden hätte.

Ich lenkte mein Pferd herum und wollte meines Weges ziehen, da hörte ich sie plötzlich in einer mir unbekannten Sprache auf mich einreden.

Ich drehte mich herum.

Dann sprach sie mit den Händen.

"In diese Richtung darfst du nicht reiten!", sagten ihre Hände - sofern ich sie richtig verstand, denn sie machte die Zeichen sehr schnell. Ihr waren sie ja schließlich auch von Kindesbeinen an geläufig, während ich Mühe hatte, in ihrem Tempo mitzuhalten.

"Warum?", fragten meine Hände zurück. "Sind dort deine Stammesbrüder?"

"Ja. Sie werden dich töten, wenn sie dich hier finden. Reite dorthin!" Und dabei deutete sie mit der Hand nach Nordwesten.

Ich überlegte.

Vielleicht stimmte es, was sie sagte.

Es konnte aber auch eine Falle sein.

Warum sollte sie davor zurückschrecken, mich ihren Stammesbrüdern in die Arme laufen zu lassen? Meine beiden Gewehre, meinen Revolver, den ich um die Hüften trug, das lange Bowie-Messer an meinem Gürtel, das wären wertvolle Beutestücke für die Roten gewesen.

Und weiß Gott! Es wurden schon Männer wegen Geringerem umgebracht!

Ich ließ erneut meine Hände sprechen.

"Du willst mich in eine Falle locken!", ließ ich sie wissen.

Aber sie schüttelte den Kopf.

"Nein. Du kannst mir vertrauen!"

Ich überlegte.

Die Richtung, in die ich gehen sollte, führte weg vom Fluss.

Wäre es anders gewesen, wäre ich noch weitaus misstrauischer gewesen, aber so konnte ihre Geschichte stimmen.

Indianerlager wurden oft an Flussläufen oder Creeks aufgebaut - und warum sollte das in diesem Fall anders sein?

Wir sahen uns erneut an.

Unsere Blicke hingen aneinander und ich wusste, dass mein Leben vielleicht davon abhing, was ich auf das Wort dieser Indianerin gab.

Ich fragte sie noch, zu welchem Volk sie gehörte. Wenn ich doch mit ihnen zusammentraf konnte es nicht schaden, dass zu wissen.

Sie machte das Zeichen der Blackfeet.

Das hatte mir noch gefehlt! Es gab niemanden, mit denen die Blackfeet nicht im Krieg standen - gleichgültig ob rot oder weiß!

Wenn ich in ihre Hände geriet, würde ich nichts zu lachen haben!



3

Ich entschloss mich, ihr zu trauen.

Zumindest ein bisschen.

Weiß der Teufel warum! Wenn man einen Menschen beurteilt, kann man sich sehr vertun, aber ich hoffte, dass das in diesem Fall nicht so war.

Ich ritt also in jene Richtung davon, die mir angegeben hatte, blieb aber sehr vorsichtig.

Ich holte die Winchester aus dem Sattelschuh und hielt sie schussbereit im Arm.

Wenn es jetzt wirklich eine Horde Roter auf mich abgesehen hatte, war ich zumindest vorbereitet! Und wenn sie mein Pferd und meine Sachen haben wollten, würden sie dafür teuer bezahlen müssen!

Offensichtlich hatte mich meine Menschenkenntnis in Bezug auf die Indianerin nicht getrogen. Vielleicht hatte ich auch einfach Glück gehabt, wer weiß...

Jedenfalls traf ich nirgends auf Indianer.

Schließlich steckte ich das Gewehr wieder in den Sattel.

Und vor meinen Augen sah ich das Gesicht dieser Indianerin.

Sie war vermutlich unerreichbar für mich und ich war vernünftig genug, das einzusehen.

Sie lebte in ihrem Stamm und es war unwahrscheinlich, dass der einen Weißen akzeptiert hätte.

Es gab Weiße, die sich mit Indianerinnen zusammenlebten und die Lebensweise der Roten angenommen hatten. Man nannte sie Squaw-Männer.

Aber ich habe nie gehört, dass einer von ihnen mit einer Blackfeet-Frau zusammen war! Der Stamm hätte es nicht geduldet!

Ich musste sie aus meinem Kopf verbannen!

Vielleicht war sie auch längst vergeben oder zumindest versprochen.

Aber sie hätte mir gefallen!, dachte ich, während ich meinen Gaul vorwärts schickte. Zumindest fiel es mir bei dem Gedanken an die junge Blackfeet-Frau leichter, den verpassten Hirsch zu vergessen.



4

Es war ein paar Tage später, als ich in der Ferne plötzlich Schüsse hörte.

Irgendwo hinter der nächsten Kette von Berghängen musste eine heftige Schießerei im Gange sein.

Ich überlegte einen Moment.

Vielleicht war da irgendein armer Teufel, dem Indianer oder Banditen zusetzten und der meine Hilfe brauchte! Andererseits konnte es aber auch irgendeine andere Fehde sein, mit der ich nichts zu tun haben wollte!

