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Nr. 74

 

Das Imperium der Gauner

 

Ein Betrüger in der Rolle Tekeners – Gangster suchen den Weg zur Macht

 

von Kurt Mahr

 

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Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der United Stars Organisation schreibt man Anfang November des Jahres 2841. Dieses 29. Jahrhundert ist eine Zeit, in der die solare Menschheit oder die Menschheit von den Welten der ersten Siedlungswelle wieder nach den Sternen greift und sich weiter im All ausbreitet. Es ist eine Zeit der großen Erfolge und großen Leistungen – es ist aber auch eine Zeit voller Gefahren und Überraschungen.

Eine solche Überraschung kommt auf die USO und deren Staragenten Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon zu.

»Tek« und »Ken«, die bislang unangefochten unter ihrer Deckadresse als Chefs der UHB, der »Unabhängigen Hilfsinstitution für Bedrängte«, ihr eigenes kleines Sonnensystem regiert haben, bekommen es mit Gaunern zu tun, die sich für das Betriebskapital der UHB interessieren und im Zuge ihrer Maßnahmen Tekener kidnappen.

Der Aktivatorträger, der sich bisher in Hunderten von schwierigen Einsätzen brillant geschlagen und in seiner wildbewegten Karriere eigentlich nie versagt hat, wird zudem noch als USO-Agent entlarvt.

Er ist zu hilflosem Warten verurteilt – und seine Gegner setzen den Grundstein für DAS IMPERIUM DER GAUNER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Ronald Tekener – Der USO-Spezialist in der Hand von Gangstern.

Matur Penetschky – Tekeners Double.

Phoras von Chatron und Minart Kadebku – Zwei Gangster riskieren alles.

Marcor Tulaire – Atlans Sonderkurier und Tekeners Freund.

Harpy Sonnef und Karrel Mottang – Tulaires zweifelhafte Helfer.

1.

 

Marcor Tulaires riesige, bärenhafte Gestalt füllte den mächtigen Sessel mühelos aus. Der breitschultrige Afroterraner beobachtete mit der leicht gelangweilten Miene des Weitgereisten den Bildschirm, auf dem eine kleine Ödwelt zu sehen war. Die KAPO-III, ein mittelgroßer, schneller Frachter der Interstellar Trade and Transport Co., schickte sich zur Landung an.

Gegen den schwarzen Hintergrund des Alls erblickte Tulaire mehr als ein Dutzend kräftiger, teilweise bizarr geformter Lichtflecken, Schwestergestirne des kleinen Planeten, auf dem die KAPO-III in einer knappen halben Stunde landen würde. Das System Startek bestand aus einer roten, altersschwachen Sonne und insgesamt vierunddreißig Planetoiden, die ihr Muttergestirn auf teilweise höchst exotische Bahnen umliefen. Von den Planetoiden war Satisfy mit einer Längsdimension von knapp zweihundert Kilometern der größte. Außerdem war er der einzige, der Siedler angelockt hatte.

Satisfy war Marcor Tulaires Ziel.

Tulaires Blick verriet plötzlich erwachendes Interesse, als über den niedrigen Horizont des Asteroiden drei schimmernde Kuppeln ins Blickfeld wuchsen. Unter den Kuppeln lebten die Bewohner von Satisfy, eine seltsame Mischung aus Schiebern, Gaunern, Abenteurern und Geheimdienst-Spezialisten. Satisfy war der Sitz der Unabhängigen Hilfsinstitution für Bedrängte, der auch gleichzeitig das ganze Startek-System gehörte und die wiederum Alleineigentum zweier Männer war – Sinclair M. Kennon und Ronald Tekener.

So gut wie niemand wusste, dass Kennon und Tekener hochrangige USO-Spezialisten waren, die das Startek-System erworben hatten und die Hilfsinstitution, allgemein UHB genannt, als Fassade benutzten, um auf Startek einen Freihafen für Gangster und Schieber anzulegen, aus dem ein ständiger Strom wichtiger Informationen in die Rechner und Archive der United Stars Organisation floss. Marcor Tulaire gehörte zum Kreis der Eingeweihten, da er selber USO-Spezialist im Range eines Captains war. An Bord der KAPO-III, die mit einer Ladung Lebensmittel und Textilien nach Satisfy unterwegs war, galt er als Handelsspezialist, ein Titel, der alles und nichts besagte. Unter den wenigen Passagieren hatte er mit Erfolg den Eindruck zu erwecken verstanden, er sei ein Mann, der hauptsächlich in »heißer Ware« handele – wobei auch der Begriff heiße Ware zunächst undefiniert blieb. Mit solchen Andeutungen hatte er besonders das Interesse eines kleinen, drahtigen Mannes erweckt, der sich Harpy Sonnef nannte und sich auf Satisfy einen Job suchen wollte. Sonnef war unbestimmbarer Herkunft, mittleren Alters und hatte flinke Augen, die dem direkten Blick gewöhnlich auswichen. Er erweckte den Eindruck eines Wiesels, und unter diesem Spitznamen war er auf der insgesamt einhundertstündigen Reise auch bekannt geworden.

