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Nr. 73

 

Das Milliardenprojekt

 

Ein kosmisches Gaunerstück wird vorbereitet – ein Mann der USO soll das Opfer sein

 

von Kurt Mahr

 

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Auf Terra, den Welten des solaren Imperiums und den Stützpunkten der United Stars Organisation schreibt man Mitte Oktober des Jahres 2841. Dieses 29. Jahrhundert ist eine Zeit, in der die solare Menschheit oder die Menschheit von den Welten der ersten Siedlungswelle wieder nach den Sternen greift und sich weiter im All ausbreitet. Es ist eine Zeit der großen Erfolge und großen Leistungen – es ist aber auch eine Zeit voller Gefahren und Überraschungen.

Eine solche Überraschung kommt auf die USO und deren Staragenten Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon zu.

»Tek« und »Ken«, die bislang unangefochten unter ihrer Deckadresse als Chefs der UHB, der »Unabhängigen Hilfsinstitution für Bedrängte«, ihr eigenes kleines Sonnensystem regiert haben, bekommen es mit Gaunern zu tun, die sich für das Betriebskapital der UHB interessieren.

Der Aktivatorträger Ronald Tekener, der sich in Hunderten schwierigster Einsätze brillant geschlagen hat, fällt auf einen Trick herein, mit dem er nicht gerechnet hat.

Und die kosmischen Gauner triumphieren – ihnen geht es um DAS MILLIARDENPROJEKT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon – Chefs der Unabhängigen Hilfsorganisation für Bedrängte.

Atlan – Der Lordadmiral erteilt eine Rüge.

Tahoon, Welitsch und Poalu – Angestellte der UHB.

Phoras von Chatron und Minart Kadebku – Ein Bankier und ein Positroniker planen ein Gaunerstück.

Matur Penetschky – Ein »Patient«.

1.

 

Erschaudernd und fröstelnd blickte er über die dunkle, baumlose Ebene, über die der kalte Wind pfiff. Weit im Hintergrund erhoben sich im Dämmerlicht die sanft geschwungenen Kurven einer Hügelkette, deren ecken- und kantenlose Umrisse von der Macht des Sturmes zeugten, der seit Jahrtausenden über diese Ebene pfiff. Und doch lebten intelligente Wesen in diesem Land. Gegen den finsteren Hintergrund der Hügel hoben sich die Silhouetten ihrer Häuser nicht ab; aber die Lichter waren zu sehen, mit denen sie ihre Wohnungen und Straßen beleuchteten.

Es war später Nachmittag auf dieser fremden Welt. Die trübe, rote Sonne stand seitwärts der Hügel, dicht über dem Horizont. Ihre Leuchtkraft reichte nicht aus, um den trostlosen Eindruck der Düsterkeit zu zerstreuen.

Er stand am oberen Ende der schiffseigenen Landebrücke, die die PHORTHA, Mystongs Schiff, hatte ausfahren müssen, weil es auf dem primitiven Raumhafen von Pa-Orth keine Vorrichtung zur Ausschiffung von Passagieren gab. Mystong selbst war schon vor ihm das bläulich leuchtende Prallfeld hinabgeglitten und wurde unten von einer Gruppe hochgewachsener, dürrer Aras begeistert begrüßt – soweit Aras in der Lage waren, Begeisterung zu zeigen.

Er konnte sich nicht entschließen, den entscheidenden Schritt zu tun. Die Welt, die er sah, kam ihm so trostlos vor wie sein eigenes Schicksal. Es war schwer zu glauben, dass intelligente Wesen sich freiwillig hier angesiedelt hatten. Pirac-Naych war eine kalte, gottverlassene Ödwelt, abseits aller Schifffahrtswege am Rande des akonischen Einflussbereichs gelegen. Die Bevölkerung bestand aus fünfundzwanzigtausend Aras, deren ungestümer Forschungsdrang sie so skrupellos hatte werden lassen, dass sie selbst ihren Rassegenossen, die keineswegs für die Vielzahl ihrer Skrupel berühmt waren, schließlich verdächtig wurden. Hier, auf dieser Welt, auf der sie sich mit Erlaubnis der akonischen Regierung endlich niedergelassen hatten, gingen sie ihren Forschungen nach und erzielten dabei Resultate, die den Völkern der Milchstraße haarsträubend erschienen wären, wenn sie davon gewusst hätten.

Er jedoch war nach Pirac-Naych gekommen, um Schmerzen zu erdulden. Er würde sich martern und mit Giften infizieren lassen, er würde dulden, dass sein Körper von fremdartigen Krankheiten zerwühlt und seine Kräfte von geheimnisvollen Drogen aufgesaugt wurden. Und wenn er Glück hatte, würde er mit dem Leben davonkommen.