Ich entschloss mich dennoch, dem Krachen der Gewehre nachzureiten.

Der Kampf war noch immer heftig im Gange. Es schien hin und her zu gehen.

Ich ritt eine Anhöhe hinauf und als ich dann den Hang hinunterblickte, sah ich, was geschehen war.

Da war ein Mann, der sich hinter einem Felsen verschanzt hatte und sich gegen eine Meute schießwütiger Wölfe zu verteidigen hatte.

Ich sah auch einen Gaul und zwei schwer beladene Packesel.

Einem der Esel hatte eine Kugel den Leib aufgerissen. Er lag in den letzten Zügen.

Der Gaul und der zweite Esel waren in verschiedene Richtungen davongeprescht.

Der Esel war dabei erheblich langsamer, was nicht verwundern konnte! Er trug schließlich ziemlich fiel auf dem Rücken...

Ich sah den einsamen Verteidiger immer wieder aus der Deckung hervortauchen und seine Winchester abfeuern.

An der Schulter war sein Hemd blutig.

Dort schien es ihn erwischt zu haben. Wahrscheinlich saß er deswegen auch nicht mehr dem Rücken seines Pferdes.

Ich zögerte nicht lange, riss die Winchester aus dem Sattel und preschte dann den Hang hinunter.

Ich bin kein schlechter Schütze und ich habe gelernt, auch in vollem Galopp mit einem Gewehr umzugehen. Das kam mir jetzt zu Gute.

Ich feuerte Schuss um Schuss aus dem Winchester-Magazin ab, während mein Fuchs furchtlos den Hang hinabjagte. Es gibt nicht viele Pferde, mit denen man so etwas ungestraft machen kann...

Mindestens ein Dutzend Banditen hatte ich ausgemacht, aber es konnten auch mehr sein.

Ich war mir nicht sicher.

Ein Dutzend Mann - und ebenso viele Schüsse konnte ich aus der Winchester loskrachen lassen, ohne nachladen zu müssen.

Gleich mit der ersten Kugel erwischte ich einen der Kerle an der Schulter.

Und das was dann über seine Lippen kam, war halb Fluch, halb Schmerzensschrei. Jedenfalls konnte er seinen rechten Arm fürs erste nicht mehr gebrauchen. Aus seiner Richtung kam kein Schuss mehr.

Einem weiteren schoss ich eine Kugel mitten in den Kopf. Er hatte kaum Zeit für einen Todesschrei.

Ich schoss wild drauflos und die Halunken mussten ihre Köpfe einziehen.

Nachdem ich dann noch einen der Kerle aus seiner Deckung geholt hatte, war ich nahe genug an einem glatten, etwa hüfthohen Felsen herangekommen, der aus dem grasbewachsenen Boden herausragte.

Hier konnte ich Deckung finden.

Ich sprang aus dem Sattel und rollte mich am Boden ab. Dann ließ ich noch einmal die Winchester krachen, rollte mich zur anderen Seite und war einen Augenaufschlag später hinter dem Felsen in Sicherheit.

Ein wütender Geschosshagel prasselte in meine Richtung. Die Kugeln pfiffen über mich hinweg. Einige sprangen vom Gestein ab und wurden als tückische Querschläger auf die Reise geschickt.

Als das Feuer etwas nachließ, kam ich wieder hervor und sandte ein paar Kugeln auf die andere Seite.

Die Meute schien sich offenbar davonmachen zu wollen. Zwei von ihnen war es gelungen, den Packesel mit den Sachen einzufangen und jetzt rannten sie wie die Hasen davon, schwangen sich in die Sättel und jagten wie die Wilden davon.

Ich versuchte den zu treffen, der den Packesel am Zügel führte, aber sie waren schon zu weit weg. Nur ein paar Augenblicke und das Wolfsrudel war hinter der nächsten Anhöhe verschwunden.



5

Ich erhob mich jetzt vollends aus der Deckung und senkte das Gewehr. Die Sache war entschieden.

Diese Kerle hatte ich richtig eingeschätzt. Sie waren die Art von Gesindel, die immer nur dann etwas wagte, wenn es kein Risiko gab.

Aber wenn sie auf Gegenwehr stießen, ergriffen sie schnell die Flucht.

Sie hatten ihr Ziel zum Teil erreicht. Die Wölfe hatten den Packesel und die Sachen, die dieser auf dem Buckel hatte, erbeutet.

Aber vermutlich hatten sie nicht im Traum damit gerechnet, so teuer dafür bezahlen zu müssen!

Einige der Banditen lagen jetzt tot im Gras.

Ich wandte mich dem Überfallenen zu, der sich ebenfalls erhoben hatte. Er stützte sich an dem Felsen ab, hinter dem er sich verschanzt hatte.

Seine Schulter sah übel aus.

