Die G7 –

das sind Kröte, Jonas, Würmchen, Xiaoli, Lukas, Maike und ihr Hund Sir Gustav Lancelot, die dem Verbrechen den Kampf angesagt haben.

Der Name „Göttinger Sieben“ geht auf sieben Göttinger Professoren zurück, die im 19. Jahrhundert Mut und Zivilcourage gegenüber dem König von Hannover zeigten so wie heute die G7 gegenüber den Gangstern.

Die Göttinger Sieben - ihr Name ist Programm.

Ach ja, was man noch wissen sollte…

Die Geschichte spielt natürlich in Göttingen. Die Stadt liegt in der Mitte Deutschlands; genauer in Südniedersachsen an der Grenze zu Hessen und Thüringen.

Sie hat ca. 125 000 Einwohner, gehört zu den schönsten Städten Deutschlands… und hat natürlich die besten Detektive der Welt.

Inhaltsverzeichnis

Erster Schultag nach den Ferien

»So langsam könnte es mal wieder ein Geheimnis aufzuklären geben«, sagte Kröte und kratzte sich am Arm. Der Gips, den er wochenlang um seinen gebrochenen Arm getragen hatte, war erst am Tag zuvor entfernt worden. Nun juckte es ihm unter dem Verband, als sei er von einer Horde wildgewordener Stechmücken attackiert worden. Kröte stand mit seinen Freunden Jonas und Würmchen an den Fahrradständern vor der Schule und suchte seinen Schlüssel. »Die Ferien sind leider zu Ende und ich befürchte, die Zeit bis zu den Herbstferien wird ätzend lang.«

»Na, ich bin mal ganz froh, wenn es ein bisschen ruhiger ist«, murrte Würmchen. Er dachte mit Grauen an die letzten Abenteuer der Gefährten und gab seinem Freund gleich einen typischen Würmchenratschlag mit auf den Weg: »Vielleicht solltest du dich jetzt mal lieber auf die Schule und deine Nachhilfe konzentrieren.«

Kröte sah ihn missmutig an. »Du redest schon wie meine Mutter. Heute war der erste Schultag.«

»Würmchen hat nicht ganz unrecht«, meinte Jonas. »Ich erinnere mich an deine Magenschmerzen, die du vor der Rückgabe der letzten Klassenarbeit hattest. Beinahe wärst du sitzen geblieben.«

»Das war eben eine glatte Punktlandung«, sagte Kröte feixend. »Jetzt starten wieder Alle bei Null.«

Jonas sah ihn ernst an. »Deine Nachhilfe hast du jedenfalls erfolgreich geschwänzt.«

»Die letzten Fälle waren eben wichtiger. Oder hättet ihr sie auch ohne mich gelöst?«

Jonas schüttelte den Kopf.

Sofort setzte Kröte nach, bevor sich eine Diskussion über seine schlechten Noten entwickeln konnte: »Wir müssen auf alle Fälle in Übung bleiben, auch wenn nichts passiert, was aufzuklären ist.«

»Gangster schlafen nie. Es gibt immer was zu tun«, meinte Jonas sehr zum Unbehagen von Würmchen.

»Letzte Woche haben wir ja schon damit angefangen. Habt ihr beim Beschatten der Leute Schwierigkeiten gehabt?«, fragte Kröte.

»Nö«, erwiderten Jonas und Würmchen, als Maike und Xiaoli auf ihren Fahrrädern zu den drei Freunden stießen.

»Wir sprechen gerade über unsere Observationsübung in der letzten Woche«, erklärte Jonas kurz. »Ist euch was aufgefallen?«

»Ich habe unsere Nachbarin vier Stunden lang beschattet. Sie ist in ihre Bäckerei gegangen und hat die ganze Zeit hinter dem Tresen bedient«, sagte Xiaoli. »Sie hat mich zum Glück nicht bemerkt.«

»Bei uns war es auch voll langweilig«, sagte Maike, die gemeinsam mit Jonas einen ihrer Lehrer heimlich verfolgt hatte, um das Beschatten zu üben.

