Cover

Verena Wermuth

Die verbotene Frau

Meine Jahre mit Scheich Khalid von Dubai

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Verena Wermuth

Verena Wermuth, geboren 1956, besuchte die Kunstgewerbeschule Zürich und machte eine Ausbildung zur Dekorateurin. Heute ist sie mit einem Schweizer verheiratet und lebt in der Nähe von Zürich.

Über dieses Buch

Bei einem Sprachaufenthalt in England begegnet die junge Verena dem attraktiven Studenten Khalid. Die beiden verlieben sich ineinander, doch ihre Beziehung muss ein Geheimnis bleiben. Denn Khalid entstammt einer der sieben Herrscherfamilien der Vereinigten Arabischen Emirate – eine Hochzeit mit Verena wäre unmöglich. Doch ihre Liebe ist stärker: Über Jahre hinweg treffen sich die beiden heimlich, in Griechenland, Ägypten und Arabien. Eines Tages beschließen sie, sich nicht länger zu verstecken und allen Widerständen zum Trotz zu ihrer Liebe zu stehen – doch das Schicksal hat anderes mit ihnen vor …

Impressum

eBook-Ausgabe 2012

Knaur eBook

Copyright © 2008 Knaur Taschenbuch

Copyright © by Verena Wermuth und WOA Verlag

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt

Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: WOA Verlag

ISBN 978-3-426-41963-2

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Meinem Mann gewidmet

Dubai, 1995

Ein feuchtes Gemisch von Meeresluft und Kerosin schlägt uns entgegen, als wir von Bord der Maschine gehen. Ringsum ist alles in tiefes Schwarz getaucht, nur der Terminal leuchtet in der Ferne. »Endlich wieder im geliebten Land«, denke ich, und schon fängt mein Herz an zu rasen.

Unterhalb der Gangway wird eine arabische Familie von Leibwächtern mit Limousinen in Empfang genommen. Für einen Moment kommt die Passagierkolonne zum Stillstand. Gebannt sehe ich zu, wie die Meeresbrise sanft über schwarze Schleier streicht und mit den Gewändern spielt. Doch allem Anschein nach bin nur ich empfänglich für die Stimmung, die uns umgibt. Mein Mann Franz bemerkt nüchtern: »Hier riecht’s nach Kerosin und Weihrauch.«

Als die Triebwerke einer Pakistan Airlines von der Landebahn her aufheulen, nimmt mein Herz nochmals einen Satz. Entnervt versuche ich mir einzureden, dass mich die ganze Vergangenheit kaltlässt. Doch das glaube ich selbst nicht. Einzig die Gewissheit, dass ich inzwischen hochoffiziell verheiratet bin, hilft mir, stolz und aufrecht zu gehen. Aber die Nervosität bleibt.

Als wir die Ankunftshalle betreten, herrscht reger Betrieb. Indische und pakistanische Reiseagenten winken mit Visa und rufen die Namen einreisender Passagiere aus. Wohin mein Blick auch fällt, von allen Seiten rücken Männer in schneeweißen Kandoras in mein Gesichtsfeld. Sie laufen durch die Halle oder beobachten das Geschehen von einem Sitzplatz aus. Mit dem typischen ausdruckslosen Gesicht des Wüstenarabers, versteht sich. Zu viel Augenmerk gehört sich nicht. Bei der Gleichheit ihrer Gewänder und der betörenden Suffra, die für gewöhnlich das Profil verdeckt, ist man nie sicher, wer sich dahinter verbirgt. Die Vorstellung, dass Khalid rein zufällig hier sein könnte, lässt meinen Blutdruck unwillkürlich steigen.

»Was ist eigentlich los mit dir?«, will mein Mann wissen. »Du benimmst dich völlig absonderlich, wirfst ständig dein Haar ins Gesicht und starrst geradezu in den Boden.«

»Wenn er bloß wüsste«, denke ich und wünschte, ich könnte ihm erklären, wie mir zumute ist. Ja, dass es wieder da ist. Dieses schreckliche Gefühl, eine Mischung aus Freude und gleichzeitiger Angst, ich könnte entdeckt werden. Oder schlimmer noch: Die Behörden würden mich, auf Geheiß meines Ex-Ehemannes, bei der Passkontrolle festhalten. Wie dem auch sei. Ich kann meinen Mann, dem ohnehin jedes Mal die Nerven durchgehen auf Reisen, doch nicht zusätzlich belasten.

Während wir dem Strom der Einreisenden folgen, bemerke ich zufällig zwei Männer, die sich gestikulierend unterhalten. Einer lacht und wirft dabei den Kopf in meine Richtung. Noch während ich, im Bruchteil einer Sekunde, die fremden Augen streife, sehe ich, wie sich der Mund öffnet und etwas sagen will. Mir stockt der Atem. Sag, dass es nicht wahr ist. Sag, dass es nicht Khalid ist. Tausendmal hab ich mich in die Situation versetzt, und tausendmal konnte ich mir nicht vorstellen, wie wir reagieren würden. Wie vom Blitz getroffen und ohne stehen zu bleiben, gehe ich weiter, als hätte ich nichts gesehen. Alles an mir zittert, die Knie, die Hände, jedes einzelne Glied. Am liebsten hätte ich mich fest an meinen Mann geklammert. Doch für einen Hilferuf ist es jetzt zu spät. Franz wäre mit Sicherheit vor den Kopf gestoßen und die Ferien – sofern wir hier heil rauskommen – verpfuscht.

Beim Betreten der Rolltreppe schiebe ich mich unauffällig vor meinen Mann. Noch immer pocht mein Herz wie wild. Aus Angst, gar hautnah verfolgt zu werden, wage ich keinen Ton zu sprechen, geschweige denn, mich umzusehen. Es ist, als würde Khalids Gegenwart den ganzen Flughafenterminal erfüllen. Oder sind alles bloß Hirngespinste?

Als wir die Passkontrolle hinter uns lassen, bin ich nervlich am Ende.

Was ist es bloß, das mich fast magisch an diesen Ort zurückzieht? Schlägt in mir vielleicht das Herz der Wüste? Bin ich der Rub Al Khali bereits so nahe gekommen, dass ich hilflos darin gefesselt bin wie in einer unglücklichen Liebe?

»Also wirklich, Verena!«, rufe ich mich zum Verstand.

Eines steht dennoch fest; dieses Land zählt zu den beeindruckendsten Flecken dieser Erde. Man kann fast sagen, es symbolisiert das, was sich arabische Beduinen als irdisches Paradies vorstellen. Keine Fata Morgana: Da, wo gestern noch Sand den Boden bedeckte, spiegelt sich heute der Himmel in Teichen und Glaspalästen, bedeckt grüner Rasen die Dünen mit Golfplätzen, und entlang der türkisfarbenen Küste konkurriert ein schöner Luxus-Resort den anderen. »Allah u akhbar« – Allah ist groß, tönt es aus der Stadt herüber. Sekunden später fallen aus allen Himmelsrichtungen die Muezzine mit ihrem Sprechgesang ein. Faszinierend die Gegensätze und bewundernswert die Menschen, die trotz der Ölmilliarden und dem Einfluss des Westens ihre Traditionen zu wahren wissen.