Der Mann hatte graue, verfilzte Haare. Den breitkrempigen, fleckigen Hut trug er tief im Gesicht. Sein Revolver lag auf dem Boden. Wahrscheinlich leergeschossen.

Er nickte mir zu.

"Danke", meinte er. "Wenn du nicht gewesen wärst, dann sähe es jetzt noch übler für mich aus. So haben die Kerle nur den Esel und..." Er brach ab und blickte zu dem anderen Esel, der tot am Boden lag.

Sein Gesicht wurde grimmig. Er bleckte die Zähne wie ein wildes Tier.

Dieser Kerl sah ganz so aus wie ein Mann, der jahrelang in dieser Wildnis gelebt und sich den Umgang mit Menschen mehr oder weniger abgewöhnt hatte.

"Diese Hunde!", zischte er auf einmal.

Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was seinen plötzlichen Stimmungsumschwung bewirkt haben konnte.

Schließlich war er mit knapper Not einem Rudel gnadenloser Wölfe entkommen! Ich fand, dass das ein Grund zum Aufatmen für ihn war!

Aber aus irgendeinem Grund schien ihm danach nicht der Sinn zu stehen...

"Sei froh, dass du keine Mahlzeit für Geier und Coyoten geworden bist!", sagte ich zu ihm. Aber der Mann hatte kein Ohr für mich und meine Worte.

Er entwickelte plötzlich eine hektische Aktivität und rannte keuchend hinter seinem Gaul her. Dabei hielt er sich ächzend die Wunde, die ihm offenbar einiges zu schaffen machte.

Ich zuckte mit den Schultern und holte mein eigenes Pferd, das friedlich dastand und graste.

Ich steckte die Winchester in den Sattelschuh und schwang mich hinauf.

Ein komischer Kauz ist das!, dachte ich bei mir.

Und dann kam er herangeritten. Mühsam hielt er sich im Sattel. Schweiß stand ihm auf der Stirn, aber in seinen Augen leuchtete wilde Entschlossenheit!

Er kam zu mir und zügelte sein Pferd.

"Wie heißt du eigentlich?", fragte ich ihn.

"Aaron McConn! Ich..."

"Angenehm! Ich bin Jay Parry!"

Er kniff die Augen zusammen.

"Du bist ein verdammt wilder Kämpfer, Parry!", meinte er und in seinen Zügen stand so etwas wie Anerkennung. "Genauso einen brauche ich jetzt!"

Ich runzelte die Stirn.

In McConns Augen blitzte es wild.

"Ich verstehe nicht!"

"Das wirst du bald! Diese Kerle haben den Esel mit den Sachen!"

"Sei froh, dass du noch atmest und pfeif auf die Sachen!", erwiderte ich ärgerlich.

Was konnte McConn schon auf dem Rücken des Esels gehabt haben? Vorräte? Ein paar Werkzeuge? Das ließ sich jetzt noch alles - vor Wintereinbruch - verhältnismäßig leicht ersetzen.

Es lohnte die Aufregung nicht.

"Auf dem Esel waren Nuggets!", sagte McConn dann und wahrscheinlich klappte mein Kinn in diesem Moment hinunter.

"Ich habe eine Goldader entdeckt und monatelang wie ein wahnsinniger geschuftet! Jetzt wollte ich nach Fort Benton, um das Gold gegen Dollars einzutauschen und mich mit besserer Ausrüstung, und ein paar kräftigen Männern erneut auf den Weg zu machen!" Er schnaufte durch die Nase. "Zwanzigtausend Dollar hängen da auf dem Rücken dieses verdammten Esels!", meinte er. "Wir müssen hinter den Halunken her!"

Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen.

"Wir?"

"Ja, sicher! Ich..."

"Hör mir gut zu, McConn! Ich habe dich rausgehauen, als diese Banditen dir zugesetzt haben, aber ich habe nicht die geringste Lust, jetzt mit dir auf die Jagd nach diesen Galgenvögeln zu gehen!"

"Du bekommst die Hälfte!"

McConn sagte das wie eine Selbstverständlichkeit, wie etwas, über das es nicht zu diskutieren lohnte.

Mich traf es wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

"Die Hälfte?", fragte ich.

McConn nickte.

"Die Hälfte von allen Nuggets, die wir diesen Hunden wieder abjagen können - beziehungsweise die Hälfte des Erlöses in Dollars. Ich denke, das ist fair!"

Es war mehr als fair!

Nur ein Mann der bis zum Hals in der Klemme steckte, konnte ein solches Angebot machen!

"Warum so großzügig?"

"Weil ich alleine gegen diese Bande nur eine geringe Chance habe - zumal meine Schulter verletzt ist! Und wenn ich diese Wölfe nicht in die Hände kriege, sehe ich von dem ganzen Gold nicht ein Staubkörnchen wieder! Dagegen sind die zehntausend Dollar, die mir bleiben doch noch mehr als man erwarten kann!"

Er sah mich an.

Ich blickte zurück.

