Kapitel I - Die Lehre der Elemente

Mikrokosmos und Makrokosmos

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„Alle Menschen haben das Potential, sich selbst zu erkennen.”1

Die ersten Zeilen der Tabula Smaragdina, des uralten Textes, der die philosophischen Grundlagen der traditionellen und modernen hermetischen Lehre liefert, enthalten das berühmte Motto „wie oben, so unten”. Es reflektiert die Erkenntnis, die im menschlichen Geist immer gegenwärtig war: Das ganze Universum ist eins und alle Dinge enthalten dieselben Prinzipien und Elemente. In den alten Schulen des Denkens wurde das menschliche Wesen als das wichtigste von allen lebenden Geschöpfen im Universum betrachtet, und man glaubte deshalb, dass der Mensch von den Göttern als ein lebendes Abbild des Kosmos und der ganzen Natur erschaffen wurde. So setzten diese Lehren den Menschen über alle anderen Lebewesen. Er war der Knotenpunkt der gesamten Schöpfung und ein Prinzip, das jedes Element enthielt, aus dem das Universum zusammengesetzt war. Erde, Feuer, Wasser und Luft – sie alle spiegelten sich im menschlichen Körper und Geist. Als Abbild der Götter war der Mensch der Vermittler zwischen der unteren (dem Reich der Pflanzen und Tiere) und der oberen Welt (der Domäne der Götter) und enthielt Aspekte von beiden, wodurch er die kosmische Kluft zwischen den gegensätzlichen Prinzipien Materie (der sterbliche Körper) und Geist (die unsterbliche Seele) überbrückte.

Die pythagoräische Lehre beschrieb den Menschen als eine „kleine Welt”, weil er die Fähigkeiten des Universums besaß: Die gottgleiche der Vernunft sowie die Natur der Elemente in den Prinzipien der Ernährung, des Wachstums und der Fortpflanzung. Gleichzeitig war der Mensch unvollkommen in jeder dieser Fähigkeiten, ganz so wie „der Wettkämpfer im Fünfkampf, der dem Athleten unterlegen ist, der sich auf nur einen Teil spezialisiert.”2 Und so wurde die Gabe der Vernunft weniger bedeutend gesehen als die heiligen Eigenschaften der Götter. Die Elemente waren im Menschen nicht so üppig vorhanden wie in den Elementen selbst, die menschlichen Energien und Wünsche waren schwächer als die der Tiere und die Kräfte der Ernährung und des Wachstums waren geringer als die der Pflanzen. Deshalb fand der Mensch als ein Gemisch aus vielen und verschiedenen Elementen sein Leben schwierig zu beherrschen:

Denn jedes andere Geschöpf wird von einem Prinzip geleitet, aber wir werden von unseren verschiedenen Fähigkeiten in unterschiedliche Richtungen gezogen. Zum Beispiel werden wir einmal vom gottgleichen Element zum Besseren hingezogen, und ein andermal von der Herrschaft des tierischen Anteils in uns zum Schlechten.3

Diese komplexe Natur des Menschen stellte von der frühesten Vorzeit bis heute eine Quelle des Interesses dar. Philosophen und Ärzte analysierten die möglichen Korrespondenzen zwischen dem Menschen (Mikrokosmos) und dem Universum (Makrokosmos). Analog zur Lehre der Elemente, die den ganzen Kosmos einschloss, schufen sie die Lehre der Säfte (Humoralpathologie) im menschlichen Organismus, die, wie sie dachten, die vier Elemente der Natur widerspiegelten. Die vier grundlegenden Säfte waren Blut (Luft), gelbe Galle (Feuer), Schleim (Wasser) und schwarze Galle (Erde).

Der Gelehrte und Okkultist der Renaissance Agrippa von Nettesheim schrieb in seinem berühmten Buch De occulta Philosophia, „die Knochen ähneln der Erde, das Fleisch der Luft, der Lebensgeist dem Feuer.”4 Dies kennzeichnet auch menschliche Qualitäten: Erde sind langsame und sichere Bewegungen, Wasser Furchtsamkeit, Trägheit und Nachlässigkeit bei der Arbeit, Luft Fröhlichkeit und ein freundliches Wesen und Feuer ein aufbrausendes, schnelles und zorniges Temperament. Die ganze Philosophie des Menschen, einschließlich seiner Wesensart, seines Aussehens und seiner Lebensweise, wurde durch dieselben Elemente bestimmt, die die Grundlagen des Universums bildeten.

Die Elemente

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„Die Elemente sind deshalb das erste von allen Dingen, und alle Dinge bestehen aus ihnen oder stimmen mit ihnen überein, und sie sind in allen Dingen und verbreiten ihre Tugenden durch alle Dinge.”5

Einer der ersten Philosophen, die die Elemente identifizierten und unterschieden, war Empedokles. Er erklärte die Welt der Materie als aus vier Grundprinzipien bestehend: Erde, Luft, Feuer und Wasser, neben den zwei Hauptkräften Harmonie und Missklang. Er verglich die vier Elemente auch mit den vier Hauptgottheiten des griechischen Pantheons: Zeus (Luft), Hera (Erde), Hades (Feuer) und Nestis (Wasser). Die antike Philosophie versuchte jedem Element auch bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben. Ein Jahrhundert bevor Empedokles seine Theorie vorstellte, unterschied Anaximander, ein anderer griechischer Denker, die heiße/kalte und trockene/feuchte Qualität in allen Dingen der Natur. Es war jedoch Aristoteles, der diese Theorie weiterentwickelte, indem er eine Einflussanalyse der Elemente entsprechend ihrer gegensätzlichen Qualitäten lieferte:

Element

Qualität

Erde

kalt und trocken

Wasser

kalt und feucht

Luft

heiß und feucht

Feuer

heiß und trocken

Aristoteles erklärte, dass zwar jedes Element zwei Hauptqualitäten teilt, aber eine immer vorherrscht. Und deshalb ist Erde hauptsächlich trocken, Wasser kalt, Luft feucht und Feuer heiß. Die heiße und kalte Qualität sind aktiv, die trockene und die feuchte sind passiv. Die aktiven Qualitäten werden mit Energie gleichgesetzt, die passiven mit der Materie. Erde und Wasser sind schwer und weiblich. Feuer und Luft sind leicht und männlich. Alle Dinge existieren als Resultat der Polarisierung und Fluß der vier Elemente.

Eine andere Analyse der Elemente schloss ihre Korrespondenzen mit den Planeten ein. Erde wurde mit Saturn assoziiert, Wasser mit Venus oder Mond, Luft mit Jupiter und Feuer mit Mars. Man dachte auch, dass die Planeten die elementaren Qualitäten beeinflussten:

Planet

Qualität

Saturn

kalt und trocken

Jupiter

heiß und feucht

Mars

heiß und trocken (extrem)

Sonne

heiß und trocken (gemäßigt)

Venus

kalt und feucht (extrem)

Merkur

heiß mit heiß, kalt mit kalt usw.