Das Wiesel seinerseits hatte auch bei Marcor Tulaire Aufmerksamkeit erregt, denn der Name, den er als den seines künftigen Arbeitgebers nannte, war Phoras von Chatron, der Besitzer der Bank für Galaktische Freundschaftsgewinnung. Sonnef gab zu, dass Phoras von seinem Glück noch nichts wusste, aber im großen und ganzen war er zuversichtlich und hatte keinen Zweifel, dass Phoras von Chatron ihn sofort anstellen werde, sobald er von seinen Qualifikationen erfahre. Welcher Art diese Qualifikationen waren, darüber schwieg das Wiesel sich aus.

Als er diese Reise antrat, war Phoras von Chatron, ein Akone, der sich vor nicht allzu langer Zeit auf Satisfy niedergelassen hatte, für Marcor Tulaire eine unbekannte Person gewesen. Erst auf dem Wege hierher hatte er durch einen Hyperfunkspruch, der angeblich von seiner Firma kam und aus völlig unverfänglichem Text bestand, von den jüngsten Vorgängen auf Satisfy erfahren.

Tulaires Aufgabe war ursprünglich, mit Kennon und Tekener deren bevorstehenden Einsatz auf Ferrol zu besprechen. Dazu hatte er eingehende Anweisungen von Lordadmiral Atlan erhalten. Ferrol lag im Wega-System und hatte in jüngster Zeit durch blutige Unruhen von sich reden gemacht. Da es sich dabei um die Freiheit und das Wohlergehen intelligenter Wesen drehte, war dies ein Fall für die USO. Und da es sich um einen komplizierten Fall handelte, wurde er den beiden Star-Spezialisten Tekener und Kennon übertragen.

Inzwischen jedoch war Tekener, als er eigenmächtig einer internen Angelegenheit nachging, in eine Falle geraten und von einer Paytra-Spinne gebissen worden. Tekener war erst halb wieder auf den Beinen, und Atlan hatte die Entscheidung getroffen, dass Sinclair M. Kennon den Auftrag Ferrol zunächst alleine übernehmen solle. Diese Entscheidung sowie die Einzelheiten der Vorgänge, die mit Tekeners Verletzung im Zusammenhang standen, waren Inhalt der Hyperfunkbotschaft gewesen, die Tulaire mangels positronischen Gerätes in seiner Kabine per Band mühselig entschlüsselt hatte.

Phoras von Chatron war der Mann, der Ronald Tekener zu seinem folgenschweren Alleingang verleitet hatte und in dessen Privaträumen Tekener von der Paytra-Spinne gebissen worden war. Der Akone hatte vorgegeben, auf seine Bank sei ein Überfall verübt worden, bei dem Tresorgüter und Bargeld im Wert von ungefähr 2,3 Milliarden Solar geraubt wurden. Für diese Summe machte der Akone die Verwaltung von Satisfy verantwortlich, da sie ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt habe. Wie Kennon schilderte, war Tekener daraufhin so wütend geworden, dass er sich entschloss, Phoras, der ähnliche Tricks mit vorgetäuschten Überfällen schon früher zu spielen versucht hatte, ein für allemal das Handwerk zu legen. Im Verwaltungsgebäude der Bank, die mit dem Kurznamen BAGAF bezeichnet wurde, war Tekener dann anscheinend tatsächlich von Einbrechern konfrontiert worden, denen es gelang, ihm eine Paytra-Spinne an den Hals zu setzen. Tekener war gerade noch im letzten Augenblick mit Hilfe eines Transmitters ins Hospital eingeliefert worden, wo ein Team von Ara-Ärzten ihn mit knapper Not retten konnte.