Wer hätte bei diesem Angebot nein sagen können? Es klang wirklich verlockend...

Es gibt wichtigere Dinge als Gold oder Dollars, das ist meine feste Überzeugung und ich habe immer danach gelebt.

Aber wenn der Reichtum so zum Greifen nahe scheint und man nur noch die Hand auszustrecken braucht...

Ganz so einfach würde es allerdings nicht werden. Die Wölfe, die wir jagen mussten, würden alles tun, um die Nuggets zu behalten...

Auch daran dachte ich, aber ich hatte mich längst in meinem Herzen entschieden.

"Na, was ist?", meinte McConn. "Wir haben nicht eine Minute zu verlieren!"

"Okay!", sagte ich. "Ich nehme dein Angebot an!"

"Dann los!"

"Halt! Nicht ganz so eilig!"

McConn schien irritiert.

Ich deutete auf den toten Esel.

"Willst du nicht etwas von den Sachen mitnehmen, die da noch liegen?"

"Nein. Ist zu schwer für den Gaul."

"Aber die Wunde, da sollte erst ein Verband drauf!"

Er spuckte wütend aus.

"Ich brauche dich als Kämpfer - nicht als Kindermädchen!", schnaubte er.

"Die Kugel steckt noch, stimmt's?"

"Das ist meine Sache!"

"Wenn da nichts gemacht wird, dann ist diese Jagd für dich schneller zu Ende, als du dir vorstellen kannst, McConn! Sei vernünftig! Ich habe etwas Whisky dabei..."

McConn knurrte etwas vor sich hin, aber ich hatte gewonnen.

Ich stieg vom Gaul herunter, griff in die Satteltasche und holte eine kleine, flache Flasche hervor. Ich hatte den braunen Saft nicht bei mir, um ihn am Lagerfeuer zu vertrinken!

Nein, dieser Whisky war die einzige Medizin, die es hier draußen gab...

Die Menge, die ich bei mir hatte, würde reichen, um die Wunde damit auszuwaschen.

Aber es war nicht genug, um Aaron McConn dabei zu helfen, die Schmerzen zu ertragen, wenn ich ihm die Spitze des Bowie-Messers in der Wunde herumdrehte...



6

"Ich muss dich fesseln, McConn!", stellte ich sachlich fest und er schaute mich mit großen, ungläubigen Augen an.

Er war vom Gaul gestiegen und stand mit schmerzverzerrtem Gesicht vor mir.

"Fesseln?"

Ich nickte.

"Wenn du dich bewegst, während ich dir die Kugel mit dem Bowie-Messer heraushole, kann dich das übel zurichten, vielleicht sogar töten!"

"Ich werde mich nicht bewegen!"

"Red' keinen Unfug, McConn! Es gibt keinen Mann auf der ganzen Welt, der das aushalten könnte, ohne sich zu bewegen!"

"Aber ich habe keine Lust mich von dir fesseln zu lassen! Soweit traue ich dir nun doch nicht, Parry! Schließlich könntest du dir dann in aller Ruhe den erbärmlichen Rest meiner Sachen greifen - und dann hätte ich gar nichts mehr!"

Ich schob mir den Hut in den Nacken und bleckte die Zähne.

"Hast du nicht gesagt, dass wir keine Zeit mehr verlieren dürfen, wenn die Banditen nicht längst über alle Berge sein sollen?"

"Ja, schon, aber..."

McConn hatte etwas gegen Fesseln und auf der anderen Seite hatte ich nicht genug Whisky - von Morphium oder einem anderen Betäubungsmittel ganz zu schweigen.

Aber ich hatte etwas anderes.

Und das würde kaum weniger wirkungsvoll sein...

Ich holte blitzschnell aus und ehe McConn begriffen hatte, war ihm meine Rechte an die Schläfe gefahren. Er sackte zusammen ohne einen Laut von sich zu geben und blieb reglos im Gras liegen.

Jetzt hieß es, sich zu beeilen.



7

Ich bin kein Arzt und ich weiß nicht, in wie viel hundert Meilen es den nächsten Doc gab.

Aber hier draußen muss jeder sein eigener Doc sein, und ab und an auch der seiner Gefährten. Anders kann man nicht überleben hier draußen.

Und die Kugel, die ich McConn aus der Schulter holte war auch weiß Gott nicht meine erste.

Ein paar Stunden später saßen wir beide wieder im Sattel und folgten den Spuren der Bande, die sich McConns Gold-Nuggets unter den Nagel gerissen hatte.

McConn war noch ziemlich benommen. Er saß schweigsam und ziemlich apathisch auf seinem Gaul.

Die Kugel war raus, aber die Sache hatte ihn kräftemäßig doch sehr mitgenommen.

Wir kamen nicht sehr schnell vorwärts, aber ich hoffte, dass sich das ändern würde, sobald es McConn wieder etwas besser ging.

