Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© Emons Verlag GmbH // 2015
Alle Rechte vorbehalten
Texte: Marx de Morais
© alle Fotos: Douglas de Morais, Marx de Morais, außer
Kap. 7, 8, 26, 27, 36, 42, 58, 76, 81, 91, 109 Wolfgang Probstmeier; Kap. 60 La Deutsche vita; Kap. 72 Guido Gobino
© Covermotiv: iStockphoto.com/dionisvero
Gestaltung: Emons Verlag
Kartenbasisinformationen aus Openstreetmap, © OpenStreetMap-Mitwirkende, ODbL
ISBN 978-3-86358-923-3
E-Book der gleichnamigen Originalausgabe erschienen im Emons Verlag
Unser Newsletter informiert Sie regelmäßig über Neues von emons:
Kostenlos bestellen unter www.emons-verlag.de
Vorwort
1_Cristo Redentore | Alessandria/Acqui Terme
Die Arche von Acqui Terme
2_Die Quelle la Bollente | Alessandria/Acqui Terme
Die verbrannten Kinder von Acqui Terme
3_Das Wandgemälde | Alessandria/Camagna Monferrato
Das vielleicht längste Wandbild Italiens
4_Die Villa Pastore | Alessandria/Valenza
Das Haus der toten Kinder
5_Die Maison Fournier | Aoste/Antagnod
Die Tatze des letzten Bären von Ayas
6_Die Römischen Brücken | Aoste/Challand-Saint-Victor
Die Eselsbrücken von Vervaz
7_Die Grotte Busserailles | Aoste/Valtournenche
Von Regenbögen in Höhlen und Fabelwesen
8_Das Honighaus | Aoste/Valtournenche
Mou, Imker, Bürgermeister und Wetttrinkkönig
9_Der Biergarten alla piemontese | Asti/Moncalvo
Wie die Piemonteser Trüffel genießen
10_Der Ricetto von Candelo | Biella/Candelo
Die Zuflucht der stolzen Menschen vom Lande
11_Der Cromlech von Cavaglià | Biella/Cavaglià
Das italienische Stonehenge
12_Der Stein der drei Spiele | Biella/Valle Cervo/Campiglia Cervo
Die Spiele der Bergbewohner
13_Das gotische Rosazza | Biella/Valle Cervo/Rosazza
Die okkulte Stadt im Tal der Hirsche
14_Das Monument für Pietro Micca | Biella/Valle Cervo/Sagliano Micca
Der Held der Schlacht von Turin
15_Das Arione | Cuneo
Von Hemingway, Mastroianni und süßen Verführungen
16_Der Bahnhofsleuchtturm | Cuneo
In 80 Tagen bis zum Himmel
17_Bove’s 1929 | Cuneo
Mit »Meat & Coffee« für den Geschmack
18_Der Soleri-Viadukt | Cuneo
Das Wunder über der Stura
19_Das Holocaustdenkmal | Cuneo/Valle Stura/Borgo San Dalmazzo
Jüdische Deportation aus Borgo San Dalmazzo
20_Sant'Anna di Vinadio | Cuneo/Valle Stura/Vinadio
Das höchstgelegene Heiligtum Europas
21_Die Haustüren in Chianale | Cuneo/Valle Varaita/Chianale
Bauregister, genealogische Notizen, Segenswünsche
22_Das Leprosorium | Cuneo/Valle Varaita/Chianale
Der Spendenkasten für die lebenden Toten
23_La Polenteria | Cuneo/Valle Varaita/Chianale
Polenta die Erste, die Zweite und die Dritte
24_Der Prangerstein | Cuneo/Valle Varaita/Venasca
Warum man eine Standpauke hält
25_Die Pinocchiobilder | Cuneo/Vernante
Pinocchios Geschichte an den Wänden von Vernante
26_Der Heilige Berg von Orta | Lago Maggiore/Orta San Giulio
Wie Nietzsche durch Franziskus zu Zarathustra kam
27_Der Koloss San Carlo | Lago Maggiore/San Carlo
Eine Freiheitsstatue für religiöse Zwecke
28_Die Poesiebäume | Langhe/Roero
Die sprechenden Bäume der Langhe und des Roero
29_Die Büste von Pertinax | Langhe und Roero/Alba
Der Imperator aus Alba
30_Die Einaudi-Bibliothek | Langhe und Roero/Dogliani
Das kleine rote Haus am Fluss
31_Die Schellino-Tore | Langhe und Roero/Dogliani
Dogliani und seine einzigartige Architektur
32_Il Torchio | Langhe und Roero/Dogliani
Piemontesisch geht auch anders
33_Die Barolo-Kapelle | Langhe und Roero/La Morra
Konzeptkunst im Weinberg
34_Die Burg von La Morra | Langhe und Roero/La Morra
Die großzügige Spende eines Platzes
35_Gala di Massimo Ferrero | Langhe und Roero/Mango