 

Der Flughafen Dubai und die Stadt liegen bereits hinter uns, als am Straßenrand nichts als Wüstensand und riesenhafte Porträts einiger Emire an uns vorbeiziehen. Hin und wieder schießt, wie aus dem Nichts, eine dunkle Luxuskarosse im Höllentempo an uns vorbei. Franz schüttelt bloß den Kopf. Doch ich weiß; spätestens bei Sonnenaufgang wird auch er begeistert sein von diesem Land.

Nach einigen Kilometern in völliger Dunkelheit erhebt sich plötzlich – wie eine glitzernde Schatztruhe – das »Jebel Ali Hotel« aus dem Sand. Eben staubte noch die Wüste hinter uns, als sich beim Eingangstor eine wahre Oase öffnet. Hohe Pinien, Palmen und Platanen recken ihre Wipfel zum Mond. Fasane laufen über den Weg, und in den Baumkronen kreischen exotische Vögel.

»Endlich bin ich in Sicherheit«, denke ich.

Als uns der Portier die Zimmertür öffnet, laufe ich direkt zum Balkon. Wehmut ergreift mich beim Blick auf das silberne Meer. In den letzten Jahren hat sich einiges geändert hier. An der Jumeirah Beach sind zwei brandneue Fünfsterne-Hotels entstanden. Doch ich bin mir sicher, dass das »Jebel Ali« mit seinem prachtvollen Palmengarten, der sich bis zum Wasser erstreckt, alles in den Schatten stellt. Und nicht zuletzt hat es Geschichte geschrieben …

 

An diesem ersten Urlaubstag leuchtet der wolkenlose Himmel in tiefem Blau. Im Schatten der Palmen, sanft von der Sonne berieselt, lausche ich lange und angespannt in die Umgebung. Vom Park her dringt halblautes Gekreische von Fasanen durch. Die Buchseite ist immer dieselbe. Ich kann mich nicht aufs Lesen konzentrieren. Pausenlos tauchen Bilder vom Flughafen vor meinen Augen auf. Ich sehe Khalid, sehe, wie sich der Mund öffnet, sehe mein schockiertes Davonlaufen und schäme mich bodenlos. Am liebsten würde ich laut schreien – wie die Fasane; ich glaube, danach ginge es mir besser.

Während mein Mann in seine Lektüre vertieft ist, werfe ich immer wieder einen Blick über die Buchkante. Der Grasshopper, ein umfunktionierter Golf-Cart mit kühlen Drinks, rollt leise zwischen den Palmen und Liegestühlen heran.

»Schatz, magst du eine Erfrischung?«, frage ich.

»Aber klar doch.«

Als Franz an seinem Strohhalm zieht, betrachtet er mich nachdenklich. So, als spüre er die sonderbaren Schwingungen, die von mir ausgehen.

»Woran denkst du, Verena?«

»Ach, an nichts Besonderes. Ich entspanne mich bloß. Ist es nicht paradiesisch hier?«

»Weshalb rutschst du dann ständig ruhelos auf deinem Liegestuhl herum?«

»Ruhelos?«, frage ich überrascht.

»Na, einmal ist es die Rücklehne, dann dein CD-Player, wieder die Sonnencreme …«

»Ich bin nun mal eine Frau«, erinnere ich ihn, in der Hoffnung, dass er sich mit dieser Erklärung zufriedengibt.

»Aha, verstehe. Erzähl mir aber zu Hause bloß nicht wieder, du hättest dauernd zu wenig Zeit zum Lesen.«

An dieser Stelle springe ich auf, drücke ihm schleunigst einen dicken Kuss auf die Wange und – vergessen ist die Zankerei.

Ich mache es mir wieder bequem auf der Liege und versuche, mich aufs Lesen zu konzentrieren.

»Wirst du Khalid einmal anrufen«, durchbricht es plötzlich die Stille.

Ich werfe einen Blick über die Buchkante.

»Bitte was?«, frage ich überrascht.

»Schatz, du weißt, dass ich nicht im Geringsten den Wunsch verspüre, meinen Exmann zu sprechen, noch denke ich daran, ihn zu sehen. Es sei denn natürlich, du möchtest es.«

Obschon ich weiß, wie sehr Franz eine Begegnung mit Khalid widerstrebt, schmunzle ich: »Da müsste ich allerdings ein Treffen in Erwägung ziehen …«

»Verschone mich bitte mit deinen Wüstengeschichten, Verena.«

Täusche ich mich, oder schwingt gar ein Hauch der Bewunderung aus seinen Worten? Franz würde sich solcherlei natürlich nie eingestehen.

Fast zwangsläufig beginnen meine Gedanken um Khalid zu kreisen. Ob ich will oder nicht, das letzte Gespräch mit Mama ist plötzlich allgegenwärtig. Khalid pflegt meine Mutter nämlich ein- bis zweimal pro Jahr anzurufen. Meistens geschieht dies um Weihnachten oder um meinen Geburtstag herum. Manchmal auch mitten im Sommer oder – neulich im Oktober. Mein Mann und ich befanden uns gerade unterhalb des südlichen Wendekreises auf dem sechsundzwanzigsten Breitengrad, als Mama mir die edle Botschaft aus Dubai übermittelte. Genauer gesagt, erreichte mich Khalids großzügiges Angebot im »Palace of the Lost City« in Südafrika.

Jetzt, wo wir beide verheiratet seien – offiziell, könnte ich doch in seinem Hause vor aller Augen willkommen sein. Im Beisein meines angetrauten Ehemannes, versteht sich.

»Aber Mama«, rief ich empört.

Nichts als Trotz und Unmut stiegen in mir hoch, als die Worte durch die Leitung drangen. Khalid musste den Verstand verloren haben. Sollten wir uns etwa unter dem Deckmantel alter Schulfreunde unter die Augen treten? Was gab ihm bloß die Gewissheit, dass ich unser Geheimnis bewahren könnte? Und, wie würde ihn erst die Frage nach unserer Heiratsurkunde in Bedrängnis bringen? Jenes Schriftstück, das er mir unter taktischen Vorwänden weggenommen und nicht wieder zurückgegeben hat.

»Bismillah – in Gottes Namen, ich verspreche es dir, du kriegst eine Kopie davon. Und du darfst mich daran erinnern«, hatte er beteuert.

Ich schätze, um eine Familientragödie abzuwenden, musste die Urkunde vernichtet werden. Doch wer weiß, vielleicht ruht unser Geheimnis ja sorgsam in einem Tresor aufbewahrt. Ein streng gehüteter Schatz. Ich wüsste es zu gerne.

Wäre da nicht der Stolz. Mein ungebrochener Stolz, der bislang jeglichen Kontakt verweigert hat. Nie wieder sollte Khalid meine Stimme hören, geschweige denn, mich zu Gesicht bekommen. Dies war mein fester Vorsatz über all die Jahre.