Die Bande machte keinerlei Anstalten, irgendwelche Spuren zu verwischen. Das konnte in diesem Fall nur bedeuten, dass sie sehr in Eile waren.

Die Kerle mussten die Nuggets auf dem Esel gefunden haben und nun konnten sie sich an zwei Fingern ausrechnen, dass ihr rechtmäßiger Besitzer alles daransetzen würde, das Gold zurückzubekommen!

Aber immerhin blieben sie zusammen, jedenfalls, wenn man nach den Spuren ging.

Und das war gut so!

Denn wenn sie die Nuggets aufgeteilt und sich dann in alle Winde zerstreut hätten, hätten sie uns vor ernste Probleme gestellt.

Stunde um Stunde kroch dahin, ohne das etwas außergewöhnliches geschah.

Irgendwann trafen wir dann auf ein heruntergebranntes Feuer. Vielleicht hatten die Kerle hier eine Rast eingelegt... Ich stieg kurz vom Gaul herunter und untersuchte die Asche.

Der Vorsprung dieser Banditen schien angewachsen zu sein...

Und nicht mehr lange, dann würde die Nacht kommen! Wir konnten in der Nacht zwar weiterreiten, aber wir würden in der Finsternis die Fährte jener Männer verlieren, nach denen wir auf der Suche waren.

Außerdem hatte ich den Eindruck, dass McConn dringend Schlaf brauchte.

Wenn es zu einem Kampf mit der Bande kam, dann würde ich einen Gefährten brauchen, der seine Sinne einigermaßen beisammen hatte!

Es würde ohnehin schwer genug werden!

Der Mond stand schon am Himmel, als ich einen Lagerplatz ausgesucht hatte.

Ich half McConn aus dem Sattel. Es dauerte nur ein paar Minuten und dann war er eingeschlafen.



8

Am nächsten Tag ging es McConn schon wieder besser. Er konnte auch wieder reden und machte gleich auch ausgiebig Gebrauch davon.

Wir standen im Morgengrauen auf, nachdem die Kälte uns geweckt hatte. Die Sonne kroch langsam über den Horizont, als wir uns wieder an die Fährte hefteten.

McConn überprüfte seine Waffen und machte ein grimmiges Gesicht. Er schien wild entschlossen zu sein, notfalls alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die zwischen ihm und seinem Gold lagen!

Gegen Mittag kamen wir an einen namenlosen Missouri-Nebenarm, der auf der Karte, die ich hatte, nicht eingezeichnet war.

Als McConn die Karte sah, die ich aus den Satteltaschen gezogen hatte, verzog er nur verächtlich das Gesicht.

"Ein Wunder, dass du dich noch nicht völlig verlaufen hast!", meinte er. "Billige Arbeit! Da fehlt die Hälfte! Und einiges stimmt auch nicht!"

"Hast du eine bessere McConn?"

"Ja - bei den Gold-Nuggets auf dem Esel!"

"Vielleicht bist du hier der wahre Esel, McConn!", brummte ich und packte die Karte wieder weg. Die Spur verlor sich am Fluss. Es schien, als wären sie auf die andere Seite geritten.

Wir fanden eine Stelle, die flach genug zu sein schien, um hindurchzurreiten und setzten über. Auf der anderen Seite fanden wir Spuren, aber mit denen stimmte etwas nicht.

Ich stieg vom Pferd und schaute mir die Sache genauer an.

"Was ist?", meinte McConn ungeduldig. "Glaubst du, dass du mehr siehst, wenn du dich tiefer hinunterbeugst? Sie waren hier, das ist deutlich zu sehen! Und mehr ist für uns nicht wichtig!"

Aber ich schüttelte den Kopf.

"Hier will uns jemand hereinlegen!", stellte ich nüchtern fest, nachdem ich den Blick mehrfach über den Boden hatte gleiten lassen.

McConn runzelte die Stirn.

"Was soll das heißen?"

"Es sieht, als wären hier ein paar Gäule aus dem Fluss gekommen und dann wieder zurückgeritten!"

"Aber die Spur geht doch weiter!"

"Dort hinten beginnt ein Dickicht mit dichtem Unterholz. Ich schätze, die Spur wird sich spätestens dort verlieren!"

Er sah mich ungläubig an.

Er schien nicht so überzeugt wie ich zu sein.

"Was schlägst du vor?", fragte er skeptisch.

"Reiten wir zurück auf die andere Seite und suchen weiter flussaufwärts nach Spuren. Ein Stückwegs werden sie sie sorgfältig verwischt haben, aber irgendwann werden wir wieder etwas finden!"

McConn schüttelte den Kopf.

"Nein", meinte er. "Ich folge dieser Spur hier! Das erscheint mir vielversprechender, als auf deine Vermutungen zu bauen!"

Ich zuckte mit den Schultern.

"Wie du willst, McConn! Es ist dein Gold!"

Wir folgten also der Spur und es war, wie ich vermutet hatte. Sie endete dort, wo das Dickicht begann, um einen naiven Verfolger Glauben zu machen, die Reiter hätten sich durch das Unterholz gequält.

