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Nr. 119

– Im Auftrag der Menschheit Band 111 –

 

Der Plasma-Mutant

 

Der Lordadmiral greift ein – das Ende des Mächtigen ist nahe

 

von Kurt Mahr

 

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Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Mitte November des Jahres 2842 – eines Jahres, dessen erste Hälfte äußerst turbulent verlief, wie die vorangegangenen Ereignisse eindeutig bewiesen.

Jetzt herrscht in der Galaxis relative Ruhe. Der Aufbau des Solaren Imperiums geht kontinuierlich voran. Es gibt im Augenblick weder im Bereich des Inneren noch im Bereich des Äußeren Schwierigkeiten von Bedeutung. Kein Wunder daher, dass Perry Rhodan, der Großadministrator, Staatsgeschäfte Staatsgeschäfte sein lässt und zusammen mit seiner Frau Mory Abro, der Regierungschefin von Plophos, zu einer Expedition in ein weit entferntes Sonnensystem aufgebrochen ist.

Dabei wäre, wie es sich plötzlich herausstellt, die Anwesenheit des Großadministrators und seiner Frau auf Plophos dringend erforderlich! Denn Plophos, das zu einem Transplantationszentrum ersten Ranges geworden ist, wird durch eine Invasion ganz besonderer Art gefährdet.

Doch die USO unter Führung Lordadmiral Atlans hat sich des Plophos-Problems bereits mit Erfolg angenommen. Spezialisten haben diejenigen verfolgt, die für den Terror auf Plophos verantwortlich sind, und die Welt des »Mächtigen« erreicht.

Jetzt kommt es zur entscheidenden Konfrontation und zum Kampf! Auf der einen Seite steht die Macht der USO – auf der anderen DER PLASMA-MUTANT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Lordadmiral erscheint mit einer Kampfflotte.

Stuckey Folus und Thow Tanza – Zwei Spezialisten der USO.

Kazinger Erfgo – Ein Rebell von Wagtmeron.

Amlor Petrefa – Herr eines Zirkusschiffes.

Kinke Seiblad – Petrefas Vertrauter.

Einstein – Ein Androide verlässt sein Versteck.

Der Mächtige – Der Plasma-Mutant wird in die Enge getrieben.

1.

 

»Die Raben sind fort!«

Das war das erste, was ihm auffiel, als er an diesem Morgen erwachte. Er sah sich um. Der Rest des Lagers schlief noch, auch »Opa« Thow Tanza. Der Morgen war erst vor ein paar Minuten über den Berg gekrochen. Silberne Nebelschwaden zogen durch den Wald. Bis auf das Gezwitscher der Vögel war es still in der Runde.

Stuckey Folus war ein großer, hagerer Mann mit tief in ihren Höhlen verborgenen Augen und kurzgeschnittenem, braunem Haar. Er schob sich aus dem Schlafsack hervor, stand auf und räkelte sich. Er fühlte sich mit der Welt zufrieden. Er hatte gut geschlafen. Die Nacht war ruhig verlaufen, und der frühe Morgen enthielt die Aussicht auf ein handfestes Frühstück, das die Frauen der Gruppe zubereiten würden.

Nur das Verschwinden der Raben warf einen kleinen Schatten auf Stuckey Folus' Wohlbefinden. Sie waren bislang sozusagen das Kenn- und Markenzeichen der kleinen Gruppe von Unabhängigen gewesen, denen Thow Tanza und Stuckey Folus sich vor ein paar Wochen angeschlossen hatten. Die Tiere waren ungewöhnlich intelligent und wurden als Späher und Kämpfer verwendet. Tagsüber saßen sie zumeist auf den Schultern ihrer Besitzer, und nachts entfernten sie sich nie weiter als ein paar Sprünge vom Lager. Die Raben hießen Cosmidos, und nach ihnen hatten sich auch die Unabhängigen genannt, ursprünglich fast eine halbe Kompanie stark, durch Aufsplitterung und Verluste jetzt jedoch auf eine Stärke von zehn Mann und acht Frauen reduziert.

Folus fragte sich, was das Verschwinden der Vögel zu bedeuten haben mochte. Unweit des Lagers trat ein kleiner Quell aus dem Boden, dessen klares, kaltes Wasser sich zunächst in einem Becken sammelte, bevor es sich zu einem Rinnsal formte, das den Berghang hinablief. Für Stuckey Folus war die Morgenwäsche eine der wichtigsten Verrichtungen des Tages. Während er sich mit Strömen kalten Wassers übergoss, dachte er an die komfortablen Hygienezellen von Quinto-Center, die Knetbäder, Aeromassagen und die ZVs, die durch stimulierende Vibrationen den Blutkreislauf auf Trab brachten. Wie leicht es war, ohne sie auszukommen, schoss es ihm durch den Kopf. Als er von der Quelle zurückkehrte, begann das Lager sich zu regen. Opa Thow Tanza schälte sich aus seinem Schlafsack und starrte grimmig in den treibenden Nebel. Er war ein kleiner, aber stämmiger Mann, über neunzig Jahre alt, mit einem breiten, grob geschnittenen Gesicht und lockigem, schwarzgrauem Haar.