Das Nougatlabor im Haselnusswald
36_Manzone | Langhe und Roero/Monforte d'Alba
Das Pfarrhaus und sein Wein aus Cinque Terre
37_Podere Ruggeri Corsini | Langhe und Roero/Monforte d'Alba
Den Sowjetkommunisten sei Dank
38_Die Banditen des Roero | Langhe und Roero/Monteu Roero
Warum Francesco Delpero seine Mutter biss
39_Die große Kastanie | Langhe und Roero/Monteu Roero
Alte Bäume und Fossilien
40_Cavaliere und Dindina | Langhe und Roero/Neviglie
Zum Wein und Dinner über den Wolken
41_Die königliche Brücke | Langhe und Roero/Pollenzo
Die maurischen Tore am Tanaro
42_Die Weinbank | Langhe und Roero/Pollenzo
Slow Foods Gedächtnis des italienischen Weins
43_Das Mastroianni-Relief | Langhe und Roero/Sinio
Eine Hommage an den Widerstand
44_Der Abgrund der sieben Brüder | Langhe und Roero/Treiso
Eine Ermahnung an ein gottesfürchtiges Leben
45_Der Pfad der Trüffelsucher | Langhe und Roero/Vezza d'Alba
Auf den Spuren der Trüffel
46_Die Basilica San Gaudenzio | Novara
Die Kirche mit den vielen Geheimnissen
47_Das Taufhaus | Novara
Die Apokalypse von Novara
48_Der Glockenturm | Novara/Galliate
Die frei stehenden Glocken von Galliate
49_Die heilige Agatha | Novara/San Nazzaro Sesia
Die Schändung der Agatha von Catania
50_25 Verde | Turin
Urban Gardening reloaded
51_Aperitivo da Torino | Turin
Was der italienische Abend Turin zu verdanken hat
52_Die Bibliomigra | Turin
Eine multiethnische Mini-Fahrbibliothek
53_Die Bocciofila | Turin
Von spielenden Männern und kochenden Frauen
54_Die Büsten der Dirnen | Turin
Ein Haus vergangener Lust
55_Caffè Fiorio | Turin
Die Erfindung des sozialen Netzwerks
56_Casa Scaccabarozzi | Turin
Eine Scheibe Polenta
57_Die Chiesa del Santo Volto | Turin
Die heilige Sonnenuhr
58_Das Dach der Bauern | Turin
Ein Markt für regionale Produkte
59_Das Dentalmuseum | Turin
Historische Sammlung der Zahnheilkunde
60_La Deutsche vita | Turin
So schön kann Deutschland in Italien sein
61_Das diamantene Plätzchen | Turin
Bestiarium aus Stein, (nicht nur) für Gottes Hunde
62_Die Eis-U-Bahn | Turin
Durch das Parkhaus zum Eishaus
63_Der Erzengel Michael | Turin
Ein vergessenes Meisterwerk
64_Die »ex voti« der La Conslà | Turin
Familiengeschichten
65_Faro della Vittoria | Turin
Ein Leuchtturm für den Sieg
66_FIAT Centro Storico | Turin
Mefistofele – der letzte Rekord des Roten Dämons
67_Der Finger des Kolumbus | Turin
Wie man sich ins Glück reiben kann
68_Der Garten Cisterna | Turin
Eine vergessene Idylle inmitten der Stadt
69_Das gepiercte Haus | Turin
Urbane Küsse
70_Das Ghetto ebraico | Turin
Die Tore zum jüdischen Ghetto
71_Das Grab des Henkers | Turin
Warum man Brot nicht umgedreht über den Tresen reicht
72_Guido Gobino | Turin
Schokolade von Turin into space
73_Das Haus der Fledermäuse | Turin
Alles Spaß, oder nachts werden sie lebendig
74_Die Kanonenkugeln | Turin
Ein Stück Geschichte, das in den Fassaden steckt
75_Luxuriöses Crimea | Turin
Wie man sich eine Lange Weile schön vertreibt
76_Die Madonna del Pilone | Turin
Das Wunder der Lieben Frau vom Stab
77_MAU | Turin
Das Street-Art-Museum
78_Das Mausoleum der Bela Rosin | Turin
Die schöne Rosa, der man keine Ruhe gönnte
79_Das Mausoleum von Tamagno | Turin
Der weiße Turm von Verdis Otello
80_La Monachella | Turin
Pizza aus dem antiken Ofen von Carlina
81_Das Motovelodromo | Turin
Die Formel 1 der 20er Jahre
82_Das Museum Lombroso | Turin
Totenmasken, Mörderschädel und Verbrechen
83_Der olympische Bogen | Turin
Der Weg in die Geisterstadt
84_Die Osteria F. I. A. T. | Turin
Mach schnell und lass dir Zeit dabei
85_Der Palast von Carignano | Turin
Achtung, Indianer auf den Fenstern!