Es lag auf der Hand, dass das nicht der Fall war und jetzt endlich glaubte McConn mir.

Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

"Du scheinst 'ne Nase für so etwas zu haben!", meinte er.

Wir ritten zurück zum Fluss und suchten am anderen Ufer nach Spuren. Schließlich fanden auch wieder Hufspuren. Die Bande schien sich nach diesem Täuschungsmanöver ausgesprochen sicher zu fühlen, denn am späteren Nachmittag fanden wir dann weiter flussaufwärts einen Lagerplatz, an dem sie alles das von McConns Sachen zurückgelassen hatten, was sie nicht gebrauchen konnten.

"Sie waren hier!", zischte McConn grimmig. Seine Nasenflügel bebten vor Erregung. "Sie waren hier, die Hunde, daran kann nicht gezweifelt werden!"



9

Die Gegend, in die uns die Spur der Banditen jetzt führte, kam mir bekannt vor. Ich hatte das Gefühl, hier schon gewesen zu sein, aber es dauerte eine Weile, ehe es mir einfiel.

Mein Gefühl hatte mich nicht getrogen.

Hier ganz in der Nähe hatte die Blackfeet-Frau am Fluss ihre ihre Haare geflochten.

Ich war mir ziemlich sicher.

Das bedeutete aber, dass die Indianer aller Wahrscheinlichkeit noch in der Nähe waren und hier irgendwo am Fluss ihr Lager aufgeschlagen hatten - sofern sie nicht inzwischen weitergezogen waren.

Ich erzählte ihm von dem Erlebnis mit der Blackfeet-Frau und meiner Vermutung, dass die Roten hier irgendwo lagerten.

Er hatte nur eine grimmige Geste dafür übrig.

"Mit denen werden wir auch fertig!", meinte er.

"Wie du meinst, McConn! Ich habe es dir auch nur gesagt, damit du auf der Hut bist!"

"Ich bin immer auf der Hut, Parry! Merk dir das!"

Ich sagte nichts mehr dazu.

Unter normalen Umständen hätte ich um die Blackfeet einen meilenweiten Bogen geritten. Er hätte gar nicht groß genug sein können.

Aber wir hätten die Spur verloren, wenn wir so gehandelt hätten.

So ist das eben!

Die Aussicht auf einen Goldschatz ließ auch einen Mann wie mich schonmal den Gedanken an mögliche Gefahren bei Seite schieben...

Ich hoffte, dass es friedlich bleiben würde, sofern wir mit den Blackfeet zusammentrafen.

Aber wenn sie es anders wollten, dann würden wir uns durch sie nicht aufhalten lassen!



10

Später dann trafen wir dann auf das Blackfeet-Lager.

Und das, was wir dann sahen, ließ sogar den hartgesottenen McConn schlucken.

Wir sahen ausgebrannte Tipis.

Der Boden war übersät von toten Blackfeet.

Sie waren erschossen worden und wie es schien hatte man sie überrascht. Kinder waren unter den Toten, was mich besonders ergrimmte.

Es war ein Bild des Grauens.

Irgendjemand hatte hier ein furchtbares Blutbad angerichtet.

"Oh, mein Gott!", stieß McConn aus. Ich warf einen kurzen Blick zu ihm hinüber und er machte mir den Eindruck, als hätte er für einen Moment sogar den Esel mit den Nuggets vergessen, den man ihm gestohlen hatte.

Ich ließ meinen Blick umherschweifen. Meine Hand war dabei in der Nähe des Revolvers, der an der Hüfte aus dem Holster ragte.

Es war ja nicht auszuschließen, dass diejenigen, die hier gewütet hatten, noch in der Nähe lauerten. Und dann hieß es blitzschnell bereit zu sein.

Aber allem Anschein nach war da niemand. Kein Weißer und kein Roter.

Ich stieg aus dem Sattel und holte die Winchester aus dem Futteral. An einem solchen Ort konnte man nicht vorsichtig genug sein.

"Welche Teufel haben hier ihr Unwesen getrieben?", meinte McConn.

"Eins dürfte feststehen: Es sind wohl kaum Indianer gewesen!"

"Warum nicht?", fragte McConn unwirsch. "Wenn es tatsächlich Blackfeet sind, wie du gesagt hast, dann bedeutet, dass sie so ziemlich mit allen anderen Stämmen in der Gegend verfeindet sind!"

Ich ließ mein Pferd stehen und ging zu einem der Toten.

Dann drehte ich den Mann herum. Es war, wie es mir gedacht hatte: ein Weißer.

"Deswegen, McConn!", brummte ich.

McConn schob sich den Hut in den Nacken.

"Den kenne ich wieder!", zischte er grimmig.

"Bist du dir sicher?"