»Die Raben sind fort, Opa«, sagte Folus zur Begrüßung.

»Das sehe ich selbst«, knurrte Opa. »Das brauchst du mir nicht zu sagen.«

Er räkelte sich, dass die Gelenke knackten. Auf der anderen Seite des Lagers erhob sich eine lange, dürre Gestalt mit weißer Haut, weißlich-blonden Haaren und den rötlichen Augen des Albinos. Gähnend schlenkerte er durch die Reihen der teils noch Schlafenden, teils Erwachenden und blieb vor Folus und Tanza stehen. Wie jeden Morgen fiel sein Blick zuerst auf das seltsame gemeinsame Merkmal der beiden Männer, den kaum vernarbten Stummel am rechten Vorderarm. Folus und Tanza hatten beide die rechte Hand verloren – oder geopfert, wenn man genau sein wollte.

»Es liegt etwas in der Luft«, erklärte er. »Die Raben sind fort!«

Opa Tanza schlug sich klatschend auf den Oberschenkel.

»Da bin ich doch froh, dass mir das einer sagt«, dröhnte er, »sonst hätte ich es womöglich gar nicht gemerkt!«

»Was hat das zu bedeuten, Kazinger?«, erkundigte sich Stuckey Folus.

Kazinger Erfgo, Sohn eines Terraners und einer Arkonidin, zuckte nach terranischer Manier mit den Schultern.

»Kann man nicht sagen«, antwortete er. »Fest steht nur, dass die Welt heute nicht mehr so ruhig ist wie gestern. Wir sollten ein paar Kundschafter ausschicken und nachsehen, was es in der Stadt Neues gibt.«

Sverkon, die einzige Stadt der arkonidischen Siedlerwelt Wagtmeron, lag in der Ebene südlich der Bergkette, in denen sich die Cosmidos gegenwärtig versteckt hielten. Sverkon verfügte über einen Raumhafen mittleren Ausmaßes, auf dem seit geraumer Zeit als markanteste Vertreter der interstellaren Raumfahrt die beiden Zirkus-Raumschiffe ORBAG MANTEY und COMOTOOMO standen.

Folus hielt den Vorschlag für gut.

»Opa und ich werden das machen«, entschied er und nickte dazu.

Ein ärgerlicher Zug erschien auf dem Gesicht des Albinos.

»Ich denke, hier bin ich wieder derjenige, der den Ton angibt!«, stieß er hervor.

Mit einem Schritt stand Stuckey Folus unmittelbar vor ihm. Unter seinem drohenden Blick wurde Erfgo verlegen. Er senkte die Augen und murmelte:

»Nun ja ... wenn ihr unbedingt wollt, meinetwegen.«

Er wollte sich entfernen, aber Folus hielt ihn an der Schulter fest.

»Hör mir gut zu, Rotauge! Kürzlich hast du eine Anzahl deiner Leute bei einer unnötigen Aktion verloren. Warum? Weil du in Wirklichkeit ein lausiger, unfähiger Führer bist, der weiter nichts kennt als seinen eigenen Rachedurst. Das haben dir deine Leute gestern zu verstehen gegeben. Seit gestern ist deine Stimme nicht mehr wert als jede andere im Rat der Cosmidos. Fang also nicht schon wieder an, den starken Mann zu spielen, oder soll Opa dir wieder zeigen, wie wenig du in Wirklichkeit wert bist?«

»Ja, schon gut«, maulte Kazinger Erfgo, entwand sich Folus' Griff und stapfte missmutig davon.

 

*

 

Nachdem sie sich ein gehöriges Frühstück einverleibt hatten, machten »Pa« Stuckey Folus und Opa sich auf den Weg. Die Cosmidos verfügten nur noch über ein einziges Fahrzeug, einen altmodischen Gleiter. Die Raben waren noch nicht zurückgekehrt.

