TOBIAS SCHRADER

DIE

GÖTTINER SIEBEN

ALTE EICHE

BAND X

WIE ALLES BEGANN

Books on Demand

Liebe Leser,

in diesem Band erfahrt ihr, wie alles anfing und weshalb die Göttinger Sieben zunächst nur zu viert waren. Alles begann an einem gewöhnlichen Montag im Mai …aber lest selbst.

Ach ja, was man noch wissen sollte…

Die Geschichte spielt natürlich in Göttingen. Die Stadt liegt in der Mitte Deutschlands; genauer in Südniedersachsen an der Grenze zu Hessen und Thüringen.

Sie hat ca. 125 000 Einwohner, gehört zu den schönsten Städten Deutschlands… und hat natürlich die besten Detektive der Welt.

Inhaltsverzeichnis

Ein geheimnisvoller Brief

Es war ein gewöhnlicher Montagnachmittag, als Kröte aus der Schule nach Hause kam. Der Unterricht war wie immer der pure Stress gewesen, denn er musste höllisch aufpassen, dass ihm bei den langweiligen und endlosen Monologen der Lehrer nicht die Augen zufielen. Er fragte sich jedes Mal, weshalb er sich den ganzen Kram überhaupt noch anhörte, den ihm die Tafelkasper Tag für Tag aufs Neue erzählten. Für ihn stand sowieso fest, dass er nach der Schulzeit zur Kripo gehen würde. Anstatt regelmäßig Hausaufgaben zu machen, las oder hörte er zur Vorbereitung Krimis oder sah sie sich im Internet und Fernsehen an. Schon in Gedanken an die bald beginnenden Ferien leerte er den Briefkasten und ging in die Küche, um ein Stück seiner heiß geliebten Erdbeertorte zu essen. Diese hatte seine Mutter gebacken, um die Scheidung von ihrem Mann zu feiern. Dazu hatte sie für den nächsten Tag ihre Freundinnen aus der Selbsthilfegruppe für emanzipierte Frauen eingeladen. Kröte fand das ziemlich daneben und hielt die Trennung überhaupt nicht für einen feierwürdigen Grund, schließlich musste sein Vater danach das Haus im Ostviertel verlassen. Dennoch war die cremige Torte nach seinem Geschmack. Flüchtig guckte er die Post durch, als ihm plötzlich sein Name auf einem Brief ins Auge fiel. In Druckbuchstaben stand dort geschrieben: >An Erwin Sapowski<. Er bekam selten Post, meist waren es Emails oder SMS. Neugierig drehte er den Brief um. Es stand kein Absender auf dem Umschlag, also öffnete Kröte ihn schnell. Dann faltete er das Papier auseinander und las:

Hey Ede,

hab großes Ding vor.

Treffen: Alte Eiche, Mittwoch (24.05.)

um 2:30 Uhr nachts.

Ich zähl auf dich! Bis dann

W.

Kröte las den Text mehrmals hintereinander. Er nahm den Umschlag in die Hand und untersuchte ihn genauer. Auf dem Umschlag klebte keine Briefmarke.

Sollte das eine witzige Geburtstagseinladung sein? Aber wer feierte seinen Geburtstag mitten in der Nacht? Und noch eine Frage konnte er sich nicht beantworten: Wer war W.? Er ging im Kopf alle seine Freunde, Verwandten und Bekannten durch, doch er kam zu keinem logischen Ergebnis. Der Brief konnte auch nicht an ihn gerichtet sein. Seine Freunde nannten Erwin nicht Ede, sondern wegen seines Nachnamens Kröte, da das spanische Wort >sapo< auf Deutsch >Kröte< bedeutet. Aber wie eine Kröte sah er mit seinen dunklen, abstehenden Haaren trotz des runden Bauches nicht aus. Seinen eher altmodischen Namen hatte ihm seine Mutter nach dem uruguayischen Opernsänger Erwin Schrott gegeben. Sie war ein glühender Opern- und Operettenfan und trällerte oftmals fröhlich im Haus herum. Im Ostviertel hatten sich die Nachbarn längst noch nicht an den Krach gewöhnt, denn Krötes Mutter traf nur höchst selten den richtigen Ton. Dafür sang sie zum Ausgleich um so lauter. Kröte war allerdings nicht besonders traurig darüber, dass sich sein Vater bereits bei der Namensgebung nicht gegenüber seiner Mutter hatte durchsetzen können. Sonst hätte er Ottokar oder Fridolin geheißen. Da war Erwin doch tausendmal besser.