War das wirklich alles?

Nein. Er war gekommen, um zehn Millionen Solar zu verdienen. Um ihretwillen würde er alle Schmerzen und Krankheiten auf sich nehmen. Denn ohne dieses Opfer zu bringen, würde es ihm nicht gelingen, an die zehn Millionen heranzukommen.

Mystong hatte ihm versichert, dass seine Überlebensaussichten vorzüglich seien. Und er glaubte Mystong. Nicht nur, weil Mystong sich die besten Fachleute der Galaxis ausgesucht hatte, sondern hauptsächlich deswegen, weil Mystong, wenn er nicht überlebte, nicht in den Besitz der weitaus größeren Summe kommen würde, von der sein »Honorar«, die zehn Millionen Solar, nur eine winzige Krume war. Zur Ausführung von Mystongs großem Plan bedurfte es eines Werkzeuges, das an kritischer Stelle einzusetzen war.

Und dieses Werkzeug war er.

Matur Penetschky, der Mann von der Erde, der auf Pirac-Naych als »der Patient« bekannt geworden war, bevor er noch den Fuß auf die Oberfläche der Ödwelt gesetzt hatte.

Bei diesen Gedanken gewann Matur neuen Mut. Er würde überleben, was vor ihm lag, und aus dem Unternehmen als ein reicher Mann hervorgehen. Er betrat entschlossen die Gleitbrücke und ließ sich nach unten tragen. Mystong und die Gruppe von Aras, die das Empfangskomitee bildeten, hatten auf ihn gewartet. Wortlos wurde er in die Mitte genommen und auf ein wartendes Fahrzeug zugeführt. Es handelte sich um einen geräumigen Gleiter, in dem Mystong, Matur und die Aras bequem Platz fanden. Das Fahrzeug setzte sich in Bewegung, sobald sich das letzte Luk geschlossen hatte. Es ging geradewegs und mit hoher Geschwindigkeit über die kahle Ebene, bis die Lichter der Ara-Siedlung fast in greifbare Nähe gekommen waren. Matur sah einstöckige, langgestreckte Bauten, die wie altmodische Baracken aussahen und jeglicher Anmut entbehrten. Vor einem dieser Gebäude hielt der Gleiter. Das Luk, neben dem Matur saß, öffnete sich. Fast gleichzeitig glitt der Eingang zur Baracke beiseite und enthüllte einen dürftig erleuchteten Gang, der ins Innere des primitiven Bauwerks führte.

Mystong sagte:

»Wir sind am Ziel, mein Patient. Steig aus und vertraue dich den Leuten an, die dich dort drin erwarten.«

Matur gehorchte. Schwerfällig stieg er aus dem Gleiter und tat zwei, drei zögernde Schritte auf den Eingang der Baracke zu. Im Hintergrund des Ganges sah er zwei weißgekleidete Aras, die auf ihn gewartet zu haben schienen. Als sie ihn erblickten, kamen sie näher. Er überwand den Widerwillen, den er bei ihrem Anblick unwillkürlich empfunden hatte, und schritt durch die Türöffnung.

Einen Atemzug später glitt die Tür hinter ihm ins Schloss. Sie tat es mit dumpfem Knall, und Matur Penetschky, der sich selbst noch vor wenigen Minuten zu verhaltenem Optimismus überredet hatte, kam sich vor, als hätte sich soeben eine tödliche Falle rings um ihn geschlossen.

 

*

 

Mystong war ein Mann, den nicht so leicht einer übersah und den kaum je einer vergaß, der ihn jemals zu Gesicht bekommen hatte. An seiner Körperlänge fehlten nur sieben Zentimeter, um die zwei Meter voll zu machen. Dabei war er schwer und wuchtig gebaut, ohne dass sich an ihm ein Gramm überflüssigen Fettes hätte entdecken lassen. Er hatte die samtbraune Hautfarbe der akonischen Rasse. Sein Gesicht war von markanten Zügen gezeichnet. Er hatte buschige Augenbrauen und ein Paar durchdringend blickender Augen. Über der linken Braue trug er eine kleine Narbe, die von einem Schnitt herrührte und die er durch kosmetische Mittel zu entfernen nicht für nötig gehalten hatte. Wenn er in Erregung geriet, färbten sich die Ränder der Narbe tiefrot.

