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Nr. 84

 

Die Seelenlosen

 

Transport durch die Unendlichkeit – Menschen werden zu Opfern des Hyperraums

 

von Kurt Mahr

 

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Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der United Stars Organisation schreibt man den Monat Februar des Jahres 2842, das voller Gefahren und Überraschungen ist.

Zwar herrschte nach der Niederschlagung der Revolte des Chanbruders, bei der Lordadmiral Atlan massiv erpresst wurde und ernstlich um das Leben seiner Spezialisten Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon fürchten musste, für kurze Zeit Ruhe im All; doch schon wenig später kommt es innerhalb der USO erneut zu hektischer Aktivität.

Grund dafür ist das Verschwinden Lordadmiral Atlans, der bei einem Alleingang entführt wurde, und dessen Spur trotz fieberhafter Suche in allen Teilen der Galaxis noch nicht entdeckt werden konnte.

Statt Atlan finden die USO-Spezialisten jedoch etwas, das sich zu einer galaktischen Gefahr auszuweiten droht! Sie entdecken immer mehr Welten, die durch den so genannten »Suddenly-Effekt«, d.h. durch die plötzliche Ablagerung riesiger planetarischer Trümmermassen, systematisch vernichtet werden.

Ein Kampfschiff der USO, das den Planeten der Experimental-Verbrecher anfliegt, gerät sogar direkt in den Bannkreis des »Suddenly-Effekts« – und die Besatzungsmitglieder verwandeln sich in DIE SEELENLOSEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Corban Detain – Der Einsiedler von Roulawan stellt sich zum Kampf.

Bob Schipper – Ein Mann führt Tagebuch.

Joseph Agara, Ken Platte und Francesco Lopecero – Offiziere des Raumschiffs der »Seelenlosen«.

Don Riancey – Ein Mittelsmann der ZGU.

Garden Demontis, Erven Lodgar und Sneep Karradin – USO-Agenten auf Carmo-II.

1.

 

Corban Detain kauerte hinter einem mannshohen Felsen. Als der erste Verfolger um die Wegbiegung herum in Sicht kam, zielte er. Aber erst als der zweite Häscher auftauchte, gab er Feuer. Der scharf gebündelte Energiestrahl des Blasters fauchte den schmalen Weg hinab und fraß sich erbarmungslos in die Leiber seiner Opfer.

»Das wird euch lehren«, knurrte Detain, der sich nach dem Verlust seiner beiden Roboter noch öfter in Selbstgespräche verwickelte, als es früher schon der Fall gewesen war.

Er kam hinter dem Felsen hervor und folgte dem Pfad weiter in die Höhe. Vor etwa vierzehn Stunden war er aus dem Lager der Samthäutigen entkommen. Zuerst hatte er geglaubt, seine Fluchtroute sei lange genug unbemerkt geblieben, um ihm einen Vorsprung zu geben, den Effo und Worgand und ihre Leute nicht mehr würden wettmachen können. Er merkte jedoch beizeiten, dass er sich getäuscht hatte. Auf dem Weg durch den Sumpf wäre er beinahe in eine Falle getappt. Nur weil er die Dschungelwelt so gut kannte, hatte er das hastige Aufflattern eines Schwarmes von Blauschnäbeln richtig gedeutet: In dem Gebüsch, von dem die Vögel flohen, befanden sich Menschen!

Er hatte kurzen Prozess mit ihnen gemacht. Auf einem Umweg war er ihnen in den Rücken gekommen und hatte sie beseitigt. In den darauffolgenden vier Stunden hatte er noch mehrere Male Feindberührung gehabt. Wo er konnte, schlug er erbarmungslos zu. Er hatte keine Freude am Töten, aber er wusste, dass er nur dann eine Aussicht hatte zu entkommen, wenn er den Verfolgern so schwere Verluste zufügte, dass sie die Jagd aus Personalmangel abbrachen.

Jedes Mal, wenn er während der Nacht auf eine Lichtung hinaustrat, sah er hoch über sich einen oder mehrere der drei Monde, die diesen Planeten umkreisten, und den unheimlichen, rötlich leuchtenden Bogen, der das dunkle Firmament umspannte. Er wusste nicht, was der Bogen darstellte, aber er glaubte zu wissen, dass er ein Erzeugnis der Samthäutigen war, in deren Gefangenschaft er sich bis vor kurzem befunden hatte.