86_Der Palazzo di Levaldigi | Turin
Der Palast des Teufels
87_El Paso Occupato | Turin
Weder Zentrum noch sozial noch Hausbesetzer
88_Pepino | Turin
Das erste Eis am Stiel
89_Das Segeltuch | Turin
Ein italienischer Job auf dem Palavela
90_La Smarrita | Turin
Zum Dinner beim Grafen Cavour
91_Der Stier vom San Carlo | Turin
Wie man sich das Glück ertritt
92_I Tartufi | Turin
Auf Trüffelsuche in der Stadt
93_Die Trattoria del Grappolo | Turin
Piemontesische Küche wie bei Mama
94_Der Turm von SNIA | Turin
Freiheitskampf in der Viskosefabrik
95_Der Torre Valsorda | Turin/Carignano
Der Hexentanzturm von Carignano
96_Das Villagio Leumann | Turin/Collegno
Wie die Fugger, so die Leumanns
97_Der Menhir von Lugnacco | Turin/Lugnacco
Der Fruchtbarkeitsmegalith von Valchiusella
98_Die Festung Fenestrelle | Turin/Val Chisone/Fenestrelle
Die Große Mauer des Piemont
99_Die Eiserne Maske | Turin/Val Chisone/Pinerolo
Der Mann mit der eisernen Maske in Pinerolo
100_Colle del Nivolet | Turin/Valle Orco/Ceresole
Die faschistische Zeitrechnung
101_Das Mohammed-Relief | Turin/Valle Susa e Sangone/Borgone Susa
Der Prophet auf Besuch im Susatal
102_Die Grotte von Lourdes | Turin/Valle Susa e Sangone/Forno di Coazze
Die Berufung, eine Kopie von Lourdes zu bauen
103_Casa de Bartolomei | Turin/Valle Susa e Sangone/Susa
Susas Spuren in Dantes »Göttlicher Komödie«
104_Der Gòrgia-Wasserfall | Turin/Valli di Lanzo/Balme
Der Schlund von Balme
105_Die Teufelsbrücke | Turin/Valli di Lanzo/Lanzo Torinese
Wie Gottes Brücke zu der des Teufels wurde
106_Die Höhle von Pugnetto | Turin/Valli di Lanzo/Mezzenile
Auf der Suche nach dem Weg durch den Berg
107_Das Fresko von Voragno | Turin/Valli di Lanzo/Voragno
Die Reise des Grabtuchs von Turin
108_Piazza Annunziata | Turin/Venaria Reale
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg
109_Tenuta Colombara | Vercelli/Livorno Ferraris
»Papa Riso«
110_Madonna delle Vigne | Vercelli/Trino
Die Partitur des Teufels
111_Factory-Outlets | Zuletzt
Piemont, das Mode-Mekka
Bildteil
Übersichtskarten
111 Orte in Turin und im Piemont, die man gesehen haben muss
emons: Verlag
Über 15.000 Kilometer ging es durch dieses Land. Über längst verlassene Militärpisten in die Hochalpen, zu versteckten Ruinen und abgelegenen Dörfern. Immer wieder in die schönsten Städte und stets durch die großartigen Landschaften des Piemont, des Landes am Fuß der Berge.
Hier ist der Geburtsort Italiens, und als ob es so sein sollte, gibt es alles, was Italien ausmacht. Subtropische Gärten am Lago Maggiore finden ihre Pendants in Ligurien, und die im Licht leuchtende Toskana scheint sich in den mit Wein bepflanzten Hügeln der Langhe zu spiegeln. In den heißen Sommern kann es einem auch manchmal so vorkommen, als weilte man in Kalabrien. Aber dann macht man sich in die Seealpen auf, dorthin, wo die Luft immer klar und die Natur unberührt ist.
Garibaldi, die große Figur der italienischen Vereinigung, sagte einst: »Wenn etwas Italien vereint, dann die Makkaroni.« Aber das Italien danach, das hing an der Tajarin, der typischen Pasta von hier. Wie sehr, das merkt man an Turin. Keine andere Stadt ist so wenig und so viel Italien wie diese. Erst politische Hauptstadt und dann industrielles Zentrum, kamen Menschen aus dem ganzen Land. Sie brachten viel Eigenes mit, aber sie ließen sich vor allem ein auf die Faszination dieser Stadt. So gibt es zwar Menschen von überall, aber »überall« war vorher, das »danach« ist in Herz und Seele pures Turin.
