Ilona Einwohlt

Familienkrach und Herzenstrost

Felis Überlebenstipps

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Mit Illustrationen
von Carola Sieverding

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In der Reihe bereits erschienen:

Zettelkram und Kopfsalat. Felis Überlebenstipps

Neue Schule, neues Glück
Freundschaftskribbeln im Bauch

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1. Auflage 2016
© 2016 Arena Verlag GmbH, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Einbandillustration, Innenillustration und -gestaltung: Carola Sieverding
Satz: Hermann Zanier, Berlin
Lektorat: Kerstin Kipker
ISBN 978-3-401-80558-0

www.felisblog.de
www.arena-verlag.de

Mitreden unter forum.arena-verlag.de

Inhalt

Es kracht! ODER: Streiten gehört dazu

Alles muss raus! ODER: Reden hilft immer

Kiki in der Krise ODER: Es gibt keine Schuld

SOS – Herz in Not ODER: Liebeskummer lohnt sich nicht

Nicht ohne meinen Papa ODER: Alles Familie!

Lichtblicke ODER: Manchmal muss man Vertrauen haben

Grüne Herzen ODER: Liebe macht blind

Happy End ODER: Alles wird gut!

Manchmal muss man durch ODER: Abhauen ist keine Lösung

Das Leben ist ein Fest ODER: Tanz, tanz, tanz!

Test: Welcher Gefühlstyp bist du?

Glossar

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Es kracht!
ODER:
Streiten gehört dazu

Rummmskrachpeng! knalle ich die Zimmertür hinter mir zu, prompt fängt meine Babyschwester Siri vor Schreck an zu plärren. Gerade eben noch hat sie vergnügt mit ihren bunten Musikwürfeln vor sich hin gespielt, jetzt heult sie wie eine Sirene los und kriegt sich gar nicht mehr wieder ein.

»Ist schon gut, war nur der Wind«, schwindele ich, während ich mich auf mein Bett schmeiße und wutschnaubend in mein Handy tippe, um mit Mira zu chatten. Ich muss ihr dringend mitteilen, dass ich heute mal wieder nicht auf den Sonnenhof kommen kann, wo ich mich gemeinsam mit meinen Freundinnen und ein paar anderen aus meiner Klasse um die alten und pflegebedürftigen Tiere kümmere. Ich muss nämlich auf meine Babyschwester aufpassen.

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Warum ausgerechnet du?, schreibt Mira.

Erstens, weil meine Cousine Pepa, die sonst mit im Laden arbeitet, wegen ihres Heuschnupfens zum Arzt musste.

Zweitens, weil sich Siri heute Morgen geweigert hatte, in der Kinderkrippe zu bleiben.

Und drittens, weil Mama heute einen knallvollen Terminkalender im Friseurladen hat und Papa einen Lehrgang leitet.

Das kommt in letzter Zeit immer häufiger vor und ehrlich gesagt, bin ich total genervt deswegen. Seit Siri vor etwa einem Jahr auf die Welt gekommen ist, hat sich mein Leben komplett verändert. Weil wir in unserer Wohnung über dem Kopfsalat nicht so viel Platz haben, muss sie in meinem Zimmer schlafen. Längst habe ich mich daran gewöhnt, meinen Krimskrams und die Bastelsachen vor ihren neugierigen Grapschehändchen in Sicherheit zu bringen. Daran, dass sie mich Nacht für Nacht mit ihren wilden Träumen aus dem Schlaf holt, nicht. Zum Glück hatte meine Abuela* die beste Idee aller Zeiten: Sie wohnt direkt über uns und hat mir ihren Schreibtisch zur Verfügung gestellt. Ich habe also bei meiner Oma meine Lernbude – und meine Ruhe, wann immer ich das möchte, weil Abuela zum Glück oft gemeinsam mit ihren Freundinnen unterwegs ist. Natürlich nützt mir das alles nur etwas, wenn ich nicht wieder so wie heute auf Siri aufpassen muss, weil Mama keine Zeit hat – grrrr!