Aber kaum liege ich in flirrender Hitze unter Palmen, berauscht von dem sanften Getöse des Arabischen Golfes, scheint alles wie weggeblasen. Ich kann mich dem Blendwerk, wonach mir möglicherweise eine wertvolle Freundschaft entginge, kaum mehr erwehren. Der Gedanke an eine Verbindung zur arabischen Welt, wie sie nur wenigen Menschen des Westens zuteilwird, verlockt mich erst recht.

In meiner Imagination verbringe ich bereits Nachmittage in Khalids Palast. Freilich, im Kreise der Frauen. Ich sehe mich Kindergeschenke verteilen, ausgedehnte Stunden bei Tee und spannenden Gesprächen verleben und, zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht, Frauenreisen »East meets West« arrangieren. Es scheint, als ginge die Fantasie allmählich mit mir durch. Und Franz? Nein, mit ihm würde das kaum gut gehen. Khalid und er sind nun einmal zu verschieden. Für gewöhnlich debattiert Franz stundenlang über Spitzenweine, Parkerpunkte, Birdies und Eagles oder den Gault Millau, während Khalids Gedankengut sich derartiger Wohlstandsgepflogenheiten eher widersetzt. Einer seiner Sätze war: »Der Verdienst des Wohlstands gebührt allein unseren Vorfahren.«

Nun, ich kann mir demnach nicht vorstellen – aber ja doch! Bestimmt wäre Khalid verblüfft, wenn Franz dessen Küche in Beschlag nähme, die Ärmel hochkrempelte und eigenhändig einen Turkey rupfte und stopfte oder ein Lamm am Spieß präparierte. So ungefähr. Spätestens beim Freitags-Picknick würde mein Mann durch sein gekonntes Feuerentfachen als Stammesbruder der Al Rashids akzeptiert.

Solche sinnlosen Gedanken lasse ich, in der Stille der raschelnden Palmenblätter und neben dem tief schlafenden Franz, an mich heran. Gleich darauf klappe ich das Buch zu und schließe die Augen.

Das leise, wiederkehrende Rauschen des Meeres, dieses stoßweise Gekreische der Fasane, das alles erweckt mit einem Mal heftige Sehnsucht in mir. Plötzlich überkommt mich ein ungeheurer Tatendrang. Es zerreißt mich fast. Doch was es genau ist, kann ich nicht sagen. Wer kennt nicht das Gefühl, wenn man allein im Auto durch die Gegend fährt und im Radio kommt plötzlich ein Song, vielleicht von »Dire Straits« oder jemand anderem, den man besonders mag, und mit einem Mal platzt man fast vor Sehnsucht.

»Woran denkst du wieder, Schatz?«, klingt es auf einmal.

Überrascht blicke ich auf.

Scheinbar lag ein versonnenes Lächeln auf meinem Gesicht. Dass mein Mann über die Imagination mit dem Federvieh in Khalids Küche nicht in Begeisterungsstürme ausbricht, versteht sich von selbst. Na ja, es waren doch bloß Fantasien, und ich habe sie auch sogleich wieder aus dem Gedächtnis gestrichen. Schließlich ist das Thema Khalid tabu. Punkt.

»Liebes, es wird Zeit, ich muss zum Tennisplatz.«

»Warte, ich zieh mir was über, ich möchte dich begleiten.«

Als wir Hand in Hand durch den Park schlendern, umgeben von lautem Vogelgekreisch und Pfauen, die ihr Rad schlagen, kommt mir plötzlich die Erleuchtung. Als hätte mich jemand kräftig geschüttelt, wird mir schlagartig bewusst, dass Scheich Khalid und mich ein Geheimnis verbindet.

 

Etwas, worüber meine Lippen nicht ewig schweigen können. Etwas, das schmerzt, das aufrüttelt und manchmal rauschhaft ist.

Wie alles anfing, Torquay 1979

Torquay, eine wildverträumte Hafenstadt an der Südküste Englands, stand mitten im Sommernieselregen, als Khalid von Arabien Einzug hielt. Der junge Student, dessen Vorfahren als Freiheitskämpfer des einstigen Piratennestes Dschulfa in die Geschichte eingingen, hatte ehrgeizige Zukunftspläne. Zur Vorbereitung seines Studiums in den Vereinigten Staaten von Amerika sollte er zunächst die englische Sprache erlernen. Weiß der Himmel, was ihn zum Fachgebiet Atomphysik bewogen hatte. Ich sollte es wohl nie erfahren. Immerhin gab es in Dubai weder in den achtziger Jahren noch heute die Möglichkeit zu einer beruflichen Karriere als Atomphysiker.

Aber fangen wir damit an – und: »Verzeih mir, Khalid, ich muss dich verraten.«

 

Die Unterrichtsstunde hatte bereits begonnen, als uns ein verlegenes Lächeln unter der Tür überraschte. Das Wasser perlte noch an den störrischen Locken herunter, und es schien, als käme der junge Student geradewegs vom Regen in die Traufe. Die Klasse brach in Gelächter aus. Mister Collins reckte den Kopf und rief: »Good morning, come in. You might be Khalid, aren’t you?«

Sichtlich erleichtert, dass er die erste Hürde geschafft hatte, trat Khalid bin Sultan Al Rashid ins Klassenzimmer. Mister Collins bot dem Neuling einen Platz an und forderte ihn auf, sich der Klasse vorzustellen. Dies war nicht Khalids letzte Prüfung, es sollten noch einige folgen. Schließlich begann ab jetzt der Ernst des Lebens.

»My name is Khalid, I come from the United Arab Emirates.«

Ich warf Laura, meiner Nachbarin, einen fragenden Blick zu. Doch die Spanierin zuckte bloß die Schulter. In Gedanken ließ ich die Karte des Nahen Ostens vor meinen Augen kreisen. Aber ich fand keinen Flecken, auf den dieses Land passte. Ölstaaten wie Saudiarabien, Kuwait oder Libyen etwa, waren mir ein Begriff. Schließlich gelangte ich zu dem Schluss, dass es sich bei den Arabischen Emiraten um einen wirtschaftlich wie politisch unbedeutenden Staat handeln musste. Khalids Erscheinung dagegen hinterließ bereits einen nachhaltigen Eindruck. Oder wäre ich sonst gleich zu Esther gestürzt damit? Seit jenem Montag war die Kollegin in eine höhere Stufe versetzt worden. Sie war die einzige deutsch sprechende Studentin unserer Klasse gewesen. Danach gab es in unserer Gruppe kaum jemanden, mit dem ich hätte Lernstoff pauken oder die Freizeit verbringen können. Die beiden Spanierinnen verband eine enge Freundschaft, und Yoko, die Japanerin, reichte mir gerade mal bis zur Brust. Mitunter zählten fünf Jungs, alle von arabischer Herkunft, zu unserem Semester. Gewiss waren die Wüstensöhne ein Nebeneinander mit Mädchen nicht gewohnt. Also mahnte ich mich selbst: »Verena, du bist in Torquay, um die Sprache zu lernen – weiter nichts.«

Noch bevor die Pause zu Ende ging, traf mich ein heimlicher Blick durch die Menge und wandte sich schnell wieder ab. Es waren Khalids Augen.