Mond

kalt und feucht (gemäßigt)

Die Verbindung zwischen den Elementen und den Planeten wies jedem Element ein bestimmtes Zeichen des Tierkreises zu. Die Astrologen unterteilten die zwölf Tierkreiszeichen in vier Gruppen, die jeweils die Qualitäten des ihnen zugewiesenen Elements repräsentierten. Deshalb gab es eine Triade der Erde, bestehend aus Stier, Jungfrau und Steinbock, eine Triade des Wassers, bestehend aus Fische, Krebs und Skorpion, eine Triade der Luft, bestehend aus Wassermann, Zwillinge und Waage, die Triade des Feuers, bestehend aus Widder, Löwe und Schütze.

Nach Aristoteles sind die gegensätzlichen Qualitäten der Elemente der Schlüssel zum Verständnis der Prozesse in der Natur. Das Heiße trennt und macht die Dinge subtil und leicht. Das Kalte bindet, vermischt Dinge miteinander und macht sie grob und schwer. Die feuchte Qualität wird mit Flexibilität, Veränderlichkeit und Ausdehnung assoziiert. Trockenheit ist die Qualität der Starre. Sie definiert Formen und Begrenzungen und wird mit Festigkeit und Struktur assoziiert. In der folgenden Aufstellung finden sich die nach unterschiedlichen Philosophien gemeinsamen Qualtiäten:

Erde wird durch die kalte – bindende und trockene – starre Qualität definiert und ist deshalb das festeste Element. Sie schafft die Basis für die anderen Elemente und definiert eine Struktur, in der sich alles Leben manifestieren kann. Sie ist das Zentrum der Existenz, weil sie den festen Boden für alle lebenden Dinge bildet. Xenophanes und seine Anhänger betrachteten die Erde als das Urelement, das Grundprinzip aller Dinge.

Wasser erlaubt den Dingen wegen seiner feuchten Qualität Gestalt anzunehmen, zu schmelzen und sich auszudehnen. Feuchtigkeit hindert die Trockenheit am Zerbröseln und zugleich hindert Trockenheit die Feuchtigkeit am Zerfließen. Wasser breitet sich aus, versickert in die Umgebung, dringt in alle Dinge ein und versorgt sie mit Feuchtigkeit, die essentiell für das Leben ist. Für Thales von Milet war Wasser das Urelement. Nach ihm stammt alles aus dem Wasser und besteht aus Wasser. Diese Ansicht, findet sich in vielen Mythologien, wie der chinesischen, der vedischen oder der sumerischen.

Luft macht Dinge leicht, flüchtig und fähig zum Aufstieg in höhere Sphären. Anaximenes hielt sie statt Wasser oder Erde für die wahre Essenz aller Dinge, das Urelement. Ihre vorherrschende Qualität ist Feuchtigkeit, die sie sich ausdehnen und aktiv ausbreiten lässt. Zusammen mit dem Feuer ist Luft das aktive Element, der Atem des Lebens in allen Kreaturen. Sie ist der Wind, der die Natur belebt, der Blitz als Zeichen der Götter, und der Raum für alle Bewegung und Lebensprozesse. Sie wird oft durch das Licht charakterisiert, den Geruch der Natur, den Flug der Vögel und das Prinzip der Schöpfung.

Feuer verfeinert, raffiniert und verbindet Dinge. Es durchdringt und trennt. Seine Kraft ist sowohl schöpferisch (es spendet Wärme) als auch zerstörerisch (es verbrennt alles). Es überwindet die Kälte von Erde und Wasser und bewahrt deshalb die Harmonie zwischen den Elementen. Feuer war das Urelement in der Philosophie des Heraklit – es war das Agens der Transformation, das dynamische Prinzip der Veränderung in der gesamten Natur. Heraklit glaubte an die Wandlungsfähigkeit der gesamten Natur, in der es keinen Anfang und kein Ende gibt und die Dinge beständig durch das Feuer in einem Kreislauf fließen und sich verändern: Die Welt löst sich im Feuer auf und erschafft sich erneut aus dem Feuer. „Die Welt, eine Wesenheit aus allem, wurde weder von Göttern noch von Menschen erschaffen, sondern war, ist und wird ewig lebendiges Feuer sein, das regelmäßig entzündet und regelmäßig ausgelöscht wird.”6

Die Elemente bilden auch den lebenden Organismus. Erde waren die Knochen von Menschen und Tieren, die Luft das Fleisch, Feuer der Lebensgeist und Wasser die Säfte. Genauso die spirituellen Gaben. Nach Agrippa ist, Feuer das Verständnis, Luft der Verstand, Wasser die Imagination, und Erde die Sinne. Die Sinne unterteilte er noch in Unterkategorien:

Das Sehen ist feurig, weil es ohne Feuer und Licht nichts wahrnehmen kann; das Gehör ist luftig, weil ein Ton aus Luftbewegung besteht; der Geruch und Geschmack ähnelt dem Wasser, ohne dessen Feuchtigkeit es keinen Geruch oder Geschmack gibt; und das Gefühl schließlich ist ganz irdisch und seine Sache sind die groben Körper.7

Der Fluß der Elemente erzeugt die Energie, die die ganze Schöpfung, das Leben und alle vitalen Prozesse im Universum ermöglicht. Die gängigste Richtung der Umwandlung war folgendermaßen: Erde wird zu Wasser, Wasser wird zu Luft, Luft wird zu Feuer und Feuer wird zu Erde – wodurch der Prozess zum Anfang zurückkehrt und erneut beginnt. Die primäre Bewegkraft der Wandlung war das Feuer, wie Heraklit erklärt: „Die Transformationen des Feuers sind zuallererst das Meer, und eine Hälfte des Meeres ist Erde und die andere Hälfte ist leuchtender Blitz. Alle Dinge werden durch Feuer ersetzt und Feuer durch alle Dinge.”8 In Heraklits Lehre sind die üblichen Muster der „Rotation“ umgekehrt: „Das Feuer lebt den Tod der Erde, und die Luft lebt den Tod des Feuers, das Wasser lebt den Tod der Luft und die Erde den des Wassers.”9 Dasselbe Muster ist in Empedokles Reinigungen zu finden. Außerdem unterschied Empedokles zwei Primärkräfte, die die Elemente dazu veranlassen, sich zu trennen und zu verbinden: Streit und Liebe (Eris und Eros). Feuer als die Bewegkraft der Umwandlung kann mit dem Prinzip des Streits gleichgesetzt werden, weil der Streit zwischen den Gegensätzen die Quelle der Schöpfung und der Lebensenergie ist. Die Wandlung der Elemente konnte auch nach folgendem Muster gesehen werden: Wasser – Anpassung, Luft – Ausdehnung, Feuer – Erzeugung, und Erde – Schrumpfung. Dieses Muster des natürlichen Wechsels spiegelt sich in vielen anderen Phänomenen der Natur wie den Jahreszeiten, den Stadien des menschlichen Lebens, dem zyklischen Aufstieg und Fall von Institutionen und anderen Dingen.