Krötes Blick fiel wieder auf den Brief. Die Handschrift kannte er nicht. Interessanter war auch eher der Inhalt: Was war mit >großes Ding< gemeint? Nach Krötes Kenntnissen aus den Krimis, die er oft heimlich nachts guckte, wenn seine Mutter schon schlief, konnte es sich um einen Einbruch handeln, den Gangster planten. Kröte spürte ein Kribbeln im Nacken. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass etwas Außergewöhnliches in der Luft lag. Dieses Gefühl hatte er zuletzt vor einem unangekündigten Vokabeltest gespürt. Genau wie damals, als sein früherer bester Freund Fabian heimlich Geld aus dem Portemonnaie seines Vaters genommen hatte, um Zigaretten und Süßigkeiten zu kaufen. Fabians Vater hatte sie später in der Garage erwischt. Dabei hatte Fabian alle Schuld auf Kröte geschoben.

Damit sein Gehirn einwandfrei funktionierte, aß Kröte vorsichtshalber ein weiteres Stück Torte; schließlich wollte er ja nicht Opfer einer Unterzuckerung werden. >Meine Mutter wird dafür schon Verständnis haben<, dachte er. Apropos Mutter: Sollte er ihr von diesem geheimnisvollen Brief erzählen? Sie würde diese mysteriöse Angelegenheit ganz sicher als gefährlich erachten und ihm verbieten, an der Aufklärung des Geheimnisses zu arbeiten. Sein Vater vermutlich ebenso, auch wenn Kröte ihn seit der Scheidung höchstens mal am Wochenende sah. Ein Verbot durfte er einfach nicht riskieren, denn endlich konnte er sich nach dem Unterricht mit etwas wirklich Interessantem beschäftigen.

Der 24. Mai war schon übermorgen, also in zwei Tagen; genau genommen war das Treffen in nicht einmal mehr 36 Stunden! Sollte er zur Polizei gehen? Doch was könnte er dort erzählen? Die Polizisten würden einem etwas übergewichtigen, fast zwölfjährigen Jungen wie ihm vermutlich nicht glauben. Sie würden wahrscheinlich vermuten, dass er nur mehr Aufmerksamkeit bräuchte und seinen Eltern nahe legen, mit ihm eine Psychotherapie für aufmerksamkeitsgestörte Schüler zu machen. Nee, danke!

Neben seinem Namen und seiner Adresse war das Einzige, was ihm bekannt vorkam, die Alte Eiche. So hieß ein über 700 Jahre alter Baum auf den Schillerwiesen, dem Göttinger Stadtpark, an dem sich junge Liebespaare trafen.

Kröte entschied sich, bei seinem Freund Jonas anzurufen und ihn um Rat zu fragen. Er hoffte, dass Jonas nicht wieder bei einer seiner diversen sportlichen Aktivitäten sein Handy lautlos gestellt hatte. Jonas Specht bestand im Gegensatz zu Kröte fast nur aus Sehnen und Knochen und machte sich mehr aus süßen Mädchen als aus süßem Schnökerkram.

»Pass auf, ich muss unbedingt mit dir reden«, flüsterte Kröte ins Telefon. »Sofort. Und zwar bei mir.«