Die anfängliche Zeit des Heimischwerdens war nicht einfach. Straßencafés, in denen man im Sommer draußen sitzen konnte, fehlten hier ganz und gar. Kein Wunder, bei dem ewigen Nieselregen. An den konnte ich mich schon gar nicht gewöhnen.

Die Tage vergingen und wenn Khalids Blick umherschweifte, dann sah er zum Fenster hinaus aufs Fußballfeld oder – verstohlen zu mir. Wenn ich merkte, dass er mich ansah, lächelte ich zurück. Worauf er jedes Mal die Augen niederschlug. Trotzdem konnte er die heimlichen Blicke nicht lassen.

Mein aufgeweckter Nachbar zur Rechten, Hamed Altaweed aus Kuwait, hatte angefangen, während des Unterrichts mit mir zu flirten. Tag für Tag bat er mich, ihm englische Vokabeln auf ein Blatt Papier ins Deutsche zu übersetzen. In seiner unbedachten Weise probierte der Kuwaiti, die Wörter sogleich und unüberhörbar auszusprechen. Das musste ihn früher oder später den Platz kosten. Bald veranlasste Mister Collins verärgert, dass Hamed das Feld räumen musste. Ich traute meinen Ohren nicht, als er stattdessen Khalid aufforderte, Hameds Platz einzunehmen. »Ausgerechnet der«, dachte ich. Dieser stolze, unergründliche Wüstensohn, der mich neustens mit Nichtbeachtung verschmähte. Dass ihm das Charmieren seiner Kameraden missfiel, insbesondere Hameds, daran hatte ich nicht gedacht. Umso mehr ärgerte ich mich, als mein Herz schneller zu schlagen begann.

Nun saß er also da, fischblütig und unnahbar, der Junge, dessen Urväter einst die territorialen Gewässer vor den Briten verteidigen mussten. Ich war mir sicher, dass es bloß eine Frage der Zeit war, ihn zum Schmelzen zu bringen.

Khalids Äußeres unterschied sich durch hagere Glieder von dem seiner arabischen Mitschüler. Auch sonst war er so ganz anders. In seiner Art wirkte er äußerst ehrgeizig und ernst. Und er war hübsch – wie so manche Menschen aus dem Morgenland. Während Khalids Kameraden uns Mädchen öfter mit Süßigkeiten und Geschenken aller Art verwöhnten, hielt er seinerseits Abstand zum weiblichen Geschlecht. Möglicherweise fehlte ihm auch das nötige Taschengeld dazu. Denn während die Saudis und Kuwaitis oft ganze Nachmittage in Kaufhäusern verbrachten, zog es Khalid ausschließlich zum Sportplatz. Seine Begeisterung galt dem Fußball, insbesondere dem FC Al Waha, dessen Abzeichen er stolz auf seiner Adidas-Trainerjacke trug. Ich sehe die grünen Streifen auf Weiß noch heute vor Augen. Sooft es regnete oder stürmte in Torquay, zur Schule trug er diese Jacke. Eines Nachts auf dem Heimweg legte er sie mir schützend um die Schulter. Doch dies war viel später.

 

Das Zutrauen zwischen Orient und Okzident – Gott sei’s geklagt – wuchs mit jeder Woche. Die Schulleitung hatte so manches dazu beigetragen. Sie organisierte regelmäßig Ausflüge, wo wir eine Menge Spaß hatten. Khalids dunkle, geheimnisvolle Augen verwandelten sich schon mal in ein vages Lächeln. Was etwas heißen wollte. Denn sonst wirkte er Fremdem gegenüber eher misstrauisch. Oft fragte ich mich, was sich hinter dieser Fassade verbergen mochte. Umso mehr erstaunte mich, wie er von innen her aufleuchtete, wenn er von seinem Zuhause und der Wüste sprach. Selbst wenn er nicht viel verriet. Außerdem wurde ich in meiner Gastfamilie heimisch. Ich liebte Mrs. Mitchells Dessert-Variationen und ihre Mushrooms. Selbst an die gesalzene Butter und den Regen hatte ich mich inzwischen gewöhnt. Restlos überzeugte mich aber mit Sicherheit jener erste Ausflug ins Nachtleben von Torquay. So wunderbar Gott die dunkelhäutigen Menschen mit Rhythmusgefühl bedachte, so genial musste er die Engländer mit Musikgehör versehen haben.

Einstweilen zeichneten sich Sorgenfalten auf Mrs. Mitchells Stirn ab. Nicht etwa der Musikbegeisterung ihrer Studentin wegen. Nein. Vielmehr war es der Umgang mit arabischen Jungs, der ihr Kopfzerbrechen bereitete. »Welch ein Hohn«, dachte ich. Da schreit es von Mekka her, dass wir ungläubige, ungebührliche Menschen seien – und meine Landlady, was sagt sie? Sie predigt mir, dass arabische Studenten ihrer Ausfälligkeiten wegen verpönt seien in Torquay. Die jungen Männer würden den Freiheiten und Verlockungen des Westens nun einmal nicht standhalten. Ihr letzter Student wäre gar Nacht für Nacht angetrunken die Treppe zum Schlafzimmer hochgestolpert.

 

Der Morgen des ersten Abschieds nahte.

Faisal, ein Bild von Mann, dessen Augen den melancholisch leuchtenden Glanz Omar Sharifs widerspiegelten, musste England vorzeitig verlassen. Faisal war in unserer Gruppe bekannt und sehr beliebt. Er war unser »Prophet«. Nicht etwa, weil er aus Mekka, der heiligsten Stadt des Islams, stammte, nein. Er hatte vielmehr die Gabe, gewisse Scheichs, die fernab der Wüste außer Kontrolle gerieten, zur Besinnung zu bringen. Zudem sprühte er vor Weisheit, Intelligenz und Herzensgüte. Im Stillen schwärmte ich für ihn. Mehr als dies – bei Allah, durfte ich nicht. So viel wusste ich.

Und doch schmerzte es ein wenig, als Faisal Torquay verließ. Immerhin war es sein Verdienst gewesen, uns Studenten trotz verschiedener Religionen und Geschlechter auf beispiellose Weise zusammenzuführen. Zunächst befürchtete ich, unsere Clique könnte ohne Faisal keinen Bestand mehr haben. Doch dann geschah etwas Seltsames. Etwas, das mein späteres Leben bestimmen sollte.

Als Faisal sich auf dem Schulhof von mir verabschiedete, winkte er auf einmal seinen Kameraden Khalid herbei. Verwunderung zeichnete sich sogleich in dessen Gesicht ab. Schließlich löste er sich von der Clique und kam langsam, fast zögernd, auf uns zu.

