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Inhaltsverzeichnis

DAS BUCH
DER AUTOR
Widmung
PROLOG
ERSTES KAPITEL
ZWEITES KAPITEL
DRITTES KAPITEL
VIERTES KAPITEL
FÜNFTES KAPITEL
SECHSTES KAPITEL
SIEBTES KAPITEL
ACHTES KAPITEL
NEUNTES KAPITEL
ZEHNTES KAPITEL
ELFTES KAPITEL
ZWÖLFTES KAPITEL
DREIZEHNTES KAPITEL
Copyright

DER AUTOR

Jacques Berndorf – Pseudonym des Journalisten Michael Preute – wurde 1936 in Duisburg geboren und lebt seit 1984 in der Eifel. Er arbeitete viele Jahre als Journalist, u.a. für den Spiegel und den Stern, bevor er sich ganz dem Krimischreiben widmete. Seine Eifel-Krimis haben Kultstatus erlangt. 2003 erhielt er den Ehrenglauser für seine Verdienste um die deutschsprachige Kriminalliteratur. Er ist der erste Außenstehende, dem der BND zu Recherchezwecken die Tore öffnete. In seiner BND-Reihe um Karl Müller sind bereits bei Heyne erschienen: Ein guter Mann und Bruderdienst.

ERSTES KAPITEL

Die sogenannte Operation Crew hatte sich in Krauses Büro versammelt, und niemand außer Krause wusste, was auf der Tagesordnung stand.

»Es ist wichtig!«, hatte er lediglich geäußert.

Krause saß in seinem schwarzen Schreibtischsessel und drehte sich zur Meute, die sich auf der Sitzecke breitgemacht hatte. Er war ein kleiner, untersetzter Mann, einundsechzig Jahre alt, mit ungesunder Gesichtsfarbe. Er wirkte grau, sein Körper vom endlosen Sitzen am Schreibtisch verformt. Aber seine hellen Augen blickten grundsätzlich angriffslustig.

Von links nach rechts in der Sitzecke hatte er den sechsundvierzigjährigen Sowinski vor sich, dessen Gesicht wie immer hochrot glühte. Sowinski hielt sich selbst für den Beschützer aller Außenagenten, jeden Tag und jede Nacht und über Tausende von Kilometern rund um den Planeten. Das bewies und versicherte er seinen Schutzbefohlenen auch stets aufs Neue. »Ich bin bei euch!«, pflegte er zu sagen. Er trug niemals ein Jackett, dafür umso häufiger eine alte blaue Strickjacke mit Lederflecken auf den Ellenbogen, die schon bessere Tage gesehen hatte. Die Krawatte dazu war wie immer hellblau und wirkte wie aus Plastik.

Neben ihm saß Esser, Spezialist für die gesamte Wissenschaft und die Hintergründe der Politik, politisch, wirtschaftlich und sozial. Er war ein großer, gertenschlanker Mann, der niemals Krawatte trug und es schon fertiggebracht hatte, zu einer Besprechung mit der Kanzlerin in einem knallrot gemusterten Hawaiihemd aufzutauchen. Sein Ruf beim BND war legendär: Er hatte alle sechsunddreißig Bände des Großen Brockhaus gelesen und bezeichnete sich selbst bescheiden als »leidlich gebildet«. Er beklagte gerade, dass es in der Kantine schon wieder Kartoffelsalat mit viereckigem Fisch gab, woraufhin Sowinski ihn grinsend tröstete: »Dafür gibt es begleitend eine giftgrüne Süßspeise mit extra vielen E-Nummern drin.«

Neben Esser saß Karl Müller auf dem Sofa, operativer Außenagent, ein Mann von zweiundvierzig Jahren, der auf den ersten Blick so durchschnittlich daherkam, dass sich in der Regel niemand, der ihm nur einmal begegnet war, hinterher noch an ihn erinnerte. Was in seinem Job allerdings nur von Vorteil sein konnte. Müller verfügte über ein blitzschnell reagierendes Gehirn – und dazu die erstaunliche Fähigkeit, selbst in einem vollendeten Chaos noch gelassen zu bleiben.

Als einzige Frau komplettierte Svenja Takamoto die Runde, ebenfalls operative Außenagentin und achtunddreißig Jahre alt. Eine schöne Frau mit asiatischen Gesichtszügen, aber eindeutig deutscher Herkunft. Sie war außerordentlich sprachbegabt, in der ganzen Welt zu Hause und zuweilen schrecklich bauchbetont, wie ihre männlichen Kollegen zumindest fanden. Sprich: gefühlsbeladen. Im Dienst wurde von ihr gemeinhin als »unserer Svenja« gesprochen.