Seit wenigen Stunden war Tekener wieder auf den Beinen und müsste, so rechnete sich Tulaire aus, nach der Landung der KAPO-III im Verwaltungsgebäude der UHB in der Kuppel eins anzutreffen sein. Tulaire hatte den Bericht, der ihm von Quinto-Center aus nachgesandt worden war, mehrmals gelesen und sich dabei eines gewissen Unbehagens nicht erwehren können. Das alles erschien so ungereimt, so unlogisch, dass er sich nicht darin zurechtfand. Das hing, so vermutete er, zum Teil damit zusammen, dass der Hauptbeteiligte, also Tekener, selbst noch keinen Bericht abgegeben hatte. Was man auf Quinto-Center wusste, das wusste man von Kennon, der an Tekeners Alleingang nicht beteiligt gewesen war und daher den Vorgang nur aus dritter Hand kannte. Aber selbst wenn man das in Betracht zog, dann blieben noch einige Dinge, die entweder falsch nach Quinto-Center gemeldet worden waren, oder Ronald Tekener hatte sich wirklich ein Ding geleistet, das man ihm nach seiner langen, fast makellosen Karriere kaum zutrauen würde.

Warum zum Beispiel hatte er es bis jetzt nicht für nötig gehalten, Atlan über den wahren Verlauf der Ereignisse in Kenntnis zu setzen? Wie kam es, dass der Gauner Phoras von Chatron, der doch in der Sache recht dick dringesteckt zu haben schien, immer noch frei herumlief? Und was war aus Baer Tahoon, Tekeners Stellvertreter, und seinen beiden Assistenten geworden, die laut Kennons Aussage seit dem Morgen des 4. Novembers spurlos verschwunden waren?

Es gab so viele Fragen, dass Tulaire seinen eigentlichen Auftrag, nämlich die Besprechung des Ferrol-Einsatzes, allmählich in den Hintergrund treten ließ. Wichtiger war zuerst, Aufklärung über die jüngsten Vorkommnisse auf Satisfy zu erhalten. Unmittelbar nach der Landung würde er sich mit Tekener in Verbindung setzen.

Die KAPO-III stand jetzt nur noch acht Kilometer über dem Landefeld von Satisfy, das westlich der Kuppel eins lag. Trotz der geringen Höhe war die Rundung des Horizonts deutlich zu erkennen. Satisfy war ein öder Felsbrocken gewesen, als Tekener und Kennon sich hier niederließen und die interstellare Gangsterwelt anzulocken begannen. Die drei Kuppeln bildeten ein rechtwinkliges Dreieck, das auf einer steinigen Ebene am Fuße einer wildzerklüfteten Gebirgskette lag. Kuppel Nummer eins enthielt das Verwaltungszentrum der UHB und der planetarischen Regierung. Kuppel zwei war dem Geschäftsverkehr vorbehalten. Dort befanden sich Banken, Läden, Werkstätten und dergleichen mehr. Kuppel drei schließlich diente der Erholung und dem Vergnügen. In Kuppel drei befand sich auch das Hospital, in dem Tekener dank des Geschicks der Ara-Ärzte vor dem Tode bewahrt worden war. Nur Eingeweihte wussten, dass es außer den drei Kuppeln, dem Raumhafen und dem Fusionskraftwerk, das weit außerhalb der Siedlung lag, noch eine weitere Installation gab, die zwar nicht an Umfang, doch aber an Vielfalt der Ausstattung die Gesamtheit der gewiss nicht anspruchslosen drei Kuppeln weit übertraf. Es handelte sich um eine unterirdische Anlage, die von denen, die sie kannten, »die Sonde« genannt wurde. Sie befand sich unterhalb des Dreiecks, das von den Kuppeln gebildet wurde, und stellte einen vollwertigen USO-Stützpunkt dar. In ihr liefen die Fäden zusammen, die Tekener und Kennon auf der Oberfläche ihres Planetoiden spannen. Hier war die Nervenzentrale des Unternehmens, das, als Unabhängige Hilfsinstitution getarnt, dafür zu sorgen hatte, dass der USO ein nie versiegender Strom wichtiger Informationen zufloss.

Die KAPO-III landete mit der Sanftheit, die den gut funktionierenden Autopiloten auswies. Die Passagiere, insgesamt acht an der Zahl, versammelten sich vor der Hauptschleuse auf dem Äquatorialdeck. In wenigen Augenblicken würde von außen die Schlauchfeldverbindung angelegt werden, die die Verbindung mit der vollklimatisierten Zubringerstraße zur Kuppel eins herstellte.

Das Wiesel machte sich an Tulaire heran.

»Versprechen Sie sich gute Geschäfte auf Satisfy?«, erkundigte er sich unverblümt.

Tulaire grinste. Er machte einen gutmütigen, schwerfälligen Eindruck auf Leute, die ihn nicht sonderlich gut kannten, das wusste er. Sonnef war der Mann, der keine Gelegenheit verstreichen lassen konnte, ohne die vermeintliche Gutmütigkeit auszunützen.

»Wie's kommt, so wird's genommen«, antwortete Tulaire und machte mit der Hand eine wiegende Bewegung, die die Launen des Zufalls andeuten sollte.