»Ich habe jetzt keine Zeit«, antwortete Jonas genervt. Er befürchtete, dass er Kröte schon wieder beim Aufräumen helfen sollte. Etwas, was er gar nicht mochte. Er war noch nicht einmal in der Lage in seinem eigenen Zimmer für Ordnung zu sorgen, was regelmäßig unangenehme Diskussionen mit seiner Mutter zur Folge hatte. Vor zwei Wochen hatte er Kröte das letzte Mal geholfen und war dafür sogar in einen Fliederbaum im Garten geklettert. Nachdem Krötes resolute Mutter ihren geschiedenen Mann mal wieder vor die Tür gesetzt hatte, schmiss sie ihm in einem Wutanfall seine restlichen Klamotten aus dem Fenster des zweiten Stocks hinterher. Dabei verfing sich eine Unterhose im Baum vor dem Haus. Die weiße Feinripphose mit den kleinen braunen Querstreifen bildete einen schönen Kontrast zu den lilafarbenen Blüten des Baumes. Eifriges Schütteln des Baumstamms und der Äste half nichts. Und so hing und wehte der Slip dort zur Freude der Nachbarn wie eine Flagge hin und her. Kröte war das peinlich. Nachdem das Textil zwei Wochen Wind und Wetter ausgesetzt war und immer mehr Passanten das gestreifte Schmuckstück fotografierten, befürchtete er, dass bald die Zeitung darauf aufmerksam werden würde. Deshalb bat er den sportlichen Jonas um Hilfe. Geschickt erklomm Jonas auf den schmalen Ästen die Krone des Baumes und holte das Höschen wie eine Trophäe wieder herunter. Dabei war er über und über mit helllila Pollen bedeckt und roch wie frisch mit Weichspüler gewaschene Wäsche. Jetzt hatte Jonas Befürchtungen, dass ihm etwas Ähnliches bevorstand.

»Es handelt sich um ein mysteriöses Geheimnis«, erklärte Kröte.

»Aber wenn es dich nicht interessiert, bleib ruhig zu Hause.«

Mehr brauchte er nicht zu sagen.

»Komische Sache«, meinte Jonas, nachdem ihm Kröte die Geschichte erzählt hatte. Sie saßen auf Krötes Bett. Der Brief lag zwischen ihnen. »Das ist wirklich mysteriös. Was zum Kuckuck ist mit einem großen Ding gemeint, das dieser >W.< vorhat?«

Kröte überlegte. »Das könnte alles Mögliche sein.«

»Vielleicht hat >W.< im Lotto gewonnen und das große Ding ist eine Firma, die er aufkaufen möchte.«

»Das könnte er ihm auch am Nachmittag erzählen. Dafür braucht er nicht nachts um 2:30 Uhr zur Alten Eiche zu gehen.«

»Das große Ding könnte ein Terroranschlag sein.« Kröte machte große Augen und runzelte die Stirn. »Ich denke da an eine gewaltige Explosion in der Universitätsbibliothek, bei der die Glaskonstruktion splittert und die Fenster bersten.«

»So etwas passiert doch nicht in Göttingen!«

»Es könnte eine bevorstehende Entführung sein, >W.< könnte das Trinkwasser vergiften wollen, er könnte einen bekannten Sportler für einen Sportverein verpflichten wollen, er könnte die Leine von ihrer Quelle bis zur Nordsee mit dem Tretboot befahren wollen, er könnte einen Geldautomaten…«

»Das reicht!«, unterbrach ihn Kröte. »Ich denke jedenfalls, dass >W.< und >Ede< zwei Kriminelle sind.«

»Das vermute ich auch.« Jonas stockte der Atem. Ihm kam ein Gedanke.

»Mensch Kröte, dass ich darauf nicht gleich gekommen bin«, schrie er. Jonas fasste sich an den Kopf. »Wenn der Briefträger den Brief nicht gebracht haben kann, dann muss ihn W. oder ein Bote gebracht haben.«

»Und?«, entgegnete Kröte.

»Wenn >W.< ihn hier persönlich hergebracht hat, ist er bestimmt nicht durch die Gartentür gekommen. Wenn er sich in der Nacht verabreden will, hat er sicherlich Angst am Tag gesehen zu werden.«

»Meinst du, er ist auf der Flucht vor der Polizei?«, entfuhr es Kröte.

»Kann sein! Es könnten Fußabdrücke bei euch im Garten zu sehen sein«, sagte er, während er sich vom Bett erhob. »Wir müssen Spuren sichern.«

»Lass uns alles aufsammeln, was >W.< oder der Bote verloren haben könnte«, sagte Jonas, als sie auf dem Rasen im Vorgarten des kleinen Hauses im Göttinger Ostviertel standen.

Und so half Jonas seinem Freund wieder einmal beim Aufräumen, diesmal jedoch auf seinen eigenen Vorschlag hin – und nicht in dessen Zimmer, sondern im Garten. Sie suchten alles ab. Kröte ärgerte sich, dass er nicht selbst auf den Gedanken gekommen war. An einigen Stellen war das Gras, das seit dem Auszug seines Vaters nur unregelmäßig gemäht wurde, herunter getreten.

