Für all die Landwirte und Metzger, die trotz heftiger öffentlicher Anfeindungen, fehlender gesellschaftlicher Wertschätzung und völlig unzureichender Bezahlung ihrer Arbeit und Produkte immer noch weitermachen. Die trotz alledem den Anspruch nicht aufgeben, gut mit ihren Tieren umzugehen, ihre Produktionsweise auf die Umwelt abzustimmen und gute Qualität zu erzeugen. Eben so gut, wie es unter den undankbaren Bedingungen heute geht.

Stuttgart, im März 2016,

bei einem Schweinepreis von 1,24 Euro

pro Kilogramm Schlachtgewicht …

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Westend Verlag

Ebook Edition

Ulrike Weiler

Fleisch essen?

Eine Aufklärung

Westend Verlag

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Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-86489-624-8

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2016

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich

Inhaltsverzeichnis

Titel
Inhaltsverzeichnis
1 Warum dieses Projekt
2 Menschen essen Fleisch
2.1 Karnivore, Omnivore, Vegetarier: kein Neuzeitproblem
2.2 Produkte tierischen Ursprungs und Verbreitungsgebiet
2.3 Fleischverzehr und Fleischverbrauch: heute – hier und anderswo
2.4 Über den Tellerrand: Wie sieht es am internationalen Markt aus, und wie viel Fleisch essen wir denn überhaupt?
3 Parallelwelten: Wertschätzung, Entfremdung und das Idyll
3.1 Warum die Wertschätzung gesunken ist
3.2 Die Polarisierung des Angebots und die Idealisierung des Natürlichen
4 Fleischessen und Gesundheit
4.1 Was uns nicht guttut: Fehlernährungen mit und ohne Fleisch
4.2 Wertvolles Fleisch – was sonst noch für die Ernährung Wichtiges drin ist
4.3 Risiken des Fleischkonsums – Mythen und Fakten
5 Fleischerzeugung und Nachhaltigkeit – ein Widerspruch?
6 Tierschutz – ein (Ver-)Kaufs­argument?
7 Und wo bleibt der Genuss? Was darüber entscheidet, ob Fleisch schmeckt
8 Vom Muskel zum Fleisch
8.1 Was ein Muskel zum Funktionieren braucht
8.2 Muskelfasern sind nicht alle gleich
8.3 Was Fasertypen mit dem Genusswert zu tun haben
8.4 Das harmonische Ganze: Wie Knochen und Fett mit dem Muskel zusammenspielen
8.5 Veränderungen des Muskels durch das Schlachten
8.6 Natürliche Fleischreifung: Die Zartmacher und warum sie auch beim lebenden Tier wichtig sind
8.7 Natürliche Fleischreifung und Fehlreifungen nach dem Schlachten
8.8 Wie Geschmack im Fleisch entsteht
8.9 Wenn es komisch schmeckt
8.10 Wie das Wachstum gesteuert wird, wo wachstumssteigernde Hormone ansetzen und was das für die Qualität bedeutet
8.11 Was die Züchtung kann
9 Vom Schlachten
9.1 Transport und Behandlung vor dem Schlachten
9.2 Schlachten und rituelle Varianten
9.3 Kritische Punkte in der Schlachtkette
9.4 Tierschutz am Schlachthof – profitabel für alle
9.5 Kontrollen und Klassifizierung
9.6 Die Vollzerlegung: Traditionelle und exotische Produktlinien
9.7 Vom Reifen
9.8 Vom Kochen und Braten: Garmethoden wissenschaftlich gesehen
10 Was die Landwirtschaft kann: Beispiel Schweinefleisch
10.1 Wie funktioniert die Schweinefleischerzeugung?
10.2 Schweinefleisch: Was kann die Fütterung?
10.3 Fütterung gegen Fehlaromen
10.4 Was ist bei High-End-Schweinen anders: das Iberico-Konzept und der Mythos vom Eichelmastschwein
10.5 Welche Qualitätsprobleme Schweinefleisch hat
10.6 Tierschutz contra Verbraucherschutz: die Ebermast
10.7 Schmecken glückliche Schweine besser?
11 Was die Landwirtschaft kann: Beispiel Rindfleisch
11.1 Zusammensetzung des Rindfleischmarkts – Fleischrinder versus Milcherzeugung
11.2 Rassen und ihre besten Seiten
11.3 Was zu Kalbfleisch zu sagen wäre
11.4 Ochse, Bulle, Färse, Kuh: Geschlechtsunterschiede und Produktivität
11.5 Das Märchen vom Kobe-Rind und was daran wirklich stimmt
11.6 Fütterung und Rindfleischqualität
11.7 Warum amerikanisches und argentinisches Fleisch besser ist
12 Wie man gutes Fleisch findet
Anmerkungen
Literatur