»Hör zu, Khalid«, sagte Faisal in englischer Sprache: »Ich möchte, dass du von nun an auf Verena aufpasst. Wo immer ihr Weg auch hinführt, du sollst sie beschützen und Böses von ihr fernhalten.«

Damit hatte Khalid nicht gerechnet. Für einen Augenblick umspielte ein verlegenes Schmunzeln seinen Mund. Doch gleich darauf rang er ernstlich um Fassung. Ich stand völlig perplex dazwischen und suchte nach Worten. Aber als ich begriff, dass alles sehr ernst war, blieb mir die Sprache weg. Faisals Sorge hatte mich im Tiefsten berührt. Er gab mir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein.

 

Von jenem Tag an nahm Khalid die auferlegte Verantwortung tatsächlich wahr. Und ich ließ es geschehen. Zunächst, weil es Faisals Wille war.

Damals wusste ich noch nicht, dass ein Wort unter Arabern Ehrensache ist und mehr gilt als jeder schriftliche Vertrag.

Wir fingen an, die Musikszene von Torquay zu entdecken. Als ich zum ersten Mal ein alkoholisches Getränk bestellte, war Khalid überrascht und bat mich, den Drink stehen zu lassen. »Andere Kulturen, andere Sitten«, dachte ich und fand das Ganze irgendwie amüsant. Selbstverständlich konnte ich, wenn’s denn sein musste, darauf verzichten.

Da in Arabien bekanntlich längst bevor Töchter und Söhne im heiratsfähigen Alter sind, Ehen arrangiert werden, packte mich eines Tages die Neugier. Doch zu meinem Ärger lachte Khalid bloß über meine Frage.

»Ja, natürlich ist jemand vorbestimmt für mich.«

Mit welcher Gelassenheit er die Worte von sich gab, konnte ich kaum fassen. Schließlich war mir nicht entgangen, dass aus seinem Verhalten längst innige Verliebtheit sprach. Selbst seine arabischen Freunde räumten Khalid eine Sonderstellung ein und respektierten seine Privatsphäre zuweilen. Offen gestanden brachte auch er mich zusehends in Verlegenheit. Seine Aussage nahm ich aber nicht ernst. Zweifellos musste er mich auf die Schippe genommen haben. Khalid schien sich überhaupt immer wieder einen Spaß daraus zu machen, so manches im Dunkel stehen zu lassen.

Die meiste Zeit neckten und ärgerten wir uns ohnehin. Andererseits konnten wir, oft ohne Anlass, ganz ernst werden. In solchen Momenten fühlte ich, wie eine tiefe Sehnsucht in uns brannte, eine Art geheimnisvolle Seelenverwandtschaft, die uns verband.

Je mehr Zeit verging, desto weniger konnte ich Khalid in die Augen sehen. Auf unseren nächtlichen Nachhausegängen war es am schwierigsten. Das Haus der Mitchells lag oberhalb des Stadtzentrums, an einem steilen Hang. Wenn sich beim Bergaufgehen unsere Arme streiften oder eine Schulter die andere berührte, durchfuhr es mich wie ein Schauer. Hinzu kam, dass Khalids Stimme vor unterdrückter Erregung geradezu bebte. Ich wagte dann nicht mehr, ihn auch nur für eine Sekunde anzusehen. Wir wären einander in die Arme gestürzt.

Doch gerade davor hatte ich ungeheuren Respekt. In meinem Kopf drehte sich plötzlich alles um die fremde Kultur. Um muslimische Bräuche und Wertvorstellungen, insbesondere um die Sittlichkeit. Ich wollte nichts verderben. Doch eines Tages geschah es doch, bei einem Reitausflug – da hatte ich wohl für einen Moment den Kopf verloren.

»Was du nicht alles wissen willst«, amüsierte sich Khalid stets, wenn ich mir ein Bild von seinem Zuhause und seiner Herkunft machen wollte. Trotz aller Anstrengungen erfuhr ich nie das, was mich interessierte. Schließlich hing mein Verhalten von dem ab, was ich zu wissen glaubte. Und dies war leider eher bescheiden. Wie so manche Europäer hatte auch ich ein verfälschtes Bild über die Menschen der arabischen Halbinsel. Dies war mit ein Grund, weshalb ich mich oft versucht fühlte, Khalid gewisse Dinge »anders« vor Augen zu führen. Dass Frauen der ganzen Welt sowohl denkfähig und gebildet sein konnten als auch imstande, Pferde zu stehlen wie mit einem guten Freund. So ungefähr.

Wie töricht von mir. In der Folge war ich genötigt, mich als nicht gerade sportliche Ikone auf waghalsige Dinge wie »horseback-riding« einzulassen.

An besagtem Tag fiel wieder Nieselregen, und ich hoffte, dem Reiten zu entgehen. Vergeblich. Khalid schleppte mich trotzdem zu den Reitställen. Er versprach, dafür zu sorgen, dass ich ein gehorsames Tier bekommen würde. Tatsächlich ging alles glatt, bis zu dem Moment, wo Khalid, am Rande eines rauschenden Baches, die Zügel anzog und meinte: »Verena, ich werde jetzt diesen Hügel hinaufgaloppieren, du kannst hier warten.«

Was dann passierte, ahnte ich gleich. Mein Pferd stürmte blindlings hinter dem andern Mistvieh her. Vor Schreck verlor ich beinahe die Besinnung, als mir der rettende Gedanke kam, die Zügel straffer zu ziehen. Doch zu spät. Ich hing bereits neben den Steigbügeln, und sowie der Gaul stillstand, kippte ich ins nasse Gras. Selten zuvor hatte ich derart schnell auf den Füßen gestanden. Ich sah mich blitzschnell um, um sicherzugehen, dass Khalid die Blamage nicht mitbekommen hatte.

»Good boy, good boy«, tätschelte ich das Tier, als Khalid mit Schalk in den Augen herbeigeritten kam. Er sprang sofort ab.

»Schon gut, sag nichts«, zischte ich. »Jedermann weiß schließlich, dass Pferde unweigerlich hintereinander herrennen.«

Khalids Mundwinkel zuckten, er konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen.

»Das ist nicht wahr, Verena«, platzte es aus ihm heraus vor Lachen.

Ohne zu denken, fasste er mich bei der Schulter: »Ist alles okay, tut dir nichts weh?«

Der Druck seiner Hand fühlte sich überraschend angenehm und warm an. Dabei bemerkte ich, wie Khalids Augen seltsam glühten. So sehr, dass es mir durch Mark und Bein ging. Und eh ich begriff, zog er mich mit heftiger Bewegung an sich und küsste mich. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Mir wurde schwarz und alles in mir drehte sich. »Mein Gott, wie innig und unwiderstehlich er küsst«, dachte ich. Doch dann bekam ich Panik. Und als ich mich rasch von ihm löste, spürte ich, wie mir Schamröte ins Gesicht stieg.

An jenem Tag hatte ich mich gehenlassen und ich genierte mich dafür. Khalid konnte kaum älter als siebzehn sein. Er musste demnach mindestens fünf Jahre jünger sein als ich. Wie konnte ich so was bloß zulassen?

Am darauffolgenden Tag wusste ich, dass ich mich unsterblich verliebt hatte. Das spürte ich, weil der Gedanke, dass Khalid vielleicht tatsächlich jemandem versprochen war, auf einmal schmerzte.

