New York City: Wo die Vereinten Nationen zu Hause sind | |
Chronik: Daten zur Stadtgeschichte | |
New York in der Literatur | |
Stadttour: Ein Rundgang durch Manhattan | |
Die Stadtviertel New Yorks | |
Wolkenkratzer und Wall Street Lower Manhattan |
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Im Zentrum der westlichen chinesischen Welt Chinatown und Little Italy |
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Junge Szene im alten Viertel East Village und Lower East Side |
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Das Dorf, das niemals schläft: Greenwich Village Chelsea und die Lower West Side: New York – voll high |
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Kunst und Kommerz in SoHo | |
In den Straßen von Midtown Vom Times Square zum Empire State Building |
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Natur und Kultur Vom Central Park zur Museumsmeile |
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Die andere West Side Story Upper West Side |
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Auferstanden aus Ruinen: Die Harlem-Renaissance The Bronx – ein unbekannter Kontinent |
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Jenseits von Manhattan: Ein Tag in Brooklyn Surfen in Queens |
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Oasen in der Stadt Plätze zum Entspannen |
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Vor den Toren der Stadt Hamptons, Fire Island, Hudson Valley, Coney Island |
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Enjoy & Relax | |
Schlafen in New York: Hotels, Hostels, B&Bs | |
Die Küchen des Schmelztiegels: Essen und Trinken | |
»Manhattan« im Glas: Bars und Lounges | |
Anything goes: Clubs | |
Von Swing bis Acid Jazz: Jazzclubs | |
Musicals und Met | |
Mit Kindern in New York | |
Mit Kennern durch die Stadt: Sightseeing-Touren | |
Ein Paradies für Shopaholics: Shopping | |
Service von A bis Z | |
Orts- und Sachregister | |
Namenregister | |
Zeichenerklärung | |
Bildnachweis und Impressum |
Ein Wochenende, eine Woche, ein Monat – nie reicht die Zeit, um genügend New York aufzusaugen, obwohl man doch in dieser Stadt in ein paar Stunden mehr aufnimmt als an anderen Orten in Tagen. Egal ob man in einem Straßencafé sitzt und den Trubel an sich vorbeiziehen lässt, ob man mit dem Taxi den Broadway entlangfährt oder zum Sightseeing aufbricht. Manhattans Architektur ist ein Gesamtkunstwerk, das seit der Jahrtausendwende und dem Anschlag auf das World Trade Center durch einige spektakuläre Neubauten bereichert wurde; seine Museen sind grandios und oft so reich bestückt, dass schon einzelne Flügel einen ganzen Tag beanspruchen; jedes Stadtviertel ist ein Freilichtmuseum, eine Theaterbühne.
Mit der Chronik der Stadtgeschichte und literarischen Streifzügen stimmt der Reiseführer auf den »Big Apple« ein. Ein Stadtrundgang durch Manhattan verschafft den ersten groben Überblick, bevor die Stadtviertel genauer beleuchtet werden – von den Häuserschluchten entlang der Wall Street zu den quirligen Straßen von Chinatown, von den Künstlervierteln in SoHo und Chelsea zu den Einkaufsparadiesen von Midtown, von der Geschichte der ersten Siedler im East Village zu den Nobelapartments der Upper West Side, vom Central Park zur Museumsmeile und nicht zuletzt ins lebendige Harlem. Und auch den Outer Boroughs Brooklyn, Bronx und Queens sind Kapitel gewidmet. Tipps für eine Auszeit findet man unter »Oasen in der Stadt« oder »Vor den Toren der Stadt«.
»Enjoy & Relax« versammelt Adressen, die man braucht: Übernachtungstipps für jeden Geldbeutel; wo gibt’s die besten Steaks und wo den leckersten Cappuccino? In welchem Club wird welche Musik wann gespielt? Wo kann man guten Jazz hören? Was kann man mit Kindern unternehmen? Wer bietet die interessantesten Sightseeingtouren an? Und: Shopping – feine Adressen und Schnäppchen-Hits.
Barbara Schaefer studierte Theaterwissenschaft und Germanistik in München und in Italien und arbeitete jahrelang als Kultur-Redakteurin. Sie lebt in Berlin und schreibt: Reise- und Kulturreportagen für Zeitungen und Magazine wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die Süddeutsche Zeitung oder die Brigitte und veröffentlichte Reisebücher unter anderem über das Tessin und den Gardasee, Lappland und Süditalien (www.barbara-schaefer.de).
New York
Eine Übersichtskarte von New York mit den eingezeichneten Stadtvierteln finden Sie in der vorderen Umschlagklappe und in der hinteren einen Subway-Plan. |
»I’m in a New York State of Mind«
Billy Joel
Ein Wochenende, eine Woche, ein Monat – nie reicht die Zeit, um genügend New York aufzusaugen, obwohl man doch in dieser Stadt in ein paar Stunden mehr aufnimmt, als an anderen Orten in Tagen. Ob man sich nun in ein Straßencafé setzt und den Trubel an sich vorbeitreiben lässt, mit dem Taxi die Avenuen entlangfährt oder dieses ziellose Schauen durch gezieltes Sightseeing ersetzt. Manhattans Museen sind spektakulär; einige sind dermaßen reich bestückt, dass schon der Besuch einzelner Flügel einen ganzen Tag beansprucht. Man hastet weiter. Aufs Empire State Building und zur Brooklyn Bridge, in die historischen Viertel von SoHo und Harlem, zu Kaufhäusern und Flohmärkten, Galerien und Shops, zu Diners, Delis und nach downtown – wäre der Kopf eine Computerfestplatte käme bald die Meldung: Speicherkapazität erschöpft.
Es gibt zwei Arten, das auszuhalten und durchzustehen. Man schottet sich dagegen ab. Sucht sich ein heimeliges Nest, ein schönes Hotelzimmer oder eine kuschelige Schlafcouch bei Freunden, und immer, wenn sich der Kopf anfühlt wie der durchgeknallte Lukas-Hammer auf dem Jahrmarkt, zieht man sich zurück, holt tief Luft und entspannt. Die andere Möglichkeit: Man wirft sich hinein und setzt sich dem aus. Nimmt mit allen Sinnen und allen Poren Rhythmus, Tempo und Lautstärke auf. Läuft mehr. Schläft weniger. Liest Zeitung, auch wenn im Coffeeshop Musik morgens schon lauter dröhnt als der Straßenlärm, klappt die Ohren zu, wenn die U-Bahn kreischend einfährt, geht auf die Straße, wenn man zu Hause ins Bett schlüpfen würde.