»Meine Lieben, ich habe Sie natürlich aus einem guten Grund zusammengerufen«, eröffnete Krause die Besprechung. »Er heißt: Mumbai. Wir müssen das Blutbad vom 26. November letzten Jahres noch einmal vor Ort genauer recherchieren.«

Esser und Sowinski warfen sich einen ärgerlichen Blick zu und schauten mit einer gewissen Ungeduld auf Krause. Der Anschlag lag schon Monate zurück, auf den Schreibtischen stapelten sich die neuen Vorgänge. Krause ließ sich jedoch nicht so schnell aus dem Konzept bringen. »Bitte lassen Sie mich die Anschläge noch einmal rekapitulieren. Einhundertfünfundsechzig Menschen wurden bei dieser Untat mit einer unfassbaren Kaltblütigkeit einfach abgeknallt, mehr als dreihundert verletzt. Der Anschlag unterschied sich von allen zuvor dagewesenen. Niemand hat sich einen Sprengstoffgürtel umgeschnallt, um sich schnell mal unter beliebig vielen Menschen in die Luft zu sprengen. Keine Autobomben, wie man sie sattsam kennt, auch keine entführten Flugzeuge. Vor allem gab es nicht nur ein einziges Ziel.

Nein, die Täter kamen mit einem Fischerboot aus dem Norden, aus Pakistan, stiegen vor der Riesenstadt in ein Schlauchboot, legten in Back Bay an, teilten sich in fünf Gruppen, überfielen zwei Luxushotels, das Jüdische Zentrum im Nariman House, das Leopold Café, die Victoria Railway Station – für mordbereite Extremisten mit dreieinhalb Millionen Reisenden pro Tag ein ideales Ziel. Sie stellten keine Forderungen, sie gingen mit Kalaschnikow-Sturmgewehren, Neun-Millimeter-Pistolen, Handgranaten, Fünf-Kilo-Sprengstoffbomben und fünfhundert Schuss Munition in Häuser, die sie niemals zuvor betreten hatten, zu Menschen, die sie niemals zuvor gesehen hatten und von denen sie absolut nichts wussten. Sie töteten wahllos, wobei sie nur auf eines achteten: Sie durften keine Muslime töten – denn sie waren von Muslimen in Pakistan geschickt worden. Das moderne, lebhafte Mumbai ist bei den strengen Muslimen die Hauptstadt der Sünde, Inbegriff menschlicher Verfehlungen, die Hölle auf Erden.«

Müller und Svenja nickten immer wieder bestätigend. Die meisten Teile der Vorgänge waren ihnen einigermaßen bekannt. Svenja kritzelte auf einem Block ein paar wenige Stichwörter mit und wartete gespannt, worauf Krause wohl hinauswollte.

»Die T-Shirts und Hosen der Täter waren neu und lässig, ihre Art zu töten war es auch«, fuhr Krause fort. »Und während sie ihre grauenvolle Ernte einbrachten, telefonierten sie mit den Männern, die sie losgeschickt hatten, und einer von ihnen hörte am Handy das Lob: ›Bruder Abdul, die Medien vergleichen deine Aktion mit dem 11. September.‹ Neun von ihnen wurden getötet, nur einer überlebte, er heißt Adschmal Amir.

Für viele Stunden standen Pakistan und Indien am Rande eines Krieges, beide Staaten verlegten in höchster Eile Truppen in die Grenzregionen, indische Düsenjäger kreisten über Pakistan. Und sofort tauchte der dringende Verdacht auf, dass die Terroristen Hilfe in der Riesenstadt gehabt haben mussten. Und es stellte sich auch heraus, dass der indische Geheimdienst vorher bereits dreimal eindringlich gewarnt hatte: Es werden Attentäter Luxushotels in Mumbai angreifen! Aus unerfindlichen Gründen, vielleicht sogar absichtlich, wurden diese Warnungen überhört oder nicht ernst genommen oder unterschlagen.«

Krause legte eine bedeutungsvolle Pause ein. Dann kam er zum Kern der Sache. »Ich will, dass Sie vor Ort ermitteln. Sie, Müller, in Mumbai und Sie, Svenja, am Ausgangspunkt der Unternehmung, in Pakistan. Sie treffen dort die Quelle Sieben, Sie, Müller, unseren geneigten Freund Bleistift in Mumbai. Eventuell ergibt sich auch die Möglichkeit, neue Informanten aufzutun. Denn die Attentate haben gezeigt, dass unsere Arbeit in der Region dringend intensiviert werden muss. Wir haben jetzt schon mehrfach die Erfahrung machen müssen, dass wir platt auf die Schnauze fallen, wenn wir menschliche Quellen von unseren amerikanischen Brüdern übernehmen – wenn ich das einmal so auf den Punkt bringen darf. Wir wollen also unabhängiger werden. Alle technischen Anweisungen kommen von Sowinski, alle Hintergründe von Esser. Besonderheiten bezüglich der Kommunikation für die Reise kommen von Goldhändchen, falls er Besonderheiten auf Lager hat. Sie reisen beide morgen, Sie können auch miteinander kommunizieren, aber nur in der hier im Hause vorgeschriebenen Weise. Sie versuchen beide, die bisherigen Kenntnisse über die Killer und ihre Aktionen auszuweiten. Und Sie kehren dann zurück, wenn Herr Sowinski sagt: Das war’s!« Er lächelte. »Irgendwelche Unklarheiten?«

»Keine«, sagte Svenja knapp, und Müller schüttelte den Kopf.