Gegen Morgengrauen hatte er erkannt, dass sich trotz seiner gnadenlosen Gegenwehr noch immer mehrere Dutzend Verfolger auf seiner Spur befanden. Sie waren vorzüglich bewaffnet, während er nur den Handstrahler trug, den er bei seiner Flucht einem der Wächter abgenommen hatte. Verzweiflung war über ihn gekommen. Nachdem er Romulus und Remus verloren hatte, erschien ihm das Leben nun kaum mehr lebenswert. Er legte eine etwa einstündige Verschnaufpause ein, während der ihn ein Teil der Häscher überflügelte. Er kam zu einem Entschluss. Er würde sein weiteres Wohl und Wehe einem Gottesurteil überlassen. Anstatt weiter in das flache Land hinein zu fliehen, würde er sich nach Norden ins Gebirge halten. Er kannte die Berge ebenso gut wie den Dschungel und beides mit derselben Genauigkeit, wie er die Innenfläche der eigenen Hand kannte. Er kannte einen Pfad, der durch Klüfte und Schluchten, über Hänge und Halden bis zu einem der höchsten Gipfel hinaufführte. Wenn er ihn einmal eingeschlagen hatte und die Verfolger seine Spur aufgenommen hatten, gab es kein Zurück mehr. Er würde sich auf dem Gipfel verschanzen, und dann war es der Vorsehung überlassen, ob sie ihm gestatten wollte, sich der Verfolger zu erwehren, oder ob Effo und Worgands Häscher über ihn triumphieren sollten.

Seit zwei Stunden befand er sich nun auf diesem Pfad. Längst war das dschungelbedeckte Tiefland hinter ihm zurückgeblieben. Von Zeit zu Zeit hielt er inne, um die Verfolger näher an sich herankommen zu lassen. Aus sicherer Deckung hatte er bis jetzt vierzehn von ihnen ausgeschaltet. Sie waren unerfahren in dieser Art von Kampf. Ihr Eifer, ihn zu fassen, war so groß, dass sie jedes Mal von neuem vorprellten und ihm vor die Mündung des Blasters liefen.

Gegen Mittag ließ er die letzten Spuren der Vegetation hinter sich. Er war jetzt mehr als viertausend Meter oberhalb der Dschungelebene. Vor ihm gab es nur noch kahlen Fels und ein paar Gelbböcke, die sich hier tummelten, obwohl sie sich ihr Futter in tiefer gelegenen Regionen holen mussten. Die Sonne schien erbarmungslos heiß, aber der Wind, der aus den finsteren Klüften pfiff, trug die Kälte des Eises mit sich und ließ den einsamen Flüchtling schaudern. Der Gipfel, dem er zustrebte, lag noch runde eintausend Meter höher. Corban Detain begann, die Schwäche zu spüren. Er hatte seit vielen Stunden nichts mehr gegessen. Er sehnte sich nach der Ruhe, die ihm der Gipfel bieten würde.

Als die Sonne sich nach Westen zu neigen begann, erreichte er sein Ziel. Die Luft hier oben war dünn, und die letzten Meter des Aufstiegs hatten Detains letzte Kräfte verbraucht. Er warf sich auf den heißen Fels und gönnte sich zehn Minuten der Ruhe, um wieder zu Atem zu kommen. Der Gipfel bestand aus einem kleinen, kreisförmigen Plateau von vielleicht acht Metern Durchmesser. Es gab ein paar Felsbrocken, die der Flüchtling an den Rand des Plateaus rollte, wo sie ihm als Brustwehr dienen sollten. Er sah sich noch einmal um und vergewisserte sich, dass der Pfad, über den er gekommen war, tatsächlich der einzige Zugang zum Gipfel sei. Auf der gegenüberliegenden Seite gab es zwar ein nicht allzu steiles Hangstück, das ein geübter Bergsteiger ohne sonderliche Mühe hätte bewältigen können. Aber Corban Detain hatte nur eine geringe Meinung von den Samthäutigen. Sie waren unerfahren im Kampf, und als Bergsteiger taugten sie wohl noch weniger.

Er hockte sich hinter einem der Felsen auf den Boden und wartete. Von seinem Versteck aus konnte er den Weg, den er gekommen war, einige hundert Meter weit überblicken. Das war weiter, als sein Blaster reichte. Er konnte also jeweils eine Gruppe von Verfolgern näher herankommen lassen, bevor er das Feuer eröffnete. Der Pfad führte an einem Abgrund entlang. Wenn er jeweils den hintersten Verfolger zuerst erschoss, war den anderen der Rückweg versperrt, und sie waren ihm hilflos ausgeliefert.