Mystong lächelte selten, aber wenn er es tat, veränderte sich sein Gesicht auf merkwürdige Art und Weise. Die Züge, die bisher Entschlossenheit und Härte ausgedrückt hatten, wurden weich. Leute, die Mystong kannten, behaupteten, dass sich unter dem Mantel der Rücksichtslosigkeit und Härte, mit dem Mystong sich umgab, ein feiges Herz verbarg. Aber niemand war dem Akonen jemals nahe genug gekommen, um die Richtigkeit dieser Vermutung zu beweisen.

Auf Pirac-Naych wurden derartige Überlegungen kaum angestellt. Für die fünfundzwanzigtausend Aras, die auf der Ödwelt lebten, war Mystong ein Wohltäter, ohne dessen Wohlwollen ihnen das Leben auf Pirac-Naych wesentlich härter angekommen wäre. Die Aras auf der Ödwelt gehörten der Sekte der Ortanorer an. Der Stifter der Sekte war ein Ara-Biochemiker namens Ortano gewesen, der mit religiösem Eifer den Standpunkt vertreten hatte, dass vor dem Eifer des Forschers jedes moralische Bedenken zu schweigen hätte, während es unter den Aras normalerweise üblich war, von der »Abschwächung moralischer Skrupel gegenüber der Notwendigkeit der Forschung« zu sprechen. Ortano hatte bald eine Gruppe von Eiferern um sich herum versammelt, deren Tätigkeit den ohnehin schon nicht makellosen Ruf der Aras noch zusätzlich in Gefahr brachte. Auf Aralon, der Heimatwelt der Aras, hatte man begonnen, in den Ortanorern eine ernsthafte Gefahr zu sehen, denn wenn die Milchstraße auf die Umtriebe der Ortanorer aufmerksam wurde, würde sich der allgemeine Unwille auf sämtliche Aras erstrecken. Man gab den Eiferern zu verstehen, dass sie auf Aralon nicht sonderlich gern gesehen seien, und die Anhänger Ortanos zogen schließlich daraus die Konsequenzen. Sie verließen die Heimatwelt, damals knapp zweitausend, und wandten sich an den Regierenden Rat des akonischen Reiches, der ihnen das abseits gelegene Sonnensystem Mayichi-Orta zur Verfügung stellte. Auf dem zweiten der insgesamt vier Planeten des Systems siedelten die Ortanorer sich an. Die Welt war karg, das Leben war hart. Und die Akonen, obwohl sie sich den Bitten der Ortanorer gegenüber so großzügig erwiesen hatten, bedachten die Sektierer im Grunde mit demselben Misstrauen wie ihre eigenen Rassegenossen. Es wurde den Abtrünnigen fast unmöglich gemacht, Kredit zu erhalten, den sie zum Aufbau ihrer Ansiedlungen auf Pirac-Naych so notwendig brauchten.

In diese Lage hinein erschien der Akone namens Mystong wie ein Erlöser. Aus Gründen, nach denen niemand fragte, hielt er die Sache der Ortanorer für unterstützenswert. Als Eigentümer oder Teilhaber verschiedener akonischer Großbanken sorgte er zunächst dafür, dass den Abtrünnigen Kredit gewährt wurde. Er richtete ein Versorgungsnetz ein, das Pirac-Naych regelmäßig mit allem Lebensnotwendigen versorgte. Dabei kam er nicht zu kurz. Die Zinsen, die die Ortanorer auf ihre Darlehen zahlten, waren überdurchschnittlich hoch, und die Preise, die sie für die angelieferten Waren zu entrichten hatten, lagen weit über den gebräuchlichen Werten. Dass Mystong trotzdem als Wohltäter betrachtet wurde, lag daran, dass die Ortanorer zuvor niemand gefunden hatten, der geschäftliche Verbindungen mit ihnen hätte aufnehmen wollen.

Der Schlauheit der Aras entging nicht, dass Mystong mit seinem Unternehmen ein bestimmtes Ziel verfolgte – dass er ihnen eines Tages für die Bereitwilligkeit, ihnen auszuhelfen, eine Rechnung stellen würde. Der Tag hatte nicht lange auf sich warten lassen. Mystong hatte sich an Kira-Kon, den Ratsvorsitzenden von Pirac-Naych, gewendet, um sich von ihm Rat bezüglich der kosmetischen Behandlung eines gewissen Patienten einzuholen. Kira-Kon hatte den Hinweis gut verstanden und Mystong sofort angeboten, die Behandlung auf Pirac-Naych vornehmen zu lassen. Mystong war scheinbar zögernd auf den Vorschlag eingegangen. Seine Zurückhaltung hatte sich leicht zerstreuen lassen, und heute war der Patient auf Pirac-Naych eingetroffen.