Der vierfältige Kreislauf der Natur korrespondiert mit den vier Phasen des Mondes – das erste Viertel, der Vollmond, der abnehmende Mond und die dunkle Phase des Neumonds. Ebenso war das menschliche Leben dem Kreislauf von Tod und Wiedergeburt unterworfen, wie es das Gesetz des Karma besagt, das kosmische Gesetz von Ursache und Wirkung, das über eine Lebenszeit hinaus reicht. Menschen sterben und werden in einem kosmischen Prozess wieder inkarniert, und all ihre vergangenen Taten beeinflussen die folgenden Inkarnationen. Die Welt ist ein Ozean von Leben und Tod, das Rad der Zeit, das das Schicksal aller lebenden Geschöpfe und alle Prozesse in der Natur beherrscht.

In heidnischen Traditionen unterliegt nicht nur das menschliche Leben dem Kreislauf der Wiedergeburt, sondern die ganze Welt verändert sich zyklisch. So u.a. in der nordischen Mythologie, wo Ragnarök nicht das abschließende Ende der Welt ist, sondern zu ihrer Wiedergeburt führt. Es ist der Neuanfang. Entsprechende Konzepte sind das hinduistische eines zyklischen Schicksalstages, an dem Kali die Welt zerstört. Kali ist die Göttin der Zeit, Kala. Sie ist das Prinzip der Zerstörung und Auflösung, der Nacht, der Dunkelheit und des Todes. Ihre erhobene Hand mit dem Schwert erinnert an den Tod, doch in der anderen Hand hält sie Sangrail, den Vinum sabbati, das Elixier des Lebens. Sie tanzt auf der Leiche von Shiva, was den Tod bedeutet, aber ihr Tanz findet auf seinem erigierten Penis statt, was den Samen der neuen Schöpfung impliziert. Die monotheistische Apokalypse ist das jüngste Gericht, die endgültige Zerstörung der materiellen Welt. Die Zeit ist hier linear. In heidnischen Traditionen ist die Zeit zyklisch. Alles stirbt und wird wiedergeboren. Der Tod ist ein beständiger Initiator neuen Lebens. Das Rad der Zeit dreht sich beständig, es gibt keinen Anfang und kein Ende.

Der Fluß der Elemente und das Prinzip der Transformation sind auch Thema der Alchemie. In der alchemistischen Transmutation wird die Erde zu Wasser, wenn sie geschmolzen oder aufgelöst wird, Wasser wird zu Luft durch Kochen, Luft wird zu Feuer (einen trockenen Dunst) durch Erhitzen, und Feuer wird wieder zu Erde, indem es zu einem festen Material kondensiert. Symbolisch wird das durch die vier alchemistischen Prozesse dargestellt (Nigredo – Erde, Albedo – Wasser, Citrinitas – Feuer, Rubedo – Luft)10, in denen Materie aufgelöst und wieder kondensiert wird nach der Formel solve et coagula. In der Phase des Nigredo werden die alten Strukturen aufgelöst und können verfaulen (putrefizieren). Dies ist der Beginn des alchemistischen Prozesses, in dem die prima materia weiteren Veränderungen erfährt. Im Stadium des Albedo wird sie zu Silber transmutiert und dann auf der Stufe der Citrinitas das Silber zu Gold. Die Rubedo als letzte Phase veredelt das Gold mit dem Geist und ermöglicht dadurch die Vollendung des alchemistischen großen Werkes. Der Prozess wird in einem Kerotakis, einem Rückflusskondensator durchgeführt, einem der ältesten alchemistischen Instrumente. Der Kerotakis besteht aus zwei symmetrischen Gefäßen, die eins über dem anderen miteinander verbunden sind. Diese zwei Gefäße entsprechen den hermetischen Prinzipien der „oberen Dinge” und der „unteren Dinge” und wurden oft Himmel und Erde (manchmal auch Hades) genannt. Im Kerotakis wird die Materie in Geist umgewandelt und die Elemente ineinander. Es gibt eine beständige Zirkulation zwischen aktiven und passiven Prinzipien, heiß und kalt, feucht und trocken. Das Ziel des Prozesses ist der Stein der Weisen, in dem alle Elemente vereint sind. Dadurch repräsentiert der Stein selbst das fünfte Element, die Quintessenz. In einem alchemistischen Text aus dem sechzehnten Jahrhundert ist zu lesen: „Unser Stein ist aus den vier Elementen” und sie alle sind zu gleichen Teilen darin vereint.

Die Quintessenz ist die Einheit aller gegensätzlichen Qualitäten, die in den Elementen enthalten sind. Sie wird oft als das feurige Wasser und das wässrige Feuer beschrieben. Sie ist die heilige Hochzeit (hieros gamos) der Gegensätze: Venus und Mars, oder Liebe und Streit nach Empedokles. Luft (manchmal Erde) ist das Prinzip, das die Grundpolaritäten im alchemistischen Prozess versöhnt: Feuer (repräsentiert durch Merkur) und Wasser (Venus oder Mond). Luft enthält die Wärme des Feuers und die Feuchtigkeit des Wassers, deshalb ist sie ein natürlicher Vermittler zwischen den Polaritäten. Die Quintessenz ist das alchemistische Kind der Vereinigung der Gegensätze, wie in der Tabula Smaragdina zu lesen ist: „Die Sonne ist sein Vater, der Mond seine Mutter, der Wind hat es in seinem Bauch getragen und die Erde ist die Amme.” Dieses Prinzip wird auch durch den Tarottrumpf „Die Mäßigung” repräsentiert, wo das göttliche Kind das Symbol der vereinigten Elemente ist.