*

Der Abschluss unseres Studiums rückte näher. Seit wir wussten, dass die Tage gezählt waren, der Abschied vor der Tür stand, war unsere Leichtigkeit wie weggeblasen. Fassungslos standen wir dem gegenüber, was sich in unseren Herzen zugetragen hatte. Letztlich waren wir nicht erhaben, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen. Noch bestimmten dies die Familienoberhäupter, zumal es die Tradition arabischer Herkunft so verlangte.

Mrs. Mitchell fühlte, was sich in meinem Innern abspielte, und war recht hilflos. Meine Abreise von Torquay machte sie ohnehin betroffen. Immerhin verbrachten wir drei Monate gemeinsam beim Abendtisch. Zunächst auf Tuchfühlung und dann, dann mochte man den anderen nicht mehr missen. So ist das Leben der Landladies (und das der Studenten). Ich denke, im Herzen von Mrs. Mitchell habe ich außerdem ein kleines Wunder bewirkt. Im Verlauf unserer letzten Studienwoche hieß sie mich, Khalid offiziell zu uns an den Abendtisch einzuladen. Ein winziges Zugeständnis von ganz besonderem Wert.

 

Die Dunkelheit sank herab, und es war trocken an diesem Abend. Der Taxifahrer sprang heraus, packte geschäftig meinen Koffer. Mrs. Mitchell kullerte eine Träne über die Wange. Ich hatte befürchtet, dass es so kommen würde. Der alte Mitchell stand unbeholfen daneben, und Khalid tappte, peinlich berührt, von einem Fuß auf den anderen. Ich rang um Fassung, wie so oft, wenn’s brenzlig wird. Weinen würde ich noch genug müssen. Als unser Taxi Richtung Bahnhof anrollte, rief Mrs. Mitchell mit einem lächelnden Auge durchs Fenster: »Verena, ich wünsche dir, dass du einmal den allerbesten Mann dieser Welt kriegst – lass uns wissen, wenn du heiratest.«

 

Irgendwann lehnte sich mein Kopf wie von selbst an Khalids Schulter. Ich schloss die Augen und wünschte, die Zeit würde stehenbleiben, die Reise nie enden.

Am nächsten Tag in der Frühe hatten wir London erreicht. Schrille Lautsprecher, Tuten und wogender Lärm auf dem Bahnsteig holten uns jäh auf den Boden der Realität zurück. Nun galt es, ein Taxi zu finden, das uns zum Flughafen brachte. Jener letzte Pfad, das bittere Ende. Ich war daher nicht bereit, einen Finger zu rühren, um dorthin zu gelangen. Als hätte das Unvermeidliche verhindert, mein Streik etwas an dem Schicksal geändert.

Verblüffenderweise ließ Khalids Not ihn von einem Augenblick zum anderen zum Manne heranreifen. Ich staunte, wie er mich gewissermaßen bei der Hand nahm und wie gefestigt er die schwierige Situation meisterte. Mein Flug nach Zürich ging um neun, während Khalids Maschine nach Dubai zirka eine Stunde später abheben sollte. Obwohl unsere Abflugterminals weit voneinander entfernt lagen, wich Khalid nicht von meiner Seite, bis das Gepäck eingecheckt war. Womit ich mich endgültig am Rand einer Nervenkrise befand.

»So, das war’s jetzt«, dachte ich verzweifelt. »In etwa fünf Minuten siehst du diesen Menschen nie wieder.«

Khalid machte hingegen den Eindruck, als würde er noch immer stoische Ruhe bewahren. Statt dass er sich nun endgültig von mir verabschiedete, hieß er mich, neben der Passkontrolle zu warten. Und ehe ich begriff, was er vorhatte, verschwand er mit seinem Koffer im Menschenstrom.

An jenem September 1979 herrschte Hochbetrieb im Flughafen. Endlose Schlangen reihten sich vor den Check-in-Schaltern. Die Zeit des Wartens, der Ungewissheit, wurde zur Tortur für mich. Was, wenn er es nicht rechtzeitig schaffte? Was, wenn mir eine letzte Umarmung für immer entgehen würde? Gesetzt den Fall, mir blieben von nun an nur noch die erhofften Briefe und ein paar Erinnerungsfotos. Nicht auszudenken. Je mehr Zeit verstrich, desto verzweifelter wurde ich. Und mit einem Mal, nach unendlich langer Wartezeit, dämmerte es mir.

»Das war’s jetzt«, ich würde Khalid nie wiedersehen. Bestimmt war ihm eine letzte Abschiedsszene zu peinlich. Bestimmt hatte er mich irregeführt. Mir wurde übel.

Als das Aufblinken der grünen Boarding-Lämpchen einsetzte, drang es wie schmerzhafte Nadeln in mein Herz. War es das wirklich? Ich konnte und wollte es nicht glauben. Ich saß da wie versteinert. Nicht einmal weinen konnte ich.

Irgendwann musste mich wohl eine Art fremde Macht aus dem Sessel gehoben haben. Denn ich bewegte mich nun, wie mechanisch, in Richtung Passkontrolle. Außer unsäglicher Leere war nichts mehr da. Nichts als luftleerer Raum und lähmender Schmerz.

»Aber Verena, wie konntest du nur derart zweifeln?«, fragte ich mich hinterher. Plötzlich packte mich eine Hand beim Arm. Ich sah auf und glaubte ohnmächtig zu werden. Khalid! Helle Verzweiflung stand in seinem Gesicht. Sein Brustkorb hob und senkte sich aufgeregt.

»Khalid«, kam mir bloß über die Lippen.

Fassungslos sah ich in die gehetzten, kummervollen Augen. Einen Moment lang spürte ich, wie er mit sich rang, doch dann schloss er mich, übermannt von Gefühlen, fest in die Arme. Ich wusste nicht, ob ich dem Himmel oder der Hölle näher stand. Ich spürte nur noch, wie etwas heiß in mir aufstieg. Tränen der Erschütterung, des Glücks, alles durcheinander. Dass es Khalid aufgrund seiner islamischen Herkunft nicht leichtfiel, mich in aller Öffentlichkeit an sich zu drücken, konnte ich mir denken. Dafür liebte ich ihn umso mehr.

Auf einmal spürte ich Khalids Tränen an meinem Haar und wie sie meinen Hals hinunterrannen.

 

(Du wusstest, dass es für lange sein würde …, nicht wahr?)

Zwischen Himmel und Khalid, 1980–1985

Nicht einen Moment wollte ich daran glauben, dass mir von jetzt an nur noch die Erinnerung blieb. Ich fieberte darauf, dass die Nacht verging und der Morgen die nächste Postsendung brachte. Am siebten Tag war es endlich so weit. Der Postbote überbrachte den ersehnten Brief aus Dubai.

Aufgelöst vor Freude eilte ich in mein Zimmer und riss den Umschlag auf. Der Adresse nach musste Khalid in einem Vorort von Dubai – genannt Al Waha – leben.