Kira-Kon, über zweihundert Jahre alt und Schüler und Apostel des längst verstorbenen Sektengründers Ortano, bat den mächtigen Mystong zu einer Besprechung in sein Privatquartier, nachdem man sich vergewissert hatte, dass der Patient sicher untergebracht war. Kira-Kons Wohnung befand sich in einem kleinen, schuppenähnlichen Gebäude. Die Einrichtung war spartanisch. Mystong hatte Mühe, seine muskulöse Körpermasse den scharfen Kanten eines schmalen, hochlehnigen Sessels anzupassen.

»Das Projekt kann sofort beginnen«, eröffnete Kira-Kon die Unterhaltung, »falls du die nötigen Unterlagen mitgebracht hast.«

»Habe ich«, bestätigte der Akone. »Schicke einen deiner Leute zum Schiff. Die Dinge werden ihm dort ausgehändigt. Für mich geht es jetzt darum, von dir eine Versicherung zu erhalten, dass an diesem Projekt ganze Arbeit geleistet und dass die Sache nicht unmäßig lange dauern wird.«

Kira-Kon entblößte die Zähne zu einem kalten Lächeln.

»Wir sind Ortanorer. Bei uns wird immer ganze Arbeit geleistet«, gab er in belehrendem Tonfall zurück. »Was die Dauer des Projektes anbelangt, so haben wir von einem Standardjahr gesprochen, wie du dich erinnerst.«

»Ich erinnere mich. Aber ein Jahr ist zu lang. Das Projekt ist für mich nur von Nutzen, wenn es innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden kann.«

»Das ist unmöglich«, erwiderte Kira-Kon steif. »Ein solches Vorhaben lässt sich nicht in einem halben Jahr ausführen.«

Es gab Rede und Gegenrede, und schließlich einigten sie sich auf acht Monate. Danach brachte Kira-Kon mit einer Behutsamkeit, die Mystong sofort misstrauisch machte, ein neues Thema zur Sprache.

»Du weißt ebenso gut wie ich«, begann er, »dass jedes Werk, das unsere Hände verrichten, von zwei Seiten betrachtet werden kann. Da ist einmal die technische Seite – nämlich die Frage, ob der Arbeitende die Kenntnisse und Werkzeuge besitzt, die er braucht, um das Werk zu verrichten. Und dann ist da die emotionelle Seite. Der Arbeitende muss sich mit seinem Werk identifizieren können. Er darf es nicht als einen Zweck in sich selbst sehen, sondern muss es im Rahmen des größeren Ganzen betrachten, in den es hineinpasst.«

Er musterte Mystong erwartungsvoll.

»Das ist mir geläufig«, antwortete der Akone leicht verwundert, als wüsste er nicht, worauf Kira-Kon hinzielte.

»Nun, diese Überlegungen treffen im besonderen auf diesen Fall zu, da es sich um ein besonders delikates, künstlerisches Projekt handelt.«

»Aha«, machte Mystong und brachte mit seiner Weigerung, nach dem Köder zu schnappen, den Ara in sichtliche Verlegenheit.

»Du verstehst, worauf ich hinaus will«, drängte er. »Dein Projekt erscheint uns bis jetzt als ein abgekapseltes, von der Umwelt isoliertes Ding. Ein solcher Eindruck ist für das Gelingen des Werkes schädlich. Der Arbeitende muss wissen, wozu ...«

Er unterbrach sich mitten im Satz, als Mystong abrupt aufstand.

»Hör zu, alter Mann!«, erklärte er mit schwerer Stimme, in der die Ahnung einer Drohung mitschwang: »Ich habe dir ein Projekt anvertraut, für das du bezahlt wirst. Und für bares Geld wirst du dir angewöhnen, die emotionelle Seite zu vergessen und das Projekt als Selbstzweck zu betrachten, ohne dass die Qualität der Arbeit darunter leidet. Ich habe nicht die Absicht, dich oder irgend jemand sonst in meine Pläne einzuweihen. Ist das klar?«

Kira-Kon hatte sich ängstlich geduckt, als fürchte er, geschlagen zu werden.

»Das ist vollständig klar, Freund Mystong«, beeilte er sich zu versichern.

Mystong verließ die Hütte des Alten und kehrte zum Schiff zurück. Unterwegs grinste er vor sich hin. Kira-Kon hielt ihn für dumm, wenn er glaubte, sich auf so plumpe Art und Weise in ein Milliardenprojekt einschleichen zu können.

 

*

 

Das Feuer wollte ihn verzehren, und dennoch fror er. Er schrie und hörte selbst die eigene Stimme nicht. Grelles, schmerzendes Licht umgab ihn, und doch schwebte er in völliger Finsternis.