»Sind Sie dort gut bekannt?«, fuhr Sonnef in der Befragung fort.

»Einigermaßen«, bekannte Tulaire.

»Ich dachte mir nur ...«

Das Wiesel zögerte einen Augenblick.

»Wissen Sie, man ist seiner Sache nie hundertprozentig sicher«, beendete er schließlich den angefangenen Gedankengang. »Ich meine, man weiß nie, was Phoras von Chatron so von meinen Vorschlägen hält. Und da dachte ich mir ... wissen Sie ... Sie mit Ihren Beziehungen ...«

Er ließ auch diesen Satz in der Luft hängen, und Marcor Tulaire machte sich einen Spaß daraus, ihn zappeln zu lassen. Er lächelte freundlich.

»Ich meinte ...«, unternahm das Wiesel einen neuen Ansatz, »dass Sie ... mir vielleicht helfen könnten ... auf Satisfy unterzukommen. Verstehen Sie?«

Tulaire nickte.

»Ich kann nichts versprechen«, antwortete er. »Aber versuchen kann man's allemal. Wenden Sie sich an mich, wenn Sie bei Phoras kein Glück haben.«

Sonnef strahlte über das ganze spitzmausähnliche Gesicht.

»Großartig! Vielen Dank! Ich weiß so was zu schätzen.« Und abrupt ernster werdend: »Wo kommen Sie unter?«

»Kuppel zwei, Hotel Interstellar. Erkundigen Sie sich ruhig nach mir. Man kennt mich dort.«

Das Wiesel machte große Augen. Das Interstellar auf Satisfy war weitbekannt. Es nahm für sich in Anspruch, den besten Service im Umkreis von zehntausend Lichtjahren zu geben. Dass es im selben Umkreis auch bei weitem die höchsten Preise forderte, wurde in der Werbung gewöhnlich verschwiegen.

Sonnef kam jedoch nicht dazu, eine weitere Bemerkung zu machen. Das Schleusenluk öffnete sich, und die Passagiere drängten sich in die Schlauchfeldverbindung.

In der unterirdischen Empfangshalle herrschte erheblicher Betrieb. Zahllose Neugierige waren gekommen, um die Neuankömmlinge zu mustern. Marcor Tulaire, der sich hier auskannte, zwängte sich zwischen den Gaffern hindurch und betrat eine Bandstraße, die in Richtung Kuppel eins zur Anmeldestelle führte. Die Formalitäten waren schnell erledigt. Tulaire war im Besitz hervorragender Ausweise, die der Melderobot innerhalb weniger Sekunden für gültig erklärte. Tulaire erhielt daraufhin eine zusätzliche Ausweiskarte, die ihn zu zehntägigem Aufenthalt auf Satisfy berechtigte.

Er fuhr weiter zur Kuppel zwei und wurde von der Leitung des Hotels Interstellar wie ein lange vermisster Freund begrüßt. Tulaire machte sich nichts daraus. Die Hotelleitung setzte sich in der Hauptsache aus degenerierten Arkoniden zusammen, denen überschwängliche Freundlichkeit und speichelleckende Höflichkeit längst zur zweiten Natur geworden war. Er überzeugte sich der Form halber, dass sein Gepäck von der KAPO-III schon angefahren worden war, und begab sich sodann auf seine aus drei Räumen bestehende Suite, die im einundvierzigsten Stockwerk lag und für die er pro Tag den stolzen Preis von zwölfhundert Solar zu entrichten hatte – ohne Mahlzeiten.

Im Hotel hielt es ihn nur eine kurze Zeit. Er war bald wieder unterwegs, und zwar hielt er sich in Richtung des zentralen Platzes, der den pompösen Namen Platz der Unabhängigkeit trug, und betrat dort ein mittelgroßes Bürogebäude. Im Erdgeschoss fand er eine Tür mit der Aufschrift:

 

Liintel & Taripides

Spezialisten für Bestattungsethik

 

und trat dort ein. Im Vorzimmer erkundigte sich eine verführerisch aussehende junge Dame nach seinem Begehr. »Ich interessiere mich für ein Begräbnis nach altlemurischem Ritus«, antwortete Tulaire, ohne mit der Wimper zu zucken.

Die junge Dame, ebenfalls völlig ernst, verlangte zu wissen:

»Meinen Sie da die Epoche Zeut-3 oder Lemur-1?«

Und Tulaire erklärte mit Nachdruck:

»Ich meine Zeut-0, also die allerälteste Epoche.«

Damit war er ausgewiesen. Die junge Dame drückte auf einen Knopf, woraufhin sich eine Tür im Hintergrund des Raumes öffnete. Tulaire trat ohne Zögern hindurch. Das Zimmer jenseits der Tür erwies sich als eine kleine, völlig unmöblierte Kammer, deren Boden sich rasch unten hin in Bewegung setzte, nachdem sich die Tür hinter dem bärenhaften Terraner geschlossen hatte.