»Schsch, ist ja gut«, rufe ich abermals Richtung Siri, die immer noch wie aufgezogen vor sich hin plärrt. Wenn sie einmal angefangen hat, hört sie so schnell nicht auf. Siri-Sirene … Kein Wunder, dass sich Abuela weigert, mit Siri auf den Spielplatz zu gehen, wie sie das früher mit meinen großen Brüdern und mir immer gemacht hat. Abuela hat es mehrfach versucht, aber Siri findet schaukeln und rutschen doof und heult sofort los, sobald man sie in den Sandkasten setzt. Sie ist nervig, sie hat aber auch etwas Gutes bewirkt: Seit sie auf der Welt ist, bin ich (die ich bis dahin immer die »Kleine« war) eine große Schwester und habe von Abuela die Zettelkrambox mit Tipps und Ratschlägen erhalten. Natürlich mit der Verpflichtung, sie zu hegen und zu pflegen und zu füllen, weshalb ich für Siri immer wieder meine Überlebenstipps aufschreibe. Denn selbst wenn sie mir millionenfach auf den Zeiger geht: Siri ist meine Schwester und ich hab sie lieb.

Machen wir morgen einen Pony-Spaziergang mit Picknick?, lese ich Miras Nachricht. Vielleicht haben Kiki und Silvija auch Lust.

Okay, tippe ich zurück und stelle die Frage sofort in unserem Gruppenchat. Ich bringe Möhren für Ella, Heino, Rambo und Kaspar mit, füge ich hinzu.

Ella ist die liebenswerteste Pony-Oma, die ich kenne, Kaspar ein klappriger Haflinger, Rambo und Heino sind zwei alte, starrsinnige Esel-Opas. Seit wir die Patenschaften für die Tiere auf dem Gnadenhof von Paul und Herrn Pilz übernommen haben, verbringe ich jede freie Minute dort. Sehr zum Ärger von Mama, die der Meinung ist, ich würde die Schule und meine Hobbys vernachlässigen. Aber erstens habe ich inzwischen meinen Stundenplan im Griff (und nicht er mich) und zweitens ist das mein Hobby. Nur weil ich früher wie eine Bekloppte von morgens bis abends im Ropeskipping-Team Seil gesprungen bin, heißt das ja nicht, dass ich das bis an mein Lebensende tun muss. Das habe ich wegen meiner Hibbeligkeit gemacht – ich konnte keine Minute richtig still sitzen. Aber zum Glück hat sich das gelegt, vielleicht liegt das ja auch am Alter. Immerhin werde ich in neun Monaten zwölf.

»Uäh, rabäääh!« Siri heult immer noch. Sie sitzt wie ein

Es ist völlig normal, wenn du mit elf, zwölf, dreizehn Jahren anfängst, deine eigenen Wege zu gehen und nach anderen Hobbys suchst als die, die deine Eltern für dich ausgesucht haben. Erkläre deinen Eltern, was dich an deinem neuen Hobby fasziniert und warum du glaubst, dass es das richtige für dich ist.

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Buddha auf ihrer Krabbeldecke, den Schnulli hält sie empört in der Hand.

»¡Cállate! Halt doch die Klappe!«, rufe ich genervt, springe kurz auf und stöpsele ihr das Teil in den Mund. Woraufhin sie einen Moment still ist, kurz daran nuckelt, um den Schnulli dann mit einem noch lauteren »Uäh, rabäääh!« wieder auszuspucken.

»Dann halt nicht.« Ich weiß gar nicht, warum Siri einen auf Heulboje macht – ich bin doch diejenige, die heulen müsste! Wegen ihr kann ich nicht zu den Pferden! Ich wende mich wieder meinem Handy zu. Mittlerweile hat sich auch Silvija in unseren Gruppenchat eingeklinkt. Kiki ist offline. Wir schmieden Ausflugspläne und überlegen gemeinsam, was wir alles in den Picknickkorb packen – Kekse, Limo, Knabberzeug. Wer von uns einen Lautsprecher für sein Smartphone hat, damit wir alle Musik hören können. Und eine große Decke, auf der wir alle Platz haben.

Hoffentlich darf ich morgen! Und hoffentlich regnet es morgen nicht, tippe ich, draußen sieht es nach Gewitter aus. In der Tat hat sich der Himmel verdunkelt und dem Wind nach zu urteilen, der über unser Haus zischt und die Rollläden klappern lässt, braut sich da was zusammen. Im April weiß man eben nie. Irgendwo schlägt eine Tür, Siri plärrt immer noch.