Rainer Werner Fassbinders Satz »Schlafen kann ich, wenn ich tot bin« passt allzu gut zu diesem New York State of Mind, der Besucher befallen kann. Man wird durch die Stadt gepeitscht von dem Gefühl, etwas zu verpassen. Man sollte meinen, dass für New Yorker, also für Leute, die sich in diesem Gewirr und Gewusel täglich bewegen, diese Art zu leben entweder ganz anders oder völlig unmöglich ist.
Natürlich ist New York kein Paradies auf Erden (manche neigen ohnehin dazu, es eher mit der Hölle zu assoziieren). Seit 9/11, dem 11. September 2001, hat New York sein Grundvertrauen eingebüßt. Und die Schattenseiten der Stadt sind offensichtlich. Darwin hätte nicht bis auf die Galapagos-Inseln fahren müssen, um seine Theorien bestätigt zu finden: Survival of the fittest gilt auch in New York. »If I can make it there, I’ll make it everywhere« tönt es im bekanntesten New-York-Song. Doch die Kehrseite dieser Euphorie heißt: Wer es hier nicht schafft, ist ganz unten. Zwischen Chrom und Glas in Midtown sitzen Bettler, am U-Bahn-Eingang reckt sich hastenden Menschen ein Pappbecher entgegen und im pittoresken Chinatown leben Familien noch unter so beengten Bedingungen wie Einwanderer zu Beginn des letzten Jahrhunderts in der Lower East Side; nur wenig durch den Umstand gemildert, dass in den düsteren Wohnküchen heute Fernseher und DVD-Player immer zu finden sind.
Um in New York zugrunde zu gehen, gibt es aber auch subtilere Möglichkeiten. Wie vielleicht nirgendwo sonst auf der Welt kann der Mensch des 21. Jahrhunderts in New York seine Individualität ausleben. Was er auch tut, wie er lebt, es interessiert keine Menschenseele. Damit einher geht eine in anderen Gesellschaftsformen undenkbare Vereinsamung. Wo jeder der Mittelpunkt seines privaten Universums ist, sind alle anderen Lichtjahre entfernt. Die Straßen der Stadt sind eine einzige Bühne, aber: »Jeder spielt Theater, und niemand schaut zu« lautet eine gängige Weisheit. Der typische Bewohner Manhattans ist Single. Und es sieht nicht so aus, als könnte er, auch wenn er wollte, daran etwas ändern.
Die 50 Millionen Besucher, die jährlich nach New York reisen, bekommen davon nichts mit. Für die Stadt sind sie einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren, denn sie lassen 30 Milliarden Dollar am Hudson. »Jeder New Yorker Haushalt«, hat das Fremdenverkehrsamt NYC & Company errechnet, »profitiert im Schnitt mit fast 1000 Dollar am Tourismus.«
Das Jahr 2008 beendete die als »Post-9/11« etikettierte Phase abrupt: Die Finanzkrise, die im Frühsommer 2007 mit der US-Immobilienkrise begann, vernichtete an der Wall Street innerhalb kürzester Zeit über 500 Milliarden Dollar und über 150 000 Jobs. Und im Oktober 2012 traf die Stadt mit Hurrican Sandy eine der größten Naturkatastrophen der amerikanischen Geschichte. 375 000 Bewohner Manhattans und Brooklyns wurden evakuiert, die Südspitze Manhattans stand tagelang unter Wasser, Subway-Tunnel wurden geflutet und der Strom fiel aus. Das legendäre River Café unter der Brooklyn Bridge wurde komplett zerstört. Auch in Coney Island kann man die Folgen von Sandy bis heute sehen.
Als Besucher kann man sich in New York sofort wohlfühlen, denn freundlicherweise ist die Stadt übersichtlich. Auf dem Stadtplan Manhattans findet man sich einfacher zurecht, als in den Speisekarten der Stadt. Hat man sich an dem einen Abend von einer geduldigen Kellnerin den Unterschied zwischen Tacos, Enchilladas und Burritos erklären lassen, und das so halbwegs verdaut, steht man am nächsten Abend vor dem Problem, die amerikanische Variante des Italieners um die Ecke auseinanderdröseln zu wollen. Caesar’s wird man dort immer finden, einen Salat, den in Italien keiner kennt. Auch wird man neue Schreibweisen altvertrauter Getränke kennenlernen. Cappuccino etwa eignet sich offensichtlich besonders gut für alle möglichen Experimente. Von den gastronomischen ganz abgesehen: Es gibt wet cappuccino und dry cappuccino – mit viel Milch oder eben wenig Milch. In Harlem kann es passieren, dass man etwas Unbekanntes bestellt – und sich vor einem Teller dampfender Kutteln wiederfindet. Und das ganze Lokal schaut zu … Aber war das noch eine der leichteren Übungen, so kann man tags darauf nur hoffen, dass es in dem kleinen, neonhell erleuchteten Chinesen-Restaurant – das man eben deshalb ausgesucht hat, weil dort ausschließlich Chinesen sitzen – eine englischsprachige Speisekarte gibt. Hat man sich durch Chop Sueys und Dim Sums durchgefragt, darf man glücklich seine Wahl treffen. Wenn schon asiatisch, dann am nächsten Abend die hohe Schule: Sushi, Sashimi oder Tempura gefällig?
Wie gesagt, der Stadtplan ist dagegen übersichtlich: Rauf und runter führen die Avenuen, hin und her die Streets. Eine Ausnahme bildet der Broadway aber der ist sowieso eine Ausnahme. Allein über diese Straße könnte man ein Buch schreiben – und natürlich gibt es dieses Buch schon: Nik Cohn, »Das Herz der Welt«. Literatur und Reiseführer über New York füllen Regale, die Leser halten hiermit ein weiteres in der Hand. Es ist ein roter Faden durch die Stadt. Doch wer mit der Nase im Buch die vorbeschriebenen Wege nachgeht, wird das Beste verpassen. Kopf hoch … ganz hoch! Auch wenn New Yorker das nicht tun, man muss einfach den Kopf in den Nacken legen und immer mal wieder diese Wände hinaufschauen. Die gläsernen Canyons mit den Augen betasten; wie im Gebirge ragen Gipfel hinter anderen Gipfeln empor. Ein abgeschrägtes Dach wird überragt von einer metallenen Spitze, daneben eine vergoldete Kuppel, dahinter ein Flachdach wie von einem Bungalow. Seit der Jahrtausendwende wurden spektakuläre neue Hochhäuser gebaut.