"Na klar! Allein schon wegen des schreiend gelben Halstuch, das der Kerl trägt! So etwas sieht man hier draußen nicht allzu häufig. Aber auch das Gesicht! So eine hässliche Visage vergesse ich nicht! Der Mann gehört zu den Banditen, die mein Gold haben!" Er spuckte aus. "Fragt sich nur, warum diese Hunde die Indianer überfallen haben, wenn sie doch eine Ladung Gold bei sich hatten..."

Ich sah mich erneut um.

Unter den Toten waren nur wenige Männer.

Vielleicht waren die Krieger zum Jagen ausgeritten. Das erklärte auch, weshalb die Angreifer offensichtlich leichtes Spiel gehabt hatten, obwohl die Blackfeet als tollkühne Kämpfer bekannt waren.

"Vielleicht haben sie sich die Felle der Roten unter den Nagel gerissen!", meinte ich. "Sozusagen als Zubrot. Auch sie kann man ja allerorten in Dollars verwandeln!"

Ich ging ein bisschen herum und suchte nach der Frau, die ich am Fluss getroffen hatte.

Es hätte mich geschmerzt, sie hier als Leiche wiederzufinden, aber ich fand sie nicht.

Ich hatte keine Ahnung, was ich davon halten sollte.

Vielleicht war ihr die Flucht in das nahe Dickicht gelungen... Das hoffte ich zumindest für sie, denn sonst stand ihr Schlimmes bevor.

Es würde zwar hart für sie werden, so auf sich gestellt, aber sie war eine Indianerin würde zu überleben wissen.

Irgendwie würde sie es schaffen, sich bis zu anderen Blackfeet-Gruppen weiter nördlich durchzuschlagen.

Die zweite Möglichkeit war weitaus düsterer...

Es war nämlich auch denkbar, dass die Banditen sie mitgenommen hatten, um sie zu verkaufen. Sie war schließlich eine sehr schöne Frau und sicher würde so mancher, nach Weiblichkeit ausgehungerter Gold-Digger, einiges für sie springen lassen.

Es gab zwar eine Menge Gold in Montana - aber kaum Frauen.

Ich kam zurück zu McConn und meinte: "Lass uns von hier verschwinden! Und zwar so schnell wie möglich!"

Er verzog das Gesicht.

"Warum auf einmal so eilig?"

"Da unter den Toten kaum erwachsene Krieger sind, vermute ich, dass die Blackfeet-Männer auf der Jagd sind und irgendwann hier wieder auftauchen werden. Und dann möchte ich ein paar Meilen zwischen mich und dieses gelegt haben!"

McConn nickte düster.

"Schätze es stimmt, was du sagst! Wenn die uns hier in der Gegend antreffen, werden sie glauben, dass wir ihre Frauen und Kinder auf dem Gewissen haben!"

"Und in dem Fall hätten wir wohl nichts mehr zu lachen, McConn!"

Ich sagte das nicht einfach so dahin. Es war schon viele Jahre her, da hatte ich unten in Colorado mal einen Toten gesehen, der von den Blackfeet zu Tode gemartert worden war...

Es war ein furchtbarer Anblick gewesen und noch heute dreht sich mir der Magen um, wenn ich daran denke und das Bild aus der Erinnerung auftaucht...

Ein paar Augenblicke später brach dann die Hölle über uns herein...



11

Ich hatte die Winchester zurück in den Scubbard schieben wollen, aber hielt mitten in der Bewegung inne. Die Waffe blieb in meinen Händen, denn plötzlich hatte ich das untrügliche Gefühl, sie vielleicht schon der nächsten Sekunde zu brauchen, um mich meiner Haut zu wehren...

Da war ein Geräusch.

Das Geräusch von Pferdehufen, die durch das Dickicht trampelten und Äste knacken ließen!

McConn hatte es auch gehört und seine Waffe gezogen.

Wir wechselten einen schnellen Blick. Beiden war uns klar, was da jetzt auf uns zukommen konnte...

Ich schwang mich hinauf in den Sattel und dann preschten wir voran - in die Richtung, in die die Banditen den Spuren nach geritten sein mussten.

Aber in diesem Augenblick konnte wir nicht an die Männer denken, hinter denen wir her waren - oder an das Gold, dass sie sich angeeignet hatten.

Wir mussten daran denken, am Leben zu bleiben.

Wir hatten den Lagerplatz kaum zur Hälfte durchritten, da kamen aus dem Dickicht heraus.

Sie waren tatsächlich auf der Jagd gewesen, aber ihre Beute schien sie kaum noch zu interessieren. Sie ließen die erbeuteten Tiere fallen.

Ein roter Krieger nach dem anderem kam aus dem Dickicht, sah das zerstörte, ausgeplünderte Lager, die toten Kinder und Frauen und dann: uns!

Es war klar, welchen Schluss sie zogen.

Wäre ich einer von ihnen gewesen, vielleicht hätte ich dasselbe gedacht.

Ein furchtbares Kriegsgeheul erhob sich, dass einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte!