Ich kann sie nicht trösten, dafür bin ich einfach viel zu sauer auf sie!

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Ich stöpsele mir die Ohrhörer rein, schließe die Augen und scrolle nach Ed Sheerans Sing. Den Regler stelle ich auf laut. Noch lauter, bis ich Siri nicht mehr höre.

Plötzlich reißt mir jemand am Kabel den Knopf aus dem Ohr.

»Spinnst du?«

Mama steht wutschnaubend vor mir. Sie hat mein Handy genommen und samt InEars auf den Schreibtisch gepfeffert. Dann hebt sie Siri hoch, steckt ihr den Schnuller in den Mund und redet beruhigend auf sie ein. Natürlich ist meine Schwester sofort still, als Mama über ihr erhitztes Gesichtchen streichelt und die Tränen wegküsst, und schmiegt sich an ihre Schulter. Dabei guckt sie mich an, als würde sie mir am liebsten die Zunge rausstrecken, aber für solche Gemeinheiten ist sie noch zu klein. Oder? Plötzlich bin ich mir da nicht mehr so sicher.

»Warum reagierst du nicht, wenn ich dich rufe? Siris Gebrüll hört man bis runter in den Laden«, schnauzt mich Mama an.

Vom Schreibtisch tönt gerade »louder« aus den Kopfhörern.

»Du kannst Siri doch nicht einfach so schreien lassen, man denkt ja, es ist sonst was passiert«, tobt sie weiter. »So geht das nicht! Wie soll ich da in Ruhe arbeiten? Ohne Pepa! Unten sitzt Frau Martens und verlangt nach dieser komplizierten Färbetechnik, du weißt doch, wie sie ist.«

Frau Martens ist im Kopfsalat Stammkundin und braucht immer eine Extra-Behandlung. Von Pepa, die die coolsten Frisuren schneiden kann und knapp hinter Mama die Beste im Salon ist, lässt sie sich nur in Ausnahmefällen frisieren, von Papa schon gar nicht, obwohl er Friseurmeister mit mehrfacher Auszeichnung ist und schon etliche Lehrlinge ausgebildet hat.

»Pah, die alte Kuh!«, winke ich ab. Was Mama nur immer hat, sich wegen der so reinzustressen – man sieht ja, wohin das führt.

»Sag das nicht noch mal!«, ruft Mama wütend. »So redet man nicht über Kunden.«

»Nur weil sie die Schwester vom Bürgermeister ist, machst du dich zum Affen – und ich muss auf die Nervensäge aufpassen«, schleudere ich zurück.

Instinktiv ziehe ich den Kopf ein, ich weiß genau, das war ein Satz zu viel. Mit Mama ist in jüngster Zeit nicht gut Kirschen essen, ständig hat sie schlechte Laune oder meckert an einem herum, und wenn man nicht aufpasst, rastet sie richtig aus.

Prompt bekommt Mama Schnappatmung. Sie ist kurz davor, mir eine zu scheuern, dabei ist es doch Siri, die hier nervt und alles durcheinanderbringt. Würde sie wie alle anderen Kinder in die Krippe gehen, wäre alles besser. Aber nein, die kleine Prinzessin braucht eine Exklusiv-Betreuung durch ihre Mama. Nur bei ihr ist sie still, nur bei ihr isst sie brav ihre Vollkornschnittchen.

Draußen auf der Straße fällt mit lautem Getöse irgendetwas um, hört sich nach einer Mülltonne an, die der Wind umgefegt hat. Sofort fängt Siri wieder an zu plärren, doch diesmal wird sie ausnahmsweise von Mama ignoriert.

»Wem ich die Haare schneide oder nicht, ist ja wohl meine persönliche Sache«, fährt sie mich an und Siri schreit daraufhin noch lauter. »Meinst du etwa, mir macht das Spaß, die Extra-Wünsche dieser Nörgelziege zu erfüllen? Wenn ich hier nicht arbeiten würde, könnten wir den Laden dichtmachen und dann könntest du zusehen, wer deine Sachen bezahlt! Aber ich habe nun mal keine andere Wahl, der Kopfsalat ist unser Leben und dein Vater führt ihn in der dritten Generation, da haben wir eine Verpflichtung. Und während ich mir von morgens bis abends den Rücken krumm schaffe, hängst du bei deinen Viechern rum oder liegst auf deinem Bett und chillst, anstatt die Spülmaschine auszuräumen oder mal Staub zu saugen …« Mama guckt mich wütend an, Siri hat unterdessen ihr Gebrüll noch mal gesteigert, sofern das überhaupt möglich ist. Ed Sheeran aus den Lautsprechern singt »louder«!