Hat man das ausgiebig genossen, pendelt sich der Blick auf Augenhöhe ein. Denn auch wenn New Yorks Architektur fantastisch ist, die Menschen dieser Stadt sind es noch mehr. New York ist nicht nur Sitz der UN – die Vereinten Nationen flanieren durch die Straßen der Stadt. Die Vielfalt an Hautfarben ist betörend, vornehm bleiche Iren-Gesichter umrahmt von lockigen roten Mähnen, Asiatinnen mit edel glatter Haut und glattem Haar, Hispanics mit vermutetem Latin-Lover-Blick hinter der verspiegelten Sonnenbrille, skandinavienblonde Wesen, kaffeefar-bene Frauen und Männer, von espressoschwarz über cappuccinobraun bis milchkaffeebeige, die Haare zu unglaublichen Kreationen geflochten, gestriegelt und gezwirbelt. Manchmal wird man den Kopf heben müssen, so viele hochgewachsene wunderschöne Models wandeln hier, und manchmal muss man den Blick senken, um einem Bettler in die Augen schauen zu können, der neben der Tür zu einem Nobelshop zusammengekauert eine Hand bittend emporhält.
Streckt man sich spätnachmittags zwischen Stadtspaziergang und Nachtausflug erschöpft auf dem Hotelbett aus, schaltet den Fernseher ein und zappt sich durch die Programme, stellt sich mitunter ein eigenartiges Gefühl ein. Irgendwann bleibt man bei einem Werbespot, einer Soap-Opera, einer Krimi-Episode oder einem Kinofilm hängen. Man wird Bilder sehen und wiedererkennen, die man eben noch auf der Straße gesehen hat und man weiß: Man muss nur mit dem Lift hinunterfahren, am Portier vorbeigehen – »Have a nice evening«, wird er freundlich sagen – und durch die Schwingtür hinaus in die Nacht ge-hen. Dann steht man mitten im Film und im vollen Leben. Das ist New York.
Der florentinische Handelsfahrer Giovanni da Verrazano segelt als erster Weißer in die Bucht von »Mannahatta«. Auf der Insel siedeln zu jener Zeit Algonquin-Indianer, die von Fischfang und Gemüseanbau leben.
Auf der Suche nach der legendären Nordwest-Passage stößt Henry Hudson auf den Fluss, der später nach ihm benannt wird. Der Brite erhebt im Namen seines Arbeitgebers, der Holländischen Ostindien-Gesellschaft, Anspruch auf die Gegend.
Aus Holland kommen die ersten weißen Siedler, die Pelzhandel mit den Indianern treiben. Sie nennen ihre neue Heimat Nieuw Amsterdam.
Schwarze Sklaven werden eingeschleppt, um die Stadt aufzubauen. Später wird ihnen Land im Gebiet des heutigen Greenwich Village zugewiesen.
Peter Minuit, der (deutsche) Direktor der holländischen Handelsgesellschaft, kauft den Indianern die Insel für Glasperlen im Wert von 60 Gulden, umgerechnet 24 Dollar, ab.
Peter Stuyvesant, der neue Gouverneur, hat mit feindlichen Indianern zu kämpfen. Er sichert die Siedlung, indem er an der Nordgrenze eine Mauer (wall) bauen lässt – auf ihrer Linie verläuft heute die Wall Street.
Über 1000 Holländer leben in Manhattan, das mittlerweile aus 17 Straßen besteht, darunter Broadway, Bowery und Canal Street.
Im englisch-holländischen Seekrieg übergibt Stuyvesant die niederländischen Besitzungen kampflos an britische Soldaten und dankt ab. Nieuw Amsterdam wird nach dem Bruder des Königs, James Duke of York, in New York umbenannt.
Im heutigen Financial District wird ein Sklavenmarkt eingerichtet.
Die Stadt bekommt ihre erste eigene Zeitung – The Gazette.
2000 Schwarze leben in New York. Sklavenaufstände führen zu Massenhinrichtungen.
Am Park Place Ecke Church Street wird das King’s College, die heutige Columbia University, eröffnet.
Handwerker und Kaufleute setzen aus Protest gegen zu hohe Steuern den britischen Gouverneurspalast in Brand.
George Washington macht das Haus Nr. I am Broadway für kurze Zeit zum Hauptquartier der US-Revolutionäre.
Während des Unabhängigkeitskriegs (1775–83) bleibt New York aber die meiste Zeit in britischer Hand. Erst 1785 wird es für fünf Jahre Hauptstadt der Konföderation.
Vor der Federal Hall in der Wall Street hält George Washington seine Antrittsrede als erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
In Manhattan leben mehr als 30000 Menschen.
Der Sklavenmarkt wird geschlossen.
Robert Fultons erstes Dampfschiff fährt über den Hudson.
Städteplaner teilen Manhattan oberhalb der Houston Street in ein Blockraster auf und beschließen, den Straßen nur noch Nummern zu geben.
Die Stadt hat mittlerweile 100 000 Einwohner.
Die Sklaverei wird in New York gesetzlich verboten.
Die erste Eisenbahn verbindet Harlem mit Downtown.
Auf der Hamburg-Amerika-Linie verkehren regelmäßig Schiffe zwischen Deutschland und New York.
Die erste Ausgabe der New York Times erscheint.
Im Norden entsteht nach Plänen von Calvert Vaux und Frederick Olmstedt der Central Park.
Der erste Lift macht im »Fifth Avenue Hotel« das Treppensteigen überflüssig.
Über eine Million Menschen leben in New York. Das Metropolitan Museum zieht in den Central Park um.
Der erste Verkehr rollt über die Brooklyn Bridge.
Im Hafen wird ein französisches Geschenk enthüllt – die Freiheitsstatue.
Ellis Island wird Auffanglager zur Massenabfertigung von Einwanderern.
Die fünf Stadtteile Manhattan, Queens, Staten Island, Bronx und Brooklyn (dessen Bürger vergeblich ein Veto einlegen) werden zu Greater New York zusammengefasst. Mit 3,5 Millionen Einwohnern ist New York nun neben London die größte Stadt der Welt.
