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Nr. 200

– ATLAN exklusiv Band 61 –

 

Herrscher im Mikrokosmos

 

Sie sind Wanderer zwischen den Universen – Atlan ist in ihrer Gewalt

 

von William Voltz

 

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In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit dem Großen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muss sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen.

Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ihr eigenes Wohl bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen.

Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen.

Gegenwärtig aber ist Atlan nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen den Usurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen. Der Kristallprinz ist durch die Einwirkung einer neuen Geheimwaffe der Maahks in ein anderes Raum-Zeitkontinuum gelangt – in den Mikrokosmos.

Und der Weg zurück aus dem Bereich des unendlich Kleinen führt nur über die HERRSCHER IM MIKROKOSMOS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan und Crysalgira – Der Kristallprinz und die Prinzessin in der Gewalt der Herren des Mikrokosmos.

Vargo – Entdecker der Absoluten Bewegung.

Mamrohn – Ein Rebell unter den Varganen.

Kreton und Kandro – Beherrscher der Eisigen Sphäre.

Magantilliken – Henker der Varganen.

1.

Atlan

 

Crysalgira wand sich aus meinen Armen und trat einen Schritt zurück, um mich nachdenklich anzusehen.

»Ich liebe dich nicht«, stellte sie fest. »Es ist die Situation, die mich zu dir getrieben hat. Wenn wir jemals zurückfinden sollten, werde ich zu Sonnenträger Chergost zurückkehren.«

Es war eine sehr schwache Form des Protests, und vielleicht hätte ich mich entschlossen, ihn zu ignorieren, aber in diesem Augenblick öffnete sich die Kabinentür, und ein bewaffneter Tejonther blickte zu uns herein. Seine gelben Augen richteten sich auf das Mädchen, so dass ich mich unwillkürlich fragte, ob ein Tejonther fähig war, die hinreißende Schönheit der Prinzessin zu erkennen.

»Wir sind gelandet«, verkündete der Raumfahrer. Seine Worte wurden von einem kleinen Gerät übersetzt. »Sie werden das Schiff in wenigen Augenblicken verlassen.«

Er trat zur Seite, um uns Platz zu machen. Jede seiner Bewegungen wurde von erhöhter Wachsamkeit diktiert; zu glauben, diesen Mann überrumpeln zu können, wäre ein gefährlicher Trugschluss gewesen.

Der Tejonther führte uns in die Zentrale des Schiffes. Auf den Bildschirmen konnte ich erkennen, dass wir uns auf einem kleinen Asteroiden befanden.

»Das ist die Gefühlsbasis!«, erklärte der tejonthische Kommandant teilnahmslos.

Ich fragte mich, warum ich weder Furcht noch Unbehagen empfand, vielleicht war dieser im Weltraum treibende Schlackehaufen nicht aktiviert. Ein Tejonther betrat die Zentrale und übergab Crysalgira und mir zwei Atemmasken und Isolationsanzüge. Ich überlegte, wie die Tejonther dieses Problem gelöst hätten, wenn ihre Körpergröße nicht der unseren entsprochen hätte. Mein Zeitgefühl sagte mir, dass der Flug von Belkathyr hierher zwei Tage arkonidischer Zeitrechnung gedauert hatte.

Die Tejonther in der Zentrale machten einen sehr ungeduldigen Eindruck, sie schienen kaum erwarten zu können, uns endlich loszuwerden. Als wir die uns zur Verfügung gestellte Ausrüstung angelegt hatten, geleiteten uns zwei bewaffnete, ebenfalls mit Schutzanzügen bekleidete Raumfahrer zur Schleuse des Schiffes. Die Gangway war bereits herabgelassen.

Meine Blicke suchten die zerklüftete Oberfläche des Asteroiden nach Anzeichen von Eingriffen einer raumfahrenden Macht ab, aber in der nur schwach erhellten Umgebung war nichts zu erkennen. Wahrscheinlich lag die eigentliche Gefühlsbasis im Kern dieses Körpers.

Einer unserer Wächter ging voraus und wies uns den Weg, der andere bewegte sich mit schussbereiter Waffe hinter uns. Dieser Aufwand erschien mir übertrieben, nur ein Selbstmörder hätte hier einen Fluchtversuch unternommen. Da zu unserer Ausrüstung kein Sprechgerät gehörte, konnten wir uns mit den Tejonthern nur durch Handzeichen verständigen. Ich bedauerte auch, dass ich mich nicht mit Crysalgira in Verbindung setzen konnte, denn ich hätte gern mit ihr über die Ereignisse gesprochen, die uns erwarteten.