»Jonas, komm schnell«, rief Kröte. Er hatte viele Schuhabdrücke an einer Stelle im Beet gefunden.

»Sie müssen frisch sein, weil die Erde hier noch feucht ist«, sagte Jonas. Beide untersuchten die Vertiefungen im Beet von allen Seiten.

»Im Krimi würde die Polizei jetzt einen Gipsabdruck von den Schuhabdrücken machen«, sagte Kröte.

»Hat deine Mutter Gips da?«, fragte Jonas.

»Nö, aber wir könnten in der Apotheke oder im Baumarkt welchen kaufen.«

»Vielleicht kehrt >W.< in der Zeit zurück und zerstört seine Spuren. Einer von uns müsste Wache halten und aufpassen.« Jonas blickte nach oben. »Außerdem wird es sicher bald anfangen zu regnen. Wir müssten die Stellen mit den Abdrücken vorher mit einer Plane abdecken, damit sie nicht verwischen.« Jonas zog sein Handy aus der Tasche, machte ein paar Aufnahmen und zeigte sie Kröte.

»Zu unscharf. So wird das nichts. Wir müssen die Abdrücke abpausen und mit den Schuhen im Haus vergleichen«, sagte Kröte. Er holte seinen Schulblock und begann mit den Zeichnungen. Währenddessen suchte Jonas nach Gegenständen, die der Überbringer des Briefes möglicherweise im Garten verloren hatte. Er fand zwei alte Pappbecher, eine Eintrittskarte eines Kinos, eine Busfahrkarte, eine Kaugummiverpackung und drei Zigarettenstummel der Marke Camel.

»Meine Eltern rauchen nicht«, sagte Kröte. Er verglich seine Zeichnungen mit den Abdrücken im Beet. »Nach meiner Zeichnung zu urteilen, war es nur eine Person. Die Abdrücke sind zwar unterschiedlich tief, aber die Musterungen der Schuhsohlen sind identisch.«

»Was ist mit der Schuhgröße?«

»Auch die stimmt bei allen Abdrücken überein.«

Kröte klappte den Schreibblock zu und steckte seinen Bleistift in die Tasche.

»Die drei Zigarettenstummel sind ihm bestimmt aus der Hosentasche gefallen, als er über den Zaun gestiegen ist«, sagte Jonas und untersuchte die Umzäunung ohne jedoch weitere Spuren zu finden. »Woher weißt du denn, dass >W.< ein Mann ist? Es könnte doch auch eine Frau sein«, erwiderte Kröte. »Außerdem können die Zigarettenkippen durch den Wind hierher geweht worden sein und nichts mit >W.< zu tun haben.«

»Das müssen wir alles noch herausfinden.«

Das hatten sie bisher herausbekommen: Sie suchten nach >W.<, der Turnschuhe in Größe 42 trug (sie hatten die Abdrücke mit einem noch verbliebenen Schuh von Krötes Vater verglichen, der Größe 44 hatte), vor zwei Tagen im Kino den Thriller >Tod in Shanghai< gesehen hatte, mit dem Stadtbus vom Zentrum bis zu den Schillerwiesen gefahren war, möglicherweise Zigaretten der Marke Camel rauchte, aus Pappbechern trank und – das hatte der Riechtest ergeben – gern Kaugummi in der Geschmacksrichtung >Pfefferminz< aß.

»Wir deponieren die Sachen in einem Schuhkarton«, schlug Kröte vor. »Außerdem mache ich noch ’ne Skizze und notiere, an welcher Stelle im Garten wir die Gegenstände entdeckt haben.« Schon kramte er ein kleines zusammengefaltetes Papier aus der Hosentasche hervor, das er Stunden zuvor noch als Spickzettel für einen Vokabeltest genutzt hatte. Dann legten sie die Fundstücke mit der Skizze in einen alten Karton und klappten ihn zu.

»Alles möglicherweise Indizien und Beweismittel«, flüsterte Kröte und nahm den Karton unter den Arm. »Am besten ist es, wenn wir die Geschichte für uns behalten.«

Jonas nickte.

»Würmchen könnten wir es erzählen. Der sagt es sicherlich niemandem weiter«, meinte Kröte, als sie wieder in seinem Zimmer waren.