Verwöhnt vom Erfolg, pflegt man Genuss und Kultur; hier suchte man nie das Gewöhnliche. Dieses Buch soll dem Leser zeigen, dass gewöhnliches Reisen hier nahezu unmöglich ist, und Vorfreude auf Entdeckungen machen.
Die Arche von Acqui Terme
weiter
Neben der Santo Volto in Turin ist die »Parrocchia Cristo Redentore«, die Christus-Erlöser-Kirche, eines der herausragenden Symbole modernen Sakralbaus im Piemont. Sie steht in San Defendent, einem vorgelagerten Wohnviertel von Acqui Terme. Angeregt wurde der Bau von Monsignore Livio Maritano, dem 2014 verstorbenen Bischof der Stadt. Die Kirche ist innovativ, wie auch dem Glauben angemessen, und symbolisiert in ihrer Architektur die Himmelfahrt des Erlösers.
Während außen Stahlbeton dominiert, versammelt sich die Gemeinde im Inneren unter einer Schichtholzkonstruktion. Einem Schiffsrumpf nachempfunden, ist der Innenraum eine Anlehnung an die Arche. Wie das Äußere ist auch dies ein Ausdruck des im Glauben verhafteten Architekturkonzepts. Die zurückhaltende Einrichtung unterstützt diese Wirkung, umso mehr mit dem vor einem Lichthof stehenden Altar. Die Jesusfigur darüber ist ungewöhnlich faszinierend und stellt Christus fast jugendlich dar. Zur rechten Seite liegt eine weitere Kapelle, der einzigeTeil, der von dem sonst ganz offenen Innenraum abgetrennt ist – dies aber nicht allzu deutlich, sondern durch Glaswände. Anstatt eines Kirchturms erhebt sich das Kreuz selbst zu diesem. Auf 25 Metern führt es geschwungen aus dem Gebäude heraus und bildet damit das visuelle Zentrum der Umgebung. Dieser ganz eigene Charakter ist Beweis dafür, dass die Mystik des Glaubens in Italien auch im modernen Alltag Platz hat. Die Glocke befindet sich in einem getrennten Turmbau. Dies scheint ja bei den moderneren Kirchenbauten im Piemont schon Tradition zu sein, man denke wieder an San Volto in Turin. Vom traditionellen Dreikönigskonzert im Januar über Lesungen bis hin zu wechselnden Ausstellungen wird die Kirche nicht nur von den 6.000 Gemeindemitgliedern genutzt. Sie ist eine angenehme Abwechslung in der auch sonst schönen, aber doch sehr klassischen Architektur von Acqui Terme.
Info
Adresse 24 Via San Defendente, 15011 Acqui Terme | Anfahrt E70, Ausfahrt Asti Est, dann A33 Ausfahrt Canelli, Straße bis Acqui Terme folgen und rechts halten | Öffnungszeiten Mo–So 10–18 Uhr| Tipp In der Kathedrale der Stadt, Santa Maria Assunta, gibt es ein sehenswertes Triptychon der Madonna del Monserrato. Es wurde 1496 von Barolomeo Bermejo, einem der wichtigsten spanischen Maler des 15. Jahrhunderts, geschaffen. Wer einen flämischen Eindruck hat, liegt nicht falsch. Ungewöhnlich für einen Spanier der damaligen Zeit, war er von dieser Schule maßgeblich beeinflusst.
In der Nähe
Die Quelle la Bollente (1.43 km)
Gala di Massimo Ferrero (25.62 km)
Cavaliere und Dindina (26.85 km)
Der Abgrund der sieben Brüder (28.93 km)
Zur Online-Karte
Zum Kapitelanfang
Zum Text
Die verbrannten Kinder von Acqui Terme
zurück
weiter
Auf dem Marktplatz von Acqui Terme entspringt eine berühmte, schlicht »La Bollente« genannte Quelle. Seit 1879 befindet sie sich in einem kleinen Wassertempel von Giovanni Cerruti. Im eklektischen Stil entworfen, aus weißem Marmor und mit dunklem Becken, bildet dieser heute den Mittelpunkt der Stadt. Am Tag befüllt man hier eine Flasche mit 74,5 Grad Celsius heißem Wasser, am Abend sitzt man um sie herum und hält das Gesicht in den Dampf. Das Wasser fließt durch das Sediment eines alten Urmeeres. Angereichert mit Mineralien und Wirkstoffen, tritt es nach bis zu 70 Jahren an die Oberfläche. Der Schwefelduft der jod- und bromhaltigen Quelle ist gewöhnungsbedürftig, lässt einem aber eine alte Legende wirklicher erscheinen.