»Na dann, Gott befohlen«, murmelte Esser grimmig. Und weil er sprachliche Schnörkel sehr liebte, setzte er noch hinzu: »Wohlauf in Gottes schöne Welt!«

Svenja reagierte fromm: »Amen!«

 

 

 

Müller betrat seine neue Wohnung mit stiller Freude.

Svenja hatte sie eingerichtet, und er hatte sich, anfangs noch nörgelnd, ihrem Diktat gebeugt. Alles war hell und erschien ausgesprochen fröhlich. Eine Sitzecke mit großen farbigen Blüten auf weißem Hintergrund, eine knallrot lackierte Bücherwand, weiße japanische Ballonlampen, zwei blaue Bodenvasen.

»Wäre etwas Dunkles nicht viel praktischer?«, hatte er gefragt. »Es besteht die Gefahr, dass ich Rührei auf den Polstern verteile oder einen Löffel Erdbeermarmelade auf dem Weg zum Brötchen verliere oder mir ein Pfannkuchen mit viel Speck vom Teller rutscht.«

»Du bist ein Barbar«, hatte sie lachend geantwortet. »Ich werde dich zur Reinlichkeit erziehen.«

Sie hatten einen ganzen verregneten Tag lang sogar ernsthaft und beinahe ein wenig aufgeregt erwogen, zusammenzuziehen. In Svenjas Wohnung, zum Beispiel. Die sei eigentlich groß genug, hatte sie wie beiläufig erwähnt. Sie waren nervös um das Thema herumgetanzt, bis Svenja energisch sagte: »Schluss jetzt mit diesem bürgerlichen Scheiß! Macht keinerlei Sinn bei unserem Beruf. Ist eher kontraproduktiv.« Müller hatte genickt und hinzugefügt: »Dann braucht Krause uns auch nicht zu feuern.« Denn eigentlich waren jegliche intime Beziehungen unter Agenten verboten.

Er hörte das Band seines Festnetzanschlusses ab. Die Hausverwaltung teilte mit, dass ihm jetzt der Parkplatz Nummer sechzehn hinter dem Gebäude zugeteilt sei. Anna-Maria, seine kleine Tochter, sagte etwas atemlos: »Papa, ich will mit dir sprechen. Geht das?« Die Stimme seiner Mutter schrillte ein wenig aufgeregt: »Junge, warum meldest du dich denn nicht? Ich hab dir so viel zu erzählen. Und du könntest auch ruhig mal vorbeikommen.«

Er hatte wie so oft ein schlechtes Gewissen und wählte ihre Nummer.

»Müller«, sagte sie erwartungsvoll. Und dann sehr hell: »Junge, wie schön! Ich kann hier sehen, wer mich anruft, Toni hat mir das eingerichtet. Er kann irgendwie alles.«

»Wer ist Toni, Mutter?«

»Ein Bekannter. Nicht, was du denkst, ich …«

»Ich denke gar nichts«, sagte er lachend. »Es ist dein Leben.«

»Bist du in Berlin, Junge?«

»Muss ich wohl. Ich denke, du siehst meine Nummer.«

»Ach Gott, ja, natürlich. Toni hat sich gerade ein neues Auto gekauft, und wir haben beschlossen, an die Müritz zu fahren. Und ich habe aus Vaters Zimmer sämtliche Bücher verschwinden lassen, die Regale stehen jetzt auch im Keller. Stell dir vor, Toni kann auch tapezieren, und ich habe eine Tapete mit ganz strahlend blauen Enzianblüten ausgesucht. Warst du mal an Vaters Grab, Junge?«

»Nein, war ich nicht. Zu viel zu tun, zu viel auf Reisen.«

Sie schwieg eine Weile. »Gräber besuchen ist ja auch nicht besonders angenehm«, murmelte sie dann. »Und du hast eine neue Wohnung. Hast du auch eine neue Frau?«

»Habe ich nicht. War Anna-Maria bei dir?«

»Ja, vor einem Monat waren sie für eine Stunde hier. Aber ich hatte den Eindruck, dass die Oma langsam aus der Mode kommt. Anna-Maria hat so gefremdelt, ganz schrecklich. Und ihre Mutter hat so getan, als habe es dich nie gegeben. Kümmerst du dich denn?«

»Nicht genug«, antwortete er und versuchte sich an den Namen des Mannes zu erinnern, den seine Mutter zuletzt in den Himmel gehoben hatte. Der Spaß hatte sie knapp zwanzigtausend Euro gekostet. »Wohnt dieser Toni denn jetzt bei dir?«

»Nicht doch, Junge. Er hat ein eigenes Haus, sogar eins mit zwölf Parteien.« Sie kicherte. »Er ist eine richtig gute Partie!« Dann räusperte sie sich. »Und du? Immer noch für das Vaterland unterwegs, wie Vater das seinerzeit nannte?«

»Ja, Mutter, immer noch.«

»Können wir denn mal bei dir vorbeikommen, Toni und ich?«

»Ja, gerne«, sagte er. »Nur in den nächsten Tagen geht es nicht. Ab morgen früh bin ich weg, und wie immer weiß ich auch nicht, wie lange es dauern wird.«

»Du machst das schon, Junge«, sagte sie aufmunternd. Dann legte sie unvermittelt auf.

