Erika Beck-Herla

 

 

 

DIAGNOSE DARMKREBS

 

Gekämpft

 

Gesiegt

 

 

Impressum

Covergestaltung: Irene Repp

Digitalisierung: Gunter Pirntke

BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke

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http://brokatbook-brokatmedia.de

© 2016 andersseitig.de

ISBN: 9783955019303

Mail: brokatbook@aol.com

Hinweis

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Inhalt

Vorwort

Teil 1: Der erste Schritt – Coloskopie

Der Befund

Operation des Rektumkarzinoms mit Dickdarmteilresektion

Postoperative Erlebnisse

Urologischer Eingriff

Teil 2 Notaufnahme im Krankenhaus

Operation Briden-Ileus mit Dünndarm-Teilresektion

Postoperative Erfahrungen

Teil 3 Rektoskopie mit Biopsie-Entnahme

Der Befund: Anastomosen-Rezidiv

Transanale Operation des Rezidivs

Postoperative Erlebnisse

Ende gut, alles gut!

Entlassung

Schlusswort 31.Januar 2016

Ich lebe noch

Ich will!

Vorwort

 

Ich schrieb dieses Buch, nachdem vier Jahre, seit Beginn meiner Krebserkrankung verstrichen sind und ich bin überzeugt, die Siegerin in diesem Kampf um Leben und Tod zu sein.

 

Es war ein harter und zäher Kampf, bis ich glaubte, es geschafft zu haben.

 

Beim Schreiben dieses Buches erlebte ich die ganze Tragödie noch einmal und die Schreckensbilder dieses Kampfes holten mich wieder ein.

 

Ich hoffe, dass ich Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, durch meine Zuversicht ein wenig Licht in ihre Dunkelheit bringen kann.

 

Sicher ist nicht jeder Mensch ein Einzelkämpfer wie ich.

 

Mit meinem Buch möchte ich vielen Menschen zeigen, dass man alles schafft, wenn man es nur aus tiefstem Herzen will.

 

Jeder Mensch verfügt über ein enormes Kraftpotential in seinem Inneren.

 

Die Kunst ist nur, die Energie und Ausdauer zu besitzen, dieses Kraftpotential zu aktivieren, um in einer wie von mir durchlebten Phase dies als mächtiges Werkzeug zu benützen.

 

Jenen wiederum, die als gesunde Menschen dieses Buch lesen, möchte ich die Angst vor einer solchen Krankheit etwas nehmen, indem ich ihnen zeige, dass man nie kampflos aufgeben soll und dass es sich lohnt, auch negative Herausforderungen des Lebens anzunehmen und sich ihnen zu stellen.

 

NICHT JEDE HERAUSFORDERUNG MUSS „ KREBS“ HEISSEN!

 

Ich danke dem Universum, das mir sein Licht und seine ganzen Energien zur Verfügung gestellt hat, sodass ich in der Lage war, aus ungeheuren Reserven zu schöpfen.

 

Erika Beck-Herla

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Teil 1: Der erste Schritt – Coloskopie

 

Es ist der 06.April 1993.

 

Nach monatelangen Überlegungen hatte ich mich endlich entschlossen, eine Vorsorgeuntersuchung in Form einer Spiegelung des Dickdarms (Coloskopie) durchführen zu lassen.

 

Stichhaltige Gründe für diese Untersuchung gab es für mich nicht. Lediglich aufgrund des Drängens einer guten Freundin, die schon einige Darmpolypen entfernen lassen musste und aus einer inneren Unruhe heraus, hatte ich nun diesen Schritt eingeleitet.

 

So saß ich nun an diesem 6. April im Wartezimmer einer internistischen Gemeinschaftspraxis und wartete darauf, zur Untersuchung aufgerufen zu werden.

 

Die hierzu erforderliche Vorbereitung bezüglich Darmreinigung hatte ich in den Tagen vorher gewissenhaft durchgeführt. Ich war noch immer im Zweifel, ob es richtig war, diese Untersuchung vornehmen zu lassen, da sie doch auch mit einem gewissen Risiko hinsichtlich einer Durchstoßung der Darmwand verbunden war.

 

Ich hörte wieder in mir die Stimme meines Hausarztes, der mich seit 20 Jahren betreute, als ich um eine Überweisung zum Proktologen bat.