Seine Gedanken waren wach, aber verwirrt. Mit Mühe erinnerte er sich an seinen Namen: Der Patient. Nein, nein, das war der Name nicht. So nannten ihn die hässlichen, dürren Gestalten, die Tag und Nacht an seiner Seite waren. Er hieß in Wirklichkeit ...

Er konnte sich nicht erinnern. Er war krank. Die Dürren hatten ihm gesagt, dass er an einer entsetzlichen, heimtückischen Krankheit litt. Sie war so selten, dass noch niemand ein wirksames Heilmittel dagegen entwickelt hatte. Sie fraß den Körper von innen heraus auf, und von tausend Erkrankten kam im Durchschnitt nicht mehr als einer mit dem Leben davon, und auch der war gezeichnet bis in alle Ewigkeit.

Er war der eine unter den tausend. Er würde überleben. Die Dürren hatten es ihm versichert. Denn er war wichtig. Er musste gerettet werden. Es lag viel daran, dass er überlebte. Wem lag viel daran? Ihm selbst, natürlich. Aber auch anderen. Anderen? Einem anderen. Wer war er? Er wusste es nicht mehr, aber er sah ihn deutlich vor sich: hochgewachsen, breitschultrig, mit kantigem Gesicht, das unter dem Einfluss eines Lächelns alle Härte verlor und schwächlich wirkte, und mit einer Narbe, die rot zu leuchten begann, wenn er sich erregte. Ein mächtiger Mann, aber an seinen Namen erinnerte er sich trotzdem nicht.

Zehn Millionen, diese Zahl spielte in seinen wirren Überlegungen eine wichtige Rolle. Zehn Millionen was? Zehn Millionen Solar. Um ihretwillen ließ er sich vom Feuer verzehren und vom Schmerz zerreißen. Er erinnerte sich nicht mehr, wie er in den Besitz des Geldes gelangen würde, aber er wusste, dass die Tortur, die er über sich ergehen ließ, eine wichtige Rolle spielte. Er musste sich quälen lassen, oder er würde das Geld nicht bekommen.

An dieser Stelle im verworrenen Fluss seiner Gedanken rollte eine neue Schmerzwelle über ihn hinweg und löschte sein Bewusstsein vorübergehend aus.

Der Ara, der unmittelbar neben der Liege saß, las einige Messinstrumente ab und murmelte befriedigt. Von einem kleinen Schalttisch an der gegenüberliegenden Wand des kahlen Raumes zog er ein Mikrophon zu sich herüber und sprach einen neuen Eintrag in das Projekt-Logband:

»Der Patient hat die erste, kritische Phase der künstlich administrierten Krankheit mit nomineller Schwächung überstanden.«

 

*

 

In den kommenden Monaten ließ Mystong sich hin und wieder auf Pirac-Naych sehen. Bei jedem Besuch erkundigte er sich gelegentlich nach dem Verlauf des Projekts und studierte mit einer Sachkenntnis, die die Aras überraschte, die im Verlauf der Behandlung angefertigten Unterlagen. Er fand nicht viel zu bemängeln. Kira-Kon und seine Leute leisteten ganze Arbeit.

Als Mystong siebeneinhalb Monate nach dem Beginn des Projekts zum fünften Mal auf Pirac-Naych landete, brachte er einen Begleiter mit. Der Mann, den er den Aras mit dem Namen »Info« vorstellte, war unverkennbar Terraner. Mit 1,58 Meter lag seine Körpergröße weit unter dem Durchschnittswert seiner Rasse. Wer jedoch hinter der Zwergengestalt einen Zwergencharakter vermutete, der täuschte sich. Info war ein Positroniker, der sein Fachgebiet genial beherrschte. Wenn er den Aras, die für den Patienten verantwortlich waren, Ratschläge erteilte, dann hatten sie Hand und Fuß. Wer ihm widersprach, dem trat er mit Ruhe und überwältigender Sachkenntnis entgegen und machte ihn so fertig, dass der Widersprechende froh sein musste, wenn er sich noch einigermaßen würdevoll aus der Affäre ziehen konnte.

Den Aras wurde plötzlich klar, woher Mystong sein erstaunliches Sachwissen bezog. Er machte keinen Hehl daraus, dass Info ihm von Anfang an als Ratgeber zur Seite gestanden hatte. Vor jedem Besuch auf Pirac-Naych hatte er sich von dem kleinen Terraner mit den Details der einzelnen Phasen der Behandlung vertraut machen lassen und war so in der Lage gewesen, als Fachmann aufzutreten.