Müller starrte noch einen Moment auf das Telefon in seiner Hand. Sie hat ein neues Leben, dachte er. Das ist gut so. Und es ist auch gut, dass sie lebendig ist und gern lacht und Friedhöfe nicht mag. Er war für Sekunden irritiert, als er sich das Gesicht seines Vaters vorzustellen versuchte und seine Erinnerung ihm kein Bild lieferte.

Anna-Maria. Sie war jetzt acht. Er war dankbar dafür, dass er zu dieser Tageszeit eine Ausrede hatte, sie nicht anzurufen. Sie würde in der Schule sein, nicht erreichbar. Dann dachte er einen Moment lang: Du Schweinehund wirst jede Gelegenheit nutzen, sie nicht anzurufen. Und gleich darauf: Was könntest du ihr denn auch sagen?

Er wollte unter die Dusche und sich danach noch ein wenig über Mumbai informieren, als Sowinski auf dem roten Telefon anrief und knapp sagte: »Sie verlassen morgen früh Berlin um 10:30 Uhr nach Frankfurt/Main und steigen dann um auf eine Direktmaschine. Unterlagen inklusive Hotel im Sekretariat. Sie nehmen Bargeld an Bord. Und: Esser will Sie noch einmal sehen. Heute Nachmittag um vier.«

»Ich werde da sein. Irgendetwas Besonderes?«

»Nein. Sie nehmen nur neue Handys auf, bei Goldhändchen. Der Treff ist Standard. Aber Esser hat Hinweise bezüglich der Region.«

Müller fragte: »Mal ganz ehrlich: Ist das wirklich realistisch, dass wir die Region mit Einsatz von mehr Kontakten irgendwie in den Griff bekommen?«

Sowinski schnaubte. »Tja, das ist ein Lieblingsthema von Krause. Er hat Angst, dass sich da mehr entwickelt. Dass dort vielleicht Leute hochkommen, die dann den Terror weltweit exportieren. Auf eigene Faust. Eine neue Art von Terroristen, die ohne jede Anbindung und auf eigene Rechnung arbeiten. Aber solange diese Politikidioten hier runde einhundertzwanzig gute Leute von uns permanent mit einem Untersuchungsausschuss binden, geht mir das Geschwätz auf den Geist. Meine Frau weiß schon bald nicht mehr, wie ich aussehe. Na gut, wir sehen uns. Und entschuldigen Sie meine Nörgelei.«

»Sie haben ja Recht«, beruhigte ihn Müller. »Wie lange werden wir den Ausschuss noch haben?«

»Endlos und immer wieder, weil ständig Journalisten neue Skandale erfinden. Die Leute vermuten beim BND grundsätzlich irgendwelche Gesetzesverstöße oder illegale Vorgehensweisen. Und sie vermuten, dass wir den Amerikanern im Irakkrieg irgendwelche Hilfestellungen geleistet haben, die uns buchstäblich zu Mitkämpfern machen. Was ist da gelaufen? Die Bundesregierung wollte eine eigene Lagebeurteilung des Krieges im Irak. Das war alles. Ein vollkommen normaler Auftrag an uns. Wir hatten dort zwei Leute, die täglich berichteten. Kann sein, dass die Amis die Telefonate abhörten. Vor allem steht zu vermuten, dass sie die Agenten orten konnten. Aber wir haben ihnen bestimmt keine Zielkoordinaten durchgegeben. Über das meiste müssen wir öffentlich den Mund halten, denn wir sind bekanntlich ein Geheimdienst. Seien Sie froh, dass Sie nichts damit zu tun haben.«

»Das bin ich auch«, versicherte Müller.

»Ach, übrigens möchte ich Sie noch darauf aufmerksam machen, dass Ihr Einsatz in Mumbai XXL ist. Sie werden eine Waffe tragen müssen. Krause meint, diese Gegend ist ein einziges Chaos. Also keine Kompromisse.«

»Und Svenja? Pakistan? Auch XXL?« Noch während er die Worte aussprach, wusste er, dass die Frage idiotisch war. Aber es war bereits zu spät.

Sowinski lachte. »Kein Kommentar. Machen Sie es gut.«

Du bist ein Arschloch!, schalt sich Müller ärgerlich selbst, spielst hier automatisch den fürsorglichen Macker, du lebst immer noch im falschen Jahrhundert. Außerdem schießt sie unter Stress manchmal besser als du, und sie ist im Zweifelsfall kühler, wenn die Temperatur steigt. Und bevor du den Mund aufmachst, solltest du, verdammt noch mal, dein Gehirn einschalten.