»Boah, das ist so was von ungerecht!« Längst bin ich aufgesprungen und funkele meine Mutter wütend an. »Ich räume die Spülmaschine ständig ein und aus! Und Paco? Seit der eine Freundin hat, macht der gar nichts mehr!« Echt, immer dasselbe Gemecker, von wegen ich helfe zu wenig im Haushalt, ich kann es nicht mehr hören! Und mein liebes Brüderlein tut gar nichts. Paco ist zwei Jahre älter als ich und ein Macho durch und durch, genauso wie Manuel, der aber längst zum Studieren ausgezogen ist. Dass die Jungs so faul sind, liegt an Abuela, die die beiden von vorne bis hinten verwöhnt hat. Okay, ich gebe zu: mich auch. Früher zumindest. Aber weil ich ein Mädchen bin, heißt es jetzt immer öfter, im Haushalt mithelfen. Typisch! Weshalb ich mich sehr wohl um so Dinge wie das schmutzige Geschirr kümmere und auch selbst Nudeln kochen kann.

»Mehr als arbeiten kann ich auch nicht«, ruft meine Mutter und versucht verzweifelt, die heulende Siri zu beruhigen.

»Bla, bli, blö …« Ich halte mir die Ohren zu, Siris Gebrüll ist echt nicht mehr zu ertragen.

»Wirklich, Feli, ich bin sehr von dir enttäuscht! In deinem Alter könntest du ruhig mehr Verantwortung zeigen, du siehst doch, dass hier Not am Mann ist«, ruft Mama und zieht mir die eine Hand vom Ohr. »Du hörst mir gefälligst zu, wenn ich mit dir rede.«

»Pah, von wegen Verantwortung! Ich kümmere mich ständig um Siri!« Ungeduldig reiße ich mich von ihr los, weil ich spüre, wie mir vor Wut die Tränen hochsteigen. Immer ich! Und was ist mit Paco? Mama ist so was von fies und gemein und ungerecht.

Damit eine Familie funktioniert, sollte jeder seinen Teil zum Haushalt beitragen. In manchen Familien geht das ohne große Absprachen, weil jeder selbstverständlich seine Teller in die Spülmaschine räumt, sein Zimmer saugt oder die Einkäufe hochträgt. Andere Familien brauchen Listen und Arbeitspläne, damit die anfallenden Aufgaben klar und gerecht verteilt sind. Egal wie ihr zu Hause organisiert seid, die Hauptsache ist, es klappt und ihr streitet euch nicht wegen solch banalem Alltagskram, der nun mal zum Leben dazugehört. Dann haben alle mehr Zeit und Energie für Hobbys, Musik hören, chillen …

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Ohne weiter darüber nachzudenken, flitze ich die Treppe runter. Ich muss hier raus! Mamas Meckergewitter hallt mir bis in den Laden unten nach, wo die strenge Frau Martens unter der Trockenhaube sitzt und zum Glück nichts von unserem Streit mitbekommen hat.

Draußen auf der Straße atme ich erst mal tief durch. Mama ist eine ober-mega-extra-blöde Doofkuh! Nur weil ich einmal in Ruhe (haha!) Musik hören wollte. Der Wind pustet mir durchs Haar, wirbelt Plastiktüten umher. Der Himmel ist tief verhangen, es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Gewitter loskracht. Ungewöhnlich für diese Jahreszeit, normalerweise wechseln sich im April nur Sonne und Regen ab.