 

Er sagte: „ Du brauchst da wirklich nicht hinzugehen, es ist sicher nichts, du hast kein Blut im Stuhl und keinerlei Schmerzen und Beschwerden. Stell dir vor, welcher Prozedur du dich unterziehen musst, allein bei der Vorbereitung literweise dieses Salzwasser trinken, bekommst nichts zu essen und bist danach noch einen Tag total benommen durch die Verabreichung der Betäubungsspritze.“

 

Hatte er vielleicht doch recht und sollte ich diese Untersuchung vielleicht besser nicht durchführen lassen?

 

Ich nahm zwar regelmäßig in geringer Dosierung ein pflanzliches Abführmittel, da ich von Kindheit an unter chronischer Stuhlverstopfung litt, die mit keinem Naturheil-oder Hausmittel zu beseitigen war. Dadurch hatte ich meinem Darm natürlich gewissen Strapazen ausgesetzt.

 

Aus dem Lautsprecher des Wartezimmers ertönte mein Name und ich wurde aus meinen Gedanken gerissen.

 

Es war so weit!

 

Es begann die übliche Prozedur: Blutabnahme, Ausfüllen eines Fragebogens nach ausführlicher Befragung, Auflisten bisheriger Krankheiten und besonders intensives Abfragen über eventuelle Darmerkrankungen bei Angehörigen.

Bei der anschließenden Kurzbesprechung mit dem Proktologen Dr. W. erklärte dieser unter Zugrundelegung der ihm vorliegenden Fakten (Berichte meines Hausarztes der letzten 20 Jahre, regelmäßige Blutbilder und die Ergebnisse gründlicher und regelmäßiger Untersuchungen):

„Sie haben ja fast einen Freibrief für Gesundheit in der Hand. So wie ich das sehe, ist bei Ihnen alles in Ordnung. Mit dieser Spiegelung wird Ihnen dies sicher bestätigt und Sie können für die nächsten Jahre wieder beruhigt sein.“

 

Ab einem gewissen Alter, ich war damals 54 Jahre alt, sei es jedoch in keinem Fall verkehrt, sich einmal einer solchen Vorsorgeuntersuchung zu unterziehen, meinte er noch.

 

Ich wurde in den Coloskopie-Raum geführt, machte auf Anweisung meine untere Körperhälfte frei und legte mich auf den Behandlungstisch.Dr. W. erklärte mir, dass ich eine leichte Narkose in Form einer Beruhigungsspritze in die Vene bekäme und nichts spüren würde.

 

Er injizierte mir das Betäubungsmittel in die Unterarmvene. Es dauerte nur einige Sekunden bis ich nichts mehr wahrnahm.

 

Plötzlich hörte ich wie in einem tiefen Traum den lauten Ausruf des Arztes:

„Um Gottes Willen, was haben wir denn da, das gibt es doch nicht.“

 

Obwohl betäubt, kam ich kurz zu Bewusstsein, hob den Kopf und blickte auf den Monitor, der in Kopfhöhe stand, um zu sehen, was ihn zu diesem Ausruf veranlasst hatte.

 

Ich hörte mich sagen: „Herr Doktor, was ist denn los?“

 

Er antwortete:“ Sie haben einen sehr großen Polypen.“

 

Ich bat darauf hin: „Bitte machen sie ihn gleich weg.“

 

Er entgegnete:“Der ist zu groß, das kann ich nicht, das muss im Krankenhaus gemacht werden.“

 

Ich verlor dann wieder das Bewusstsein, hörte und spürte nichts mehr.

 

 

Erst viel später, als ich im Aufwachzimmer langsam zu mir kam, dachte ich mir:

Hast du jetzt geträumt? Da war doch etwas mit einem Polypen und Krankenhaus.

 

Ich rief nach der Sprechstundenhilfe und fragte, ob etwas nicht in Ordnung sei, da ich nicht sicher war, ob ich geträumt hatte oder die in mir gespeicherte Information Wirklichkeit war.

 

Sie erklärte mir kurz: „ Der Doktor wird darüber selbst mit ihnen sprechen“ und machte sich schnellstens aus dem Staub.

 

Von diesem Moment an wusste ich zumindest, dass ich nicht geträumt hatte und bekam leichte Angstgefühle.

Endlich wurde ich von meiner Liege losgebunden und auf wackligen Beinen in das Sprechzimmer des Arztes geführt.

 

Mein Mann wartete schon, um mich abzuholen.

 

Als der Arzt kam, machte er ein ernstes Gesicht und informierte mich, es sei ein sehr großer Polyp im Rektum in circa sieben Zentimeter Höhe ab Anus, der aufgrund seiner Verformung schon recht alt sein könnte.