Zielsicher bewegte sich der Tejonther an der Spitze in eine enge Schlucht. Die beiden Wächter schalteten tragbare Scheinwerfer ein und leuchteten den Boden ab, damit wir Unebenheiten und Spalten besser erkennen konnten.

Sie werden euch an jene Macht übergeben, die eure Hinrichtung auf Belkathyr verhindert hat!, meldete sich mein Extrahirn.

Ich überlegte, was uns für die Unbekannten so interessant machte. Niemand wusste, dass wir aus dem Makrokosmos kamen. Es war sinnlos, mit den Tejonthern darüber zu sprechen. Wie sollte ich ihnen begreiflich machen, dass jeder einzelne von ihnen nach meiner Vorstellung tausendmal kleiner als ein Staubkorn war?

Die Wesen, die hier lebten, besaßen ihren eigenen Mikrokosmos, eine Feststellung, die ungeheuerliche Perspektiven eröffnete und über die ich besser nicht nachdachte.

Meine Gedanken wurden unterbrochen, als unser Führer stehenblieb und den Lichtkegel des Scheinwerfers auf eine glatte Metallfläche zwischen den Felsen richtete.

»Eine Art Schleuse«, sagte ich unwillkürlich, dann fiel mir wieder ein, dass Crysalgira mich nicht verstehen konnte.

Die Tejonther traten zur Seite. Einer von ihnen richtete ein kleines Instrument gegen die Metallfläche. Das Tor glitt zur Seite, so dass ich in eine beleuchtete Druckkammer blicken konnte. Die Einrichtung des Raumes war nicht besonders aufschlussreich. Gemessen an dem, was ich erwartet hatte, wirkte sie geradezu spartanisch einfach.

Der rechts von mir stehende Wächter machte eine unmissverständliche Geste mit seiner Waffe: Crysalgira und ich sollten die Druckkammer betreten.

Crysalgira sah mich an, sie überließ mir die Entscheidung. Wir hatten keine andere Wahl, als den Befehl zu befolgen.

Ich trat in die Druckkammer, Crysalgira folgte mir. Die äußere Tür glitt zu. Bevor sie sich endgültig schloss, sah ich, dass die Tejonther sich bereits zum Gehen gewandt hatten. Für sie war die Angelegenheit offenbar abgeschlossen.

Crysalgira wollte die Atemmaske abnehmen, doch ich zog ihre Hände zurück. Noch wussten wir nicht, welche Umweltbedingungen uns hier erwarteten.

Eine Zeitlang blieb alles still, dann glitt die innere Tür der Druckkammer auf. Ein breiter Korridor lag vor uns. Die Höhe der leuchtenden Decke war nicht leicht zu schätzen, aber als ich die Hand ausstreckte, konnte ich das warme und weiche Material berühren.

Der Boden war mit einem netzartigen Gewirr von Linien bedeckt, die ich zunächst für Kratzspuren hielt. Als wir jedoch ein paar Schritte in den Korridor gemacht hatten, stellte ich fest, dass diese Linien feine Zeichnungen von unbekannten Geräten darstellten. Die Wände waren glatt und von hellgelber Farbe.

Das von der Decke ausgehende Licht war so hell, dass ich das Ende des Korridors nicht sehen konnte, nur wenige Schritte von mir entfernt verschwanden alle Einzelheiten in einer Lichtflut, die den Augen weh tat.

Ich riskierte es, die Atemmaske abzunehmen. Angenehm frische Luft schlug mir ins Gesicht. Ich nickte Crysalgira zu.

»Es gibt atembare Luft, Prinzessin. Ich bin sicher, dass wir erst jetzt die eigentliche Gefühlsbasis betreten haben.«

Sie schob ihre Maske in den Nacken.

»Warum sind wir hier, Atlan?«

»Das wüsste ich gern, aber wir können den Grund nicht einmal vermuten. Jemand ist an uns interessiert. Ich bin sicher, dass wir bald eine Nachricht von den Unbekannten erhalten werden.«

Sie begann ihre Haare zu ordnen, unbewusste Bewegungen einer auf Schönheit bedachten Frau. Trotz der Strapazen der vergangenen Tage hatte Crysalgiras Äußeres sich kaum verändert. Ich ertappte mich dabei, dass ich sie unbewusst mit Farnathia und Ischtar verglich. Auf ihre Art wirkte sie nicht weniger anziehend als die beiden anderen Frauen, obwohl sie natürlich nicht die Ausstrahlungskraft der Goldenen Göttin besaß.