Zwischen City Hall und 145th Street wird der erste Abschnitt des U-Bahn-Systems eingeweiht, das heute mit 400 Gleis-Kilometern das größte der Welt ist.
Die neue Stahlbauweise lässt die Häuser immer höher in den Himmel wachsen. Mit 241 Metern löst das Woolworth Building das Flatiron Building (errichtet 1902) als höchstes Gebäude ab.
Harold Ross gibt als Chefredakteur die erste Ausgabe des legendären Magazins The New Yorker heraus.
Das Chrysler Building wird eröffnet.
»Schwarzer Freitag« auf der Wall Street: Banken schließen, Aktien verfallen – die Goldenen Zwanziger sind zu Ende. Der Börsensturz löst die Weltwirtschaftskrise aus.
Das Empire State Building (381 Meter), das Waldorf Astoria und die Washington Bridge werden eingeweiht.
Fiorello La Guardia wird Bürgermeister. Die Große Depression lastet auf New York: Ein Viertel der Bevölkerung ist arbeitslos.
Seit Hitler in Deutschland das Dritte Reich ausgerufen hat, emigrieren Intellektuelle, Künstler und Wissenschaftler aus Europa nach New York. Während des Zweiten Weltkriegs lockern die USA die 1921 verschärften Einwanderungsbestimmungen, um Juden die Flucht vor den Nazis zu erleichtern.
George Gershwin und Cole Porter schreiben ihre Melodien für die Musicalhäuser am Broadway; im »Cotton Club« in Harlem jazzen Duke Ellington und Count Basie.
Der Grundstein für das erste UN-Gebäude wird gelegt.
New York City hat fast acht Millionen Einwohner, davon leben zwei Millionen in Manhattan.
Der schwarze Bürgerrechtler Malcolm X wird erschossen, in den folgenden Jahren kommt es zu Rassenunruhen in Harlem und Brooklyn.
Das Lincoln Center for the Performing Arts wird eingeweiht. Es beherbergt u.a. die Metropolitan Opera.
Der erste der beiden 420 Meter hohen Türme des World Trade Centers ist fertig.
New York verschuldet sich mit 13 Milliarden Dollar, weil immer mehr Einwanderer die Sozialkasse belasten. Gleichzeitig fliehen wegen steigender Kriminalitätsraten immer mehr Mittelklasse-New-Yorker in die Vororte und entziehen so noch zusätzlich Steuergelder. Nur durch ein Bundesdarlehen aus Washington entgeht die Stadt dem Bankrott.
Edward Koch wird Bürgermeister für die nächsten elf Jahre.
John Lennon wird am Central Park West erschossen.
David Dinkins wird erster schwarzer Bürgermeister New Yorks.
Der Republikaner Rudolph Giuliani übernimmt die Führung der Millionenstadt. Das World Trade Center wird erstmals Ziel eines Anschlags.
Giulianis Politik der Zero-Tolerance beschert ihm eine triumphale Wiederwahl.
Am 11. September fliegen Terroristen mit zwei Flugzeugen in die Türme des World Trade Center. Fast 3000 Menschen sterben. Michael Bloomberg wird 108. Bürgermeister von NYC.
Christo und Jeanne-Claude verzaubern im Februar den Central Park mit »The Gates«. Top of the Rock, die neue Aussichtsplattform im Rockefeller Center, wird eröffnet.
Beginn der Bauarbeiten zum Freedom Tower an Ground Zero.
Der 348 Meter hohe New York Times Tower ist fertig. Im Dezember eröffnet das New Museum of Contemporary Art.
Die Finanzkrise führt in New York zur größten Entlassungswelle seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren. Banken wie Lehman Brothers existieren nicht mehr, andere wie Fannie Mae und Freddie Mac werden verstaatlicht. Die Stadt rechnet mit einem Steuerloch von mehr als zwei Milliarden Dollar bis 2010. Um der Krise effektiver entgegen wirken zu können, soll Michael Bloomberg länger Bürgermeister bleiben. Dafür hebt der Stadtrat die Beschränkung auf zwei Amtszeiten auf.
Barack Obama wird am 20. Januar 2009 ins Präsidentenamt eingeführt. Der 47-Jährige ist der erste Afroamerikaner, der ins Weiße Haus einzieht.
US-Airways Flug 1549 gerät in einen Vogelschwarm und landet in einer spektakulären Notwasserung auf dem Hudson River.
Der High Line Park wird eröffnet, eine grüne Oase auf der Trasse einer stillgelegten Bahnlinie aus den 1930er-Jahren im Meatpacking District.
Am 4. Juli wird das Innere der Freiheitsstatue wieder für Besucher geöffnet. Im November wird der parteilose Bürgermeister Michael Bloomberg wiedergewählt. Es ist seine dritte Amtszeit.
Zehn Jahre nach den Anschlägen wird am 11. September am Ground Zero die Gedenkstätte »National September 11 Memorial and Museum« teilweise eröffnet.
Nach ihrem 125. Geburtstag am 18. Oktober wird Lady Liberty wegen Renovierung geschlossen. Seit dem 4. Juli 2013 ist sie wieder begehbar.
Im Juli wird ein öffentliches Fahrrad-Verleihsystem installiert. An zunächst 420 Stationen können nun insgesamt 10 000 Räder jederzeit ausgeliehen werden.
Am 29. Oktober trifft Hurrikan »Sandy« auf die Ostküste der USA. In New York werden 375 000 Menschen evakuiert, Subway- und Straßentunnel überflutet. In Queens brennen über 100 Wohnhäuser, noch Tage nach dem Sturm sind Tausende Menschen ohne Strom.
Grand Central Terminal, New Yorks schönster Bahnhof, feiert am 1. Februar 100-jähriges Bestehen.
Der Demokrat Bill de Blasio wird zum Bürgermeister gewählt.