»Und bei dir, Würmchen?«, fragte Jonas spitz. »Hattest du wenigstens Spaß?«

Würmchen schüttelte traurig den Kopf. Er hatte sich an den letzten zwei Nachmittagen auf einer Bank vor dem Haus seiner Mitschülerin Lara aus der Parallelklasse aufgehalten. Er fand sie immer noch süß, obwohl sie ihn seit der Woche vor den Osterferien ignorierte. Die Mungojerries hatten seinen an Lara gerichteten Liebesbrief kopiert und an die Türen und Wände in der Schule geklebt. Peinlichkeitsstufe 100! Die Oberstufenschüler, die ihn sonst nie beachteten, hatten mit den Fingern auf ihn gezeigt und selbst seine Lehrerin Frau Krüger hatte den Brief angesprochen.

Lara war zwar das komplette Gegenteil von ihm, aber das machte sie gerade so interessant. Während sich Würmchen auch in den Pausen noch für den Unterrichtsstoff interessierte, stand sie cool in der Raucherecke an die Wand gelehnt und quatschte mit älteren Schülern aus der Oberstufe. Er hatte allerdings bemerkt, dass sie sich in den letzten Wochen vor den Ferien stark verändert hatte. Aus dem zunächst eher schüchternen Mädchen war eine aufmüpfige Zicke geworden, die sich nicht mehr alles bieten ließ. Ihre Kleidung war nach und nach immer flippiger geworden. In letzter Zeit trug sie auch vermehrt teure Markenklamotten.

Die Jungen aus der zehnten Klasse, die sie in den letzten Wochen oft geärgert hatten, hatten von einem Tag auf den anderen von ihr abgelassen und sich andere Opfer gesucht. Doch trug sie plötzlich nicht nur angesagte Klamotten, sie schminkte sich auch und hing nach dem Unterricht mit Oberstufenschülern herum. Offensichtlich wurde sie nun von den älteren Schülern akzeptiert, während Würmchen und die anderen in seiner Klasse von ihnen nie beachtet oder als Knirpse und Zwerge beschimpft wurden.

In einer der großen Pausen hatte er beobachtet, wie sie ihren Freundinnen heimlich einen Ring gezeigt hatte. Dabei hatte sie sich verstohlen umgeblickt, so als ob sie sich versichern wollte, dass niemand sie dabei sah. Ihre beiden Freundinnen hatten den Ring bewundert, ihr anerkennend auf den Rücken geklopft und waren dann schnell weiter gegangen. Dass dieser Ring nicht aus einem Kaugummiautomaten kam, war klar.

Laras Vater schien sehr streng zu sein. So erzählten sich die anderen Schüler aus der Parallelklasse, dass Lara nicht mit auf Klassenfahrt durfte. Das fand Würmchen zwar extrem traurig, er spekulierte aber darauf, dass Lara in dieser Woche in seine Klasse kommen würde und er sie bei dieser Gelegenheit mal richtig kennenlernen könnte. In seiner Vorstellung hoffte er, dass sie einen Platz in seiner Nähe haben würde, auch wenn er sich das nie getraut hätte zuzugeben. Er träumte davon, dass er ihr bei einer Klassenarbeit würde helfen können. Vielleicht wäre es ihm auch möglich, ihr bereits bei der Vorbereitung wichtige Tipps geben zu können.

Weshalb sie nicht mit auf Klassenfahrt durfte, wusste niemand. Am fehlenden Geld konnte es nicht liegen, schließlich war ihr Vater ein erfolgreicher Teppichhändler. Er hatte offensichtlich mit seinem großen Geschäft in der Innenstadt, in dem er teure Perserteppiche verkaufte, viel Geld gemacht. Auch schien er viel zu arbeiten, denn Würmchen war nicht verborgen geblieben, dass er oft erst spät abends nach Hause kam. Außerdem zeugten die teuren Markenklamotten davon, dass ihre Eltern nicht ganz arm sein konnten. Lara wohnte mit ihren Eltern in einer alten Villa im Ostviertel und ihr Vater fuhr einen teuren Wagen. Ihre Mutter hatte auch ein Auto und arbeitete im Supermarkt.

Eins fand Würmchen jedoch merkwürdig: ihm war aufgefallen, dass sie ihre angesagten Klamotten wohl nur in der Schule trug. Schon im letzten Schuljahr hatte er zufällig bemerkt, dass sie vor dem Unterricht mit ordentlichem Zopf und Pullover die Mädchentoilette betreten und diese kurze Zeit später mit zerrissenen Jeans und offenen Haaren wieder verlassen hatte.

»Zumindest weiß ich jetzt, dass sie einen Freund hat«, erzählte Würmchen mit leicht rotem Kopf den anderen Göttinger Sieben etwas zerknirscht.