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Diese Vereinigung wird oft als Hexagramm dargestellt, das Symbol des Ausgleichs zwischen den Gegensätzen. Das Hexagramm enthält gleichzeitig die Dreiecke von Feuer und Wasser und die Zeichen von Luft und Erde. Sie könnte auch als das Kreuz dargestellt werden, das übliche Emblem der Quaternio, der vierfältigen Vereinigung. In diesem Sinne repräsentieren die vier Arme des Kreuzes die vier Elemente und sein Zentrum die Quintessenz. Der vertikale Arm des Kreuzes repräsentiert auch die Axis mundi, die Verbindung zwischen den unteren und den oberen Welten, während der horizontale Arm die Erde und die Welt der Menschen und Tiere bezeichnet. Um das Ziel der Alchemie zu erreichen, ist sowohl der Aufstieg (die Sublimation) als auch der Abstieg (die Koagulation) nötig. Zusammen stellen sie die alchemistische Circulatio dar, die die Basis für den Prozess der Transmutation ist. Wie C.G. Jung erklärt:

Diese Zirkulation entspricht dem Kampf zwischen dem geflügelten [Quecksilber] und dem flügellosen Drachen [Schwefel], d.h. dem Ouroboros. Dorn beschreibt es als ‚die zirkuläre Destillation‘ … Sie werden zu einem Gefäß, in dem das, was zuvor ein Ding war und nun ein anderes ist, vibrierend fließt, so dass die schmerzhafte Spannung zwischen den Gegensätzen sich allmählich in eine bilaterale Aktivität in einem Punkt im Zentrum verändert.11

Die Schlange Ouroboros, die Jung erwähnt, ist eine der ältesten Allegorien der zyklischen Transformation. Ihre ältesten Abbildungen stammen aus Ägypten, wahrscheinlich aus der Zeit um 1600 v.u.Z. und das Symbol wurde oft von den Gnostikern verwendet, um den Urzustand der Natur darzustellen. Ouroboros zerstört sich selbst, heiratet, verschlingt und spendet Leben. Dies ist die Einheit der Gegensätze und die ursprüngliche Selbstgenügsamkeit. Es kann als die Vereinigung zwischen dem männlichen und dem weiblichen Prinzip interpretiert werden, wobei eine Hälfte des Körpers weiß und die andere Hälfte schwarz ist. Diese zwei Farben seines Körpers entsprechen dem chinesischen Yin-Yang-Symbol, in dem das weiße Yang das männliche Prinzip und das schwarze Yin das weibliche darstellt. Ouroboros gehört zu zwei gegensätzlichen Sphären, der aktiven und der passiven, der positiven und der negativen, der kreativen und der destruktiven. Er ist das Symbol des Urzustandes der Existenz, der Licht und Dunkelheit enthält, Selbstzerstörung, aber auch Fruchtbarkeit und schöpferisches Potential. Er ist das Stadium, bevor die Gegensätze definiert und geteilt wurden.

Säfte und Temperamente

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„Säfte bringen Leben … Wenn sie hervorsprudeln, sind sie entweder unangebracht in der sozialen Welt, in der wir selbst unsere Haut verstecken müssen, oder sie bringen Tod. Aber im Leben haben sie immer die Kluft zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren gefüllt.”12

Der Ursprung der Theorie der „Säfte” kann auf die ältesten Kulturen zurückgeführt werden. Die frühesten Aufzeichnungen tauchen in sumerischen Schriften auf. In Indien gab es eine Lehre der vier elementaren Körperflüssigkeiten in der hinduistischen Medizin. Ähnliche Aufzeichnungen sind in altägyptischen Texten zu finden. Die Humoralpathologie jedoch wurde von griechischen Philosophen und Ärzten entwickelt. Im fünften Jahrhundert v.u.Z. schrieb Hippokrates das erste einflussreiche Werk zu diesem Thema, den Corpus Hippocraticum. In einem Teil davon, der den Titel Von der Natur des Menschen trägt, entwickelt der Autor eine medizinische Lehre über das Verhältnis zwischen den Elementen und den Säfte im menschlichen Körper. Ihm zufolge war die Natur des Menschen ein Teil desselben kosmologischen Prinzips, das in allen lebenden Geschöpfen existierte. Eine ähnliche Analyse der Elemente ist auch in den Schriften von Plato und Aristoteles zu finden. Auf der Basis all dieser Überzeugungen formulierte der bekannte griechische Arzt Galen im zweiten Jahrhundert seine Lehre der vier Temperamente, von denen jedes einem bestimmten Körperflüssigkeit zugeschrieben war. Das Verhältnis zwischen ihnen war in Galens System wie folgt:

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Der Überzeugung folgend, dass einer der Säfte immer vorherrschend war, wurde jeder Person ein bestimmtes Temperament zugeordnet. Man sagte, dass die Säfte durch die Adern von der Leber zum Herzen befördert wurden und der Ausgleich zwischen ihnen für ein richtiges Funktionieren des Organismus nötig war. Eine überschüssige Menge von einer einzelnen war die Quelle von Krankheit und körperlichen oder geistigen Störungen. Dies galt insbesondere für die schwarze Galle. Die Hauptquelle der schwarzen Galle und der Melancholie war nicht die Leber, sondern die Milz. Der Begriff „Spleen” (Milz) wurde im siebzehnten Jahrhundert zu einem Synonym für Schlechtgelauntheit und ein „Splenetic” war eine gehässige und schlechtgelaunte Person. Abnormerweise konnten die Säfte in Form eines Dunstes direkt zum Gehirn aufsteigen. Solche Dünste erzeugten Erkrankungen und düstere Gedanken. Ein Saft konnte auch durch übermäßige Hitze verbrannt werden. Dieses Phänomen wurde oft als „melancholisches Ausbrennen” bezeichnet, selbst wenn es einen der anderen Säfte betraf.

Man hielt ihre Rolle für enorm wichtig: Die Säfte waren die lebenspendende Feuchtigkeit des Körpers, das aktive Lebensprinzip, die vitale Hitze, die mit den Feuern und Energien im Innern der Erde korrespondierte. Außerdem spiegelten sie die Strukturen und Phänomene des umgebenden Kosmos. Frieden und Harmonie des Universums spiegelten sich in einer friedlichen Einstellung des Menschen, während Stürme und Erdbeben als Leidenschaften und dynamischer Teil der menschlichen Natur angesehen wurden. Die Säfte waren auch die Quelle des spirituellen Zustandes des Menschen: Die Leber produzierte den natürlichen Geist, das Herz den vitalen Geist und das Gehirn den tierischen Geist. Die Ausgeglichenheit der Säfte war ein Zeichen von Gesundheit, während Störungen und Erkrankungen aus einer Störung dieser natürlichen Harmonie resultierten.

Die Lehre der Säfte und ihrer Korrespondenzen und Funktionen im menschlichen Organismus wurde von dem mittelalterlichen Gelehrten Avicenna (Ibn Sina) in seinem Kanon der Medizin dargelegt. Ihm zufolge besteht der menschliche Körper aus den Organen, der vitalen Energie (Thymos), den Säfte und den Elementen. Diese elementaren Qualitäten sind untrennbar mit allen körperlichen und geistigen Prozessen verwoben, was die Quelle der Temperamente und ihrer Eigenschaften bildet:

Sanguinisch: Fröhlich, optimistisch, mutig, erfindungsreich, gewitzt, freundlich. Blut ist der Saft einer ausgeglichenen Natur, die dem Körper Stärke und Farbe verleiht. Es ist rot, salzig und seine Quantität übersteigt die der anderen Säfte. Herrscht von 3 Uhr bis 9 Uhr früh und nimmt im Frühjahr zu.