Liebste Verena, vor zwölf Stunden sind wir auseinandergegangen, und seit zwölf Stunden denke ich an nichts als an dich. Den ganzen Tag bin ich ziellos im Haus umhergewandert. Doch jetzt steht der Mond am Himmel, und ich weiß, dass du bei mir bist. Ich besinne mich auf unser Versprechen – den Mond. Den hast du hoffentlich nicht vergessen. Das Einzige, worauf sich unsere Blicke zur selben Zeit und mit vereinten Kräften richten können …

Zum Schluss stand, ich liebe dich für immer. Khalids Worte bestärkten meine Gefühle erst recht. Dieses Lebenszeichen hatte mich dem Schicksal bereits ausgeliefert.

Von jenem Tag an trafen die Briefe aus Dubai fast täglich ein. (Jenseits all meiner Träume.) Während mir die Worte nur so aus der Feder sprangen, lauschte ich den versunkenen Klängen arabischer Musik. Es waren auch Erinnerungs-Songs aus England dabei. Khalid hatte sie in Dubai gekauft und für mich eine Kassette bespielt. »I don’t like Mondays« von Bob Geldoff, »We don’t talk anymore« von Cliff Richard und viele andere Songs. Sie dröhnten nun immerzu aus unserer Stereoanlage. Außerdem flogen immer wieder kleine Geschenke und Fotos über den Arabischen Golf. Dinge, die man sehen, hören oder riechen konnte. Sowohl Mama als auch meine beiden jüngeren Schwestern, die die Geschichte zu Anfang aufregend fanden, quittierten mein Verhalten zusehends mit Besorgnis.

Der Drang nach einer erneuten Begegnung wuchs allmählich. Ich hoffte fest auf ein Zeichen aus der Wüste. Doch nichts geschah. Jedenfalls nichts Konkretes. Stattdessen nahte schon der Frühling, und mit ihm die alles vernichtende Nachricht. Eine Meldung, die mich in Verzweiflung stürzte.

»USA, Amerika, doppelt so weit entfernt wie Arabien«, dröhnte es bloß in meinen Ohren.

Stolz eröffnete mir mein Khalid, dass er für die nächsten sieben Jahre an der »University of Berkley, Kalifornien«, sein Studium in Atomphysik beginnen werde. Und wo blieb ich? Kein Wort darüber, wann und wo wir uns endlich sehen würden. Geschweige denn, dass er mich nach Kalifornien mitnehmen wollte. Wo blieb die Liebe? Und was sollte er außerdem einmal, mitten in der Wüste, als Atomphysiker anfangen? Meine Gedanken überschlugen sich ein ums andere Mal. Dass Khalid neue Freundschaften schließen und ich dabei in Vergessenheit geraten würde, war wohl anzunehmen. Fast beiläufig erwähnte er, sobald er nach Ankunft in Kalifornien seine neue Adresse wisse, würde er mir schreiben. Welch schwacher Trost. Ich spürte einen schmerzhaften, wütenden Stich. Gleich wie, aber es musste sofort etwas geschehen. Ich musste weg, an irgendeinen fernen Ort. Niemals würde ich dem absehbaren Ende tatenlos zusehen können. Zu stark erinnerte hier alles an ihn. Die Stapel von Briefen, Fotos und Kassetten – mein verweintes Kopfkissen, all das tat weh. Ich musste einfach fort, und zwar schnell. Es ließe sich schon was arrangieren.

Und überhaupt; sofern noch ein Funke Liebe da war, müsste mein Weggang von zu Hause Khalid in Unruhe versetzen. Bedeutete es letztlich nicht bangen darum, dass ich ihm entgleiten könnte?

Zugegeben, der Gedanke gefiel mir. In meinem Kopf setzte sich bereits ein Plan fest: Zu den Bekannten meiner Eltern gehörte ein griechischer Geschäftsmann. Mister Leventakis war mit einer Schweizerin verheiratet und besaß eine Modeagentur in Zürich. Er reiste daher regelmäßig nach Athen, wo er die Textilien produzieren ließ. Tatsächlich dauerte es kaum eine Woche, bis ich meinen Plan realisieren konnte. In Windeseile schrieb ich Khalid nach Dubai, dass ich auf dem Weg nach Athen sei. Ich würde ihm meinerseits nach Ankunft meine neue Adresse durchgeben.

In meiner Verletztheit kam mir überhaupt nicht in den Sinn, was es für ihn bedeutete, in den USA zu studieren. Welche Ehre das war. Und, dass es für ihn kaum eine Alternative gegeben hätte, näher bei mir in Europa zu sein – weder vom Fach noch vom Prestige her. Auf jeden Fall tat ich Khalid weh, anstatt ihm zu gratulieren.

 

Drei Wochen später setzte ich mich blind vertrauend in ein Flugzeug nach Athen.

Zu meiner Sorge hatte ich noch nichts aus Dubai gehört. Langsam lief mir die Zeit davon. Mein Plan sollte doch gelingen, aber die erhoffte Reaktion blieb, wie es nach und nach aussah, völlig aus. Khalid schwieg einfach. Allmählich beunruhigte mich die Sache.

Am Abreisetag blieb der Briefkasten wiederum leer. Zweifel stiegen in mir hoch. Hatte ich möglicherweise den falschen Ton getroffen? Waren meine Sätze vielleicht zu kühl und schneidend formuliert gewesen? Hatte ich etwa, aus purer Verletztheit, innert Minuten mit Worten und Sätzen unsere ganze Liebe – alles zerstört? Zur Umkehr war es nun zu spät. Das Taxi zum Flughafen wartete bereits vor der Haustür.

*

Inmitten des Athener Verkehrschaos, am Syntagma Square, befand sich das Textilkaufhaus, das mein neuer Arbeitsplatz werden sollte. Der Besitzer, Mister Petropoulos, und unser Bekannter strapazierten meine Geduld bis aufs Äußerste. Bei griechischem Kaffee und Zigaretten plauderten sie Stunden über meine Funktion und mein Salär. Aufgrund der Hitze und des Rauchs war die Luft im Büro zum Schneiden. Am Ende willigte ich kraftlos ein, für ein paar griechische Drachmen, inklusive Unterkunft, den Job als Dekorateurin anzunehmen. Selbst als ich das klägliche Zimmer unterhalb der Akropolis zu Gesicht bekam, legte ich keinen Protest ein. Kurz und gut, ich hatte zum einen die Wahl, mit der nächsten Maschine wieder nach Hause zu fliegen oder – ich wusste es bei Gott nicht.

Mutlos packte ich die Koffer aus. Viel Platz und Helligkeit gab es hier nicht. Ein zur Hälfte abgeriegelter Schrank, ein Tisch mit Stuhl, darüber ein Fenster zum Hof. Ich stellte mich auf den Sessel und erblickte ein paar abgemagerte Katzen, die im Innenhof herumstreunten. Ein Glück, konnte Khalid nicht sehen, was ich seinetwegen auf mich nahm. Nachdem ich die Kleider verstaut hatte, legte ich mich auf das feuchtweiche Bett und starrte an die Decke. Ich war eine Närrin!