Pfeile und Speere prasselten plötzlich in unsere Richtung und Gewehre krachten los, so dass uns das Blei nur so um die Ohren flog.

Uns blieb keine andere Wahl.

Wir mussten uns verteidigen.

Ich hängte mich seitlich an den Sattel und schoss ein paar Mal meine Winchester ab, während der Gaul weiter vorwärts lief.

Einer der Roten preschte tollkühn und ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit heran. Kein noch so dichter Bleihagel schien ihn davon abhalten zu können. Sein Gesicht war grimmig verzerrt vor Wut und Schmerz.

Er legte seinen Hinterlader auf mich an.

Die Blackfeet sind hervorragende Reiter, vielleicht die besten zwischen Alberta und Mexiko. Es ist für sie kein Problem freihändig auf einem galoppierenden Pferd zu sitzen und dabei mit Pfeil und Bogen oder einem Gewehr zu schießen und zu treffen!

Er war schnell herangekommen, aber ehe er zum Schuss kam, hatte ich die Winchester krachen lassen.

Auf sein Pferd hatte ich es abgesehen und das traf ich auch. Es ging zu Boden, der Hinterlader des Blackfeet ballerte los, aber der Schuss ging in die Wolken. Im hohen Bogen flog der Indianer ziemlich unsanft zu Boden.

Ehe er sich aufgerappelt hatte, schoss ich noch ein paarmal zurück in Richtung der anderen Krieger. Auch McConn feuerte wie wild.

Das hielt sie etwas zurück, aber ich machte mir keine Illusionen! Diese Meute hatten wir jetzt auf unserer Fährte und sie würden uns unerbittlich folgen, bis sie eine Gelegenheit hatten, uns zur Strecke zu bringen.

Pfeilschnell galoppierten unsere Pferde vorwärts. Wir ritten flussaufwärts durch den Wald und das bedeutete, dass wir nicht mehr wie auf dem Präsentierteller dastanden.

Wir konnten etwas aufatmen, aber mehr auch nicht. Im Rücken war das Geheul der Blackfeet zu hören.

"Sie werden in der ganzen Umgebung ausschwärmen, um uns zu stellen!", meinte McConn grimmig.

Ich nickte ihm zu.

"Es wird verdammt hart werden!"

Keiner von uns hatte noch nach der Spur der Banditen gesehen. Wir hatten sie verloren. Aber es gab Schlimmeres.

Weitaus Schlimmeres...



12

"Vorsicht!"

Es war fast so etwas wie ein Schrei, den McConn da ausstieß - und der Tonfall verriet Angst. Höllische Angst; etwas, das man bei einem raubeinigen Kerl wie McConn nicht unbedingt als erstes vermutet...

Aber wie dem auch sei: seine Warnung kam gerade noch rechtzeitig, so dass ich mich im Sattel drehen und die Winchester herumreißen konnte.

Ein paar Krieger kamen zwischen den Bäumen hervor und schossen sofort.

Pfeile pfiffen über unsere Köpfe und blieben zitternd in Baumstämmen stecken.

Gewehre wurden abgeschossen.

Wir feuerten zurück. Zwei der roten Krieger sanken getroffen zu Boden.

Ein paar weitere wurden dadurch eingeschüchtert und zogen sich erst einmal ein Stück zurück.

McConn und ich preschten vorwärts.

Eine wilde, heillose Flucht begann.

Für uns ging es dabei um alles oder nichts. Ein qualvoller Tod am Marterpfahl oder ein schnelleres Ende durch eine Kugel oder einen Pfeil. Für das eine hatte ich sowenig übrig wie für das andere.

Plötzlich zügelte ich den Gaul.

McConn folgte widerwillig meinem Beispiel.

"Verdammt, was ist los?"

"Sie sind überall!", meinte ich. "Hörst du die Geräusche, McConn? Und das Geheul von allen Seiten! Sie haben uns eingekreist!"

"Was schlägst du vor, Parry? Im Rücken haben wir nur den Fluss!"

Ich wandte mich um, während ich neue Patronen in das Magazin meiner Winchester schob.

"Vielleicht ist das ein Weg...", murmelte ich - mehr zu mir selbst, als zu meinem Sattelgefährten.

"Was redest du da, Parry?"

"Kannst du schwimmen?"

"Soll das ein Witz sein? Wenn ja, dann ist es kein Guter!"

"Kannst du oder kannst du nicht?"

McConn spuckte wütend aus.

"Ich ahne, was dir im Kopf herumspukt. Aber ich kann nicht schwimmen, Parry!"

Ich verzog das Gesicht.

"Das sind ja schöne Aussichten! Ich hoffe, wenigstens dein Gaul kann es!"

Ich riss meinen Gaul herum und lenkte ihn in Richtung des Wasserlaufs. Auf McConns wütende Proteste gab ich nichts. Ich achtete kaum darauf.

Jetzt musste schnell gehandelt werden, sonst war es aus!