Tulaire grinste vor sich hin. Die Zeremonie, die er über sich hatte ergehen lassen müssen, war nach seinem Geschmack. Die Zugänge zur »Sonde« waren über alle drei Kuppeln verteilt. Fast ohne Ausnahme waren sie im Hintergrund eines Büroraumes angebracht, in dem einer oder auch zwei Angestellte offizielle Vertreter des auf dem Türschild ausgewiesenen Unternehmens zu sein vorgaben. Die Unternehmen hatten die merkwürdigsten Titel und befassten sich ohne Ausnahme mit äußerst verschrobenen Dingen. Die Angestellten waren USO-Spezialisten niederer Rangstufen. Zugang zu dem Aufzug, der zur Sonde hinaufführte, wurde nur nach vollständiger Vorlage des Codes gewährt, wie Marcor Tulaire sie vor wenigen Augenblicken exerziert hatte. Satzstellung des Codes war dem »Kunden« überlassen und variierte notwendigerweise mit den Betätigungsbereichen der verschiedenen Büros. Die Hauptsache war, dass in Frage und Antwort, die Begriffe »altlemurisch«, »Zeut-3«, »Lemur-1« und »Zeut-0« erwähnt wurden.

Viele Büros waren vierundzwanzig Stunden lang geöffnet – keine Seltenheit auf Satisfy, dem Planetoiden der Geschäftemacher. Andere setzten während der Nachtstunden einen Wachhund Melderobot ein, der ebenfalls auf die Codeworte reagierte.

Marcor Tulaires Fahrt in die Unterwelt dauerte nur wenige Minuten. Als er aus dem Aufzug stieg, befand er sich in einem breiten, hell erleuchteten Gang, der fünf Meter weiter auf eine große Tür mündete. In der Nähe der Tür erfolgte nochmals eine Prüfung, die diesmal von Robotgeräten durchgeführt wurde, die in der Wand montiert waren. Ohne dass Tulaire etwas davon bemerkte, wurde sein IV-Emissionsmuster angemessen und mit Mustern der zum Zutritt befugten Personen verglichen. Erst dann öffnete sich die Tür vor ihm.

Er betrat einen mächtigen Schaltraum, in dem vier Männer an positronischen Geräten arbeiteten. Sie kümmerten sich nicht um ihn. Er ließ sich an einem der Schalttische nieder und wählte auf der Tastleiste einen Anschlusscode, der ihn mit Tekeners Büro im oberirdisch angelegten Verwaltungsgebäude verbinden würde.

Während er die Tasten eine nach der anderen drückte, begann er zu lächeln. Er hatte Tekener, den er als Freund betrachtete, seit einiger Zeit nicht mehr gesehen. Er war gespannt, was er für ein Gesicht machen würde, wenn er Marcor Tulaires Abbild erblickte.

Es war 13:28 am 4. November 2841 allgemeiner Zeitrechnung.

 

*

 

Der Mann, mit dem Marcor Tulaire zu sprechen wünschte, befand sich um dieselbe Zeit in einem der unterirdischen Tresorräume der BAGAF, mit Kleidern angetan, die nicht ihm gehörten, und von einem energetischen Absorptionsfeld umgeben, das seine Bewegungsfreiheit auf einen acht Meter durchmessenden Kreis beschränkte.

Es war finster ringsum, so wie es seit mehr als anderthalb Tagen finster gewesen war, und Ronald Tekener befand sich in der wenig beneidenswerten Lage, die Stunden zählen zu können, die bis zu seinem Ableben noch verstreichen würden.

Am Abend des vorvergangenen Tages hatte er sich – unvorsichtigerweise, wie er mittlerweile selbst zugab – in die Privaträume des Akonen Phoras von Chatron begeben, um diesem bezüglich seines jüngsten Versuches, die Verwaltung von Satisfy um 2,3 Milliarden Solar zu erpressen, die Meinung zu sagen. Phoras jedoch war auf ihn vorbereitet gewesen. In einem Nebenraum war Tekener von einem Schockerschützen im wahrsten Sinne des Wortes umgelegt worden. Jedoch hatte er in dem Bruchteil einer Sekunde, der bis zum völligen Verlust des Bewusstseins verstrich, in demselben Raum einen Mann gesehen, der ihm selbst bis aufs Haar glich.