Ein leises Summen ließ ihn aufhorchen. Er blickte in die Höhe. Der Himmel war nahezu wolkenlos. Er sah den riesigen Bogen, dessen rötliche Helligkeit selbst dem grellen Licht der Sonne trotzte, und dicht daneben ein flimmerndes, silbriges Pünktchen. Corban Detain war lange genug Soldat der Solaren Flotte gewesen, um das Geräusch und den silbernen Reflex richtig zu deuten. Ein Raumschiff ...!

Es senkte sich langsam herab. Aus dem Pünktchen wurde eine flimmernde Scheibe. Detain staunte. Es war ein großes Schiff, ein Kreuzer der Fünfhundert-Meter-Klasse, der entweder der Solaren Flotte oder der USO angehörte. Wahrscheinlich hatte er aus der Ferne den roten Leuchtbogen wahrgenommen und kam hierher, um sich das eigenartige Gebilde aus der Nähe anzusehen. Corban Detain fragte sich, wie Worgand, Effo und die Samthäutigen auf das Erscheinen des Kriegsschiffes reagieren würden.

Er war so mit seiner Beobachtung beschäftigt, dass er um ein Haar übersehen hätte, wie unten, wo der Pfad um eine Felskuppe herum verschwand, drei seiner Verfolger sich aus der Deckung lösten und auf den Konus des Gipfels zukrochen.

 

*

 

Aus dem Tagebuch des Leutnants Bob Schipper, USO, zur Zeit an Bord des Kreuzers ABERDEEN:

12. Februar 2842.

Seit einigen Tagen verfolgen wir ein unidentifiziertes Flugobjekt. Wir spürten es in der Nähe von Verler-Phonat auf, wo um diese Zeit Milliarden und Abermilliarden Tonnen galaktischer Materie aus dem Nichts auftauchten und den Planeten zu zerstören drohten. Der Unbekannte erregte unseren Verdacht, weil er auf unseren Anruf die Flucht ergriff. Es scheint sich um ein kleines Fahrzeug zu handeln, und anhand der Struktur der energetischen Streustrahlung will Agara, der Chef, erkannt haben, dass es sich um ein Beiboot der Maahks handeln muss.

Ob er recht hat, weiß vorläufig niemand. Fest steht nur, dass das Fahrzeug nicht irdischer Herkunft ist. Zur Überwindung größerer Strecken benützt es den Prozess der Transition anstelle des Linearfluges. Auf diese Weise gelang es uns auch, dem Flüchtling auf der Spur zu bleiben. Wir brauchten nur die Transitionsschocks anzumessen, dann wussten wir genau, wo er war.

Im Augenblick scheint er sich allerdings dünngemacht zu haben. Wir stehen einhundert Astronomische Einheiten oder knapp vierzehn Lichtstunden von einem System entfernt, dessen Sonne in den Katalogen mit dem Namen »Argnos« verzeichnet ist. Es gibt vierzehn Planeten. Nummer 5 ist eine erdähnliche Welt namens Roulawan. Ich erwähne das, weil sich in unserer Verfolgung des angeblich maahkschen Beibootes eine neue Phase anzubahnen beginnt. Von dem Boot ist plötzlich jede Spur verschwunden. Statt dessen orten wir von Argnos her eigenartige hyperenergetische Streugeräusche. Soweit wir wissen, ist das Argnos-System unbesiedelt. Hyperenergetische Streufelder werden dagegen zumeist von Maschinen oder Geräten erzeugt, die intelligente Wesen gebaut haben. Ich bin sicher, dass der Chef sich die Sache aus der Nähe ansehen will. Schließlich sind wir dazu da, um ein scharfes Auge auf ungewöhnliche und bedrohliche Entwicklungen zu haben. Wir müssen erfahren, was da im Argnos-System vor sich geht ...

 

*

 

»Wissen Sie, woran es mich erinnert?«, fragte Major Agara.

»Keine Ahnung, Sir«, antwortete Captain Platte, der Erste Offizier.

»An eine altmodische UKW-Antenne. Wissen Sie – so ein einfacher Ring. Sie haben das sicher schon auf Bildern gesehen.«

Joseph Agara war ein hochgewachsener Mann mit blondem Haar und einem Gesicht, das für die Idealgestalt des USO-Offiziers um eine Spur zu weich war. Es gab Leute, die sich durch die Sanftheit des Ausdrucks hatten täuschen lassen. An Entschlossenheit und Tatkraft und, wenn es darauf ankam, Härte stand Major Agara so rasch keinem nach. Im Vergleich dazu war Ken Platte, sein Erster Offizier, ein kaum mittelgroßer, stiernackiger Mensch, der sein schwarzes Haar zu einer Bürste geschnitten trug und zumeist grimmig dreinblickte.