 

 

 

Esser grummelte etwas in einer sehr fremd klingenden Sprache in sein Telefon, legte auf und fragte dann freundlich: »Wie oft haben Sie Quelle Sieben schon getroffen?«

»Viermal«, antwortete Svenja. »Sie ist eine Irin, die aus Liebe nach Pakistan gegangen ist. Ihr Name ist Mara. Inzwischen hat sie fünf Kinder mit ihrem Helden Ismail Mody. Und er ist noch immer ihr Held.«

»Wie schätzen Sie ihn ein?«

»Nun ja, er ist einer der Vizepräsidenten des pakistanischen Geheimdienstes ISI. Dafür finde ich ihn erstaunlich liberal, für die Sache der Muslime geradezu schreckenerregend, für den Geheimdienst schwierig: ein Liberaler in ihren Reihen! Aber für Pakistan ist er möglicherweise eine letzte Hilfe, falls es in einen bewaffneten Konflikt mit Indien gerät.«

»Was glauben Sie: Weiß er, dass seine Frau für uns arbeitet?«

»Das weiß er auf jeden Fall, denn seine Ehe mit Mara ist intakt.«

»Was, verehrte Frau Takamoto, ist eine intakte Ehe?« Esser verzog süffisant den Mund.

Sie lächelte kurz. »Er lebt für die Familie, er sorgt für die Kinder, er vermeidet erstaunlich viele Reibungsflächen, und er schläft mit ihr. Und sie sorgt, raffiniert und unauffällig, für die Notausgänge in ihrem Leben.«

»Ist der BND so ein Notausgang?«

»Selbstverständlich«, antwortete Svenja. »Wenn es in Pakistan knallt, weiß sie, dass wir ihn und die Familie herausholen, wenn eben möglich. Und er weiß das auch, deshalb wird er sich ihren Plänen beugen. Für einen Pakistaner ist er erstaunlich modern. Wahrscheinlich ist er auch nur noch ein halber Pakistaner.«

»Das kann ihn das Leben kosten«, stellte Esser kühl fest. »Wir haben Nachrichten, dass Mody aufgrund seiner Offenheit und Liberalität nicht nur im Geheimdienst immer stärker unter Druck gerät. Die Radikalen sägen an seinem Stuhl. Genaues wissen wir nicht, es kursieren nur unschöne Gerüchte. Umso wichtiger ist es, dass Sie sich ein genaues Bild von der Lage vor Ort machen. Wie wird sich die Situation entwickeln? Könnte es sein, dass uns seine Frau bald als Quelle verlorengeht?«

Svenjas Stirn legte sich in sorgenvolle Falten. »Das ist wirklich beunruhigend. Mody ist ein guter Mann – gerade auch für uns. Und ich mag seine Frau sehr, sie ist mir beinahe eine Freundin. Es ist gut, dass ich sie in dieser Lage sehen kann. Was Mody betrifft: Er ist eben ein klarer Außenseiter. Und es erstaunt mich nicht, dass er angefeindet wird. Man sagt, dass der Überfall auf Mumbai so glatt und brutal verlief, weil der ISI seine Hände im Spiel hatte. Und dass Mody deshalb so gefährlich lebt, weil die meisten hohen Offiziere im ISI ihn nicht mögen. Sie müssen ihn manchmal sogar hassen, er ist für den Frieden. Frieden mit Afghanistan und Frieden mit Indien.«

Esser folgte ihren Erklärungen mit ernstem Gesicht. Dann wechselte er abrupt das Thema. »Was ist Ihre Legende?«, fragte er, und sie wusste, dass diese Fragen notwendig waren.

»Ich bin eine Irin, mein Name ist Shannon Ota. Ich kenne Mara vom Studium in Oxford. Ich bin also eine alte Bekannte. Von Beruf bin ich Ethnologin und arbeite für das Max-Planck-Institut in München, Deutschland. Meine Spezialität ist seit Jahren eine Langzeituntersuchung über die Inuit in Alaska und ihre Sozialisation in die westliche, moderne Gesellschaft. Trostloses Thema. Ich bin unverheiratet, fünfunddreißig Jahre alt, keine Kinder, alleinstehend. Pässe, Urkunden, Lebenslauf, alles vorhanden.«

Esser nickte versonnen vor sich hin. »Sie wissen, dass es XXL ist?«

»Bis jetzt bin ich nicht davon ausgegangen. Bereitet Ihnen das Sorgen?«

»Ihr seid meine Kinder, ich mache mir immer Sorgen.«

»Bewaffnete Frauen sind in Pakistan nicht selten. Unter der Kleidung kann ich mühelos eine kurze AK 47 tragen. Ich nehme an, dass Sie das wissen.«

»Ja, das weiß ich.« Er lächelte schmallippig. »Aber vorstellen kann ich es mir nicht. Sie werden also wallende Kleider tragen und Ihr Haar bedecken. Haben Sie diese Frau jemals bewaffnet erlebt?«

»Die Frauen verteidigen die Familie und die Sippe. Und sie sind meistens allein. Ismail Mody ist als hoher Offizier des Geheimdienstes nur sehr selten zu Hause. Ja, ich habe Mara schon mit Waffen erlebt. Ich erinnere mich noch genau: Wir saßen bei Tee und Kuchen, und es war sehr heiß. Sie schwitzte und zog ihre Jacke aus. Wir mussten lachen, weil sie gar nicht daran gedacht hatte: Sie trug eine Glock, neun Millimeter, rechts an der Taille in einem Weichholster.«

