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Nr. 113

– Im Auftrag der Menschheit Band 106 –

 

Die Rache des Androiden

 

Die Welt der Menschen ist neu für ihn – und tödlich

 

von Kurt Mahr

 

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Auf den Stützpunkten der USO, auf den Planeten des Solaren Imperiums und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Ende August des Jahres 2842 – eines Jahres, dessen erste Hälfte recht turbulent verlief, wie die vorangegangenen Ereignisse eindeutig bewiesen.

Jetzt herrscht in der Galaxis relative Ruhe. Der Aufbau des Solaren Imperiums geht kontinuierlich voran. Es gibt im Augenblick weder im Bereich des Inneren noch im Bereich des Äußeren Schwierigkeiten von Bedeutung. Kein Wunder daher, dass Perry Rhodan, der Großadministrator, Staatsgeschäfte Staatsgeschäfte sein lässt und zusammen mit seiner Frau Mory Abro, der Regierungschefin von Plophos, zu einer Expedition in ein weit entferntes Sonnensystem aufgebrochen ist.

Dabei wäre, wie es sich plötzlich herausstellt, die Anwesenheit von Perry Rhodans Frau auf Plophos gerade jetzt dringend erforderlich! Denn Plophos, das zu einem Transplantationszentrum ersten Ranges geworden ist, wird von einer solchen Welle von Terrorakten heimgesucht, dass dem Stellvertretenden Obmann des Planeten nichts anderes übrigbleibt, als die USO zu alarmieren.

Ein seltsames Spezialisten-Team der USO nimmt die Ermittlungen auf und durchforscht die Organbanken des Planeten nach Spuren der Verbrecher, die für den Terror auf Plophos verantwortlich sind.

Währenddessen vollzieht sich an anderer Stelle ein echtes Drama – DIE RACHE DES ANDROIDEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Jackmo Pappron – Ein Gefangener versucht zu fliehen.

Algo, Olpa und Einstein – Drei Menschen aus der Retorte.

Brado Tannach und Reng Lazear – Beamte der Staatspolizei von Plophos.

Amlor Petrefa – Direktor eines Weltraumzirkus.

Kinke Seiblad – Petrefas rechte Hand.

Lille, Signe und Fesso Baffah – Eine Familie in Schwierigkeiten.

Prolog

 

Als Jackmo Pappron die drei Männer vor seinem Käfig auftauchen sah, wusste er, dass sein Ende gekommen war. Es lag an der eiskalten Gelassenheit, mit der sie arbeiteten, und an dem Reflex der absoluten Unbeteiligtheit, der auf ihren Gesichtern lag.

Einer von ihnen öffnete das elektronische Schloss, mit dem sich Jackmo während der letzten Stunden erfolglos beschäftigt hatte. Er winkte mit der Strahlpistole, die er in der Hand hielt, und sagte:

»Raus!«

Jackmo Pappron trat aus dem Käfig. Er befand sich jetzt in einem Gang, der zwischen den Käfigen entlanglief. In den kleinen Abteilungen befand sich allerlei exotisches Getier. Der Gestank war nahezu unerträglich, obwohl die Belüftung auf Hochtouren lief. Die drei Männer hielten sich hinter Jackmo. Der Gang mündete unmittelbar in einen Zugang zum Antigravschacht, der die Längsachse des riesigen Zirkus-Raumschiffs bildete.

»Nach oben!«, befahl der Sprecher. »Einundachtzigstes Deck!«

Jackmo schwang sich in den Schacht, hielt sich an einer der Griffstangen fest und stieß sich nach oben ab. Er tat es weder besonders hastig, noch besonders zögernd. Es kam ihm darauf an, den Eindruck eines Mannes zu machen, der völlig harmlos ist. Und dennoch hatte er vor, sein Leben bis zum letzten Atemzug zu verteidigen.