Ich bin immer noch auf hundertachtzig, wütend stapfe ich durch die Straßen stadtauswärts Richtung Park. Als ich den Kiesweg betrete, zuckt der erste Blitz über die Bäume, ein paar Minuten später folgt ein gewaltiger Donner. Immer nur Siri, Siri, Siri, grummele ich wütend! Mama hat überhaupt keine Zeit mehr für mich. Manchmal denke ich, sie hat mich überhaupt nicht mehr lieb und komplett vergessen. Der letzte Mama-Feli-Moment ist eine halbe Ewigkeit her, das war an meinem Geburtstag Ende Januar, als wir einen Nachmittag gemeinsam im Wellness-Schwimmbad und danach Pizza essen waren. Und jetzt? Wenn man nicht aufpasst, tickt Mama bei der kleinsten Kleinigkeit aus, egal ob ich fünf Minuten später als verabredet nach Hause komme oder weil ich die liebe, kleine Siri nicht wie gewohnt verhätschele. Wütend kicke ich gegen einen Stein, der daraufhin mit einem lauten Klong! an einen Papierkorb fliegt. Dann hocke ich mich auf die Bank daneben und grübele nach.

Das impulsive Wesen, meinen Jähzorn, habe ich von Papa geerbt. Mit ihm geht sein spanisches Temperament auch dann und wann durch, in letzter Zeit höre ich ihn immer öfter mit Mama streiten.

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Meistens geht es dabei um Siri und ihre permanenten Kreischattacken, aber auch um den Kopfsalat und die ausbleibende Kundschaft, was Papa Sorgen macht. Seit unser Konkurrenzfriseur Hairstyle im Shoppingcenter eine neue Filiale aufgemacht hat, stehen meine Eltern unter gewaltigem Erfolgsdruck. Bisher galt unser Salon mit Herz als Geheimtipp in Sachen Friseurkunst, doch offensichtlich reichen ein perfekter Haarschnitt und freundliche Bedienung nicht mehr aus. Im Hairstyle gibt es Sonderbehandlungen und Espresso – bei uns dagegen Gespräche und einen Tee aus Pepas Samowar.

Abermals zuckt ein Blitz über den Himmel, abermals gibt es einen gewaltigen Donner hinterher. Das Gewitter hängt mittlerweile direkt über dem Park. Ich hocke mich auf eine Bank, habe meinen Kopf in die Hände gestützt und bin sauer. Stinksauer auf Mama, die sich seit Siris Geburt total verändert hat. Sauer auf Papa, der ständig auf Vortragsreise ist und sich deshalb weder um meine Babyschwester noch um den Laden kümmern kann. Sauer auf Abuela, die nur an ihr eigenes Vergnügen denkt, auf Paco, der nur noch seine Greta im Kopf hat, und auf Pepa, weil sie in letzter Zeit entweder krank oder auf irgendwelchen Dates ist.

»Hey, was machst denn du hier, du wirst ja ganz nass«, reißt mich eine Stimme aus meinen Grübeleien.

Erschrocken blicke ich auf. Direkt in das freundlich runzlige Gesicht eines Mannes, der ziemlich runtergekommen aussieht.

»Komm, wenn wir uns beeilen, schaffen wir es noch bis unter die Brücke.« Er sieht mich erwartungsvoll an, bis ich mich aufrappele, dann laufen wir gemeinsam den Kiesweg entlang, während Blitze über den tiefdunklen Himmel zucken. Immer wieder grollt und rumpelt es unheimlich über uns. Ohne weiter darüber nachzudenken, folge ich ihm, dicke Regentropfen peitschen bereits herunter.

»So, hier sind wir in Sicherheit«, sagt der Mann, als wir kurz darauf unter dem geschützten Gewölbe stehen. Keine Minute zu früh, der Regen prasselt jetzt extrastark los. Mama wird sich Sorgen machen, ist mein erster Gedanke, als abermals ein greller Blitz direkt über uns gleißend hell durch die Bäume zuckt, ein ohrenbetäubend lauter Donner hinterher.

Egal, das hat sie nun davon. Wahrscheinlich hat sie schon mehrfach versucht, mir eine Nachricht zu schicken. Aber ich habe mein Handy zusammen mit der Jacke zu Hause gelassen.

»Ist dir kalt?«, fragt mich der Mann und kramt in einer Plastiktüte herum, die neben der Matratze auf dem Boden liegt. Er selbst trägt nur ein dünnes Shirt und sieht auch nicht aus, als ob ihm warm wäre.

Unsicher blicke ich ihn an. Geh nie mit einem Fremden mit, spukt es mir durch den Kopf.