Cholerisch: Ungeduldig, leicht provozierbar, verräterisch, aufbrausend, zu Neid und Stolz neigend, extravagant und rachsüchtig. Die gelbe Galle, die dieses Temperament beherrscht, mäßigt die Feuchtigkeit im menschlichen Körper und versorgt das Blut mit einer durchdringenden Qualität. Sie ist gelb oder rot und bitter. Sie durchdringt und öffnet Passagen und hält den Körper davon ab, schwer und schläfrig zu werden. Sie herrscht von 9 Uhr vormittags bis 3 Uhr nachmittags und dominiert im Sommer.

Phlegmatisch: Schwerfällig, blass, schläfrig, müßig und langsam. Das Phlegma mäßigt die Stärke, Hitze und Dicke des Körpers. Es ist üblicherweise weiß, wässrig und süß. Es befeuchtet und ernährt das Gehirn und die beweglichen Teile des Körpers. Es herrscht von 3 Uhr bis 9 Uhr nachmittags und steht mit dem Herbst in Verbindung.

Melancholisch: Introspektiv, starrsinnig, argwöhnisch, sorgenvoll, mit wechselnden Launen. Die schwarze Galle mäßigt die Knochen, die Milz und die festen Teile des Körpers. Sie ist schwarz und sauer. Sie verdickt das Blut. Die schwarze Galle herrscht von 9 Uhr abends bis 3 Uhr früh und nimmt im Winter zu, wenn auch die Stimmung sich verdickt und die Leute träge werden.

Ein charakteristisches Temperament macht jedes Individuum zu einem einzigartigen Mikrokosmos, der bestimmte Ähnlichkeiten mit anderen Mikrokosmen hat, aber niemals mit ihnen identisch ist. Die Funktion der Säfte war nach Avicenna und seinen Anhängern die Quelle der Lebenskraft (Pneuma oder Thymos), die Verbindung zwischen dem Körper, der Seele und dem Geist. Die Lebenskraft erhielt das Leben, erzeugte Gefühl und Bewegung, und wurde mit der Verdauung der Nahrung, Wachstum und Fortpflanzung in Verbindung gebracht.

Der Einfluss der Säfte wurde auch mit dem der Planeten verglichen. In seinen Drei Büchern der Magie schrieb Agrippa, dass alle Dinge unter dem Saturn der Traurigkeit und Melancholie dienen, die unter dem Jupiter dem Frohsinn und der Ehre, die unter dem Mars der Kühnheit, Auseinandersetzung und Wut, die unter der Sonne dem Ruhm, Sieg und Mut, die unter der Venus der Liebe, Lust und Begehrlichkeit, die unter dem Merkur der Redegewandtheit, die unter dem Mond einem gewöhnlichen Leben. Agrippa schrieb auch alle Taten und Einstellungen von Menschen den Planeten zu: Saturn herrscht über alte Männer, Mönche und melancholische Menschen sowie verborgene Schätze und „solche Dinge, die durch lange Reisen und Schwierigkeiten erlangt werden können”, Jupiter herrscht über die Religiösen, Prälaten, Könige und Herzöge und „solche Art von Gewinn, die gesetzlich zu erlangen ist”, Mars herrscht über Barbiere, Chirurgen, Ärzte, Unteroffiziere, Metzger, Henker und „alle, die Feuer machen, Bäcker, und Soldaten, die überall als martialische Menschen bezeichnet werden” usw. Jeder Planet soll eine bestimmte Wirkung auf das weltliche Leben haben und sein Einfluss spiegelt sich in der Physiologie und der Wesensart von Menschen. Das menschliche Wesen und die umgebende Welt existierten in einer perfekten Harmonie, und das Wissen über die Prozesse, denen das kosmische Gleichgewicht unterliegt, war der Schlüssel zu Langlebigkeit, Gesundheit und Unsterblichkeit des Geistes. Die Korrespondenzen zwischen den Säften, Planeten und Elementen können wir deshalb in eine Vergleichstabelle zwischen dem Mikro- und dem Makrokosmos aufzeigen:

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In der Jungianischen Psychologie korrespondieren die vier Elemente mit den vier Funktionen der Psyche: Empfindung, Gefühl, Denken und Intuition. Im spirituellen Sinne werden sie durch den ätherischen, den astralen, den mentalen und den kausalen Körper repräsentiert. Philosophen glaubten, dass das menschliche Wesen alle Qualitäten des Makrokosmos vereint, materielle wie spirituelle. Da sie drei Komponenten des menschlichen Geistes unterschieden (den vitalen, den natürlichen und den animalischen), hielten sie die Säfte für die konkretere Repräsentation dieser spirituellen Anlagen – in Form der Elemente stiegen sie im menschlichen Organismus in einem Zirkulationsprozess auf und ab, der die materiellen und immateriellen Teile des Menschen miteinander verband, was den Menschen zu einem vollständigen Mikrokosmos machte. Deshalb sahen die Denker der Antike und der Renaissance den Menschen als harmonische Reflektion und Ausgleich des ganzen Universums. Dies ist am Beispiel der neoplatonischen Rede an die Würde des Menschen, Pico della Mirandolas (1463 - 1494) zu sehen, die das menschliche Wesen als „den Vermittler zwischen den Geschöpfen, … den Herrn der Dinge unter ihm” oder „den Deuter der Natur” versteht. Diese Situation stattet den Menschen mit einem enormen Potential an Wandlungsfähigkeit und Kreativität aus.

Die esoterischen Korrespondenzen der Elemente

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„Magie ist die höchste Wissenschaft, die auf unserem Planeten existiert, weil sie sowohl das Metaphysische lehrt als auch die metaphysischen Gesetze, die auf allen Ebenen gültig sind.”14

Die Lehre der Elemente und ihrer zahlreichen Korrespondenzen wurde zur Grundlage vieler Arten magischer Praxis von der Antike bis heute. Rituale, Zeremonien und andere Feiern und Festlichkeiten basierten auf dem Kontakt mit der Natur, und die Rolle der Elemente war dabei immer von großer Bedeutung. Die Meisterung der umgebenden Welt war untrennbar mit der Meisterung der Prinzipien verbunden, aus denen das Universum bestand. Viele Rituale beinhalteten die Invokation von Elementarkräften, entweder zum Zweck der Reinigung wie in Bannritualen oder bei der Arbeit mit Kräften, die mit bestimmten elementaren Energien assoziiert wurden. Gottheiten, Dämonen, Engel, Elementale und andere Wesenheiten, die die Magier und Priester bei ihren Operationen beschworen, standen oft in Verbindung mit einem der vier Elemente, und die Struktur der magischen Operation basierte auf diesen Korrespondenzen.