Jonas war einverstanden. »Auf alle Fälle müssen wir zur Alten Eiche und gucken, was da los ist!«

»Logisch!« Kröte kaute auf dem Bleistift, mit dem er die Zeichnung erstellt hatte. »Am besten schlafen wir morgen Nacht bei dir, dann können wir pünktlich um 2:30 Uhr bei der Alten Eiche sein.« Aufgeregt und voller Spannung stimmte Jonas ihm zu.

Würmchen wird eingeweiht

Am nächsten Tag gingen Kröte und Jonas vor Unterrichtsbeginn sofort zu ihrem Freund Paul Benson, den alle nur Würmchen nannten, weil er klein und dünn war. Seine etwas dunklere Hautfarbe hatte er von seiner indischen Großmutter, seinen Nachnamen von seinem irischen Großvater. Die meisten in der Klasse hielten Würmchen für einen unscheinbaren, langweiligen Streber, aber für Kröte und Jonas war er trotz seiner ausgeprägten Ängstlichkeit und ständiger Bedenken ein treuer Freund.

»Wo warst du denn gestern? Ich habe den ganzen Nachmittag versucht dich zu erreichen! Du bist der Einzige meiner Kumpel, der kein Handy hat!«, sagte Kröte.

»Du hast doch selber im Augenblick keines!«

»Das kriege ich von meiner Mutter schon wieder.« Kröte hatte im letzten Monat seinen Freibetrag stark überschritten, weil er zu viel gesimst und Klingeltöne aus dem Internet herunter geladen hatte. Letzte Woche war die Abrechnung gekommen und deshalb hatte seine Mutter das Handy einkassiert.

»Ich war erst mit meiner Mutter einkaufen und dann mit ihr und meiner Oma auf dem Friedhof«, erklärte Würmchen.

»Und das hat so lange gedauert?«, fragte Jonas.

»Ja, bis abends. Erst musste die Grabstelle meines Großvaters gewässert und dann Unkraut gejätet werden. Zwei Reihen neben meinem Opa liegt ein Mann namens >Hans Frank<, dessen Grab völlig verwahrlost ist. Es scheint seit Jahren nicht mehr gepflegt worden zu sein. So verwittert wie das andere Grab soll das meines Opas nie aussehen, sagte sie und putzte und schrubbte und bürstete ’ne gefühlte Stunde«, stöhnte Würmchen.

»Es gibt schönere Orte, seinen Nachmittag zu verbringen«, sagte Jonas.

»Stimmt. Friedhöfe haben immer etwas Gruseliges. Und warum wolltest du mich gestern so dringend sprechen?«

Kröte und Jonas weihten Würmchen in das Geheimnis ein.

»Das ist ja ein dolles Ding«, meinte Würmchen immer wieder. Er rückte seine Brille zurecht. »Und nun? Was machen wir jetzt? Gehen wir zur Polizei? Was sagen eure Eltern dazu?«

»Wir sagen weder der Polizei noch unseren Eltern etwas«, sagte Kröte. »Wenn wir es jemandem sagen müssen, gehen wir zu Lukas.« »Lukas?«, fragte Würmchen. »Jonas’ Bruder?«

Kröte nickte. »Der kann uns dann immer noch helfen. Aber wirklich nur im Notfall.«

»Ist das nicht zu gefährlich? Fremde Leute, die in eurem Garten herumlaufen, Zigaretten verlieren und anonyme Briefe schreiben?«, fragte Würmchen.

»Blödsinn«, meinte Jonas, »das ist nicht gefährlich, das ist spannend. Wir glauben nämlich, dass der Brief gar nicht an Kröte gerichtet war, sondern an einen anderen >Ede<.«

»Vielleicht ist ein Gangster mit dem Anfangsbuchstaben >W< aus einem Gefängnis ausgebrochen«, sagte Jonas.

»Das >W< braucht aber nicht der Anfangsbuchstabe seines Voroder Nachnamens zu sein. Genau so gut könnte es ein Spitzname oder ein Synonym sein«, sagte Kröte.

»Ein was?«, fragte Jonas erstaunt, der von diesem Wort noch nichts gehört hatte.

»Er meint ein Pseudonym«, korrigierte Würmchen.