Die drei kamen hinter ihm her. Ihre Geschwindigkeit war die gleiche wie die seine. Sie waren erfahren in solchen Dingen. Keine Zehntelsekunde lang wichen die Mündungen ihrer Waffen von seiner Gestalt. Die geringste unvorsichtige Bewegung, und er war ein toter Mann. Er wusste, worauf sie es abgesehen hatten. Vor wenigen Wochen hatte er in einer Transplantationsklinik in New Taylor, der Hauptstadt von Plophos, ein neues Herz erhalten. Sein ursprüngliches Herz hatte nicht mehr richtig mitgemacht. Es war zu Kreislaufstörungen gekommen, und einige Male hatte Jackmo Pappron am Rande des Grabes gestanden. Das neue Herz sollte diese Schwierigkeiten beseitigen. Die Operation war ohne Zwischenfälle verlaufen. Kurze Zeit später verließ Jackmo die Klinik, um als Geheilter in sein einsames, in den Bergen gelegenes Heim zurückzukehren. Schon nach wenigen Tagen jedoch spürte er, wie eine fremde Macht sein Bewusstsein zu beeinflussen versuchte. Suggestive Befehle trommelten auf ihn ein, die ihn dazu verleiten wollten, zu zerstören, zu töten, zu vernichten. Er hatte sich gegen diese Einflüsse erfolgreich gewehrt. In früheren Tagen war Jackmo Pappron ein hoher Beamter der plophosischen Regierung und, in seiner Eigenschaft als Bearbeiter geheimer Fälle, Mitglied der Solaren Abwehr gewesen. Man hatte ihn mentalstabilisiert. Diese Behandlung verhinderte, dass er unter suggestiven oder hypnotischen Einfluss genommen werden konnte. Es bereitete ihm keine Schwierigkeit, den Suggestivbefehlen zu widerstehen.

Gewisse Hinweise und angestrengtes Nachdenken überzeugten ihn davon, dass nur das neue Herz, das man ihm vor kurzer Zeit in die Brust gesetzt hatte, die Quelle dieser Befehle sein könne. Das Organ war von Unbekannten präpariert worden. Zu welchem Zweck, das blieb Jackmo vorerst unklar. Es lag ihm daran, die Behörden über seinen Verdacht zu informieren, doch der unbekannte Feind war schneller gewesen. Man hatte ihn überfallen und paralysiert. Seit kurzem befand er sich an Bord eines riesigen Zirkus-Raumschiffs, das dieser Tage in Plophos gastierte.

Es gab keinen Zweifel darüber, was der Feind jetzt von ihm wollte: Er wollte das präparierte Herz zurückhaben, das in Jackmo Papprons Körper seinen Zweck nicht erfüllt hatte. Weil er aber wusste, dass der Verlust des Herzens – selbst wenn man bereit sein sollte, ihm statt dessen ein anderes einzupflanzen – unweigerlich zu seinem Tode führen würde, denn der geschwächte Körper würde zwei Transplantationen innerhalb so kurzer Zeit nicht verkraften, eben weil er das wusste, war er entschlossen, sich bis zum letzten Blutstropfen zu wehren.

Als das Leuchtzeichen des 81. Decks auftauchte, bremste er seinen Aufstieg, indem er ein paar Mal mit nach oben gerichteter Handfläche an einer der Haltestangen entlangstrich. Auf der Höhe des Ausstiegs endlich packte er zu und schwang sich in den Gang hinaus. Einer der drei Männer war unmittelbar hinter ihm und befahl:

»Stehenbleiben!«

Da ließ Jackmo Pappron sich einfach fallen, rückwärts, dorthin, wo der Mann stand, der als erster nach ihm aus dem Schacht gestiegen war. Die Bewegung kam so überraschend, dass der Bewaffnete nicht rasch genug reagierte. Jackmos stürzender Körper prallte ihm gegen den Leib und schleuderte ihn in den Schacht zurück, wo soeben seine zwei Genossen sich durch den Ausstieg hangeln wollten. Einen Augenblick lang herrschte Verwirrung. Die drei Bewaffneten hatten im schwerelosen Innern des Schachts die Orientierung verloren, rotierten um sich selbst und hatten Mühe, den Ausgang wiederzufinden.

Diese kurze Zeitspanne nutzte Jackmo Pappron. Er huschte davon und bog um die nächste Ecke. Die Gänge des 81. Decks waren hell erleuchtet. Er wusste nicht, wo er sich hier befand. Aber vielleicht gelang es ihm, die drei Häscher im Kreis herum in die Irre zu führen und wieder zum Antigravschacht zurückzukehren. Dann konnte er hinab bis zum Arenadeck fahren und sich womöglich davonschleichen. Vielleicht fand im Augenblick eine Zirkusvorstellung statt, die es ihm ermöglichte, sich unter die Zuschauer zu mischen.

Er lief, so rasch er konnte. Hinter sich hörte er den Lärm der drei Männer, die ihn aus den Augen verloren hatten. Das Geräusch kam näher. Sie schlossen auf, obwohl sie nicht wussten, wohin er sich gewandt hatte.

Er bog um eine weitere Ecke und – stand unmittelbar vor einem Mann, der eine schussbereite Strahlpistole trug, und die Mündung auf Jackmos Stirn gerichtet hielt. Jackmo warf die Arme in die Höhe und schrie voller Entsetzen:

»Nicht ...!«

Er blickte in einen riesigen Feuerball, der ihn einhüllte. Der Prozess des Sterbens vollzog sich so schnell, dass Jackmo Pappron nicht einmal Schmerz verspürte.