»Wieso?«, fragte Maike und sah Würmchen mitleidig an.

Würmchens Gefühle für Lara hatten einen gehörigen Dämpfer erhalten, als er in der Woche zuvor mit ansehen musste, dass sie hundert Meter von ihrem Wohnhaus entfernt vom Rücksitz eines Mofas gestiegen war. Er hatte sie erst gar nicht erkannt, weil sie einen Helm getragen hatte. Kaum hatte sie ihn abgenommen, zog sie aus ihrer Tasche einen kleinen Handspiegel hervor und ordnete ihre wüsten Haare mit einer Bürste. Dann strich sie sich die Kleidung glatt und sah wieder so lieb und niedlich aus, wie er sie in der Zeit vor dem Unterricht kannte. Langsam war sie zur Haustür gegangen und hatte sich dort noch einmal umgedreht, ohne Würmchen auf der Bank zu beachten. Sie hatte dem Fahrer noch kurz zugewinkt, bevor dieser mit ihrem Helm am Lenker und quietschenden Reifen davonfuhr.

Würmchen war viel zu enttäuscht, verwirrt und erschüttert gewesen, als dass er sich das Kennzeichen des Mofas hätte merken können. Lara hatte sich umgeblickt, ein flaches Handy aus der Tasche gezogen und es unter einem Blumentopf versteckt. Dann hatte sie die Tür aufgeschlossen und war im Haus verschwunden.

»Na, weil ich sie gesehen habe, wie sie von einem Motorroller gestiegen ist.«

»Und das ist so schlimm?«, fragte Xiaoli. »Du zitterst ja wie ein Kaninchen vor der Schlange.«

Würmchen machte ein gequältes Gesicht und zuckte mit den Schultern.

»Ist sie etwa gefahren oder saß noch jemand anderes auf dem Roller?«, fragte Xiaoli.

»Ja.«

»Ja was?«

Würmchen zuckte enttäuscht die Schultern. »Es saß noch jemand drauf.«

»War es ein Junge?«

»Bestimmt.«

»Mensch Würmchen, lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen! Kennen wir ihn?«, fragte Jonas bestürzt.

»Er hatte einen Helm auf. Ich habe ihn nicht erkannt.«

»Vielleicht war es ihr Cousin«, schlug Jonas vor.

Würmchen schüttelte den Kopf. »Ihr hättet sie mal sehen sollen. Ihre Augen strahlten richtig, als sie sich zum Abschied zu ihm umgedreht hat.«

Auch wenn Würmchen oft aus Laras Verhalten nicht so recht schlau wurde, aber dieses Verhalten von ihr konnte er zuordnen. Ein unangenehmes Gefühl erfasste seinen Magen.

»Ach, Würmchen«, sagte Jonas und legte seinen Arm auf Würmchens Schulter. »Ihr hättet eh nicht gut zusammen gepasst. Sie ist eher ’ne coole Braut und du bist eben…«

»Was bin ich?« Würmchen sah ihn grimmig an.

»Na ja, also, du bist… äh…«

»Ja?«

»Was Jonas sagen will, ist, dass du eher ein netter Kerl bist, aber eben kein cooler Typ«, sprang Maike Jonas zur Seite.

»Mädchen stehen aber auf coole Typen und nicht auf nette Kerle«, sagte Würmchen deprimiert. Er versuchte die Tränen zurückzuhalten, die ihm in die Augen schossen.

»Also das kann man so pauschal nicht sagen«, tröstete ihn Xiaoli.

»Maike ist ja auch mit Jonas zusammen.«

»Soll das heißen, dass ich nicht cool bin?«, entrüstete sich Jonas und zeigte damit, dass er zumindest nicht durchweg cool war.

»Doch, aber äh, ja, du bist eher, also eher, äh… lässig«, sagte Xiaoli und versuchte damit die Situation zu retten.

»Also ein Mädchen, das mit rauchenden Oberstufenschülern rumhängt…«, begann Maike…

»… ist doch kein Umgang für mich«, vollendete Würmchen den Satz, der von seiner Mutter hätte stammen können.

»Nein. Ihr habt eben andere Interessen«, sagte Maike.

»Wo die Liebe hinfällt«, bemerkte Kröte altklug. »Zumindest ist Würmchen nicht mehr in die olle Krüger verknallt.«

Würmchen wurde noch röter. Trotz des immensen Altersunterschiedes fand er - im Gegensatz zu seinen Freunden - seine Kunstlehrerin sehr nett und war vor einigen Monaten ganz kurz in sie verschossen gewesen. Das war allerdings schon ziemlich lange her und zugegeben hätte er es sowieso nicht.