Beide beobachteten mit unverkennbarer Spannung den Bildschirm, auf dem eine Ausschnittvergrößerung einen Teil der Oberfläche des Planeten Roulawan zeigte. Die ABERDEEN stand in achthundert Kilometern Höhe über der Oberfläche des Planeten. Auf der Vergrößerung war ein Teil der Dschungellandschaft zu erkennen, die den größten Teil der Oberfläche des Planeten bedeckte, und mitten im Dschungel eine breite Lichtung, auf der sich mehrere Gebäude erhoben. Seitwärts der Lichtung ragte eine merkwürdige Leuchterscheinung in die Höhe. Sie hatte die Gestalt eines Ringes, der aus rötlichem Feuer zu bestehen schien. Die Ebene des Ringes stand senkrecht auf der Oberfläche des Planeten. Das eigenartige Gebilde hatte einen Durchmesser von rund acht Kilometern.

»Es sieht erheblich gefährlicher aus, Sir, als eine alte UKW-Antenne«, erklärte Ken Platte mit Nachdruck.

Agara drückte auf einen Knopf seiner Schaltkonsole. Das Bild, das er und Platte beobachteten, wurde durch diesen Schaltvorgang dem Bordrechner zugeführt. Der Rechner analysierte das Bild und durchsuchte seine Speicher nach Daten, die ihm bei der Identifizierung des merkwürdigen Leuchtgebildes behilflich sein könnten. Sekunden später hatte Agara seine Antwort.

DER ÄUSSERE ANSCHEIN DES OBJEKTS GLEICHT DEM EINES SITUATIONSTRANSMITTERS. BEZUG: MEISTER DER INSEL, ANDROMEDA, 25. JAHRHUNDERT.

Agara schob Platte den Druckstreifen zu.

»Das ist eine Sache, um die wir uns angelegentlich kümmern müssen, Sir«, erklärte der Erste Offizier.

Agara gab den Befehl, die Flughöhe zu verringern. Die ABERDEEN begann, sich auf die Oberfläche des Dschungelplaneten hinabzusenken. Das interstellare Rufzeichen wurde ausgesandt. Der Erbauer der Anlagen, die sich dort unten auf der Lichtung des Dschungels ausbreiteten, wurde dadurch aufgefordert, sich zu melden und zu erkennen zu geben. Es kam jedoch keine Antwort. Wer auch immer sich dort unten befand, er zog es vor zu schweigen.

Die ABERDEEN sank bis auf vier Kilometer Höhe. Agara hatte Vollalarm gegeben. Es stand zu erwarten, dass dem Unbekannten auf Roulawan die Ankunft eines Kriegsschiffes der USO nicht gelegen kommen und er sich zur Wehr setzen würde. Vorläufig jedoch erwies sich alle Sorge als überflüssig. Dort unten rührte sich nichts. Reglos in seiner rotschimmernden Pracht erhob sich der Ring des Situationstransmitters. Die ABERDEEN hütete sich, ihm zu nahezu kommen. Was in den Einflussbereich des Transmitters geriet, wurde durch den Hyperraum befördert, und niemand wusste bislang, auf welches Ziel der unheimliche Glutring eingestellt war. Auf Agaras Befehl durfte sich das Raumschiff der Ebene des Transmitterkreises nicht bis auf weniger als fünf Kilometer nähern.

Agara und Platte verfassten gemeinsam einen Kurzbericht über den Verlauf der Ereignisse, seitdem sie in der Nähe von Verler-Phonat die Spur des maahkschen Beibootes aufgenommen und verfolgt hatten. Es war wichtig, dass das Hauptquartier der USO von diesen Vorgängen erfuhr. Der Bericht sollte auf dem schnellsten Wege zur nächsten Relaisstation gefunkt und von dort nach Quinto-Center weitergegeben werden.

Sie hatten den Text gerade abgeschlossen, als die Alarmpfeifen zu höllischem, markdurchdringendem Leben erwachten. Bis in den hintersten Winkel des gewaltigen Raumschiffs drang der nervenpeinigende Lärm. Agara eilte in den Kommandostand. Platte keuchte hinter ihm drein. Das Bild, das sich ihnen bot, war unglaublich.

Der riesige Ring des Situationstransmitters hatte zu kippen begonnen. Das leuchtende Gebilde neigte sich zur Seite und drohte, auf die Oberfläche des Planeten zu stürzen. Dem Bewusstsein des Beobachters, das sich den Sturz großer Gegenstände instinktiv als langsam und zögernd vorstellt, erschien die Bewegung des Ringes grotesk schnell. Er stürzte nicht, er klappte einfach um!