Plötzlich entstand vor uns eine Bewegung. Wir blieben stehen.

Eine Gestalt kam aus der Helligkeit.

Sie wirkte zerbrechlich und durchsichtig. Je näher sie herankam, desto stärker wurde der Eindruck, dass es sich um ein weibliches Wesen handelte. Ich wurde bei ihrem Anblick von innerer Unruhe ergriffen, denn ich fühlte mich an irgend etwas erinnert, was mir noch nicht völlig bewusst wurde.

Die Gestalt schien zu schweben, ein kalter Hauch wehte zu Crysalgira und mir herüber.

Ein Gazeschleier umgab das seltsame Wesen, leuchtende Kristalle wirbelten um seinen Kopf.

Die Erkenntnis, wer diese Gestalt war, traf mich wie ein körperlicher Schlag. Unwillkürlich machte ich einen Schritt zurück. Mein Gesicht musste ungläubiges Entsetzen ausdrücken, denn Crysalgira kam besorgt auf mich zu.

Das Wesen war eine der zwölf Erinnyen, denen ich in der alten varganischen Station auf Sogantvort begegnet war. Ich erinnerte mich genau, wie die zwölf Rachegöttinnen den Behälter mit dem Embryo meines Sohnes Chapat an sich genommen hatten, um ihn in die Eisige Sphäre zu entführen.

Ich schüttelte benommen den Kopf, doch das Bild löste sich nicht auf.

Die Erinnye hätte nicht hier sein dürfen, denn Sogantvort war eine vergessene Welt der Varganen im Makrokosmos!

 

*

 

Crysalgira berührte mich am Arm.

»Atlan!«, rief sie drängend. »Kennst du dieses Wesen?«

Ich nickte. Noch immer war ich so verblüfft, dass ich kein Wort über meine Lippen brachte. Unglaubliche Gedanken gingen mir durch den Kopf, ich stellte die wildesten Spekulationen an, obwohl ich mir darüber im Klaren war, dass die Wahrheit noch viel phantastischer sein musste als meine Überlegungen.

»Folgt mir!«, forderte uns die Erinnye in varganischer Sprache auf und löschte damit die letzten Zweifel an ihrer Herkunft.

Wie kam einer der geheimnisvollen Roboter der Varganen aus dem Makrokosmos hierher in eine Gefühlsbasis der Tropoythers im Mikrokosmos?

»Warum sprichst du nicht?«, fragte Crysalgira. »Warum sagst du mir nicht, was du weißt? Kannst du dieses Wesen verstehen?«

»Ich verstehe es«, brachte ich hervor. Noch immer war ich überwältigt von der unerwarteten Erscheinung. »Es sagt, dass wir ihm folgen sollen.«

Die Erinnye schwebte voraus, geräuschlos, einen Kranz wirbelnder Eiskristalle um den nebelförmigen Kopf.

Ich merkte, dass ich zitterte – ein äußeres Anzeichen meiner Erregung. Vergeblich lauschte ich in mich hinein. Mein Extrahirn meldete sich nicht. In dieser Situation war es ebenfalls ratlos.

Plötzlich standen wir am Ende des Korridors. Vor uns lag ein Raum mit rundem Querschnitt und einem kuppelförmigen Dach. Vier mächtige Streben liefen von vier Eckpunkten des Bodens zum Zentrum der Decke hinauf, wo ein kugelförmiges Gebilde aus glasähnlichem Material hing. In der Kugel, die langsam rotierte, schienen Bewegungen stattzufinden.

Überall im Boden befanden sich muldenförmige Vertiefungen, die von spiralförmigen Auswüchsen unterschiedlicher Größe und Dicke umrahmt wurden.

Die Erinnye bewegte sich in die Mitte des Raumes.

»Legt euch in diese Mulden!«, befahl sie.

Ich übersetzte Crysalgira, was die Erinnye gesagt hatte.

»Warum sollen wir das tun?«, fragte das Mädchen. »Atlan, was soll mit uns geschehen?«

»Wir haben keine andere Wahl, als alle Anordnungen zu befolgen«, gab ich zurück. »Ich bin überzeugt davon, dass man uns keinen Schaden zufügen wird. Man hat uns eine bestimmte Rolle zugedacht, über die wir sicher bald mehr erfahren werden. Im Augenblick ist alles so rätselhaft, dass ich nicht einmal erahnen kann, was geschehen wird.«

Sie drängte sich gegen mich. In dieser fremdartigen Umgebung verlor sie ihre gewohnte Selbstbeherrschung immer mehr.