1.

 

Mein Name ist Algo. Ich bin nichts ...

Ich bin ein wertloses Geschöpf, das aus eigener Kraft nichts vermag. Was ich tue, wird mir von außen diktiert. Meine Taten sind für sich ohne Bedeutung und ergeben Sinn nur im Zusammenhang eines größeren Planes, den ich nicht kenne.

Woher aber kommen die Gedanken, die den Zweifel in sich tragen?

Dies ist mein zweites Leben. Es wird ebenso verlaufen wie das erste, ohne dass ich auf seinen Verlauf und auf seine Dauer auch nur den geringsten Einfluss habe. Die Erinnerung an mein erstes Leben ist schwach und undeutlich. Nur soviel weiß ich, dass es das Leben eines Hilflosen war, der nichts aus eigener Kraft tat.

Wie aber komme ich dazu, aus eigener Kraft über diese Dinge nachzudenken? Niemand befiehlt mir, zu denken. Ich denke von selbst. Meine Gedanken sind trostlos; aber sie sind mein eigen.

Ich stehe von meinem Lager auf. Es ist ein einfaches, primitives Lager in einem kleinen, einfachen Raum. Ich befinde mich an Bord eines Raumschiffs. Es gibt einen kleinen Nebenraum, der den Zwecken der Hygiene dient. In diesem Nebenraum gibt es einen Spiegel. Ich betrachte mich darin.

Ich bin – das weiß ich von irgendwoher – einen Meter und achtundsiebzig Zentimeter groß. Ich habe blaue Augen und eine gleichmäßig blasse Haut. Nirgendwo an meinem Körper wächst Haar. Ich halte es für notwendig, das zu erwähnen, weil ich weiß, dass ich mich durch Hautfarbe und Haarlosigkeit von anderen Wesen unterscheide.

Aus dem Spiegel blicken mir meine eigenen Augen mit dem Ausdruck der Hilflosigkeit, der Leere entgegen. Woher aber kenne ich Begriffe wie Leere und Hilflosigkeit, die in meinem Verhaltensschema nicht identifiziert sind und deren Kenntnis mir wider die im Schema festgehaltenen Verhaltensmaßregeln von außen her vermittelt worden sein muss?

Ich kehre in meine Kammer zurück. Die Gewissheit, dass mein zweites Leben ebenso leer und nutzlos sein wird wie das erste, ist nicht mehr so zwingend wie zuvor. Irgend etwas hat mich verändert. Ich muss darüber nachdenken.

Mein Name ist Algo. Ich bin vielleicht doch etwas ...

 

*

 

»Hör auf zu fressen!«, knurrte Brado Tannach. »Eines Tages gibt es einen lauten Knall, und du bist geplatzt!«

Der Empfänger dieser ärgerlichen Mahnung, ein Mann von geringer Körpergröße, aber beachtlichem Leibesumfang, grinste und schob sich das letzte Stück eines Fruchtriegels in den Mund und kaute genüsslich darauf herum. Reng Lazear, Sergeant der plophosischen Staatspolizei, wusste, was er von derartigen Verstößen seines Vorgesetzten zu halten hatte.

»Zu Befehl, Chef«, antwortete er stramm, nachdem er, der Etikette gemäß, den Mund geleert hatte. »Was liegt an?«

Brado Tannach, groß, jung und mit der Gestalt eines durchtrainierten Athleten, war soeben von einer Besprechung des Ausschusses zur Untersuchung der Schwierigkeiten von Transplantationspatienten (AUSTRAP) zurückgekehrt. Diese Besprechungen, gewöhnlich geleitet von Alvmut Terlahe, dem Vorsitzenden des Ausschusses, pflegten Brado Tannach zu irritieren.

»Nichts Erschütterndes«, antwortete Reng Lazear auf Tannachs Frage. »Ich habe mir mit Hilfe des Rechners noch einmal die Liste der Leute vorgenommen, die sich auf Plophos innerhalb der jüngsten Monate einer Transplant-Operation unterzogen haben. Dabei stieß ich auf einen Mann, der sich bis heute weigert, den Aufruf zur Registrierung zu befolgen, den die Regierung erlassen hat.«

»Mit anderen Worten: Er hat sich nicht gemeldet?«, versuchte Brado Tannach zu interpretieren.