»Was er aber am liebsten tat, war Gehen. Beinahe jeden Tag, ob Sonne oder Regen, heiß oder kalt, verließ er seine Wohnung, um durch die Stadt zu gehen – er ging nie wirklich irgendwohin, sondern ging einfach, wohin ihn seine Beine zufällig trugen. New York war ein unerschöpflicher Raum, ein Labyrinth von endlosen Schritten, und so weit er auch ging, so gut er seine Straßen und Viertel auch kennenlernte, es hinterließ in ihm immer das Gefühl, verloren zu sein. Verloren nicht nur in der Stadt, sondern auch in sich selbst. Jedesmal, wenn er ging, hatte er das Gefühl, als ließe er sich selbst zurück, und indem er sich der Bewegung der Straßen überließ, sich auf ein sehendes Auge reduzierte, war er imstande, der Verpflichtung zu denken zu entgehen, und das brachte ihm mehr als irgend etwas sonst ein Maß von Frieden, eine heilsame Leere in seinem Inneren. Die Welt war außerhalb seiner selbst, um ihn herum, vor ihm, und die Schnelligkeit, mit der sie ständig wechselte, machte es ihm unmöglich, bei irgendeiner Einzelheit lange zu verweilen. Die Bewegung war entscheidend, die Tätigkeit, einen Fuß vor den anderen zu setzen und sich einfach von seinem eigenen Körper treiben zu lassen. Durch das ziellose Wandern wurden alle Orte gleich, und es war nicht mehr wichtig, wo er sich befand. Auf seinen besten Gängen vermochte er zu fühlen, daß er nirgends war. Und das war letzten Endes alles, was er je verlangte: nirgends zu sein. New York war das Nirgendwo, das er um sich her aufgebaut hatte, und es war ihm bewußt, daß er nicht die Absicht hatte, es jemals wieder zu verlassen.«
(Aus: Paul Auster, Stadt aus Glas, © 1985 by Paul Auster, für die deutschsprachige Ausgabe © 1987 by Hoffman und Campe Verlag, Hamburg)
Brooklyn Daily Eagle, 30, November 1913 (Auszug)
»Zu dritt machten wir uns kürzlich abends auf, um Chinatown zu entdecken. Wir waren tapfer und unerschrocken, wir waren mutig und hegten keinen Zweifel am Mut des anderen, doch die Angst saß uns auf den Fersen und kitzelte uns mit der Vorahnung von Gefahr und schrecklich bösen Dingen, die wir zwar sehen mußten, an denen wir jedoch nicht teilhaben durften – wir erwarteten die krumme Gasse, die von blutroten Laternen erleuchtet war; Balkons, auf denen China vor sich hindöste; hohe, schmale Schilder, die mit Teepäckchen-Buchstaben beschrieben waren; einen Schuß, abgefeuert im Schutz der Nacht; schmale Gäßchen, die ins finsterste China führten; Hinterausgänge und Zimmer hinter schweren Vorhängen, in denen halbtote Bündelchen, nur noch gelbe Haut und Knochen, an der Pfeife sogen; Tanzlokale und Teegesellschaften, die seltsame, von Drähten hervorgebrachte Musik oder ein Tomtom wie eine Teakholzmuschel und die fellbespannte Trommel. Mädchen, die innerhalb eines Jahres alt wurden, und Männer, die dem Tod ins Gesicht lachten. Wir drei erwarteten, daß wir im glimpflichsten Falle Chop Suey essen und das Ganze sich zu einem Tong-Krieg zuspitzen würde.
Von Park Row kommend hielten wir auf die Mott Street zu – kam da vielleicht zischend ein Feuerball herausgeschossen? Nein! Fuhren uns vielleicht urgewaltige bezopfte Chinesen mit sechs Zoll langen manikürten Fingernägeln an die Gurgel? Machte die chinesische Schrift sich plötzlich selbständig und rückte unserer Beherztheit mit einer in scharlachrote Tinte getauchten Sandelholztuschbürste zuleibe? Es gibt kein Chinatown.«
(Aus: Djuna Barnes: New York. Geschichten und Reportagen aus einer Metropole, © Verlag Klaus Wagenbach 1987)
»Ruth ging die Broome Street entlang. Sie ging gerne zu Fuß. Sie ging so oft sie konnte zu Fuß. Das Gehen gab ihr Zeit zu denken. Es gab ihr Ruhe. »Einen schönen Tag, du Arschloch«, rief eine Frau an der Ecke der Mercer Street einem Mann nach, der sie in der Eile, ein Taxi zu erwischen, angerempelt hatte. »Diese Stadt ist irre, krank, kaputt«, rief die Frau an niemand Besonderen gerichtet.
Ruth empfand ein Glücksgefühl. Es war noch immer eine Erleichterung, wieder zu hören, daß Leute sich über New York beschwerten. Jedermann beschwerte sich. Ruth eingeschlossen. Sie beschwerte sich über den Lärm, den Verkehr, die Preise, das Gedränge, den Streß. Die Beschwerden über die Stadt waren am 11. September 2001 verstummt. Die Beschwerden hatten sich verflüchtigt. An den Tagen nach dem 11. September sahen die Leute auf den Straßen aus, als wäre ihnen das Herz gebrochen. Man konnte sehen, was die Leute empfanden. Man konnte sehen, wer sie unter den Masken waren, mit denen sie sich voreinander versteckten. Es war nachgerade schockierend, zu sehen, was jeder empfand. Die Anonymität und Unsichtbarkeit der Leute um einen herum war verschwunden. Man sah durch den Lippenstift, den Straßenanzug, die Aktentasche, die Jeans oder den Chanel-Mantel hindurch. Man sah die Todesangst auf den Gesichtern der Leute. Man sah Zärtlichkeit. Man sah Verletzlichkeit. Man sah Liebe. Man sah, wer die Leute wirklich waren.
(…) Es war nicht von Bestand. Nach drei, vier Monaten kehrte alles in den gewohnten Trott zurück. Drei Jahre nach dem 11. September schienen alte Vorurteile tiefer zu sitzen als je zuvor. Alte Animositäten hatten sich verfestigt und gesteigert. Und Vertrautheit zwischen den Leuten schien so abwegig und unmöglich zu sein wie bisher.«
(Aus: Lily Brett, Chuzpe. Roman. Aus dem Englischen von Melanie Walz, © 2005 Lily Brett, © der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2006)
»Der Times Square ist unglaublich. So viele Lichter und ein solches Gedränge sieht man nicht alle Tage. Ganze Häuserseiten hat man in Werbeflächen umfunktioniert. Alles blinkt und wogt, wie bei einem Sturm auf dem elektronischen Meer. Von diesen großflächigen Aufrufen zum Kommerz gab es vielleicht vierzig, und bis auf zwei stammten alle von japanischen Firmen: Mita Copiers, Canon, Panasonic, Sony. Mein mächtiges Heimatland war nur durch Kodak und Pepsi Cola vertreten. Der Krieg ist vorbei, alter Yankee, ermahnte ich mich.