»Ist dieser Geheimdienst in Pakistan Ihrer Meinung nach tatsächlich so rechtslastig und korrupt wie geschildert?«

»Zweifelsfrei, und leider durchdrungen von hohen und höchsten politischen Ambitionen. Und über allem schwebt die Möglichkeit, dass der Staat Pakistan zusammenbrechen könnte, weil die Talibankämpfer und die große Clique um Osama Bin Laden jetzt gemeinsam dazu aufrufen, die pakistanische Regierung zu stürzen und einen islamistischen Staat zu gründen. Dann wäre eine veritable Atommacht von heute auf morgen geköpft – und in neue, gefährlichere Hände geraten. Das könnte weitaus schlimmer werden als der 11. September und alle seine Folgen. Das kann verheerend sein. Mittlerweile kommen junge Dschihad-Krieger aus den Golfstaaten, Zentralasien, aus Usbekistan, Turkmenistan und auch aus Tschetschenien hinzu, Hunderte jeden Tag. Das ganze Land ist, wie Madeleine Albright ganz richtig sagte, eine internationale Migräne.«

Sie saß sehr nachdenklich in ihrem Sessel, scheinbar vollkommen gelöst und konzentriert, eine schöne, intelligente Frau, die bereit war, in ein anderes Leben zu wechseln, weil ihre Vorgesetzten das befahlen.

Sie ist ein Glücksfall, dachte Esser stolz.

»Sie sollten also sehr vorsichtig sein«, sagte er sanft. »Sie reisen in ein Pulverfass. In und um Karatschi leben mehr als dreizehn Millionen Menschen.«

»Ich bin doch gar nicht wichtig genug«, erwiderte sie schnell.

»Das ist dummes Zeug«, brauste er auf. Dann lächelte er unvermittelt. »Ich bin mit meinem Fragenkatalog aber noch nicht ganz durch. Wie kommen Sie hin?«

»Flug Berlin – Dubai am Nachmittag, dann weiter nach Karatschi-Flughafen. Dann fahre ich mit einem Leihwagen im Indusdelta nach Nordosten Richtung Hyderabad, etwa die halbe Strecke nach Kotri. Ich steige in einem Hotel ab, in dem auch alleinreisende Frauen akzeptiert werden. Dort warte ich, bis Mara anruft. Die Familie wohnt in Kotri in einer geschlossenen Siedlung für gefährdete Personen der Regierung.«

»Erwarten Sie Schwierigkeiten?«

»Nein.«

Er lauschte diesem Nein nach und lächelte dann: »Darf ich Ihre Aufmerksamkeit abschließend auf eine interessante Küstenlinie lenken, die Pakistan und Indien gemeinsam haben? Es ist das Arabische Meer, und dort gibt es einige kleine Fischernester mit einem erstaunlich regen Ganovenleben. Uns interessiert diese Ecke, denn entlang dieser Küste haben die Terroristen ihren Weg nach Süden in die indische Vorzeigestadt Mumbai gefunden. Fragen Sie Quelle Sieben danach. Wir nehmen an, dass es sich nicht um eine Einbahnstraße handelt, sondern gehen davon aus, dass Leute aus Indien ihrerseits den Weg nach Norden, nach Pakistan suchen, um Gotteskrieger zu werden. Hasardeure, Waffenhändler, Drogenschmuggler, Goldschmuggler, sie alle tummeln sich dort. Eine exzellent bewaffnete Horde. Gelegentlich legt die Staatsanwaltschaft Mumbais ein paar Schiffchen wegen Schmuggels lahm, aber generell ist das eine wilde Ansammlung von Männern, die keiner Verdienstmöglichkeit aus dem Weg gehen. Wir möchten da rein, sehr tief rein, wenn ich das einmal so unverhohlen bemerken darf. Quelle Sieben wird davon wissen, und der Geheimdienst der Pakistaner hat todsicher Leute in dem Getümmel. Und wir hätten gern auch ein paar. Sie müssen sich unbedingt mit Müller absprechen, wenn das Thema während Ihrer Reise auf der Tagesordnung steht. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn Sie beide sich gegenseitig umzulegen versuchen. Von Schiffchen zu Schiffchen sozusagen.« Er grinste nicht einmal, als er das sagte. »Sie werden also unter Umständen aufeinander zuarbeiten, wie das in den Vorschriften heißt.«

»Soll ich nach meinem Treffen mit Quelle Sieben dorthin reisen?«, fragte sie.

»Das ist noch nicht geklärt. Aber möglicherweise, wenn Quelle Sieben einen Weg weist. Das kann nur der Kollege Sowinski entscheiden. Und jetzt wünsche ich Ihnen eine gute Reise. Ihre Unterlagen sind wie immer im Sekretariat. Und wir hier passen auf Sie auf.«

»Machen Sie es gut. Und achten Sie auf das Haus«, antwortete sie lächelnd, stand dann auf und ging hinaus. Sie mochte Esser sehr, er war zuweilen wie ein Vater. Den eigenen hatte sie kaum gekannt, ein Schattenbild, sie wusste nicht einmal, wie Vater sich anfühlt.