»Genau.«

»Welche Gründe gibt er an?«

Lazear schmunzelte. Mit dieser Frage gab Tannach zu verstehen, für wie selbstverständlich er es hielt, dass sein Untergebener sich mit dem Fraglichen bereits in Verbindung gesetzt hatte. Es befriedigte den Sergeanten, dass er Tannach nicht zu enttäuschen brauchte.

»Er behauptet, eine Transplantation sei jedermanns eigene Sache und die Regierung habe kein Recht, sich da einzumischen.«

»Hast du ihm auseinandergesetzt, worum es geht?«

»Soweit ich durfte, Chef, sicher. Sie wissen ja, dass die Behörden der Bevölkerung nicht rückhaltlos mitteilen wollen, was für Schwierigkeiten sich im Anschluss an Transplant-Operationen seit kurzem entwickelt haben.«

»Ja, ich weiß«, reagierte Tannach ungeduldig. »Was für eine Operation hatte der Mann?«

»Drüsen«, antwortete Reng Lazear trocken.

Tannach warf ihm einen fragenden Blick zu, den der Sergeant mit einem Hochziehen der Brauen beantwortete.

»Verheiratet«, sagte er dazu. »Frau etwa zwanzig Jahre jünger als er, beiderseits erste Ehe, zwei Kinder. Name: Baffah.«

»Hat er Schwierigkeiten gehabt?«

»Womit – mit der Frau oder der Operation?«

»Mit den Folgen der Operation!«

»Entweder gab es keine, oder er will es nicht zugeben«, antwortete Lazear. »Ich habe mich bei der Informationszentrale über ihn erkundigt. Es gibt keine Aufzeichnungen von Gewalttätigkeit oder Zerstörungswut. Das sind doch gewöhnlich die ersten Symptome.«

Brado Tannach nickte nachdenklich.

»Behalte den Mann im Auge«, trug er dem Sergeanten auf. »Leute, die sich vor der Registrierung scheuen, haben in acht von zehn Fällen andere als Gewissensgründe.«

 

*

 

Der Mann auf dem Bildschirm hatte dicke Augenbrauen, die über der Nasenwurzel zusammenwuchsen. Die vollen Lippen waren in höchstem Zorn aufgestülpt:

»Wo ist Seiblad?«, donnerte es aus dem Empfänger.

Der Wachhabende in der Kommunikationszentrale des Zirkusschiffes ORBAG MANTEY zuckte unwillkürlich zusammen. Er sah auf die Uhr. Kinke Seiblads Gewohnheiten waren jedem Mitglied der Besatzung vertraut.

»Er befindet sich wahrscheinlich in den Gehegen, Sir«, antwortete er dem Wütenden vorsichtig. »Sie wissen, gewöhnlich um diese Zeit sieht er zu, wie seine Lieblingsschlange ein lebendes Kaninchen verspeist.«

»Er soll zu mir kommen!«, donnerte der Mann auf dem Bildschirm. »Sonst lasse ich ihn morgen höchstpersönlich seiner Lieblingsschlange vorwerfen.«

Augenblicke später hatte der Wachhabende Kinke Seiblad am Interkom. Seiblad war zunächst empört, dass man ihn bei seiner Lieblingsbeschäftigung zu stören wagte. Als rechte Hand des Zirkuseigentümers spielte er an Bord der ORBAG MANTEY eine gewichtige Rolle.

»Sie brauchen sich an mir nicht abzureagieren«, unterbrach der Wachhabende Seiblads zornigen Wortschwall. »Der Alte will Sie sprechen, und zwar sofort. Das ist alles!«

Wenige Minuten später trat Kinke Seiblad in den Arbeitsraum des nahezu allmächtigen Amlor Petrefa Eigentümer und Generaldirektor des Weltraumzirkus ORBAG MANTEY. Petrefa war ein Mann von mittlerer Größe, jedoch ungeheuer wuchtigem Körperbau. Dicke Augenbrauenwülste, eine breite Nase und dicke Lippen verliehen seinem Gesicht den Ausdruck rücksichtsloser, Machtlüsternheit, vor dem Kinke Seiblad gelegentlich zu erschrecken pflegte. Seiblad selbst, klein, schmächtig, jedoch mit einem unförmigen, haarlosen Schädel ausgestattet, war bis hinunter auf den Grund seiner Seele der Typ des Subalternen, dem der zweite Platz stets erstrebenswerter schien als der erste.

»Wenn ich dich brauche, hast du hier zu sein«, fuhr Amlor Petrefa ihn an, sobald er sich durch die Türöffnung geschoben hatte.