1 Warum dieses Projekt

Bei wohl wenigen Lebensmitteln scheiden sich die Geister so sehr wie beim Thema Fleisch. Die Zeit des hochgeschätzten Veredelungsprodukts – so hat man Fleisch früher mal genannt – ist vorbei. Heute polarisiert das Thema Fleisch die Diskussionen, da viele Verbraucherinnen und Verbraucher darüber nachdenken, ob man Fleisch denn überhaupt essen darf, denn dafür stirbt ja ein Tier. Zudem haben Berichte über Missstände in der Tierhaltung und über negative Umweltfolgen und fehlende Nachhaltigkeit der Fleisch­erzeugung zum negativen Imagewandel beigetragen. Auch die beteiligte Fleischindustrie trägt aufgrund von Fleischskandalen und den Arbeitsbedingungen der dort beschäftigten Menschen zum negativen Bild bei. In puncto Glaubwürdigkeit und Ansehen bei der Bevölkerung haben sie inzwischen einen schlechteren Ruf als Politiker. Mit gutem Gefühl Fleisch essen können nur noch diejenigen, die diese Diskussionen ausblenden und bewusst ignorieren, oder die Menschen, die wissen, was in der Produktion wirklich passiert, die nicht der medialen Schwarz-Weiß-Malerei verfallen sind und die guten und die schlechten Seiten der Erzeugung kennen.

Zusätzlich zu diesen ethischen Aspekten werden mit Vehemenz die Fragen des ernährungsphysiologischen Werts und möglicher gesundheitlicher Folgen des Fleischkonsums diskutiert, ob man denn nicht ohne gesünder lebt oder ob dadurch eine Mangelernährung vorprogrammiert ist. Die Agitation für einen vegetarischen oder gar veganen Lebensstil hat inzwischen eine Professionalität erreicht, die hinter der Werbung der Fleischwirtschaft in keiner Weise zurückbleibt. Zum Teil angetrieben durch hochprofessionelle Kampagnen der Tierschutzorganisationen, die vom Infostand für Festivalbesucher bis hin zu Schulkampagnen alles bedienen, verweigern zunehmend jüngere Menschen den Fleischkonsum. Neben den fast 10 Prozent Verbrauchern, die behaupten, sich ohne Fleisch zu ernähren, wächst die Gruppe der sogenannten Flexitarier rasant an. Flexitarier ernähren sich überwiegend vegetarisch, Fleisch wird qualitätsbewusst und in kleinen Mengen in den Speiseplan integriert.

Doch was ist dann wirklich Qualität? Produktqualität mit hohem Genusswert? Oder die Art der Erzeugung: tiergerecht und um­weltfreundlich, aber mit Abstrichen hinsichtlich des Ge­nuss­werts?

Doch auch die Menschen, die Fleisch weiterhin fast täglich essen, haben keine wirkliche Wertschätzung für dieses Lebensmittel. Häufig ist es ein zweifelhafter Proteinträger mit geringem Genusswert, nur für wenige bedeutet Fleisch noch eine hochgeschätzte Quelle der Gaumenfreude.

Der Markt trägt diesen Entwicklungen Rechnung, treibt sie voran. Vegetarischer Wurstersatz erobert die Theken, während in normalen Läden zunehmend auch der Wunsch nach High-End-Fleisch erfüllt werden kann. Biofleisch hat eine hohe Reputation und wird als Alternative heftig diskutiert, aber der Anteil am Verbrauch dümpelt zum Beispiel bei Schweinefleisch bei weniger als 1 Prozent. Viele Verbraucher sehen die regionale Erzeugung in kleinbäuerlichen Betrieben als Alternative zu den Produkten, die unter den zweifelhaften Bedingungen der Massentierhaltung erzeugt werden und für die Tiere leiden und sterben müssen.

Aber stimmen diese Bilder? Ist das wirklich eine Alternative? Ist denn Fleisch aus landwirtschaftlichen Großbetrieben wirklich schlechter als das aus kleinen Betrieben? Und geht es Tieren im Kleinbetrieb besser, sind Tiere dort wirklich glücklicher?

Diese extremen Bilder und Vorstellungen basieren zum erheblichen Teil darauf, dass Menschen heute wenig Ahnung davon haben, wie das Lebensmittel Fleisch erzeugt wird, was gutes Fleisch ausmacht, welche Beziehungen zwischen tiergerechter Produktion, Produktqualität und Genusswert wirklich bestehen. Das Buch möchte hier wesentliche Grundlagen der Fleischerzeugung und der Produktqualität erläuterten und mit gängigen Vor- und Fehlurteilen aufräumen. Ich diskutiere seit vielen Jahren diese Themen mit Studierenden im Rahmen meiner Lehrveranstaltungen an einer Universität und habe dabei festgestellt, wie viel Interesse und Wissensbedarf selbst bei landwirtschaftlich orientierten Studierenden zu diesem Thema besteht. Der größte Bedarf zeigte sich dabei für mich bei den Themen aus den Grenzbereichen zu anderen Diszi­plinen, ein Grund, warum ich für meine Lehrveranstaltungen auch den Kontakt zur Ernährungswissenschaft, der Fleischbranche und der Spitzengastronomie gesucht habe, um auch diese Sichtweisen und spezifischen Anforderungen in meine Lehre zu integrieren. Dieser interdisziplinäre Ansatz ermöglicht dann nicht nur Studierenden Erkenntnisse, die über die Enge der Disziplinen hinausgehen. Aus dieser lebendigen Lehrkooperation hat sich auch für dieses Buch die fruchtbare Zusammenarbeit mit einem Spitzenkoch eines benachbarten Sternelokals ergeben. Markus Eberhardinger ergänzt aus seiner Sicht die Themen des Buches mit kulinarisch-hedonistischen Aspekten sowie wissenschaftlicher Küchenkunst.