Sie ging langsam die Flure entlang, benutzte einen Lift, tauchte im Souterrain auf und klopfte an Goldhändchens Tür. »Routineabfrage«, erklärte sie. »Auf dem Weg nach Pakistan.«

»Ein ideales Land für Spione!«, verkündete er mit viel Tremolo. »Wollen wir denn dieses oder jenes neue Handy mitnehmen?« Er saß wie üblich im Halbdunkel, starrte auf seine Bildschirme und drehte nicht einmal den Kopf in ihre Richtung. »Ein neues Handy für Madame?«

»Werde ich es denn brauchen?«, fragte sie zurück und ließ sich in einem Ledersessel nieder.

»Das kommt drauf an, ob die Eingeborenen friedlich sind oder dich unbedingt im Kochtopf haben wollen.« Goldhändchen trug ein weißes Hemd mit offenem Kragen, dazu einen giftgrünen Schal, weiße Hosen und grüne Sneakers.

Soweit Svenja wusste, symbolisierte die Farbe Grün Frieden und Freiheit. Ob das Absicht war? »Warum neue Handys?«

»Weil wir mit der Zeit gehen«, antwortete er. »Du hattest bisher immer ein privates und eines für den Dienst, oder? Nein, antworte mir nicht, ich weiß, dass es so ist. Jetzt gebe ich dir zwei neue. Der Unterschied zu den alten ist sehr schlicht: Wenn du eines der beiden zwölf Stunden lang nicht benutzt, kommt hier ein Signal an, das uns sagt, dass irgendetwas nicht stimmt. Benutzt du eines der beiden länger als vierundzwanzig Stunden nicht, wissen wir, dass etwas faul ist und die Eingeborenen bereits an dir nagen. Unter Benutzung verstehen wir, dass du es nur einschaltest, du musst nicht einmal mit jemandem telefonieren. Und du musst über diese technische Funktion auch nicht genau Bescheid wissen. Also, daran denken: Jedes Handy einmal in zwölf Stunden kurz einschalten. Klar so weit?«

»Sehr klar, von Frau zu Frau«, murmelte Svenja. »Und vermutlich willst du jetzt meine beiden alten Handys haben, oder? Dann möchte ich aber noch meinen ganzen Krimskrams auf die neuen übertragen.«

»Das darfst du, meine Liebe, das ist erlaubt. Die Handys haben ein unterschiedliches Design. Das rote ist das vom Dienst, das grüne ist dein privates. Und dann noch etwas Besonderes: Dieser ehrenwerte Orden der besonderen Menschen hat zu deiner Sicherheit einen kleinen Trick in beide Geräte eingebaut. Wenn du die Ziffer Zwei länger als vier Sekunden gedrückt hältst, ist sämtliches Material im Gerät automatisch gelöscht, das Anrufprotokoll, die gespeicherten Daten, die Tonaufnahmen, Fotos, schlicht alles.« Er wandte ihr jetzt endlich den Kopf zu und strahlte sie fast überirdisch an. »Wo genau in Pakistan machst du denn die Straßen unsicher?« Er stand auf, griff nach einer kleinen grünen Wasserkanne und begann langsam und betulich die Pflanzen zu gießen, die in einer endlosen Reihe unter Speziallampen vor sich hin dösten.

»Im Delta des Indus. Landung in Karatschi.«

»Das ist gut, da ist es flach. Da kann ich dich schnell orten, falls irgendetwas Schwieriges im Weg ist oder irgendjemand nach deinem Blut dürstet. In den Stammesgebieten des Landes im Grenzbereich zu Afghanistan ist mir einmal jemand durch die Lappen gegangen, weil er sich in einer Felsenhöhle verkrochen hat, um ausgerechnet dort den Notruf abzusetzen. Er war ein dummer Junge, technisch überhaupt nicht begabt.«

»Hat er überlebt?«

»Hat er nicht.«

»Du bist ein Scherzkeks«, lächelte sie. »Aber ich mag dich. Und Grün steht dir.«

Dann reichte sie ihm ihre beiden Handys, und er steckte sie in ein Gerät. Er nahm zwei neue Handys, löste sie aus den Verpackungen und steckte sie in ein anderes Gerät. Nach kurzer Zeit sagte er: »So, Mädchen, alles klar. Also: Grün ist privat, rot sind wir. Und nicht vergessen: Falls du mit deinem Angebeteten reden willst, niemals die Handys benutzen, immer nur das Festnetz – falls es da überhaupt eines gibt. Und noch etwas: Diese hellbraunen Stulpenstiefel sind hübsch, aber es fehlen genau zwei Zentimeter.«

»Du Zickenkrieger!«, erwiderte sie lachend. Dann setzte sie hinzu: »Und ich bete ihn niemals an, mein Lieber. Niemals! Aber trotzdem: Wie erreiche ich meinen Müller, wenn kein Festnetz zur Verfügung steht?«

»Wie immer im Notfall. Du drückst die Acht, etwa zwei Sekunden lang.« Goldhändchen grinste wie ein Gassenjunge. »Das mit dem Nichtanbeten glaube ich dir nicht. Und grüß mir den Müller … ach nein, brauchst du nicht, der kommt ja gleich persönlich.«

Im Flur lehnte sie sich an die Wand und rief Müller an.