Denn das heiße Wasser fließt hier schon weitaus länger. Seit dem Mittelalter bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts ließ man sich dieses Wasser von »Brentau« genannten Trägern nach Hause liefern. Davor kurten hier die Römer und genossen das Bad. Noch weiter zurück sollen es die Griechen gewesen sein: Angezogen von den heißen Thermen, gründeten sie hier eine Kolonie. Ob dies nun der Wahrheit entspricht oder nicht – dieser Legende schließt sich eine weitere an: Es heißt, dass es hier den Brauch einer heidnischen Taufe gab. Im gesamten Piemont hielten sich alte Religionen und Traditionen noch, als das Christentum ringsum schon Fuß fasste. Wahrscheinlich gab es hier bereits im 4. Jahrhundert eine christliche Gemeinde.
Info
Adresse Piazza della Bollente, 15011 Acqui Terme | Anfahrt A26, Ausfahrt Alessandria Sud, dann SS30 bis zum Ziel | Öffnungszeiten immer zugänglich| Tipp Das Piemont ist reich an Thermen, besonders an der Grenze zu Ligurien und in den Seealpen. Interessant ist der Besuch der Terme di Valdieri. Hier kurte seit 1755 das Königshaus und baute sein großflächiges Jagdrevier aus. Viktor Emanuel II. errichtete hier ein noch immer besuchbares Chalet für seine Geliebte und spätere Frau, die »Schöne Rosa«.
Die heidnischen Nachbarn waren am Ritual der Taufe besonders interessiert und wollten es möglichst eindrucksvoll umdeuten. Jedenfalls ahmten sie es hier auf ziemlich spezielle Art und Weise nach: So wird berichtet, dass sie ihre Neugeborenen in die heiße Quelle tauchten; die, welche diese Prozedur überlebten, waren es wert, Acqui Termer zu sein, und wurden stolz in der lokalen Mundart »Sgaientò« (verbrannt) genannt.
In der Nähe
Cristo Redentore (1.43 km)
Gala di Massimo Ferrero (26.85 km)
Cavaliere und Dindina (28.15 km)
Der Abgrund der sieben Brüder (30.19 km)
Zur Online-Karte
Zum Kapitelanfang
Zum Text
Das vielleicht längste Wandbild Italiens
zurück
weiter
Mitten im Monferrato liegt der kleine Ort Camagna. Auf einer Anhöhe, eingerahmt von Weinbergen, Maisfeldern und wilder Natur, sieht man schon von Weitem den Turm der monumentalen Kirche. Man sollte hierher aber auch wegen einer weiteren Attraktion kommen: Kurz nach der Einfahrt in den Ort teilt sich die Straße um die halbrunde Mauer eines Wasserspeichers. War dies lange ein unansehnlicher Platz, strahlt hier seit 1992 eines der größten, wenn nicht das größte Wandgemälde Italiens.
Hausfresken und ähnlicher Fassadenschmuck haben seit jeher Tradition im Piemont, aber nur selten findet man diese noch so lebendig wie hier. In 1.000 Stunden Arbeit von April bis September haben Silvana Berra, Giovanni Cappa und Renzo Rossino auf 91 Metern dieses Werk erschaffen. Der Stadt gestiftet, zeigt es historischen Aufzeichnungen entnommene Gebäude der Gegend und die gegenüberliegende Landschaft fast wie in einem Spiegel. Besonders bei klarem Wetter wirkt dies wie eine optische Täuschung.
Info
Adresse 60 Via dei Martiri, 15030 Camagna | Anfahrt E70 bis Felizzano, dann über SR10 der SP77/50 bis Camagna folgen | Öffnungszeiten nur von außen zu besichtigen| Tipp In dieser Gegend zu sein, ohne den Wein zu entdecken, ist unmöglich. Im benachbarten Vignale Monferrato besucht man zum Auftakt am besten die regionale Enoteca im sehenswerten Palazzo Calori.
Ein Hinweis auf eine kuriose Geschichte Camagnas findet sich fast in der Mitte des Bildes. Hier ist ein großer Stein, der sogenannte »La Culieta«, abgebildet. Heute verschollen, soll er einst stets zwei Tage vor Regenwetter feucht geworden sein. Die Bewohner, so immer vor schlechtem Wetter gewarnt, waren berühmt für die reichste Ernte der Gegend und immer rechtzeitige Lese der Trauben. Vielleicht entdeckt man dieses alte Mittel zur Wettervorhersage ja irgendwann in den Kirchwänden verbaut? Praktisch wäre es, und einer Karriere als erfolgreicher Wetterfrosch stünde nichts mehr im Wege. Ein Besuch des aufwendigen Kirchenbaus lohnt sich in jedem Fall. Die St. Eusebius geweihte Kirche wurde mehrmals umgebaut, zuletzt bis 1890. Auch wenn der Glockenturm der älteste Teil ist, ist die Kuppel der beeindruckendste. Von hier aus hat man einen atemberaubenden Blick auf das umliegende Monferrato.