… Ich ging in den Trump Tower, ein neuer Wolkenkratzer an der Fifth Avenue. Allmählich macht sich der Immobilienspekulant Donald Trump in ganz New York breit. Über die ganze Stadt verteilt baut er Wolkenkratzer, die seinen Namen tragen. Ich ging also in den Trump Tower und sah mich um. Eine so geschmacklose Eingangshalle habe ich noch nie gesehen. Alles war aus Messing und Chrom und aus rotweiß geschecktem Marmor, der wie das Zeug aussah, um das man einen großen Bogen macht, wenn man es auf dem Gehsteig liegen sieht. Hier war alles voll davon – der Boden, die Wände, die Decke. Mir war, als befände ich mich im Magen von jemandem, der gerade eine Pizza verspeist hat.«
(Aus: Bill Bryson, Straßen der Erinnerung, Reisen durch das vergessene Amerika, © 2006 Wilhelm Goldmann Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House, Übersetzung Claudia Holzförster)
»Ein Schild, das Aussicht über die Insel verspricht: Overlook. Es ist sein Vorschlag gewesen, hier zu stoppen. Ein Parkplatz für mindestens hundert Wagen, zur Zeit leer; ihr Wagen steht als einziger in dem Raster, das auf den Asphalt gemalt ist. Es ist Vormittag. Sonnig. Büsche und Gestrüpp um den leeren Parkplatz; keine Aussicht also, aber es gibt einen Pfad, der durch das Gestrüpp führt, und sie haben nicht lang beraten: Der Pfad wird sie zur großen Aussicht führen. Dann ist sie nochmals zum Wagen zurückgegangen. Es ist ihr eingefallen, daß sie, um den Atlantik zu sehen, eigentlich ihre Handtasche nicht braucht. Es kommt ihm alles etwas unwahrscheinlich vor, aber nach einer Weile sieht er es als einfache Wirklichkeit: Rascheln in den Büschen, dann ihre Hosen (das verwaschene Hellblau natürlich) und ihre Füße auf dem Pfad, hinter viel Zweigen und Ästen ihr ziemlich rotes Haar. Und dann geht sie wieder voran, sie duckt sich da und dort unter den wirren Ästen, und er duckt sich unter denselben Ästen, wenn sie schon wieder aufrecht geht noch immer durch Dickicht. Es ist eine Art von Pfad, nicht immer deutlich, ein verwilderter Pfad. Zuerst ist er vorangegangen: als Mann, der sich hier so wenig auskennt wie sie. Einmal ein sumpfiger Graben, wo er ihr hat helfen müssen, und seither geht sie voran. Das ist ihm auch lieber. Es macht ihr Freude, das zeigt ihr leichter und flinker Gang. Der Atlantik kann nicht fern sein. Hochoben eine vereinzelte Möwe. Stellenweise riecht es nach Blüten; keine Ahnung, was da blüht; es sind fremde Gewächse.
CENTRAL PARK
… ein Gewährsmann hat mich belehrt, daß die berühmten Eichhörnchen gar keine Eichhörnchen sind, sondern Baumratten. Früher gab es hier noch Eichhörnchen. Die Baumratten sind nicht rötlich wie die Eichhörnchen, doch nicht minder zierlich. Man kann ihnen Minuten lang aus der Nähe zuschauen, so zutraulich sind die Baumratten. Der Unterschied zu den Eichhörnchen besteht vor allem darin, daß sie die Eichhörnchen vernichten.«
(Aus: Max Frisch, Montauk. Eine Erzählung, © Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006).
»Ankunft in New York – gar nicht zu beschreiben, wie eine Vision.«
Some folks like to get away
Take a holiday from the neighborhood
Hop a flight to Miami Beach
Or to Hollywood
But I’m taking a Greyhound
On the Hudson River Line
I’m in a New York state of mind
I’ve seen all the movie stars
In their fancy cars and their limousines
Been high in the Rockies under the evergreens
But I know what I’m needing
And I don’t want to waste no more time
I’m in a New York state of mind
It was so easy living day by day
Out of touch with the rhythm and blues
But now I need a little give and take
The New York Times, The Daily News
It comes down to reality
And it’s fine with me’cause I’ve let it slide
Don’t care if it’s Chinatown or on Riverside
I don’t have any reasons
I’ve left them all behind
I’m in a New York state of mind
I’m just taking a Greyhound on the
Hudson River line
’cause I’m in a New York state of mind
»Jedes Geräusch konnte er zu einem Rhythmus oder Akkord umschreiben. Einmal fuhren wir zusammen mit der U-Bahn zu ihm, und er arrangierte die Fahrt für mich als Big-Band-Stück. Jeden anderen hätte ich als Spinner abgeschrieben, aber Hank konnte das mit einer Lässigkeit, die keinen Moment Zweifel aufkommen ließ. Das Kreischen des einfahrenden Zuges – Einsatz der Blechbläser. Die einsteigenden Passagiere bereiteten den Grundrhythmus vor, die schließenden Türen als Break auf der Standtrommel, Pause, dann der Takt der Räder über die Gleise. »Auf dem Ride-Becken, jede Weiche ein Schlag auf die Snare. Unregelmäßig, gegen den Beat.« Er lachte, schlug mit dem Daumen gegen meine Schulter. »Jetzt kommen die Soli. Siehst du all die Menschen hier im Waggon? Keiner redet. Aber jeder denkt. Dort die Frau mit dem Kitschroman. Die ist in einer vollkommen anderen Welt als der alte Chinese mit seiner Zeitung. Das Mädchen, das mit mürrischem Blick vor sich hinstarrt, denkt wahrscheinlich um ein vielfaches langsamer als der Junge mit dem Walkman, und der wiederum denkt viel breiter als der Typ, der seine Akten studiert. Weißt Du, was das für ein Lärm hier wäre, wenn wir in ihre Köpfe hineinhören könnten? Großartig. Ein riesiges, wahnsinniges, vollkommen dissonantes Orchester, das nur von einem zusammengehalten wird. Vom Rhythmus der Räder auf den Schienen.«
(© Adrian Kreye)
»Da liegt eure Inselstadt Manhattan, mit Docks umgürtet wie eine Südseeinsel mit Korallenriffen – Handel brandet rings um ihr Gestade. Rechts und links führen die Straßen wasserwärts. Das äußerste Ende der Stadt ist die Battery wo diese stolze Mole von Wellen bespült und von Lüften gefächelt wird, die sich ein paar Stunden zuvor noch weit draußen auf dem offenen Meer tummelten. Seht euch die Scharen von Menschen an, die dort aufs Wasser hinausstarren.