 

Er erklärte, vorerst hierzu nicht mehr sagen zu können, da er den histologischen Befund einer Gewebeprobe abwarten müsse.

 

***

 

Es war genau eine Woche vor Ostern, als diese Coloskopie stattfand und der Arzt bestellte mich dann für Gründonnerstag, 8. April in seine Praxis um mir das Ergebnis der histologischen Untersuchung mitzuteilen. Er beruhigte mich zum Abschied, dass dieser Polyp zwar nicht schön aussehen würde, jedoch nachdem ich weder Schmerzen noch Blutungen hatte, mir vorerst keine Sorgen machen sollte.

 

Ich bat ihn um ein Foto des Polypen, da ich wusste, dass über den Monitor Fotos bei Darmspiegelungen gemacht werden, welches er mir sofort aushändigte.

 

Ich erschrak beim Anblick dieses seltsamen Gebildes, das aussah wie ein Embryo oder ein Pilz mit einer total verformten Kappe und einem sehr dicken, kurzen Stiel.

 

Enttäuscht über das Ergebnis dieser Darmspiegelung verließ ich schließlich die Praxis des Arztes.

 

In meinem Inneren baute sich, vorerst nur leicht spürbar, da ich noch unter der Wirkung der Beruhigungsspritze stand, langsam schleichend eine Wand der Angst auf.

 

Bei der Nachhause Fahrt sprachen mein Mann und ich kein Wort. Jeder hatte Angst, etwas Verkehrtes zu sagen.

 

Ich redete mir ein, dass es vollkommen ausgeschlossen sei, dass dieser Polyp bösartig sein könnte.

 

 

An diesem Abend hielt ich es zu Hause nicht aus, ich musste unter Menschen – nur nicht zu viel denken.

 

Mit zwei guten Freundinnen ging ich zum Essen in ein Restaurant. Natürlich wurde das Ergebnis dieses Tages mit dem schrecklichen Foto Gesprächsthema des Abends. Keine von uns wollte glauben, dass ein negativer Befund ins Haus stehen würde und keine wagte auszusprechen, was letztlich doch im Raum stand.

 

Die erste Nacht nach der Spiegelung! Ich hatte zwei Gläser Wein getrunken in der Überzeugung, tief schlafen zu können.

Voll Angst und Hoffnung schlief ich schließlich ein, die Gefühle hierbei waren 50 zu 50.

 

 

Die wenigen Tage von Dienstag, 6.April bis Gründonnerstag, 8.April, vergingen sehr, sehr langsam.

 

Immer wieder spürte ich diese Unruhe, dieses Angstgefühl im Hintergrund, egal was ich auch tat – auch wenn mein Bewusstsein mir suggerierte, dass wirklich keinerlei Gründe vorliegen würden, die eine Bösartigkeit gerechtfertigt hätten.

 

Diese Unruhe ließ mich nicht mehr los. Immer wieder redete ich mir trotzdem ein, dass ich gesund sei.

 

Das Wort „KREBS“ versuchte ich nicht einmal zu denken, geschweige denn auszusprechen oder mich mit dem entsetzlichen Inhalt dieses Wortes auseinanderzusetzen.

 

 

Mein Nachbar, Professor einer anderen Klinik, dem ich das Foto des Polypen zeigte, wurde beim Betrachten sehr nachdenklich.

 

Er sagte zu mir:“Sieht nicht gut aus. Reden Sie sich nicht zu sehr ein, dass der Befund in Ordnung sein wird. Stellen Sie sich innerlich ein bisschen auch darauf ein, dass das Ergebnis nicht gut sein könnte.

 

Wenn Sie sich jetzt nur positiv beeinflussen, könnten Sie eventuell die Enttäuschung eines negativen Ergebnisses nicht verkraften.

 

Ziehen Sie beide Möglichkeiten in Betracht, dann können Sie sich umso mehr freuen, wenn der Befund gut ausfällt.“

 

O mein Gott, diese Auskunft blockierte mich wieder total.

 

Nun glaube ich, ist es an der Zeit, mich kurz vorzustellen.

 

Ich bin verheiratet und eine sehr temperamentvolle, aufgeschlossene und lebenslustige Frau, Sternzeichen Skorpion, verheiratet und liebe das Leben. Bin 1,72 m groß und schlank, lebe sehr gesund und ernähre mich überwiegend von Salaten, Gemüse und Fisch, bin leidenschaftliche Köchin, habe nie geraucht, trinke aber gern mal ein Glas Wein oder auch zwei.