In der Nähe
Der Biergarten alla piemontese (13.54 km)
Die Villa Pastore (17.76 km)
Madonna delle Vigne (27.56 km)
Tenuta Colombara (33.58 km)
Zur Online-Karte
Zum Kapitelanfang
Zum Text
Das Haus der toten Kinder
zurück
weiter
Auf den Anhöhen über Valenza, zwischen noblen und gepflegten Anwesen, steht die Villa Pastore. Die schmale Straße hinauf, führt rechts, gleich hinter einem Maisfeld, ein fast zugewachsener Weg zu alten Ruinen. Hinter dem rostigen Tor versucht man, sicher durch die Dornen und das Gebüsch zu kommen. Die Türme, Treppen und gebrochenen Mauern dahinter scheinen sich dem Lauf der Zeit entziehen zu wollen. Kalt und feucht, von Fliegen umschwärmt, drängen sie die Natur zur Seite. Noch heute, 130 Jahre nach den letzten Bewohnern, laden sie zum Betreten ein.
Errichtet wurde das Anwesen zwischen 1835 und 45 von Pietro Antonio Pastore. Keine 50 Jahre später flohen die Bewohner plötzlich ohne Rückkehr. Dunkle Mächte sollen es gewesen sein, die erst im Jahr 1873 die zweijährige Tochter Elisa in den Fiebertod trieben, um 10 Jahre später ihren Bruder Giovanni Antonio zu sich zu rufen. An einem stürmischen Abend spielte der kleine Junge in einem der Türme Klavier. Plötzlich brachen die Mauern über dem Kind zusammen und rissen es in den Tod. Im Park findet man einen Obelisken in Erinnerung an das kleine, liebenswerte Mädchen Elisa, errichtet von den zerstörten Eltern. Es heißt, ihr Leichnam ruhe in einem nicht mehr zu findenden Mausoleum. Giovannis Gebeine hingegen sollen in einem geheimen Grab in den mit Wasser vollgelaufenen Kellergewölben liegen.
Info
Adresse Strada Doglia S. Zeno, 15048 Valenza | Anfahrt E70, Ausfahrt Alessandria Ovest, dann Straße bis Valenza, dann in Richtung Grava, dann 1. Ausfahrt aus dem 2. Kreisverkehr, Ziel kurz hinter der Abfahrt Strada Cerruti | Öffnungszeiten immer geöffnet| Tipp In Valenza steht die Kirche Santissima Annunziata, im piemontesischen Barock mit Backsteinfassade gehalten. Unter ihr befindet sich eine Gruft mit den Gebeinen der Nonnen.
Noch heute bringen Besucher Geschenke für die Kinder zum Obelisken. Niemand, der hierherkommt, vergisst, Süßigkeiten und Spielzeug darzubringen – oder Strümpfe, um die unschuldigen Seelen zu wärmen. Um die Zeit ihres Geburtstages soll der Geist von Elisa zwischen den kalten Mauern spielen und in so mancher sturmgepeitschten Nacht das Klavierspiel ihres Bruders erklingen. In den 80er Jahren versuchten neue Besitzer diesen Ort wieder bewohnbar zu machen. Doch auch sie flüchteten nach dem ungeklärten Tod mehrerer Arbeiter.
In der Nähe
Das Wandgemälde (17.76 km)
Der Biergarten alla piemontese (31.23 km)
Cristo Redentore (38.64 km)
Die Quelle la Bollente (38.75 km)
Zur Online-Karte
Zum Kapitelanfang
Zum Text
Die Tatze des letzten Bären von Ayas
zurück
weiter
Im Westen des Ayas-Tals liegt einer der beeindruckendsten Orte Italiens: Antagnod – die Altstadt ein wahres Labyrinth, eine Kirche mit wunderschönen Fenstern. Ein ruhiger Ort, der meist über den Wolken liegt. Hier wähnt man einen direkten Zugang ins Himmelreich. Sich um Sünden zu sorgen ist etwas für die Leute unten im Tal. Hier oben waren die Menschen schon immer Rebellen, geprägt von der Freiheit der Berge. Man denke nur an Caterina di Challant, die hier auf Anweisung des Herzogs von Savoyen gesteinigt werden sollte. Sein Vertreter, der Kastellan, scherte sich aber nicht allzu sehr um die Wünsche seines Herrn und ermöglichte ihr die Flucht.