Ich wählte zwei Mulden aus, die unmittelbar nebeneinander lagen. Die Erinnye erhob keine Einwände.

Kaum, dass Crysalgira und ich uns in den Vertiefungen niedergelassen hatten, kippten die spiralförmigen Auswüchse am Rande der Mulde über unsere Körper und stellten Kontakt her. Ich war augenblicklich gelähmt und lag starr da. Meine Haut prickelte. Die Kugel über mir schien schneller zu rotieren.

Ich glaubte Gestalten in dieser Kugel zu sehen und fühlte mich plötzlich zu ihnen hingezogen.

Wie aus weiter Ferne hörte ich die Stimme der Erinnye.

»Du sollst die Wahrheit erfahren, weil wir dich brauchen. Dein Bewusstsein wird in die Vergangenheit reisen und erleben, was sich tatsächlich ereignet hat.«

Ich wollte aufschreien, denn ich fühlte instinktiv, dass ungeheuerliche Dinge auf mich warteten. Ich sollte eine Wahrheit erfahren, von der ich nicht wusste, ob ich sie ertragen konnte.

Die Kugel sank auf uns herab, sie dehnte sich aus wie ein Ballon. Ich hatte den Eindruck, dass sie mich unter sich begrub. Um mich herum entstand eine unwirkliche Umgebung. Die bisher nur verschwommen sichtbar werdenden Gestalten bekamen feste Konturen.

Ich stand mitten unter den Fremden.

Aber ich war nicht länger Atlan.

Ich war ...

2.

Vargo

 

Der Überfall erfolgte im Mondschattenfeld der Pyramide, zu einem Zeitpunkt, da Vargo längst nicht mehr mit Aktionen der Projektgegner gerechnet hatte. Vielleicht war dieser verzweifelte Anschlag Ausdruck ohnmächtigen Zorns, denn schließlich war Brenzko Karahn bereits vor drei Tagen durch den Umsetzer gegangen und heute morgen zurückgekehrt. In dem Augenblick, da Vargo das Mondschattenfeld der Pyramide betrat, hatte er keine Chance, von den Wachhabenden Priestern auf dem Gipfelplateau der Pyramide gesehen zu werden.

Die Angreifer hatten damit gerechnet, dass Vargo zum Gottesdienst kommen würde, um für den Erfolg seines Projekts ein Dankgebet zu sprechen, aber sie hatten nicht wissen können, dass er allein kommen würde. Dieses Risiko waren sie eingegangen – und hatten gewonnen.

Sie waren zu sechst, hochgewachsene schlanke Männer, deren Gesichter durch Gazebrei unkenntlich gemacht waren. Wie aus dem Boden gewachsen, standen sie plötzlich vor Vargo und warfen ein Lähmfeld über seinen Kopf. Der Wissenschaftler konnte nicht schreien, seine Schultern wurden schlaff. Er taumelte nach vorn und versuchte noch im Fallen, die Angreifer durch Tritte zu verletzen. Sie hielten ihn fest, einer von ihnen streifte ihm mit geschickten Bewegungen einen schwarzen Mantel über, wie ihn die Tempeldiener trugen.

Vargo begriff, auf welche einfache und freche Weise die Entführung vor sich gehen sollte. Er wurde in die Mitte genommen und gestützt. So trieben sie ihn seitwärts, wo die Buschkette die Grenze zwischen Innen- und Außenhof der Pyramide bildete. Als sie aus dem Mondschattenfeld traten, musste für die Priester oben auf dem Gebäude der Eindruck entstehen, dass ein Tempeldiener eine Gruppe von Gläubigen zum Außenhof begleitete.

Vargo war von den Hüften aufwärts an gelähmt, seine Arme hingen lahm herunter, so dass er sich kaum wehren konnte. Alles geschah mit unglaublicher Schnelligkeit und ließ ihn vermuten, dass seine Gegner nicht zum ersten Mal solche Methoden anwandten. Vargos Freunde hatten oft davor gewarnt, dass die Projektgegner mit kriminellen Vereinigungen zusammenarbeiteten, aber der Wissenschaftler hatte diese Warnungen nie so richtig ernst genommen. Das stellte sich jetzt als schwerwiegender Fehler heraus.

Vargo überlegte, was sie mit ihm vorhaben konnten. Der Umsetzer war fertig gestellt und arbeitete einwandfrei, die Regierung hatte einer großen Expedition in den Makrokosmos bereits zugestimmt.