»Jawohl, Chef«, antwortete Seiblad unterwürfig. »Ich werde es nicht wieder vergessen.«

Petrefas Arbeitsraum war luxuriös ausgestattet. Manches Tier, das eigentlich in der Manege die Zuschauer hatte in Begeisterung versetzen sollen, hatte vorzeitig sein Leben lassen müssen, so dass das kostbare Fell Wände oder Boden von Amlor Petrefas Büro schmücken konnte. Der Arbeitstisch und die Sessel waren aus wertvollen exotischen Hölzern gefertigt. Es gab verborgene Servomechanismen, die auf Petrefas Wink die erstaunlichsten Kunststücke vollführten Amlor Petrefa war Kunstliebhaber. An sorgfältig ausgewählten Stellen standen auf kunstvollen Podesten die Skulpturen der verschiedensten Sternenvölker. Amlor Petrefa zeigte dabei deutlich eine Vorliebe für den so genannten Plastischen Realismus, eine intensive Reaktion auf die Hunderte verschiedener Strömungen der abstrakten oder surrealistischen Kunst, deren Prinzip darin bestand, am darzustellenden Objekt reale und weniger reale Züge zu unterscheiden und die ersteren übertrieben darzustellen, so dass die Produkte dieser Kunst eine Art grotesker Lebensnähe besaßen, die den Zuschauer mehr erschreckte als begeisterte. Kinke Seiblad verstand selbst nichts von Kunst. Aber soviel sah er: dass Amlor Petrefas Skulpturen ihrem Besitzer äußerst ähnlich sahen – ähnlich natürlich in einem übertragenen Sinne, indem sie alle von derselben Art faunischer Vitalität erfüllt waren wie Petrefa selbst.

»Die Macht ist mit den Vorgängen auf Plophos unzufrieden«, erklärte Amlor Petrefa mit Stentorstimme.

Seiblad schauderte. Die Macht, das war ein unbekannter, unheimlicher Faktor im Hintergrund, der das Leben aller Menschen an Bord dieses Riesenraumschiffs dirigierte.

»Wir können kaum etwas daran ändern«, antwortete er kleinlaut. »Sicherlich kann die Macht nicht von uns erwarten, dass wir gegen den Entschluss der plophosischen Regierung die Organkliniken wieder eröffnen, selbst wenn das in unserer Macht läge, wie?«

»Wenn die Macht unzufrieden ist«, sagte Petrefa, »dann muss etwas getan werden, um die Zufriedenheit wieder herzustellen. Wie verlaufen unsere Vorbereitungen? Wenn auf Plophos eine Zeitlang Ruhe herrscht, wird Awrusch seine Anordnungen womöglich widerrufen. Sobald die Transplantkliniken ihre Türen wieder öffnen, müssen wir in massiver Weise aktiv werden. Wie viele Androiden stehen zur Verfügung?«

»Fünfundsechzig, Herr«, antwortete Seiblad.

»Lässt sich mehr schaffen?«

»Nein. Wir haben sogar Algo wieder zum Leben erweckt.«

»Algo, Algo? Wer ist das?«, fragte Petrefa irritiert.

»Ein Androide, dem nur das Herz entnommen wurde. Andere Teile konnten nicht mehr verwertet werden, da die Sperrung der Kliniken dazwischenkam. Das präparierte Herz wurde jedoch verwendet. Es wurde einem Mann namens Jackmo Pappron eingepflanzt. Sie erinnern sich?«

»Ja, ich erinnere mich. Der Mann wurde gefangen, nicht wahr?«

»Er konnte nicht beeinflusst werden. Alle Versuche waren vergeblich. Wir wissen nicht warum. Man nahm ihn fest und schleppte ihn an Bord. Ein präpariertes Herz ist ein wertvolles Organ. Der Mann wurde vergangene Nacht bei einem Fluchtversuch auf dem Wege zur Operation erschossen. Das Herz wurde Algo zurückgegeben. Er erholt sich jetzt von der Einpflanzung und steht ab morgen wieder voll zur Verfügung.«

Amlor Petrefa fuhr mit der Hand durch die Luft. Aus dem Leib einer kamashitischen Statue, die die sterbende Weltmutter darstellte, löste sich ein durchsichtiger Becher mit einer grünlich gefärbten Flüssigkeit und glitt auf dem unsichtbaren Strahl eines künstlichen Schwerefeldes bis auf Petrefas Arbeitstisch. Petrefa nahm den Becher auf und leerte ihn in einem Zug.

»Gut«, sagte er. »Einige Tage können wir noch warten; aber dann muss etwas geschehen. Du kannst gehen!«

 

*

 

Zwei Männer kamen in meine Kammer. Ich schlief. Plötzlich standen sie vor mir. Ich kannte sie nicht. Einer sagte: