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Geschichten aus einer anderen Welt faszinierten mich schon als kleines Mädchen. Der nahe gelegene Wald mit all seinen Bewohnern, den Elfen, Hexen, Feen, den Wald- und Baumgeistern waren seit frühester Kindheit mein Zuhause. Fantasie und Realität verschmolzen miteinander. So schreibe ich noch immer Geschichten für alle, die sich eine Kinderseele bewahrt haben.

Herzenswärme, Glaube, Hoffnung und Toleranz soll dieses kleine Buch vermitteln und seinen Lesern in schwierigen Lebenssituationen Trost und Zuversicht spenden.

Christel Maria Zwillus

Christel Maria Zwillus

Wer weiß wohin

Man muss der Trauer begegnet sein,
um das Glück zu erkennen

Eine Geschichte vom Anfang
und der Endlichkeit

Vorwort

Kinder scheinen heutzutage alles zu kennen und alles zu wissen. Smartphones und Apps, digitale Wirklichkeiten und ferne Länder, Krisen und Widrigkeiten, Verlockungen, Chancen und Gefahren. Über allgegenwärtige Bildschirme gelangen ungefilterte Informationen und mitunter Desinformationen ins Wohn- oder gar Kinderzimmer. Wir sprechen mit den Kindern über Delfine, Einhörner und Eisbären, Klimaveränderungen und Weltraumforschung, Syrien und Bürgerkriege, über Russland und die Ukraine, Präsidentschaftswahlen im Ausland und die Politik daheim, über Flüchtlinge, Religionen, Extremismus und die Kleider für die neue Puppe oder die Fußballschuhe, die auch vom Idol getragen werden.

Und plötzlich stellt sich die Frage nach dem Fortgang eines geliebten Menschen, der Großmutter oder des Großvaters vielleicht, manchmal gar eines Elternteils. Von Geschwistern oder Freunden. Durch Alter, Krankheit oder Unfall, gar durch Gewalt. Eventuell stirbt auch nur das Haustier, und trotzdem ist die Hilflosigkeit groß. Wir merken in diesen Situationen, wie wenig nicht nur unsere Kinder wissen, sondern auch wie wenig wir in der Lage sind zu erklären. Wir scheuen zurück vor Unaussprechlichem, wir hadern mit dem Unbefriedigenden, wir können Kinder nicht trösten, weil wir mit der eigenen Trauer nicht umzugehen wissen.

Christel Maria Zwillus nimmt uns mit ihrem so kindgerechten wie philosophischen Buch „Wer weiß wohin“ die Scheu vor der großen, der existenziellen Frage. Oma Olga ist gestorben, der kleine Gustav ist traurig, aber er findet Antworten. Bei Penelope, der rosaroten Wolke, die seine Freundin ist. Bei Tara, dem Weltenbaum, bei vielen Tieren, die sich dort zum Gespräch versammeln und zur oft kontroversen Diskussion. Wenn Robert, die Raupe, und Karlo, der Kohlweißling, durch die „Geschichte vom Anfang und der Endlichkeit“ führen, dann begreifen wir alle, dass das Ende nicht final sein muss. Auch Grabert, der Maulwurf, trägt zur Aufklärung über das wahre Wesen des Seins bei, ebenso wie Stanislaus, der Stichling. Sogar Platon taucht am Rande auf.

Die kluge Geschichte der Künstlerin und bewährten Kinderbuchautorin bezaubert durch die einfache Sprache, mit der das große Bild gemalt wird. Alles findet statt auf dem Gelände des Sonnenhofs, in dem kranke Kinder leben, die ebenso wie Oma Olga „bald in eine neue Welt gehen“. Gehört Gustav dazu? Wir wissen es nicht. Aber der Rahmen dieses Kinderhospizes, der melancholisch stimmt, wird überstrahlt, bis die Wehmut schmilzt.

Ob es einen „Kreislauf der Wiedergeburt“ gibt, wie ein Schmetterling erzählt, oder wir die Kraft haben, an ein Leben nach dem Tod zu glauben, ist dabei gar nicht entscheidend. Sondern dass es bei aller Trauer über den irdischen Tod eines Menschen oder eines anderen Lebewesens auch die Hoffnung gibt. Und sie stirbt nicht zuletzt, sondern nie.

Ansgar Graw

Senior Political Correspondent

DIE WELT / WELT am Sonntag / www.weltN24.de

Washington, USA

Widmung

Dieses kleine Buch ist zwei großen Menschen gewidmet: Barbara und Jürgen Schulz in Berlin. Zwei Menschen, die mit Liebe, Hingabe und Fürsorge, nach dem Tod ihres Sohnes Björn, zunächst die KINDERHILFE - Hilfe für leukämie- und tumorkranke Kinder e.V. mit anderen Eltern gegründet haben. Später wurden die Björn-Schulz-Stiftung mit dem Kinderhospiz „Sonnenhof“ in Berlin und weiteren Niederlassungen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt sowie Nachsorgehäuser auf Sylt und am Chiemsee von ihnen ins Leben gerufen.

Es ist ebenso meinem Mann, Norbert Schippel, gewidmet, der mich mit großer Liebe und Geduld durch alle Höhen und Tiefen beim Verfassen des Buches mit Rat und Tat begleitet und unterstützt hat. Danke, Norbert.

Danksagung

Meinen Dank für die Unterstützung möchte ich an dieser Stelle Erika Unger sagen, die mit unendlicher Geduld Kapitel für Kapitel begleitet und zugehört hat, meiner Freundin Dorothea Quella, die mich als meine Seelenverwandte immer wieder bestärkt hat, das Richtige zu tun, meinem Freund Dr. Bodo Wegmann und meiner Nichte Dr. Frauke Buchholz, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen, meiner Freundin Petra Glöckner, die mit aufmunternden Worten zur Stelle war, wenn ich sie brauchte, Günter Karl für seinen großartigen Coverentwurf und seine hilfreichen Tipps, Christine Graw, die mit großer Präzision Korrektur gelesen hat, meinem langjährigen Freund Ansgar Graw für sein einfühlsames Vorwort sowie Matthias Ernst Holzmann für die großartige Zusammenarbeit beim Sprechen und Vertonen des gleichnamigen Hörbuchs.

Allen diesen Menschen gilt mein inniger Dank.

Christel Maria Zwillus

Wer weiß wohin

Es war ein schöner Tag, die Sonne stand hoch am Himmel, als Oma Olga unsere Welt verließ und starb.

Zum Abschied sagte sie zum kleinen Gustav: „Sei nicht traurig, Gustav, ich verlasse jetzt diese Welt und gehe in eine andere, heitere, dorthin, wo schon viele andere Seelen auf mich warten. Und in dieser Welt, kleiner Gustav, werde ich auch auf dich warten, bis du irgendwann dort ankommst und wir uns wiedersehen.“

„Oma Olga, wie heißt diese Welt, und wo ist sie“? fragte Gustav neugierig. Doch Oma Olga antwortete nicht mehr, sie hatte sich schon auf den Weg gemacht.

Gustav dachte nach, er hatte Oma Olga nicht so ganz verstanden. Was meinte sie mit der anderen Welt, die so schön ist, und was waren das für Seelen, die auf Oma Olga warteten?

Gustav hatte so viele Fragen. Aber, da Oma Olga nicht mehr antwortete, gab er ihr zum Abschied einen Kuss und ging zu Tara, dem alten Weltenbaum, denn dort wollte er seine Freundin, die rosarote Wolke Penelope, treffen.

Penelope war seine beste Freundin, sie kannten sich schon lange. Eigentlich wohnte Penelope am Himmel, aber immer wenn Gustav Fragen hatte, die ihm keiner so recht erklären konnte, kam Penelope auf die Erde, und beide trafen sich bei Tara, dem alten Weltenbaum, um dies und das zu besprechen. Sie redeten über die Dinge, die Gustav bewegten, und Penelope beantwortete jede von Gustavs Fragen so, dass er sie verstand und keine Antwort offen blieb.

Als Gustav bei Tara, dem Weltenbaum, ankam, saß Penelope schon auf einem Ast und erwartete ihn. Penelope wusste, dass Gustav traurig war und diesmal ganz besondere Fragen hatte, denn sie kannte die Ungeduld seines Herzens.

Karlo Kohlweißling, der erste Schmetterling im Frühling, war ebenfalls eingetroffen und hatte sich zu Penelope auf den Ast gesetzt. Er wohnte, wie viele andere seiner Artgenossen, auf dem Schmetterlingsbaum im Garten des Sonnenhofs.

Hier tummelten sich jahrein, jahraus viele Schmetterlinge, aber heute war ein ganz besonderer Tag, denn heute wollten sich alle von Nah und Fern auf dem Schmetterlingsbaum im Garten treffen und sich erzählen, was sie hier und dort gesehen, gehört und erlebt hatten.

Der Sonnenhof ist ein wunderschönes Haus, in dem kranke Kinder leben und die, wie Oma Olga, bald in eine neue Welt gehen. Es ist ein Haus des Abschieds, in dem Trauer und Liebe sich zärtlich die Hände reichen und die andere Welt näher und näher kommt.

Gustav hatte Penelope, Tara, den Weltenbaum, und Karlo, den Schmetterling, begrüßt und sich neben Penelope auf den Ast gesetzt.

„Ich hab so viele Fragen, Penelope“.

„Ich weiß, ich weiß - Oma Olga“ sagte sie leise, dabei streichelte sie tröstend über Gustavs Haar.

Robert, die Raupe, die unter der Rinde des Weltenbaumes wohnt, wollte sehen, was los war und lugte vorsichtig um die Ecke. Als sie den Kohlweißling erblickte, begrüßte sie ihn freudig, denn die Raupe konnte es kaum erwarten, selbst ein schöner Schmetterling zu sein.

„Hallo Kohlweißling“! rief sie erfreut

„Ich lebe nur noch kurz in dieser Zeit

Der Übergang ist nicht mehr weit

Dann bin ich auch so schön wie du

Und fliege durch die Lüfte“

„Lass dir Zeit, lass dir Zeit, ein kleiner Weg nur, dann ist es auch für dich soweit….“ Der Schmetterling lächelte und machte sich zum Abflug bereit. Bevor er seine Flügel ausbreitete, rief er der Raupe zu:

„Es ist ein kurzer Weg zur Endlichkeit

Für eine Zeit bist du nur hier

Für eine Zeit bleib ich bei dir

Doch nur für eine kurze Zeit…“

Noch einmal hob er seine Flügel zum Gruß, dann flatterte er davon.

Gustav unterdessen hatte sich ganz fest an Penelope gekuschelt und schaute sie traurig an. „Penelope, zum Abschied hat sie mir gesagt, sie würde in einer anderen, schöneren Welt auf mich warten. Kennst du diese schönere Welt, Penelope?“ fragte Gustav seine Freundin.

„Kennen ist zu viel gesagt, Gustav, aber ab und zu habe ich die eine oder andere Seele schon dorthin begleitet.“

„Gehen alle Seelen irgendwann in eine andere Welt?“ fragte Gustav und versuchte zu verstehen. „Auch die Seelen von Tieren, Blumen und Bäumen?“

„Ja, Gustav, alle Seelen kommen aus einer anderen Welt, und irgendwann gehen die Seelen aller Lebewesen wieder in eine andere Welt. Jedes Lebewesen folgt einer Gesetzmäßigkeit und seiner Bestimmung.“

„Was ist eine Bestimmung, und was ist eine Gesetzmäßigkeit?“ fragte Gustav, der mit Penelopes Erklärung noch nicht viel anfangen konnte.

„Später, Gustav, werde ich dir alles genau erklären, und du wirst erfahren, dass viele Welten im großen Universum nebeneinander existieren und Abschied und Wiedersehen untrennbar miteinander verbunden sind. Und das, Gustav, ist eine Gesetzmäßigkeit. Und eine Gesetzmäßigkeit verbindet alle Lebewesen auf die eine oder andere Weise. Komm, Gustav, lass uns zum Sonnenhof fliegen, dort wirst du noch viel mehr erfahren und besser verstehen“.

Ein leichter Abendwind kam auf und begleitete die beiden zum Garten der gaukelnden Schmetterlinge.