Diese Expedition würde stattfinden, gleichgültig, ob Vargo sie leiten konnte oder nicht. Die anderen Wissenschaftler, die an diesem Projekt beteiligt waren, besaßen die nötigen Unterlagen und ausreichende Kenntnisse, um alle nötigen Schritte in die Wege zu leiten.

Im Außenhof wartete ein Fahrzeug, in das Vargo geschoben wurde. Im Innern des Wagens wartete ein Mann, der ein zufriedenes Brummen hören ließ und Vargos Beine fesselte. Vargo lag auf dem Boden, er hörte ein paar Männer leise miteinander sprechen.

Er schätzte, dass die Großfahndung in einer Stunde beginnen würde, aber auf Tropoyth gab es zahlreiche Verstecke, wohin man ihn bringen und tagelang festhalten konnte. Die Regierungstruppen würden sich durch keine Drohung von der Suche abhalten lassen, dessen war er sicher. Er rechnete aber nicht damit, dass man ihn töten würde – so weit würden seine Feinde nicht gehen.

Je länger er nachdachte, desto sicherer wurde er, dass man ihn nicht nur aus einem spontanen Entschluss heraus entführt hatte. Zweifellos gab es einen Plan.

Vargo hatte keine Furcht. Er war ein alter Tropoyther, der alle Lebensziele erreicht hatte, die er sich gesteckt hatte. Dabei hatte er niemals Hirngespinsten nachgehangen. Selbst die Erforschung des Makrokosmos war von ihm mit kommerziellem Interesse betrieben worden. So reizvoll die wissenschaftlichen Erkenntnisse dieser Arbeit auch erschienen, Vargo hatte nie die materiellen Vorteile außer acht gelassen, die ein Erfolg des Projekts seinem Volk versprach.

Vargo hatte das Geheimnis der Absoluten Bewegung entdeckt, die Möglichkeit eines Materieaustauschs zwischen zwei völlig unterschiedlichen Existenzebenen. Der Umsetzer, das von Vargo konstruierte Gerät, konnte jede beliebige Materiemenge in den Makrokosmos bringen und zurückholen.

Damit waren alle Probleme der Tropoythers bis in alle Ewigkeit gelöst, ein unermessliches Feld zur Beschaffung aller denkbaren Dinge stand ihnen offen.

Viele wissenschaftliche Mitarbeiter hatten Vargo vor den Gefahren dieser Arbeit gewarnt, sie befürchteten, dass die Grenzen zwischen beiden Existenzebenen zusammenbrechen und dieser Sektor des Mikrokosmos dabei zerstört werden könnte. Vargo hatte diese Mahner verlacht. Es gab keine Anzeichen dafür, dass ihre Experimente das physikalische Gleichgewicht des Universums stören könnten.

Vargo spürte, dass das Fahrzeug anruckte. Er wusste nicht, wie viel Entführer mit eingestiegen waren. Jemand warf ihm ein stinkendes Tuch über den Kopf, wahrscheinlich wollte man verhindern, dass er auf dem Flug Hinweise über den Kurs entdecken konnte.

Das Lähmfeld ließ an Wirkung nach, aber Vargo hielt es für richtiger, ruhig am Boden liegen zu bleiben. Solange die Maschine in der Luft war, hatte er sowieso keine Fluchtchance.

Der Flug dauerte nicht so lange, wie er ursprünglich angenommen hatte, er war überzeugt davon, dass sie sich noch immer auf Yakonth, dem Hauptkontinent von Tropoyth befanden. Vielleicht lag das Versteck irgendwo in den Vralkh-Bergen. Vargo beschloss, auf die atmosphärischen Bedingungen zu achten, die ihn nun erwarteten, denn daraus konnte er auf die ungefähre Höhe des Verstecks schließen und den Behörden später Hinweise geben.

Jemand beugte sich über ihn und löste die Beinfesseln.

»Aufstehen!«, befahl eine raue Stimme. »Hände auf dem Rücken verschränken.«

Vargo gehorchte. Das Tuch blieb auf seinem Kopf. Er atmete tief ein, zu seiner Überraschung stieg warme, würzig riechende Luft in seine Nase.

Wald!, dachte er. Wir befinden uns in einem Wald in der Nähe der Südküste. Er wusste, dass es in diesem Landstrich große Sumpflandschaften und Regenwälder gab. Seine Gegner hatten sich dort offenbar niedergelassen.

Er wurde aus dem Fahrzeug geschoben und dann über weichen Boden weggeführt. Wenig später hörte er Geräusche von Maschinen, dann schlugen Türen. Er merkte, dass er nicht mehr im Freien war. Er erhielt einen Stoß, dann fiel eine Tür ins Schloss.

Es war still.