Die Maison Fournier, ehemals befestigtes Eigentum der Grafen von Challant, gehört zu den schönsten Häusern im Aoste. An einen Balken, unter dem von Stützen getragenen Balkon, ist eine Bärentatze genagelt. Diese erzählt von dem letzten Bären des Ayas: An einem Abend im Winter des Jahres 1782 machte sich Matteo Brunod auf den Weg von Champoluc nach Saint Jacques. Er kämpfte sich durch den immer stärker fallenden Schnee, bis sich ihm unweit von Barrères ein Bär von enormer Größe in den Weg stellte. Ohne Waffen unterwegs – gefährliche Tiere gab es hier eigentlich schon lange nicht mehr –, blieben Matteo nur seine Kraft und sein Mut. Beide standen sich gegenüber, sein Atem raste, bis der Bär sich auf ihn stürzte. Die Pranken auf seinen Schultern, riss der Bär sein Maul auf, um Matteos Kopf zu zermalmen. Gegenwärtig warf dieser sich aber zurück, packte den Bären am Hals und drückte mit solcher Kraft zu, bis der Körper des Tieres tot in den Schnee gezwungen war. Als Zeugnis für diese Begebenheit schnitt er ihm zwei Tatzen ab und nagelte sie an sein Haus in Champoluc. Eine dieser Tatzen findet sich noch heute hier, an der Maison Fournier. Matteo wurde schon bald wegen seiner Kraft »Lo Rey« (»Der König«) genannt und die Maison, Auberge de l'Ours.
Info
Adresse 1 Rue de l’Eglise, 11020 Antagnod | Anfahrt A5, Ausfahrt Verrès, dann der Straße durch das Ayas-Tal bis Corbet folgen, dann links nach Antagnod | Öffnungszeiten nur von außen zu besichtigen| Tipp Der Friedhof neben der Kirche ist einer der höchstgelegenen der Alpen. Auf dem Weg dahin gibt es an den Häuserwänden viele Fresken zu betrachten.
In der Nähe
Das Honighaus (7.96 km)
Die Grotte Busserailles (11.23 km)
Die Römischen Brücken (13.14 km)
Das gotische Rosazza (26.98 km)
Zur Online-Karte
Zum Kapitelanfang
Zum Text
Die Eselsbrücken von Vervaz
zurück
weiter
Wenn es den sprichwörtlichen Ort der Idylle der Berge gibt, den man gesehen haben muss, dann ist es die Gegend um die Ponti Romani. Unweit des Ortsteils Vervaz in Challand-Saint-Victor biegt man rechts in eine kleine Straße, die zum Weg wird, ab. Wenn man ihm etwas weiter folgt, stößt man auf die Ruine eines mittelalterlichen Rustico. Aus dem Eingang windet sich ein Baum, um mit seinem Laubdach eine Art Markise zu bilden. Ein wirklich märchenhafter Anblick.
Dann kehrt man um und hält sich bei nächster Gelegenheit links, hinunter zum Flüsschen Évançon. Ein alter steingepflasterter Weg führt über eine geschwungene Brücke, und eine Abzweigung wendet sich einem Steig über ein kleines Rinnsal zu. Hier mag man an die Geschichte vom störrischen Esel und den Eselsbrücken denken. Ein solcher betritt niemals einen Bach, so klein er auch sein mag und so leicht er ihn auch überwinden könnte. Sicherheit geht nun einmal vor, und so bleibt er sprichwörtlich als »störrischer Esel« stehen. Auch auf Brücken tritt er nicht ohne Weiteres, es sei denn, sie scheinen auf fester Erde gebaut zu sein und vermitteln Sicherheit. Aus diesem Grund wurden im Mittelalter oft zwischen hohen Wänden schmale Steige über kleine Gewässer errichtet. Hier eben über das Bächlein und den Évançon, um von der einen Seite des Tals zur anderen zu führen. Diese Bauweise vermittelte wohl den Eindruck römischer Herkunft, daher der Name »Ponti Romani«. Tatsächlich stammen sie wie das Rustico aus dem Mittelalter.
Info
Adresse 11 Vervaz-Portollaz, 11020 Challand-Saint-Victor | ÖPNV Autobus vom Bahnhof Verrès nach St. Jacques bis Challand-Saint-Victor | Öffnungszeiten nur von außen zu besichtigen, im Winter eventuell nicht bis zum Fluss befahrbar| Tipp Unweit von hier findet sich die Locanda ai Ponti Romani. Nicht exklusiv, aber romantisch, mit ein paar Zimmern und typischer Küche.