Der Gleiter schoss dicht über die Wipfel des Waldes hinweg, der den Südhang der Bergkette bedeckte, und gewann schließlich die busch- und grasbewachsene Ebene, die sich Hunderte von Kilometern weit nach Süden zog. Von links her kam die Straße in Sicht, die zu dem alten, in den Bergen gelegenen Bergwerk führte, das vor wenigen Tagen Zeuge erstaunlicher Aktivität geworden war. Was immer in der alten Mine gelagert hatte, befand sich jetzt an Bord der beiden Zirkus-Raumschiffe COMOTOOMO und ORBAG MANTEY. Im Süden wuchs die Silhouette der Stadt Sverkon aus dem hellen Morgensonnenschein. Sverkon war eine große Stadt; ihre Einwohnerschaft zählte nicht mehr als fünfzigtausend, zumeist Arkoniden, aber auch einige tausend Mitglieder anderer galaktischer Völker. Folus drückte den Gleiter dicht an den Boden und folgte dem Verlauf der Straße, die vom Bergwerk kam. Die Bewohner von Sverkon betrachteten ihn und Opa, ebenso wie Erfgo und seine Cosmidos, als Feinde. Folus' und Tanzas Unternehmen war daher keineswegs ungefährlich.

»Wir hätten uns maskieren sollen«, brummte Opa plötzlich.

»Was hätte uns das genützt?«, fragte Folus.

»Dummkopf – die Leute von Sverkon hätten uns nicht sofort erkannt«, lautete die unfreundliche Antwort.

»Ja, erst ein paar Sekunden später«, lachte Folus verächtlich.

»Ich möchte wissen, wie sie das machen«, knurrte Opa, der seinen Vorschlag schon wieder vergessen zu haben schien. »Woran erkennen sie so rasch, dass wir nicht zu ihnen gehören?«

»Daran sind die merkwürdigen Gallerterbsen schuld«, antwortete Folus, »die sie in sich tragen. Die kleinen Einschlüsse aus Protoplasma, mit denen jeder Mann, jede Frau, jedes Kind in Sverkon infiziert ist. Die Leute stehen unter dem Einfluss einer fremden Macht, und die Protoplasma-Kügelchen sind die Befehls- und Informationsübermittler. Das Wissen, das die fremde Macht besitzt, kann sie in Sekundenschnelle an alle Einwohner der Stadt übermitteln. Also auch die Kenntnis, dass wir beide nicht zu denen gehören, die Protoplasma-Einschlüsse in sich tragen.« Er betrachtete den Armstummel mit einem grimmigen Blick. »Wenigstens jetzt nicht mehr«, fügte er hinzu.

Der Gleiter näherte sich jetzt den nördlichen Stadtbezirken. Folus hielt von der Straße ab und bugsierte das Fahrzeug hinter ein niedriges Gebüsch. Gespannt starrten die beiden Männer zum Stadtrand hinüber.

»Da rührt sich aber auch gar nichts«, sagte Opa nach einiger Zeit.

»Sieht wie tot aus«, pflichtete Pa ihm bei.

»Ob sie ausgerissen sind?«

»Ausgerissen? Wohin?«

»Weiß ich's? Vielleicht weg von Wagtmeron, mit den Raumschiffen ...?«

Stuckey Folus schüttelte den Kopf.

»Es gibt in zehn Lichtjahren Umkreis nicht genug Passagierraum um fünfzigtausend Leute fortzuschaffen. Nein, nein, es muss an etwas anderem liegen.«

Er hob den Gleiter vom Boden ab und ging auf Ostkurs.

»Wo willst du hin?«, fragte Thow Tanza neugierig.

»Mir die Sache von der anderen Seite her ansehen«, antwortete Folus knapp.

Er umrundete die Stadt in weitem Bogen. Östlich von Sverkon zog ein breiter Fluss vorbei, der sich auf der Höhe der Stadt in Dutzende von kleinen Wasserläufen und Kanälen verzweigte und sich mit weiten Sumpf- und Marschflächen umgeben hatte. Dort draußen war ein Paradies für Vögel und allerlei sonstiges Getier; aber Menschen wagten sich selten hinaus. Pa Folus ließ alle Vorsicht außer acht, flog in zureichender Höhe und ging wenige Minuten später wieder auf Westkurs, um sich dem südlichen Stadtrand von Osten her zu nähern.

Schon aus zwei Kilometern Entfernung sahen Pa und Opa, dass dort merkwürdige Ereignisse im Gange waren. Aus der Stadt wälzte sich ein stetiger Strom von Menschen. Die Straße, die in südlicher Richtung zum Raumhafen führte, war mit Verkehr aller Arten vollgepackt. Privatfahrzeuge, hochbeladene Lastengleiter und Fußgänger mischten sich zu einem bunten Durcheinander, das sich nur zähflüssig dahinbewegte, weil einer dem anderen im Wege war.