Deshalb wurden die Elemente auch mit den vier Himmelsrichtungen assoziiert: Erde – Norden, Wasser – Westen, Luft – Osten und Feuer – Süden. Um den Kontakt mit den Energien der jeweiligen Richtung herzustellen, werden bestimmte Zeichen, Glyphen und Beschwörungen verwendet. Hier sind z.B. elementale Pentagramme zu nennen, die in Invokations- und Bannungsritualen verwendet werden. Die Elemente und die Himmelsrichtungen werden auch durch bestimmte Gottformen, Geister oder andere Wesenheiten repräsentiert. Unter den mythologischen Gottheiten, die mit den Elementen assoziiert und in magischen Operationen beschworen wurden, können wir folgende Beispiele nennen:

Erde
Aditi (hinduistisch) – die große Mutter, Aker (ägyptisch) – Gott der Erde, Anu (irisch) – Göttin des Landes und Muttergöttin der Tuatha de Danaan, Ceres oder Demeter (griechisch/römisch) – Göttin des Wachstums und der Fruchtbarkeit, die Wechselfrau (Apachen) – Göttin der Erde, Cerne oder Herne (keltisch) – gehörnter Gott / Geist der Wälder, Cernunnos (irisch/keltisch) – gehörnter Gott des Waldes und Wächter der Erdmysterien, Dionysos oder Bacchus (griechisch/römisch) – Gott des Weins und der Ekstase, Gaia (griechisch) – Erdgöttin, Geb (ägyptisch) – Gott der Erde, Gwynn ap Nudd (walisisch) – Gott der Unterwelt und der wilden Jagd, Hades oder Pluto (griechisch/römisch) – Gott der Unterwelt, Hlödyn (isländisch) – Göttin der Fruchtbarkeit, Min (ägyptisch) – Gott der Fruchtbarkeit, Nerthus – germanische Mutter Erde, Nu Kua (chinesisch) – Göttin der Schöpfung, Pan (griechisch) – die dunkle Gottheit der Natur und der Sexualität, Rhea (griechisch) – Göttin der Berge, Tezcatlipoca (toltekisch) – Gott des Krieges, des Todes, des Nordens, des Nachthimmels und der Unterwelt

Wasser
Amphitrite (griechisch) – Göttin des Meeres, Anuket (ägyptisch) – Göttin des Nils, Aphrodite (griechisch) – Göttin der Liebe und Schönheit, Apsu (babylonisch) – Got des Süßwassers, Chnum (ägyptisch) – Wächter der Nilquelle, Danaiden (griechisch) – Töchter des Danaus, die in den Hades verbannt wurden, um ewig Wasser in ein bodenloses Gefäß zu füllen, Glaukos (griechisch) – Gott der Seefahrer, Luturna (römisch) – Göttin der Quellen, Lyr oder Lir (keltisch) – alter König der Ozeane, Mimir – nordischer Wächter des Brunnens der Weisheit, Naiaden (griechisch) – Nymphen der Bäche, Quellen und Fontainen, Nimue (keltisch- arthurianisch) – Dame des Sees, Ningyo (japanisch) – Fischgöttin, die, wenn sie gegessen wird, ewige Jugend und Schönheit garantiert, Oceanos (griechisch) – Gott des äußeren Meeres, das die Erde umgibt, Poseidon oder Neptun (griechisch/römisch) – Gott des Meeres, Tiamat (babylonisch) – Drachengöttin der bitteren/salzigen Wasser, Triton (griechisch) – halb Mensch, halb Fisch, Ran (skandinavisch) – Göttin des Meeres und Königin der Ertrunkenen, Ea/Enki (akkadisch/sumerisch) – Gott des Meeres

Luft
Aeolos (griechisch) – Sohn des Poseidon, Herr der Winde, Anu (assyrisch/babylonisch) – Gott des Himmels (atmosphärisch), Jupiter oder Zeus (römisch/griechisch) – Gott des Himmels (sprituell), Boreas (griechisch) – göttliche Personifizierung des Nordwindes, Brahma (hinduistisch) – Schöpfer von Himmel und Erde, manchmal auf einem Schwan oder Pfau reitend dargestellt, Frigg (nordisch) – Göttin des Himmels, Hadad (syrisch) – Gott des Donners, Hera oder Juno (griechisch/römisch) – Königin des Himmels, Indra oder Svargapati (indisch) – Herr des Himmels (spirituell), Iris (griechisch) – geflügelte Regenbogengöttin, die mit der Geschwindigkeit des Windes reist, Lilith (semitisch) – geflügelte Dame der Luft, Nut (ägyptisch) – große Himmelsgöttin, Odin (nordisch) – Schöpfer des Kosmos, Perun (slawisch) – Gott des Donners, Rudra (hinduistisch) – Gott der Stürme, Quetzalcoatl (nahuatl) – Gott des Windes, allgemein dargestellt als eine gefiederte Schlange, Taranis (keltisch) – Gott des Donners

Feuer
Agni (hinduistisch) – Gott des Feuers und Wächter der Menschen, Apollo (griechisch) – Gott der Sonne, Arinna (phönikisch) – Sonnengöttin, Brigid (keltisch) – Feuergöttin, Govannon (keltisch) – Gott des Feuers und der Metalla, Hestia (griechisch) – Göttin des Herdes, Hephaistos oder Vulcan (griechisch/römisch) – Gott des Feuers und der Metallbearbeitung, Loki (skandinavisch) – Gott des Feuers und des Unheils, Marduk – babylonischer Sonnengott, Ra (ägyptisch) – Sonnengott, Surya (hinduistisch) – blendender Sonnengott, Surt (nordisch) – Feuerriese von Muspelheim, Svarog (slawisch) – Gott des Feuers und der Sonne, Typhon (griechisch) – ein Ungeheuer, dessen Schultern hundert Drachenköpfe entspringen, Xiuhtecuhtli (nahuatl) – Gott des Feuers

Die Elemente finden sich nicht nur in der invozierten/evozierten Energie, sondern auch in den Werkzeugen bei den magischen Operationen. Der Tempel des Magiers ist ein Abbild des Makrokosmos, dessen Altar enthält die vier Hauptwerkzeuge, die den Elementen entsprechen: Pentakel (Erde), Kelch (Wasser), Schwert/Dolch (Luft) und Stab (Feuer). Jedes dieser Werkzeuge wird in einem anderen Teil des Rituals und für unterschiedliche Zwecke gebraucht.