Wandert an einem müßigen Sonntagnachmittag um die Stadt. Geht von Corlear’s Hook nach Coenties Slip, und von da durch Whithall nordwärts. Was seht ihr? Wie schweigende Schildwachen stehen da Tausende und Abertausende aus Adams Geschlecht, in Meeresträumereien versunken. Manche lehnen an den dicken Pfählen auf dem Hafendamm, andere sitzen auf den Molenköpfen; sie schauen über die Reling der Chinafahrer, sie hängen oben im Takelwerk, um noch besseren Ausblick auf die See zu gewinnen.«
(Aus: Hermann Melville, Moby Dick, übertragen von Alice und Hans Seiffert, Insel Verlag 1977)
»Von 1892 bis 1924 sind annähernd sechzehn Millionen Menschen durch Ellis Island geschleust worden, das heißt, fünf- bis zehntausend pro Tag. Die meisten blieben nur einige Stunden dort, lediglich zwei bis drei Prozent wurden zurückgeschickt. Im Grunde war Ellis Island nichts anderes als eine Fabrik zur Herstellung von Amerikanern, eine Fabrik, um Auswanderer in Einwanderer zu verwandeln, eine Fabrik der amerikanischen Art, ebenso schnell und effizient wie ein Schlachthof in Chicago: auf das eine Ende des Fließbandes stellt man einen Iren, einen ukrainischen Juden oder einen Italiener aus Apulien, und am anderen Ende kommt – nach Untersuchung der Augen, Untersuchung der Tränensäcke, Impfung und Desinfektion – ein Amerikaner heraus.«
(Aus: Georges Perec, Geschichten von Ellis Island, © Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1997)
»Walt Whitman, ein Kosmos, von Manhattan der Sohn,
Ungestüm, fleischlich, sinnlich, essend, trinkend und zeugend,
Kein Empfindsamer, keiner, der sich über Männer und
Weiber oder abseits von ihnen stellt,
Nicht bescheiden, noch unbescheiden.
Schraubt die Schlösser der Türen los!
Schraubt die Türen selbst von den Pfosten los!
Wer einen andern erniedrigt, erniedrigt mich,
Und jedes Wort oder Tun trifft mich am Ende.
Ich spreche die urernste Losung, ich gebe das Zeichen der Demokratie,
Bei Gott! Ich will nichts haben, woran nicht alle zu gleichen Bedingungen
teilhaben können /…)
Manhattan-Massen mit wildem, wie Orgel brausendem Chor,
Manhattan-Gesichter und -Augen immerdar für mich.«
(Aus: Walt Whitman, Grashalme, © 1985 Diogenes Verlag AG Zürich)
Vormittag: Mit dem Taxi nach Brooklyn – zu Fuß über die Brooklyn Bridge – City Hall – Woolworth Building – Wall Street – South Street Seaport – Battery Park – Castle Clinton – Ground Zero.
Nachmittag: Canal Street – Cast Iron District – Flatiron Building – Grand Central – MetLife Building – Fifth Avenue – Central Park – Empire State Building – Rockefeller Center – Greenwich Village – East Village.
Allein in Manhattan gibt es mehr als 80 Museen und über 600 Kunstgalerien. Die wichtigsten Adressen konzentrieren sich jeweils in bestimmten Bezirken. Die obere Fifth Avenue ist Manhattans Museumsmeile. Museen sind in der Regel montags geschlossen. Der Erwerb des City Pass (www.citypass.com) berechtigt zur kostengünstigeren Besichtigung von einigen Sehenswürdigkeiten und Museen.
»Early Bird Special«, das kann man allenthalben lesen in der Stadt. Meistens gilt das für die in Manhattan raren Parkplätze und bedeutet: Wer frühmorgens kommt, bezahlt weniger. Der frühe Vogel fängt den Wurm, das gilt natürlich auch für den Stadtrundgang. Sogar wer zu Hause Langschläfer ist, wird in den ersten Tagen in New York gern früh aufstehen, dem Jetlag sei’s gedankt. Und so kommt man in den Genuss, bereits vormittags einen schönen Teil des Rundgangs absolvieren zu können. Ein wichtiger Tipp: Der Rundgang ist wirklich ein Gang – Manhattan lernt man am besten zu Fuß kennen. Also lieber bequeme Schuhe anziehen. Ohnehin sind die sogenannten Sneakers durchaus stadtfein, man muss sich also nicht schämen, in Turnschuhen herumzulaufen.
Wer bei schönem Wetter erleben möchte, wie die Wolkenkratzer von Lower Downtown allmählich von der Sonne beleckt werden, wie sie von oben nach unten erst rötlich dann immer golden-gelber erstrahlen, der wird morgens als Erstes in ein Taxi steigen – eine der leichtesten Übungen: Man stellt sich an den Straßenrand, hält den Arm nach oben, und binnen Sekunden hält ein Yellow Cab an. »Brooklyn Heights over Brooklyn Bridge« instruiert man den Fahrer, und auch wenn dieser weniger Englisch spricht als der frühe Gast, was durchaus im Bereich des Möglichen liegt, wird er das verstehen. Am Ende der Brooklyn Bridge steigt man aus – und überquert sie zu Fuß, immer mit Blick auf Manhattan.
1883 wurde diese traumhaft schön geschwungene Brücke über den East River fertiggestellt, sie war die längste und höchste Brücke des 19. Jahrhunderts. Ihre 500 Meter lange Fahrbahn hängt 45 Meter über dem Wasser. Beim Morgenspaziergang kann man sich schon orientieren, lernt, die Hochhäuser von Lower Manhattan von denen von Midtown zu unterscheiden. Ganz im Süden dienen die Bürotürme der Wall Street als Orientierungshilfe, in Midtown bleibt das Auge am Empire State Building und seiner kleinen Art-déco-Cousine, dem eleganten Chrysler Building, hängen.
Zwischen diesen beiden Gebirgszügen von Hochhäusern dehnt sich das Valley aus, so nennen die New Yorker Chelsea, East und West Village, SoHo, TriBeCa, Little Italy und Chinatown. Hier stehen fast keine Hochhäuser, jedenfalls für New Yorker Verhältnisse. Dabei überragt noch deren Skyline bei Weitem die Häuser der meisten deutschen Großstädte.