»Siehst du?«, frohlockte Opa. »Ich sagte dir doch, sie reißen aus!«

Stuckey Folus wusste nicht, was er dazu sagen sollte.

»Fragt sich nur, wohin«, bemerkte er schließlich.

 

*

 

Vor rund einem Monat waren Stuckey Folus und Thow Tanza, beide USO-Spezialisten und Mitglieder des Teams, das man »die Familie« nannte, als blinde Passagiere an Bord der COMOTOOMO nach Wagtmeron im System Kargnickan gekommen. Ihr Unternehmen, an dem bis vor kurzem auch das dritte Mitglied der »Familie«, die USO-Spezialistin Nancy Chessare, genannt »Ma«, beteiligt gewesen war, stand im Zusammenhang mit einer Reihe eigenartiger Vorfälle, die sich in den vergangenen Wochen auf der Siedlerwelt Plophos abgespielt hatten. Dort war festgestellt worden, dass Patienten der zahlreichen Transplantationskliniken die sich vor kurzem einer Transplant-Operation unterzogen hatten, mit Organen ausgestattet worden waren, die im Gewebe winzige Kügelchen aus Protoplasma enthielten. Man hatte die Kügelchen zunächst mit Speichererbsen verglichen, so genannten Kaschkarits, wie sie für die Speicher von Hybridcomputern verwendet wurden. Erst später war man darauf gekommen, dass die Protoplasma-Einschlüsse weitaus gefährlicher waren.

Die so behandelten Patienten litten unter Tobsuchtsanfällen und entwickelten zerstörerische Tendenzen, die anscheinend von dritter Seite aus gesteuert wurden, und zwar mit Hilfe der winzigen Einschlüsse, die im Gewebe der Transplantorgane verborgen waren. Die Absichten dieser bislang unidentifizierten dritten Partei, die man vage »die Macht« oder »den Mächtigen, der alles vereinen will« nannte, waren völlig unklar. Jedoch kam man bald dahinter, woher die mit Protoplasma-Einschlüssen versehenen Transplantorgane stammten. Es war natürlich ermittelt worden, dass die infizierten Organe ohne Ausnahme früher einmal zu einem Androidenkörper gehört hatten. Androiden gab es auf Plophos von Natur aus nicht, dafür jedoch an Bord der Zirkus-Raumschiffe, die in bunter Folge auf Plophos gastierten.

Eine Hypothese entstand, so grausig und grotesk wie ein alter Horrorroman. Die Zirkus-Androiden wurden in einer geheimen Klinik, wahrscheinlich im Hauptquartier der Macht, hergestellt und mit Protoplasma-Kügelchen infiziert. An Bord der Zirkus-Raumschiffe gelangten sie nach Plophos, wurden dort wieder auseinandergenommen und die infizierten Organe in den Organbanken plophosischer Transplantkliniken untergebracht. Die Eigentümer der Zirkus-Raumschiffe und ihre Mitarbeiter fungierten als Agenten der fremden Macht.

Stuckey Folus und Thow Tanza, inzwischen auf sich gestellt, nachdem »Ma« Nancy Chessare sich auf den Weg nach Quinto-Center gemacht hatte, um dort einige erbeutete Protoplasma-Kügelchen analysieren zu lassen, setzten sich auf die Spur der Zirkus-Raumschiffe. Nach einem verwegenen Einsatz gelang es ihnen, sich an Bord der COMOTOOMO zu verbergen. Auf diese Weise gelangten sie nach Wagtmeron.

Sie erkannten bald, dass sämtliche Bewohner dieser Welt von der fremden Macht infiziert waren. Die beiden blinden Passagiere wurden, sobald sie sich unter die Bevölkerung der Stadt Sverkon zu mischen versuchten, als Eindringlinge erkannt und angefeindet. Man jagte sie, fing sie ein und pflanzte ihnen eine Reihe von Protoplasma-Einschlüssen in die rechte Hand. Stuckey Folus erlag dem fremden Einfluss sofort und vollständig. Opa Tanza dagegen besaß von einem früheren Kontakt mit der Protoplasma-Substanz her ein gewisses Maß an Resistenz. In einem wachen Augenblick erkannte er die Größe der Gefahr und handelte ebenso resolut wie rabiat: Er schoss sich die rechte Hand ab. Als er aus der Bewusstlosigkeit erwachte, verarztete er Pa Folus auf dieselbe Weise.