»Also vergiss Lara«, sagte Jonas. »In unseren Parallelklassen gibt es noch andere richtig süße Mädels. Zum Beispiel…«

Er sah noch, wie ihm Maike einen bösen Blick zuwarf. Sie fand es gar nicht schön, wenn er von anderen Mädchen schwärmte. »Dann kannst du ja gleich mit Würmchen in eine Parallelklasse wechseln«, unterbrach sie ihn, hob kurz zum Abschied die Hand und fuhr davon.

»Was sie schon wieder hat?«, fragte Jonas und schüttelte den Kopf. Er sah die anderen an. »Das war doch gar nicht so gemeint.«

»Du kennst doch Maike«, sagte Kröte. »Morgen ist das wieder vergessen.«

Maike war nicht verborgen geblieben, dass sich Jonas trotz ihrer jungen Beziehung auch schon mal nach anderen Mädchen umschaute. Wobei er dies oft nur tat, um sie ein bisschen eifersüchtig zu machen, was ihm zu ihrem Ärger auch meistens gelang.

»Also ich fahre ihr mal hinterher«, sagte Xiaoli. »Treffen wir uns später im Space Café?«

»Nee, ich habe um 15 Uhr Training«, sagte Jonas.

Sie sah die anderen an. »Und ihr?«

»Muss zum Arzt wegen meines Arms«, sagte Kröte und zeigte auf seinen Verband. »Brauche irgendwas Schriftliches für meine Mutter, damit sie mich nicht zur Nachhilfe schickt.«

Xiaoli sah Würmchen an: »Also wenn du Liebeskummertrost brauchst…«

Würmchen schüttelte traurig den Kopf. »Ach Quatsch. Ich bin schon drüber weg.«

»Du klingst so ehrlich und überzeugend wie ein Autoverkäufer…« Xiaoli atmete kurz ein. Dann schwang sie sich aufs Rad. »Du musst es wissen. Also bis morgen.«

»Ciao. Bis morgen.«

»Ciao.«

Eine besorgniserregende Nachricht

»Und konntest du deiner großen Liebe bisher aus dem Weg gehen?«, fragte Jonas, als Würmchen die Schule betrat. Oft standen die Schüler der Parallelklasse morgens vor ihrem verschlossenen Klassenraum, bevor der Lehrer kam und die Tür aufschloss.

»Bisher ja.« Würmchen nickte. »Und wie war’s beim Training gestern?«

»Habe zwei Buden gemacht«, sagte Jonas stolz und breit grinsend. »Ein Tor mit links, das andere als Volleyschuss mit rechts, oben in den Winkel. Dafür haben wir wieder jemanden in der Klasse, den ich gar nicht vermisst habe.« Er deutete auf Fabian, der seit den Osterferien wegen einer unschönen Attacke aus der Klasse genommen worden war. »Nun ist er also wieder da. So wird es zumindest nicht langweilig.«

»Hoffentlich lässt der uns in Ruhe«, sagte Würmchen erschrocken und war froh, dass er sich auf einen Stuhl im Klassenraum setzen konnte. Den Platz hatte er nach dem Schock auch bitter nötig, nicht ahnend, dass es nicht der letzte Schreck an diesem Morgen bleiben würde. »Moin Würmchen, heute war dein verhinderter Schwiegervater in der Schule«, wusste Kröte zu berichten und bat Würmchen gleich darauf, ihm die Hausaufgaben zum Abschreiben zu überreichen. Dann nahm er auf dem Stuhl Platz.

»Was für ein Schwiegervater?«, fragte Würmchen verdutzt und schob ihm das Heft herüber.

»Laras Vater war eben beim Rektor.«

»Was macht er denn da?«, fragte Xiaoli gähnend, die gemeinsam mit den anderen auf Maike wartete. »Und das am frühen Morgen.«

»Vermutlich weil er Lara verboten hat, mit ins Landschulheim zu fahren«, nahm Würmchen an.

»Voll krass, dass sie nicht mit darf«, meinte Jonas verständnislos. Er kaute hektisch auf seinem Kaugummi. »Aber Hockeyspielen, das darf sie.«

»Da sind ja auch nur Mädchen in der Mannschaft«, erklärte Kröte.