Nahe der Subway-Station City Hall betritt man dann den Boden von Manhattan, des kleinsten, aber bekanntesten Stadtteils von New York. Die anderen vier sind die Bronx, Queens, Brooklyn und Staten Island. Die City Hall ist der Sitz des New Yorker Bürgermeisters und das älteste Rathaus der Vereinigten Staaten, das noch in dieser Funktion genutzt wird. Es liegt übrigens am beginnenden Broadway Ecke Park Row Street im City Hall Park. Das Rathaus wurde von 1803 bis 1812 für ganze 350 000 Dollar gebaut, die Fassade ist der französischen Renaissance nachempfunden. 1960 wurde der mächtige Bau zum National Historic Landmark erklärt und gehört heute zu den historischen Wahrzeichen der USA. Der Rathauspark ist nur drei Häuserblocks vom früheren Standort der Doppeltürme des World Trade Centers und dem heutigen Freedom Tower bzw. One World Trade Center entfernt.
Nach wenigen Schritten kommt man zu einem der älteren, aber gerade deshalb wunderschönen Wolkenkratzer, dem Woolworth Building. Der Kaufmann Frank Woolworth beauftragte den berühmten Architekten Cass Gilbert mit dem Bau, der eher einer gotischen Kathedrale als einem Bürogebäude ähnelt. Die Lobby im reinsten Art-déco-Stil ist ein Geheimtipp unter den Sehenswürdigkeiten. Von diesem historischen Wolkenkratzer gelangt man nach einigen Blocks zu der wohl berühmtesten Straße New Yorks, der Wall Street. 1792 wurde hier die Börse eröffnet, die New York Stock Exchange. Das Gebäude mit seinen sechs Säulen erinnert an Tempel des antiken Griechenlands; das ist kein Zufall, sondern durchaus gewollt. Man huldigt damit der Demokratie, deren Wiege bekanntlich die griechische Antike war. Doch heute wird in dem geschäftigen Viertel – trotz Finanzkrise – einem ganz anderen Götzen gedient: der Gottheit Mammon.
Von hier ist es nicht weit zur South Street, die am East River entlangführt. Sie ist allerdings alles andere als eine beschauliche Uferstraße; über den Köpfen der Fußgänger donnert der Verkehr auf dem Elevated Highway Besser nimmt man sich also für die kurze Strecke ein Taxi und lässt sich zum South Street Seaport bringen. Der nämlich ist dann wieder ganz gemütlich. Etwas touristisch aufgemotzt, aber durchaus adrett, gruppieren sich ein paar alte New Yorker Häuser um eine Fußgängerzone; es gibt kleine Souvenirläden und auch den einen oder anderen Imbissstand – den man mittlerweile dringend braucht – Stadtspaziergänge machen hungrig. Am besten packt man Hamburger und Cola ein, oder Bagel und Mineralwasser, oder Knishe und Orangensaft, oder oder oder… und geht nach nebenan, zum Pier 17. In diesen einstigen Hafenpier wurde eine Shopping-Mall eingebaut – nicht jedermanns Geschmack, aber auf der großen Terrasse (die mit gratis Liegestühlen möbliert ist) sitzt man sehr schön, mit Blick auf den East River, Brooklyn und die Brooklyn Bridge.
Da der Seaport etwas ungünstig liegt, man unbedingt aber wenigstens einen Blick auf die Freiheitsstatue werfen sollte, winkt man noch einmal ein Taxi herbei und fährt damit bis zum Battery Park an der Südspitze Manhattans mit dem Castle Clinton. Das heißt seit 1815 so, zu Ehren eines langjährigen Bürgermeisters von New York. Ursprünglich stand es auf einer künstlichen Insel und war eine vorgelagerte Befestigungsanlage. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts diente es dann eine Zeit lang als Konzertsaal. Nach dem Bankrott wurde es Hauptdurchgangslager für Emigranten. Eine Rolle, die ab 1892 Ellis Island übernahm. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte das Fort abgerissen werden, wurde aber unter Denkmalschutz gestellt. Heute befindet sich darin der Kartenkiosk für die Fahrten zur Freiheitsstatue und nach Ellis Island. Der Ausflug dorthin füllt allein ein Tagesprogramm, deshalb muss man sich bei einem eintägigen Rundgang mit einem Blick auf beide Inseln begnügen. An der Südspitze des Parks stehen dankenswerterweise einige Bänke; von diesen kann man die grüne Freiheitsstatue gut sehen, rechts daneben liegt Ellis Island, das Nadelöhr, durch das die Immigrantenströme hindurch mussten.
Ground Zero eine Sehenswürdigkeit zu nennen wäre wohl mehr als zynisch. Das Loch, das die Attentate vom 11. September 2001 in den Boden Manhattans rissen, bleibt für immer eine Narbe auf der Seele der Stadt. Noch für einige Jahre wird hier nun gebaut, seit 2006 am One World Trade Center, das bis vor Kurzem als Freedom Tower bekannt war. Grundlage war ein Entwurf Daniel Libeskinds, der auch das Jüdische Museum in Berlin entwarf. Der Turm ist 1776 Fuß (541,32 m) hoch, eine Referenz an die amerikanische Unabhängigkeitserklärung aus dem Jahr 1776.
Nun steht eine U-Bahn-Fahrt auf dem Programm, aber keine Angst: Erstens sind die Zeiten, als dort tagtäglich Leute überfallen wurden, vorbei, und zweitens ist das unterirdische Metrosystem erfreulich übersichtlich gestaltet. Man findet sich mit den verschiedenfarbigen Linien dort so leicht zurecht wie über der Erde im Schachbrettmuster der Straßen. Um nach SoHo zu gelangen, der nächsten Etappe, nimmt man die blaue Linie und fährt bis zur Canal Street, einer Shopping-Meile der anderen Art. Hier liegt das Paradies der Billigheimer, man kann exakt erkennen, welche Marken derzeit der neueste Schrei sind: Es sind diejenigen, die gefälscht angeboten werden. Hier findet man eine Rolex für zehn Dollar, ein Nike-Shirt für fünf oder besser noch gleich drei Stück für zehn Dollar und ein Handtäschchen von der aberwitzig teuren italienischen Modeschöpferin Prada – für 20 bucks (Dollar).