Als es eindunkelte, holte mich Mister Leventakis zum Essen ab. Ein Taxi brachte uns in das vornehme Kiffissia, von wo er stammte. Eine ganze Schar von Freunden und Verwandten geleitete uns in eine Taverne. Sein Ansehen im Dorf versetzte Mister Leventakis in beste Laune. Obendrein war er in Begleitung einer jungen, nicht unattraktiven Schweizerin. Wie auch immer. Ich verstand zwar die griechische Sprache noch nicht, war aber durchaus achtsam. Genau genommen machte es den Eindruck, als hätte dieser Grieche es darauf angelegt, den Anschein zu erwecken, als gehörten wir zusammen. Ich empfand das als ziemliche Anmaßung. Um dem schnellstens ein Ende zu setzen, fing ich an, eine Migräne vorzutäuschen.

Zu Hause warf ich ärgerlich die Handtasche und hinterher die Kleider auf das Bett. Anschließend trat ich ins Bad, um mich abzukühlen. Während das Wasser über mich brauste, huschte vor meinen Augen eine dicke Kakerlake über den Fußboden. Von Ekel gepeinigt rannte ich aus der Dusche und warf die Tür hinter mir zu.

Mit dem Einschlafen war es nun endgültig vorbei. Der verdrießliche Abend, die Angst vor Kakerlaken und Khalids Gleichgültigkeit ließen mich nicht zur Ruhe kommen.

Die erste Zeit bei Mister Petropoulos war eine einzige Konfusion. Keiner der Firma verstand, weshalb die Schweizerin morgens so geschäftig tat. Erst wurde doch, bitte sehr, in aller Ruhe Kaffee gekocht, ein paar Zigaretten geraucht und von zu Hause geplaudert. Die griechische Lebensweise war tatsächlich gewöhnungsbedürftig.

Nachmittags blieben die Geschäfte geschlossen. Da es für mich ungewohnt war, während des Tages zu schlafen, irrte ich oft Stunden durch die Straßen Athens. Ich kletterte zur Akropolis hinauf oder setzte mich in den Bus nach Piräus. Die Stille des kleinen, alten Hafens Turkolimano nahm mich immer wieder gefangen. Hier konnte ich bei einem Teller Tintenfische ungestört träumen und den Gedanken nachhängen.

Doch schon nach kurzer Zeit zwangen mich Hitze und Smog, den Tagesrhythmus umzustellen. Ich musste lernen, mich während der Nachmittagsstunden hinzulegen.

Es war nicht das erste Mal, dass ich im Treppenhaus einer gewissen Hausbewohnerin begegnete. Die alte, runzlige Griechin keifte jedes Mal grimmig vor sich hin, wenn sie mich sah. Diesmal hockte sie draußen vor dem Haus. Ich grüßte wie immer freundlich mit »Jassu«.

In dem Moment schoss sie auf, kreischte und gestikulierte wie wild herum – sie erinnerte mich an eine aufgescheuchte Krähe. Jetzt war ich mir sicher, dass ich unerwünscht war in diesem Haus. Doch weshalb bloß, fragte ich mich. Verstört eilte ich die Treppe hinunter zu meinem Zimmer, schloss die Tür auf und stellte mit Entsetzen fest, dass ein Mann in meinem Bett lag.

Bei genauerem Hinsehen erkannte ich den schlafenden Mister Petropoulos. Was um Gottes willen tat er in meinem Zimmer!

»Wie sind Sie hier reingekommen?«, rief ich fassungslos. »Woher haben Sie einen Schlüssel? Was tun Sie hier überhaupt?«

Der Grieche setzte sich langsam auf, lächelte mich ungeniert an und sagte bloß: »Wozu die Aufregung, Miss, dies ist mein Mittagsschlafzimmer.«

»Ihr was? Hab ich mich bitte verhört?«

Während meine Gedanken wild umherwirbelten, schritt er auf mich zu und versuchte mich zu umarmen. Wütend stieß ich ihn von mir und drohte, ich würde sofort in die Schweiz anrufen und Mister Leventakis über diese Entgleisung benachrichtigen. Ob ihn dies allerdings beeindruckte, dessen war ich mir nicht sicher. Gleich darauf schlüpfte er in seine Hose und verließ das Zimmer wortlos. Nun war mir klar, weshalb sich die alte Griechin derart ärgerte. Schließlich wollte sie kein »Bordell« in ihrem Haus. Und so was musste mir passieren. Mir, der Rechtschaffenen, die sich nie etwas zuschulden kommen ließ. Und alles nur, um Khalid ein wenig zu beunruhigen. Mir reichte es.

Ich alarmierte umgehend Mama und erwog gleichzeitig, meine Zelte in Griechenland abzubrechen. Mutter veranlasste, dass Mister Leventakis sofort etwas unternahm. Wenige Tage darauf wurde mir ein hübsches Appartement im Athener Vorort Ano Voula zuteil. Diesmal ohne Hausfriedensstörer, dafür mit direktem Blick aufs Meer. Und vergessen war der Zwischenfall.

Endlich, nach Wochen des Zweifelns und Bangens, traf ein Brief von Khalid ein. Mama hatte ihn mir nachgesandt, und Mister Petropoulos ließ den Brief ins Atelier bringen. Ich verzog mich kurzerhand zwischen Stoffballen und Kleiderschachteln und riss den Umschlag mit zitternden Fingern auf.

Liebste Verena, wie geht es dir? Bist du schon in Athen? Du musst mir unbedingt deine neue Adresse schreiben. Mir geht es so weit gut, ich teile mein Zimmer mit einem Studenten aus den USA. Die Schule ist sehr streng. Wir erhalten jeden Tag eine Menge Hausaufgaben, so dass mir kaum mehr so viel Zeit bleiben wird wie bisher, Briefe zu schreiben. Es gibt auch einen Fußballclub hier an der University, etc. …

Also schreib mir bitte bald.

Bis dann.

Dein Khalid.

Die Kleider fingen an, an den Bügeln herumzutanzen, bis alles vor meinen Augen verschwamm. War es das wirklich? Konnten Zeit und Distanz etwas solch Starkes wie Liebe zerstören?

»Entfernung ist nichts, wenn man sich so sehr liebt«, schrieb Khalid einmal. Und nun? Nun klangen seine Sätze von heute auf morgen nüchtern. Anstatt der sehnsüchtigen Worte schrieb Khalid mir nun Sachen wie: »Gestern spielten wir Fußball« usw. Wo blieb nur die Hingabe, die Sehnsucht?

Verzweifelt schlich ich durch den Laden ins Schaufenster zurück, wo ich die Arbeit fortsetzte. Warum musste es auch nur derart schmerzen.

»Reiß dich zusammen, Verena«, mahnte ich mich selbst.

»Du bist in einem Land, in dem die Menschen von früh bis spät lachen. Willst du etwa die Aufmerksamkeit auf dich ziehen? Sollen die Leute merken, weshalb du in Athen bist?«

So kämpfte ich immer wieder gegen aufsteigende Tränen an.