Der Bordrechner wusste mit dieser Situation nichts anzufangen. Joseph Agara stürzte mit heiserem Entsetzensschrei auf die Konsole des Piloten zu und versuchte im letzten Augenblick, sein Raumschiff auf Fahrt zu bringen und dem drohenden Unheil auszuweichen. Sein Bemühen war umsonst. Die ABERDEEN nahm zwar Fahrt auf, aber sie war immer noch zwei Kilometer vom Rand des Transmitterrings entfernt, als dieser sich über sie stülpte und das gewaltige Raumschiff vom Himmel über Roulawan einfach fortwischte.

Joseph Agara spürte noch den zerrenden Schmerz der Entmaterialisierung, dann schwand ihm fürs erste das Bewusstsein.

 

*

 

»In zwei Stunden wird es auch hier oben dunkel«, sagte Corban Detain zu sich selbst und blickte in das Flachland hinab, auf dem schon die Schatten des Abends lagen. Auf dem Pfad unterhalb des Gipfels lagen hingestreut die Leichen von vieren seiner Verfolger. Seit zwei Stunden war es hier völlig ruhig, und Corban Detain begann zu hoffen, dass der Gegner die Jagd endlich aufgegeben habe.

Noch immer ragte der rötliche Ring hoch in den Himmel hinauf. Das silbern schimmernde Raumschiff stand reglos seitwärts des Kreises, etwa vier Kilometer über der Dschungelebene. Detain konnte sich vorstellen, was an Bord des Fahrzeugs vorging: Alle Mann und alle Geräte waren damit beschäftigt, das merkwürdige Gebilde zu analysieren und seine Funktion zu erkennen. Was es wohl sein mochte? Eine Waffe? Wer waren die Samthäutigen, die ihn gefangen genommen hatten? Was wollten sie hier, und wer war ihr Gegner?

»Lauter Fragen«, murmelte Corban Detain missmutig, »und keine Antworten.«

Plötzlich sah er auf. Eine Bewegung, aus dem Augenwinkel wahrgenommen, erregte seine Aufmerksamkeit. Es war, als habe der rötliche Ring sich zu bewegen begonnen. Tatsächlich – er bewegte sich! Er kippte zur Seite! Während das untere Ende des Leuchtkreises unverändert im Dschungel verankert blieb, klappte das ganze, riesige Gebilde seitwärts und schien auf das Land fallen zu wollen.

Erregt sprang Corban auf. Er sah an den weißglühenden Partikelströmen, die aus den Triebwerksöffnungen stoben, dass das Raumschiff versuchte, dem Verhängnis zu entgehen. Aber es reagierte zu langsam. Wie die Öffnung eines Schmetterlingsnetzes stülpte sich der Ring über das fliehende Fahrzeug, und einen Atemzug später war es spurlos verschwunden.

Corban Detain traute seinen Augen nicht. Wohin war das Raumschiff verschwunden? Welch unerklärliche Macht hatte es in Bruchteilen einer Sekunde einfach in Nichts verwandelt? Corban war so fassungslos, dass er erst, als der Boden unter seinen Füßen zu zittern begann, in die Tiefe sah, wo der rötliche Ring inzwischen flach auf das Land gestürzt war und einige Vorgänge ausgelöst hatte, die wenigstens ebenso unglaublich waren wie das Verschwinden des Raumschiffs.

Der leuchtende Ring lag flach auf dem Boden oder schwebte dicht über ihm. Der Dschungel war in Bewegung. In dem kreisförmigen Gebiet, das der Ring begrenzte, entstanden Löcher und Krater, als risse jemand mit einer riesigen, unsichtbaren Harke die Erde auf. Das Bersten und Krachen des gemarterten Landes erfüllte die Luft, und unter den unheimlichen Kräften, die von dem glühenden Ring ausgingen, erzitterte die Kruste des Planeten. Düsterrote Glut leuchtete aus der Tiefe herauf, als sich ein Magmastrom in einen der Krater ergoss. Kein Zweifel: Die mörderische Kraft des Ringes fraß sich durch die harte Hülle des Planeten hindurch und reichte bis hinab in die Tiefen, wo sich die Materie noch in glutflüssigem Zustand befand.

Corban Detain war ein Mann, der vielen Gefahren getrotzt und manche Härten ertragen hatte, aber angesichts des wilden Wütens einer unbegreiflichen Macht packte ihn die Angst. Er glaubte, auf einem schwankenden Turm zu stehen, der in den nächsten Augenblicken einstürzen und ihn in das wabernde Inferno dort unten hinabschleudern müsse. Er fühlte den unwiderstehlichen Drang, einfach davonzulaufen, so schnell und so weit er konnte.