Hinter der Brücke findet sich eine Anzahl von Kaskaden im Fluss. Spektakulär, fast zu einem Halbkreis geformt – ein weiterer Höhepunkt bei diesem Ausflug. Man sitzt gelassen auf den Felsen am Ufer bei einem Picknick, genießt die Abgeschiedenheit der Natur, das Rauschen, das Summen und Zwitschern. Hier ist man für sich, und höchstens ein Hirte kreuzt mit seinem Vieh die Brücken, wie in alter Zeit.
In der Nähe
Die Maison Fournier (13.14 km)
Das gotische Rosazza (19.56 km)
Das Honighaus (19.91 km)
Der Stein der drei Spiele (20.67 km)
Zur Online-Karte
Zum Kapitelanfang
Zum Text
Von Regenbögen in Höhlen und Fabelwesen
zurück
weiter
Im Valtournenche auf direktem Weg zum Matterhorn (Cervino) liegen die Höhlen von Busserailles. Noch vor dem Lago Bleu findet sich am linken Wegesrand das Restaurant »Lo Gurfo«. Ein paar Autos können hier parken, oder man wandert von einem der nächstgelegenen Orte hierher. Die Küche ist authentisch und lohnt ein Verweilen, um die regionalen Spezialitäten kennenzulernen. Solchermaßen gestärkt, macht man sich auf, die gleich unterhalb gelegenen Höhlen zu entdecken.
Über eine Brücke gelangt man durch den Abgrund in das Innere der Höhle. Durch den letzten der drei Schlunde, die sich nach oben öffnen, stürzt das Wasser herab, zunächst fünf Meter, um sich dann durch eine weitere Öffnung in einen kleinen Höhlensee zu ergießen. Von hier aus bahnt sich der Marmore – im Sommer Bach, zur Schneeschmelze reißender Fluss – seinen Weg. Empfangen wird der Besucher von ächzendem Grollen und Rauschen. An manchen Tagen spritzt Gischt auf und vernebelt die Luft. Von den Wänden, über Jahrtausende vom Wasserlauf geformt, schauen Gesichter und Sagengestalten auf einen hinab. Geschichten von Riesen und anderen Fabelwesen der Berge kommen einem in den Sinn. Zur Mittagszeit, wenn die Sonne senkrecht durch die Öffnungen scheint, verwandelt sich dieser dunkle Ort auf wundersame Weise: Ein Lichtspektakel, wie es wohl einmalig ist, erzeugt hier tief unter der Erde Regenbögen. Die Schlucht, die sonst eher einer dunklen Katakombe gleicht, wird dann ein Ort der Leichtigkeit und Farben. Im Winter, wenn die Gletscher sich ausbreiten und das Wasser zu frieren beginnt, wird der Abgrund zu einer Eishöhle. Kristalle glitzern, wenn das letzte fließende Wasser sich den Weg durch das Eis sucht.
Info
Adresse Localita' Gouffre des Busserailles 1, 11028 Valtournenche | ÖPNV Autobus vom Bahnhof Chatillon nach Cervinia bis Gouffre des Busserailles | Öffnungszeiten Mo–So 10–18 Uhr, in der Nebensaison anmelden unter Tel. 0039/016692589 oder 0039/3478758310| Tipp Einige Stationen weiter sollte man kurz vor Cervinia am Lago Bleu halten: Im künstlich angelegten azurblauen See spiegelt sich besonders zur späten Nachmittagszeit auf unvergessliche Weise das Matterhorn. Von hier kann man auch bequem bis Cervinia wandern.
Wieder zurück, sollte man nicht versäumen, ins Tal hinabzusteigen. Dort, wo der Fluss wieder ans Tageslicht tritt, kann man die idyllische Anlage umrunden, gerne aber auch im Tal wandern, bis Crepin und darüber hinaus.
In der Nähe
Das Honighaus (5.04 km)
Die Maison Fournier (11.23 km)
Die Römischen Brücken (24.12 km)
Das gotische Rosazza (37.37 km)
Zur Online-Karte
Zum Kapitelanfang
Zum Text
Mou, Imker, Bürgermeister und Wetttrinkkönig
zurück
weiter
Auf dem Weg durch das Valtournenche-Tal kommt man nicht umhin, am Straßenrand ein kleines leuchtend rotes Gebäude in Form eines Bienenkastens wahrzunehmen. Auf dem Rückweg vom Matterhorn und den vielen auf dem Weg liegenden Entdeckungen sollte man hier noch einmal halten. Es bietet sich die Gelegenheit, den eigenen Vorrat an besonderem Honig aufzustocken.