 

Ich habe unheimlich gerne fröhliche Menschen um mich, mit denen ich reden und lachen kann. Kinder habe ich nicht, aber immer Tiere um mich, einen Hund, zwei bis drei Katzen und Vögel.

 

Ich lebe in einer sehr schönen Stadt Ostbayerns, mag die Natur, lange Spaziergänge, leichten Sport, besonders Schwimmen, Yoga und Bauchtanz.

 

Von Beruf bin ich Psychotherapeutin, liebe diesen Beruf über alles und habe eine eigene kleine Praxis.

Zu meinem Leben gehört eine Mitarbeiterin, sie ist mein Mädchen für Alles, wohnt seit 17 Jahren bei mir und ich liebe sie wie meine eigene Tochter.

 

Ich führte bisher ein schönes erfülltes Leben, in dem Körper, Geist und Seele nicht zu kurz kamen.

 

 

Der Befund

 

Gründonnerstag, 08.04.1993

 

Heute endlich war die Zeit der Anspannung zu Ende. Ich zog mich schick an, war in guter Stimmung und jetzt, als ich mich auf den Weg zum Arzt machte, fest davon überzeugt, dass ich gesund war. Ich hatte mir inzwischen eingeredet, dass es vollkommen unmöglich sei, dass der Befund nicht in Ordnung wäre.

 

Ich freute mich schon auf Ostern, die Sonne schien von einem strahlend blauen Himmel. Überall im Haus hatte ich Osterhasen und Ostersträuße aufgestellt, leckere Sachen für die Feiertage eingekauft, kurz gesagt, ich war schon in Festtagsstimmung.

 

Sekundenlang fragte ich mich, war diese Stimmung echt oder machte ich mir etwas vor? Ich merkte, dass ich sie als echt empfinden wollte.

 

 

In der Arztpraxis herrschte wie immer reges Treiben.

 

Man bat mich, einige Minuten vor dem Sprechzimmer des Dr. W. Platz zu nehmen. Tatsächlich erschien er sofort.

 

Ich ging gut gelaunt auf ihn zu und begrüßte ihn mit den Worten:“ Herr Doktor, sagen Sie mir gleich hier auf dem Flur meinen Befund, ich möchte ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen, denn dieser kann ja nur gut sein.“

 

Der Arzt ging auf meine Bitte nicht ein und bat mich in sein Sprechzimmer. Ich wollte mich nicht setzen und sagte wieder: „Herr Doktor, es ist doch alles o.k., warum soll ich mich setzen, ich gehe gleich wieder.“

 

Daraufhin bat er mich eindringlich und ruhig, endlich Platz zu nehmen.

 

Es wurde totenstill im Raum. Ich sah ihn an, er konnte nichts sagen, sondern blickte nur auf ein weißes Blatt Papier, das vor ihm lag. Es vergingen einige Sekunden – es war noch immer still, ich war wie gelähmt.

 

Dann begann er ganz leise zu sprechen.

 

Er sagte:“ Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, damit Sie nicht in ein zu tiefes Loch fallen.“

 

Ich unterbrach ihn und sagte nur:“ Nein, nein, das gibt es doch nicht – es ist bösartig….“

 

Er sagte nur: „ Ja! Ja, es tut mir unendlich leid, aber ich kann Ihnen nichts anderes sagen – das was hier vor mir liegt, sieht nicht gut aus. Es handelt sich um ein Rektumkarzinom und ist ungünstig zu operieren, da es sich nur sieben Zentimeter oberhalb des Anus befindet.“

 

Ich war wie versteinert, blieb aber trotzdem ruhig.

Es war die Ruhe vor dem großen Sturm. Ich konnte keine Träne hervorbringen und hatte das Gefühl, als hätte ich einen Faustschlag in meinen Solarplexus bekommen. Nacktes Entsetzen packte mich und trotzdem war ich nicht in der Lage, eine Gefühlsregung zu zeigen.

 

Mein Mann hatte einen totalen Zusammenbruch. Er begann laut zu weinen und stammelte immer wieder: „ Nein, nein, nein, warum gerade du, warum gerade du?“

 

Ich war sogar in der Lage, meinen Mann mit den lapidaren Worten zu trösten:“ Es ist doch nicht so schlimm, ich werde das schon schaffen.“