Die beiden Spezialisten flohen aus der Stadt und verbargen sich in den Bergen. Dort stießen sie auf die Cosmidos, die letzten unbeeinflussten Bewohner von Wagtmeron. Lediglich Kazinger Erfgo war einstmals mit Plasmakügelchen behandelt worden. Auch ihm waren die gefährlichen Einschlüsse in die Hand operiert worden. Erfgo jedoch besaß eine natürliche Immunität gegen die Einschlüsse. Sein Organismus kapselte sie ab und desaktivierte sie. Seitdem hatte Kazinger Erfgo auf dem Handrücken zwei beulenartige Anschwellungen.

Mit Hilfe der Cosmidos gelang es Pa und Opa, in das andere der beiden auf dem Raumhafen stehenden Zirkusschiffe einzudringen und einen Hyperfunkspruch abzustrahlen. Für die beiden Spezialisten bestand kein Zweifel daran, dass Wagtmeron das Hauptquartier der fremden Macht war, wenn sie es bislang auch noch nicht vermocht hatten, die Macht selbst oder ihre Ziele zu identifizieren.

 

*

 

Amlor Petrefa, Herr der ORBAG MANTEY, brummte mürrisch, als er das Summen des Kommunikationsmechanismus hörte. Er stand von seinem Arbeitstisch auf und trat vor einen kleinen Wandsafe, dessen Tür sich öffnete. Das Innere des Safes enthielt allerlei elektronisches Gerät und im Hintergrund ein Glassitgefäß, in dem in einer Nährflüssigkeit ein Fladen Protoplasma schwamm. Die Gallertmasse, sonst von unscheinbarem Hellgrau, leuchtete in grellem Orange und glitt mit ruckartigen Bewegungen durch die Flüssigkeit. Das war das Zeichen, dass »die Macht« mit der ORBAG MANTEY Verbindung aufnehmen wollte.

Petrefa drückte die Empfangstaste.

»Der Feind ist in unmittelbarer Nähe«, sagte eine klanglose, künstlich erzeugte Stimme. »Damit ist es uns vorläufig unmöglich gemacht, diese Welt zu verlassen. Man muss damit rechnen, dass der Feind auf Wagtmeron landet. Es gilt, wichtige Spuren zu beseitigen!«

Der Gallertfladen hatte sich beruhigt. Er war wieder unscheinbar grau und schwebte träge in der Nährflüssigkeit.

»Sie sprechen von dem Bergwerk?«, erkundigte sich Petrefa.

Das Stück Protoplasma erwachte zu kurzer Aktivität, als es die elektronischen Impulse in telepathische Signale verwandelte und abstrahlte. Nach wenigen Sekunden kam die Antwort:

»Ich meine das Bergwerk und die Klinik.« Und während Amlor Petrefa erstaunt aufhorchte, fuhr sein unsichtbarer Gesprächspartner fort: »Ich weiß, dass Sie die Klinik nicht kennen. Sie befindet sich nordöstlich der Stadt in einem schwer zugänglichen Talkessel. Vom Standort Ihres Schiffes aus beträgt die Kursrichtung genau dreiundvierzig Grad, die Entfernung achtundfünfzig Kilometer. Sie verfügen über ausreichende Mengen an chemischen und nuklearen Explosivstoffen, um die gesamte Klinik dem Erdboden gleichzumachen. Tun Sie das so rasch wie möglich, und melden Sie den Vollzug dieser Anordnung, sobald Sie hierher zurückgekehrt sind.«

»So wird es geschehen«, antwortete Amlor Petrefa.

Dann schloss er den Safe. Ein paar Minuten lang ging er unruhig in seinem mit barbarischer Pracht ausgestatteten Arbeitszimmer auf und ab. Er war kein großer Mann, dafür aber um so stämmiger gebaut. Er hatte einen Stiernacken, ein Gesicht mit groben faunischen Zügen und wulstige Lippen. Die Gedanken, die ihm jetzt durch den Kopf gingen, waren unfreundlicher Natur. Er hatte sich mit, »der Macht«, mit »dem Mächtigen, der alles vereint«, auf ein Geschäft eingelassen. Er war darauf eingegangen, weil ihm ein Profit angeboten wurde, den er mit seinem Zirkusunternehmen nicht machen konnte. Er hatte präparierte Androiden, die ihm bei jeder Landung auf Wagtmeron am Raumhafen zugeliefert wurden, nach Plophos gebracht, sie dort von seinen Leuten zerstückeln und die präparierten Organteile in Organbanken unterbringen lassen. Er hatte seinen Geschäftspartner nie zu Gesicht bekommen. Die Verbindung, die ursprünglich von einem präparierten Androiden aufgenommen worden war, wurde mit Hilfe des Gallertfladens unterhalten, der sich dort im Wandsafe befand.