Das Pentakel ist das Werkzeug der Synthese, die Manifestation der Kraft auf der Erde. Es wird oft als Schild und gleichzeitig als Tor verwendet, abhängig von der Operation. Das Pentakel empfängt die invozierten Energien und bringt sie für die Verwendung in der Zeremonie ins Gleichgewicht, oder blockiert und neutralisiert unerwünschte Einflüsse. Dieselbe Funktion kann dem Spiegel oder dem Schild zugeschrieben werden. Als Werkzeug der Synthese steht es in Verbindung mit der Stille, der Bindung von Energien und dem Aufbau von Kraftreserven.

Der Kelch oder Kessel ist das Werkzeug des Empfangens, das Symbol des Schoßes und des weiblichen Prinzips des Bewahrens und Nährens, die Repräsentation von Tod und Geburt. Er steht für die Transformation der Wahrnehmung des Magiers in der Zeremonie, das Schaffen und Wiedererschaffen. Er ist der Torweg, durch den die Wahrnehmung die Reiche der Träume und der Imagination erreicht. Der Kelch ist ein Gefäß, das geweihte Getränke wie Wein oder auch gereinigtes Wasser enthält.

Das Schwert oder der Dolch ist die Waffe der Analyse, der Zerstörung und Zerstreuung von Energien. Deshalb wird er in Reinigungsritualen verwendet, um unerwünschte Energien zu bannen. Er ist das Symbol der Macht, das den Einfluss von Energien auf die materielle Ebene auflöst. Das Schwert ist üblicherweise stumpf und wird nie benutzt, um irgendetwas zu schneiden.

Der Stab oder der Stock ist das Symbol des wahren Willens des Magiers. Er projiziert den Willen des Magiers auf die materielle wie auch auf die astrale Ebene. Er wird verwendet, um Energie heraufzubeschwören und auszurichten. Der Stab ist das phallische Symbol, das mit der männlichen Energie in Verbindung steht, und deshalb die ausgerichtete Schöpfungs- und Lebenskraft des Magiers.

Die Anzahl der Elemente in der Natur ist das Symbol für Ausgleich und die Ordnung im Universum, und deshalb ist die Vier eine der Kardinalzahlen von Prinzipien, die die Welt der Natur in vielen religiösen, mystischen und magischen Traditionen bilden. Zum Beispiel gibt es in der Kabbala vier Welten parallel zu den zehn Sephiroth im kosmischen Baum des Lebens, und es gibt vier korrespondierende Ebenen, die das gesamte menschliche Wesen ausmachen: Den physischen Antrieb (Erde), die emotionale Natur (Wasser), die intellektuelle Fähigkeit (Luft) und die spirituelle Dimension (Feuer).

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Die gesamte Schöpfung basiert auf kosmischen Prinzipien, die in ihrer allgemeinen Form durch die vier Elemente/Welten repräsentiert werden und in einem komplexeren Sinne durch die zehn Sephiroth. Der Lebensbaum wird auch unterteilt in drei „Säulen”: Die weibliche passive Seite oder „die Säule der Stärke” (Binah, Geburah, Hod) und die aktive männliche Seite oder „die Säule der Gnade” (Chokmah, Chesed, Netzach). Zwischen ihnen gibt es eine neutrale Sphäre, die aus den vier verbleibenden Sephiroth besteht (Kether, Tiphereth, Yesod und Malkuth), die sogenannte „mittlere Säule” oder die „Säule des Bewusstseins.” Diese Säule, die sich von der höchsten zur niedrigsten Sephira erstreckt, ist der Hauptweg des mystischen Fortschritts vom Materiellen zum Spirituellen. Sie ist die Säule des Gleichgewichts, der die Rolle zukommt, die anderen beiden in der Balance zu halten. Wieder gibt es vier Ebenen, vier Stufen bei der Entwicklung des Bewusstseins. Die mittlere Säule ist die Axis mundi, die Weltachse, um die herum der Mikro- und Makrokosmos strukturiert ist. In einem mikrokosmischen Sinne ist diese Säule die Wirbelsäule im menschlichen Körper und die Basis der sogenannten Chakrenebenen. Dies entspricht andererseits den indischen tantrischen System, in dem der Adept sein Bewusstsein entsprechend dem Muster der sieben Chakren genannten Hauptebenen (Muladhara, Svadisthana, Manipura, Anahata, Vishuddha, Ajna, Sahasrara) entwickelt. Die transformierende Kraft ist die Kundalini, das Drachenfeuer, das erwacht, durch die einzelnen Chakrenebenen aufsteigt und bestimmte Kräfte und Fähigkeiten aktiviert. Die Chakren entsprechen auch den vier Elementen: Muladhara ist die Erde und ihr Äquivalent am kabbalistischen Lebensbaum ist die Ebene Malkuth/Lilith, Svadisthana ist das Element Wasser und es entspricht Yesod/Gamaliel, Manipura ist das Feuer und Anahata die Luft, zusammen entsprechen sie der Ebene Tiphereth/Thagirion, Vishuddha repräsentiert den Abyss und die verborgene Sephira Daath, Ajna und Sahasrara entsprechen der Ebene Kether/Thaumiel und repräsentieren das Ergebnis der Erweckung der anderen Chakren.

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Der Baum des Lebens/Todes

Die vier Phasen des spirituellen Fortschritts sind die Basis des alchemistischen Musters der vier Hauptprozesse im Opus Magnum: Nigredo, Albedo, Citrinitas und Rubedo. Daraus können wir folgende Vergleichstabelle erstellen:

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In vielen Metaphern für die kosmische Harmonie ist das Universum in vier Viertel unterteilt. Die Erde, die Himmel und die Unterwelt sind alle aus vier unterschiedlichen Sphären zusammengesetzt. Diese Vierteilung des Makrokosmos wird symbolisch durch den Tetramorph dargestellt. Der Tetramorph widerspiegelt die kosmische Ordnung, die von den Göttern nach der Bezwingung des Urchaos errichtet wurde. Er ist das Symbol des Lichts, der Schöpfung und der perfekten Struktur. Die vier Viertel des Universums werden von vier Wächtern der kosmischen Ordnung bewacht. Diese Idee ist auf der ganzen Welt verbreitet. In China sind es der grüne Drache, der weiße Tiger, der rote Vogel und der schwarze Krieger. In Tibet sind die kosmischen Wachen der Menschendrache, der schwarze Hund, der Geier Garuda sowie das Pferd mit dem Reiter. Das ägyptische Totenbuch nennt drei kosmische Tiere und eines mit einem Menschenkopf. In einem magischen Papyrus sieht man ein Krokodil, eine Schlange, einen Falken und das Horuskind auf einem Lotus. Auch in Mexiko gibt es rituelle Masken für die vier Herrscher: Das Krokodil, den Hund, den Geier und den Totenkopf. In der apokryphen Vision Hesekiels gibt es einen Löwen, einen Adler, einen Stier und einen Menschen. Im Tetramorph wird der Löwe traditionell rechts unten platziert, der Adler links oben, der Stier links unten und der Mensch rechts oben. Diese Geschöpfe haben in allen genannten Traditionen eine ähnliche Bedeutung. Es gibt immer zwei Charaktere, die die untere, chthonische, irdische Sphäre repräsentieren (der Stier und der Löwe) und zwei andere, die das überirdische, himmlische Reich repräsentieren (der Adler und der Mensch). In den religiösen und magischen Traditionen sind sie alle auf der Axis mundi zu finden, was sich auch im babylonischen Mythos von Etana widerspiegelt: Die Schlange und der Adler leben harmonisch im Baum (der Axis mundi), bis der Adler den Nachwuchs der Schlange frisst. Die Schlange bittet dann Shamash (den Sonnengott) um Gerechtigkeit und Bestrafung des heimtückischen Adlers. Shamash rät ihr, sich im Kadaver eines Stiers zu verstecken und wirft den Adler in die Unterwelt. Als Sühne für dieses Verbrechen muss der Adler den Menschen/Etana in den Himmel tragen. Die ganze Geschichte dreht sich um diese vier kosmischen Wesen – die Schlange, den Adler, den Stier und den Menschen. In der babylonischen Tradition gibt es die Wächter der kosmischen Viertel. Darüber hinaus gibt es weitere Hinweise auf die astrologische Vierteilung des Universums. Die babylonische Astrologie unterteilt den Himmel in die „Wege der Götter”, den Weg von Anu, den Weg von Enlil und den Weg von Ea. Diese sind die Pfade, auf denen die Sonne auf ihrem jährlichen Weg durch die vier Hauptrouten „reist”: Auf dem Weg von Ea beginnend, nördlich durch den Weg von Anu, durch den Weg von Enlil, südlich den Weg von Anu zurück und schließlich zurückkehrend zu Ea. Diese Wege repräsentierten symbolisch die vier Zeichen des Tierkreises: Stier (der nördliche Weg von Anu zu Enlil), Löwe (südlich von Enlil zu Anu), Skorpion (südlich von Anu zu Ea) und Wassermann (nördlich von Ea zu Anu).

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Tetramorph, aus dem Book of Kells, ca. 800

Die vier archetypischen kosmischen Wesen korrespondierten auch mit der Sphinx, dem Geschöpf mit dem Gesicht einer Frau, einem Schlangenschwanz, Löwenkörper und Adlerflügeln. Die Sphinx war immer ein weithin bekanntes Symbol des „höchsten Rätsels”, der Quintessenz, die die vier kosmischen Prinzipien vereint und sie mit dem fünften durchtränkt – dem Geist. Ein ähnliches Symbol ist der Drache, der die Synthese der vier Elemente repräsentiert (der Körper die Erde, der Atem das Feuer, die Flügel die Luft und die Schuppen das Wasser) und deshalb zur Quintessenz wird. Die Quintessenz ist das Zentrum des Tetramorphs. Sie bindet und beherrscht die anderen Prinzipien. Ihre Ikonografie schließt oft einen Kreis oder eine Mandorla in der Mitte von vier umgebenden Punkten ein. Das Zentrum ist der Nabel der Welt (Omphalos mundi), um den die ganze Schöpfung aufgebaut ist. Solch ein Punkt ist z.B. der Berg Meru in der buddhistischen Kosmologie – der Nabel der Welt und die Axis mundi: In dieser Kosmologie fließen in den vier Flüssen, die dem Berg entspringen, Wasser (blauschwarz), Milch (weiß), Honig (gelb) und Wein (rot), was den vier alchemistischen Prozessen (Nigredo, Albedo, Citrinitas, Rubedo) und den vier Säfteen (schwarze Galle, Schleim, gelbe Galle und Blut) entspricht. Der Berg hat auch entsprechende Seiten an seiner pyramidenförmigen Spitze: Süden – blau (Lapislazuli oder Saphir), Osten – weiß (Kristall, Silber oder Diamant), Norden – gelb (Gold), Westen – rot (Rubin). Die vier Inseln, die den Berg Meru umgeben, werden auch mit den vier Elementen assoziiert, und die Zentralinsel, auf der sich der Berg Meru befindet, entspricht dem fünften Element, der Quintessenz.15

Im mikrokosmischen Sinne repräsentieren diese vier kosmischen Prinzipien im Tetramorph menschliche Qualitäten und Charakterzüge: Der Stier Beständigkeit, Stabilität, Opfer und Stärke, der Löwe Kraft, Bewegung, Majestät und Intuition, der Adler Intelligenz, Aktivität und Emotionalität, und der Mensch Denken und Einsicht. Nach einer anderen Interpretation ist der Stier die pure Substanz, der Löwe der inkarnierte Geist, der Adler Tod und Erneuerung, und der Mensch das Zusammenspiel von perfektem Wissen und perfekter Form. Der Tetramorph repräsentiert auch andere Vierfältigkeiten, die diesen kosmischen Prinzipien entsprechen. Es gibt eine Parallele zwischen ihnen und den vier Farben der kleinen Arkana im Tarot. Sie können sich aber auch auf die „Quaternität der Merkabah” beziehen, die vier Sephiroth nach dem Jungianischen Muster: Stier – Geburah, Löwe – Chesed, Adler – Chokmah und Mensch – Binah. In der christlichen Symbolik können die vier archetypischen Wächter mit den vier Evangelisten gleichgesetzt werden. Die vierfältige Struktur der natürlichen Welt beinhaltet auch die vier Hauptwinde in der griechischen Mythologie: den nassen Westwind (Zephyros), den heißen Südwind (Notos), den trockenen Ostwind (Apeliotes) und den kalten Nordwind (Boreas). Ähnlich verhält es sich mit den vier Unterweltflüssen, die den Eingang zur Welt der Toten bilden: Phlegethon (Hitze), Cocytos (Trockenheit), Styx (Kälte) und Acheron (Feuchtigkeit).

Die Symbolik der Melancholie

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„Was wir üblicherweise die ‚äußere Realität‘ nennen, scheint Tiefe und Transparenz zu haben. Nichts ist nur so, wie es zu sein scheint.”16

Die Lehre der Elemente und ihrer Korrespondenzen könnte noch detaillierter abgehandelt werden, aber da unser Hauptinteresse auf der Melancholie liegt, sollten wir nun einen näheren Blick auf die Symbolik werfen, die dieses mystische Phänomen betrifft. Die unten stehende Liste ist keineswegs vollständig und es gibt offensichtlich viele weitere Korrespondenzen, die hinzugefügt werden könnten, doch sie deckt die meistgenannten Charakteristika ab und liefert das traditionelle Bild der Melancholie sowie der esoterischen Bedeutung.