»Sehe ich dich noch, bevor wir fliegen?«

»Heute Abend, das wäre schön«, antwortete er.

»Hast du Anna-Maria gesehen oder mit ihr gesprochen?«

»Nein.« Seine Stimme war augenblicklich schroff.

»Also um acht?«

»Um acht«, bestätigte er. »Bei dir.«

Sie ging zum Lift und fuhr ein Stockwerk tiefer.

In der Schießhalle sagte sie dem leitenden Beamten: »Ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich muss unbedingt was tun. Ich war schon drei Monate nicht mehr hier.«

»Das weiß ich, ich habe dich angemahnt. Du solltest bei deinem Beruf die Termine für die Schießübungen einhalten und regelmäßig hier auftauchen. Pflicht ist: nach jedem Einsatz. Aber ich predige tauben Ohren.« Er war verärgert. »Welche Waffe?«

»Glock, neun Millimeter«, antwortete sie. »Ich habe sie mitgebracht. Hohlmantelgeschosse.«

»Du nimmst Bahn zwei, verschiedene Distanzen, fünfzehn Meter, dreißig Meter, vierzig Meter. Du trägst jeden Schuss ein, wir wollen schließlich sehen können, wie gut du bist. Willst du einen schnellen Film?«

»Den ganz schnellen, bitte.«

»Gab es irgendwelche Pannen? Bei der Waffe? Bei dir?«

»Nein, gab es nicht. Ich will keinen Ohrenschutz.«

»Schon klar. Ich hole dir Munition. Was ist mit deiner Waffe? Abweichungen im Gefecht?«

»Wie üblich ein leichter Verriss nach oben nach dem dritten Schuss. Aber nur beim schnellen Schießen, sonst keine Abweichungen.«

»Okay, das ist Standard«, sagte er sachlich und verschwand, um die Munition zu holen. Als er zurückkam, nahm er ihre Waffe, ließ das Magazin herausfallen und füllte es neu auf. »Die Magazinfeder ist in Ordnung, ein bisschen stramm vielleicht.«

»Aber die Waffe arbeitet fehlerfrei«, wandte sie ein. »Ich habe mich dran gewöhnt, oder hast du was Besseres?«

»Die neue Beretta ist gut, auch besser für dein Handgelenk, nicht so massig, leichter, gleichzeitig mit viel Körper. Aber es ist vielleicht nicht so gut, jetzt die Waffe zu wechseln. Ich schicke dir erst einmal einen schnellen Film.«

Eine Waffe mit viel Körper, dachte sie mit leichter Verachtung. Hat er etwa eine erotische Beziehung zu diesen Dingern?

Der Film lief an, mit Blick auf ein Gehölz, aus dem dann Männer hervorbrachen. Sie waren verdammt schnell. Und bewaffnet, große Waffen. Es waren vier, die sich rasch trennten. Sie legte auf den Mann rechts außen an, und er fiel sofort. Den zweiten verfehlte sie, den Linksaußen traf sie auf Anhieb, den Mann daneben verfehlte sie wieder.

»Das ist sehr gut für eine Premiere«, kam die Stimme des Trainers aus dem Steuerstand. »Ich schicke dir jetzt was aus der Sonne.«

Sie nahm ein volles Magazin und lud durch. Sie stand breitbeinig zur Bahn, drehte sich dann leicht nach links und nahm die Waffe langsam hoch. Nur auf die Waffe in deinen Händen konzentrieren, hatten die Lehrer endlos wiederholt, niemals wütend auf den Gegner sein. Sie sind die Waffe, Frau Takamoto!

Die Leinwand war jetzt grell, die Sonne stand voll auf einer Gasse, die Umrisse der Häuser waberten leicht in der Hitze. Dann tauchte links ein geduckter Mann mit etwas in den Händen auf, das wie eine Waffe wirkte. Kleines Ziel, geduckte Haltung. Sie schoss sofort. Plötzlich ein massiger Mann rechts an einer Hauswand, der ein Gewehr mit beiden Händen vor der Brust hielt. Auch hier zögerte sie keine Sekunde.

»Du hast beide getötet«, beklagte sich der Trainer.

»Ja und?«, fragte sie giftig. »Soll ich sie vielleicht mit Heftpflaster werfen?«

»Zu aggressiv!«, stellte er nüchtern fest. »Sie hatten beide Knüppel in den Händen.«

Sie schoss nicht gern, aber sie schoss gut. Sie mochte diese Waffen nicht, aber es war möglich, dass sie ihr das Leben retteten.