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Herbert Dutzler

Blau blüht nicht nur der Enzian

Eine Kriminalgeschichte

Blau blüht nicht nur der Enzian

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Ich bin ja an und für sich nicht so der Wander-Typ. Allein schon wegen meiner Statur. Als Frau sagt man das nicht gern von sich selber, aber ich bin eher, wie man gerne sagt, üppig. Unfreundliche würden behaupten, dick. Aber als Köchin ist man ja ständig den verführerischsten Leckerbissen ausgesetzt. Und ich kann da halt nicht immer widerstehen. Eigentlich nie, wenn wir uns ganz ehrlich sind.

Aber der Joe hat ja Recht. Es tut mir gut, aus dem Restaurant herauszukommen. Wenigstens am Ruhetag. Stress abbauen. Die Küche ist ja wirklich kein sehr gesunder Arbeitsplatz, auch abgesehen von den Köstlichkeiten, die immer in Griffweite sind. Heiß ist es, laut ist es, man muss die ganze Zeit stehen, und schnell gehen soll alles. Eigentlich ein Wunder, dass ich sie trotzdem so liebe, meine Küche.

Und außerdem muss ich sowieso dringend was für meine Fitness tun. Da ist Wandern, das muss ich zugeben, wahrscheinlich sogar das Gescheiteste. Vor allem hier auf der Tauplitz. Wunderschöne Almlandschaften, Seen und Berge. Vor allem für mich ist es ganz praktisch, dass es nicht so wahnsinnig viel bergauf geht, wenn man vom Parkplatz hierher zur Leistalm wandert. Das kommt mir sehr entgegen. An wie vielen Seen sind wir vorbeigekommen? Ich glaube, an drei. Mindestens.

Eigentlich ist es eine Schande, dass ich als Einheimische noch nie hier hinten war. Was da alles blüht! Vor allem jetzt, im Juni. Der Almrausch! Ein Wahnsinn! Ich interessiere mich ja eigentlich, was die Natur angeht, hauptsächlich für das, was man essen kann. Pilze zum Beispiel. Und Kräuter. Für die brauch ich Gott sei Dank nicht drei Stunden durch die Gegend latschen. Drei Stunden! Und den ganzen Weg müssen wir auch wieder zurückgehen!

Und noch dazu gibt es hier auf der Leistalm nicht einmal was zu essen. Und nach drei Stunden Wandern, das muss ich ehrlich sagen, da bin ich mit einem zerquetschten Extrawurstsemmerl aus dem Rucksack nicht wirklich zu befriedigen. Was man hier anfangen könnte, in dieser begnadeten Gegend! Die satten Almwiesen! Jeder Baum praktisch ein Gesamtkunstwerk für sich, wie sie knorrig und verkrüppelt dastehen. Dazwischen das dunkelblaue Leuchten der Wasserflächen. Was man den Feinschmeckern da bieten könnte!

Das Problem ist halt die Zufahrt – hier gibt’s nämlich keine. Die Wirtin hat erzählt, dass alles mit dem Pistenfahrzeug hierher transportiert wird. Also, bevor die Skisaison zu Ende ist. Die ganzen Getränke für die gesamte Saison. Und wenn man dann im Sommer einmal was extra braucht, geht das nur im Rucksack oder mit dem Muli. Na ja, da ist mir mein Restaurant schon lieber. Da kommt der Gemüsegroßhändler direkt vor den Lieferanteneingang gefahren. Aber den brauch ich jetzt eh nicht mehr lang. Ich hab mir nämlich vorgenommen, nur mehr bei den Biobauern in der Umgebung einzukaufen. Und halt nur das, was gerade Saison hat. Bin schon gespannt, wie ich da durch den Winter komme. Aufregend wird’s auf jeden Fall.